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24 Mai 2024

Bleiben Sie bloß weg!

Nehmen wir mal an, ein in der Hölle ansässiger Impresario bekäme von seinem Chef – also Satan – den Auftrag, eine irdische Großveranstaltung auszuhecken, die für höchstmögliche Fegefeuerqualen bei all jenen sorgt, die das Schicksal dazu verdammt hat, sich in der Nähe aufhalten zu müssen, etwa qua Wohnsitz. Nach langem Brainstorming mit allen verfügbaren Dämonen käme unzweifelhaft nichts anderes dabei heraus als:

der Schlagermove.

Grundsätzlich wäre mir die Veranstaltung so was von unsagbar pimpe, fände Sie – sagen wir – in Castrop-Rauxel, Westerland oder Tschernobyl statt. Leider aber tut sie das überallebenda nicht, sondern stattdessen genau hier, auf St. Pauli. Und zwar am bevorstehenden Wochenende. Diesen Termin hat der Impresario des Teufels dieses Jahr anberaumt.

Das einzig Gute (unglaublich, dass ich dieses Wort in Zusammenhang mit dem Schlagermove auch nur denke) an dieser olfaktorisch, sonisch, zivilisatorisch und ästhetisch völlig inakzeptablen, aber seit Jahren erwiesenermaßen höchst erfolgreichen Massenverblödungsmaßnahme ist nur eins: dass er in den vergangenen siebzehn (in Worten: SIEBZEHN!) Jahren immer wieder Stoff für die Rückseite der Reeperbahn abgeworfen hat, wie Sie dieser Sammlung widerlichster Einträge entnehmen können. 

Sollte Ihnen der Subtext der heutigen Ausführungen bisher entgangen sein, so möchte ich ihn an dieser Stelle zur Sicherheit noch einmal klar und deutlich hervorkehren. Es ist ein Appell. Er lautet:

Bleiben Sie bloß weg. Meiden Sie vor allem weiträumig das Gebiet auf der abgebildeten Karte.
Wenn Sie bereits auf dem Weg nach Hamburg sind, drehen Sie um.
Wo immer Sie wohnen: Dort ist es besser.
Ja, auch in Bitterfeld!

Wenn ich Sie bei meinen Kontrollgängen am Wochenende trotzdem hier anzutreffen das Pech habe, so muss ich leider Maßnahmen ergreifen, die der Impresario aus der Hölle sich auch nach langem Brainstorming mit allen verfügbaren Dämonen nicht besser hätte ausdenken können. Capiche?

Foto: schlagermove.de



13 Juli 2018

Diesmal wird vorab geätzt!

Es ist ja nun wirklich nicht so, dass die Hamburger Stadtreinigung das seit Jahren pünktlich zum Schlagermove anschwellende Jammern und Wehklagen der Kiezbewohner immer noch ignorieren würde. 

Nein, die erwartungsfrohe Phalanx der Klohäuschen, die sie in den vergangenen Tagen an nahezu jeder Ecke von St. Pauli aufstellen ließ (das Foto zeigt die hochmotivierte Einsatztruppe Millerntorplatz), zeugt vom durchaus tapferen Versuch, das Schlimmste wenigstens in Bahnen zu lenken.

Irgendwas aber sagt mir (es ist, genau gesagt, die Erfahrung), dass die so geschmacksamputierte wie schnapsaffine Heuschreckenarmee der Hirnlos-durch-die-Nacht-Dschihadisten, die sich in diesen schicksalhaften Stunden bereits an den leider schon vor Jahrhunderten geschleiften Stadtmauern zusammenrottet, eben jene Klohäuschen aus promilletrüben Augen lediglich verständnislos anglotzen wird. Um sie dann – das wäre immerhin die günstigste denkbare Entwicklung – rülpsend anzupinkeln.

Der hochtoxische Mix aus Alkohol und Schlager nämlich wirkt auf die zivilisatorische Stabilität des deutschen Durchschnittbürgers, der den Schlagermove mehrheitlich bevölkert, wie ein Spritzer Nowitschok auf das Herz-Kreislauf-System von Exspionen. Nur dass der Durchschnittsbürger trotz allem weiterhin in der Lage ist, das erstaunlich breite Sortiment seiner Körperflüssigkeiten wahllos im gesamten Stadtviertel zu exkorporieren. Hauptsache nicht innerhalb von Klohäuschen.

Wahrscheinlich werden Sie Naivchen von außerhalb mich jetzt für einen misanthropischen Pessimisten halten, und das bin ich natürlich auch, aber morgen Abend – das verspreche ich Ihnen – wird alles noch viel schlimmer gekommen sein.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, was ich in der Tat Jahr für Jahr tue: Aber für diese Prognose gibt es handfeste empirische Indizien – und zwar hier, hier, hier, hier und hier. Und hier

Eigene Erfahrungen können in diesem Jahr übrigens erstmals interessierten Stadtbediensteten direkt geschildert werden, und zwar unter folgender „Pipi-Hotline“ (Mopo): 

040-428 28 1000 



15 Juli 2017

Kein Sterbenswörtchen über den Schlagermove

Beim Wettbewerb um die widerlichste regelmäßige Großveranstaltung auf St. Pauli hält der Schlagermove (Archivfoto) seit Jahren konstant eine Spitzenposition unter den Top drei – ästhetisch, musikalisch, sonisch und generell zivilisatorisch. 

Umso großartiger, dass wir ihn dieses Jahr wegen eigener Abwesenheit verpassen, und zwar – vielleicht gibt es ja doch einen Gott – rein zufällig. 

Denn ohne dieses Event aus dem Terminkalender des Teufels überhaupt auf dem Schirm zu haben (das menschliche Gedächtnis versucht ja, die schlimmsten Erinnerungen am schnellsten abzulegen, und zwar im Unterbewusstein unter einem Rubrum namens „Trauma“), buchten wir im Januar arg- und sorglos eine Urlaubsreise. 

Diese startet ausgerechnet am heutigen Sonnabend – also genau an jenem Tag, an dem die im Verlauf der Veranstaltung zuverlässig zu unkontrollierbarer Inkontinenz tendierenden Hossahorden unseren Kiez heimzusuchen planen.

Deshalb habe ich diese Jahr nicht den winzigsten Grund, irgendetwas zu dieser Veranstaltung aus der Vorhölle zu sagen. Wir sind ja nicht da. Ich kann mich jeder Bemerkung enthalten. Kein Wort, nicht das kleinste, wird heuer hier stehen über Miniplimarodeure, Perückenpaviane und „Marmor, Stein und Eisen bricht“-Vomitierer.

Ich kann und werde den Schlagermove 2017 deshalb komplett so was von ignorieren. Er wird diesmal hier auf der Rückseite der Reeperbahn einfach totgeschwiegen.

Und wenn wir wiederkommen, in einer Woche, werden mit Sicherheit sogar die letzten breitflächigen Kotzlachen der vereinigten Helene-Fischer-Chöre längst derart eingetrocknet sein, dass sie uns höchstens noch optisch zu beleidigen vermögen, aber nicht mehr olfaktorisch.

Also wie gesagt: diesmal kein Sterbenswörtchen über den Schlagermove. Denn wir sind nicht da. Hossa!






16 Juli 2016

Dann lieber Todeszone

Neulich stieß ich auf eine super Argumentation, weshalb die Zweiradapokalypse namens Harley Days für uns St. Paulianer erträglicher sei als der Schlagermove. 

Sie ging ungefähr so: Während Motorräder zugegebenermaßen enervierend laut durchs Viertel öttelten, benähme sich der Rest des Ensembles – also die Leute, die draufsitzen – vergleichweise gesittet. 

Beim Schlagermove hingegen sei die Lautstärke – also so was wie „HOSSA!“ mit der Dezibelzahl einer startenden Northrop Black Widow in fünf Meter Entfernung – leider nur eins der Probleme, und nicht das drängendste.

Neben den Augenkrebs verursachenden ästhetischen Begleiterscheinungen dieser in der Verbrechensgeschichte der Menschheit beispiellosen Veranstaltung bietet sie nämlich eine weitere Eigentümlichkeit, die zweifellos alle anderen Unzumutbarkeiten bei Weitem überbrifft.

Teilnehmer des Schlagermoves neigen nämlich kollektiv dazu, sämtliche verfügbaren Körperöffnungen als jederzeit aktivierbare Auswurfvorrichtungen fehlzudeuten. Und an Körperöffnungen, meine Damen und Herren, gibt es einige; da machen sich anatomisch Minderbewanderte, also Nicht-St.-Paulianer, kaum eine Vorstellung von.

Man könnte natürlich sagen: Passt doch inhaltlich perfekt zu dem, was beim Schlagermove den lieben langen Tag aus den Lautsprechern kommt. In Teilen stimme ich dem auch zu, doch während der sonische Auswurf in jenem Moment St. Pauli verlässt, in dem die Mottowagen ihre Stecker ziehen, kontaminiert der biologische erfahrungsgemäß noch tagelang unsere Gehwege, Grünflächen und Hauswände.

Optisch und olfaktorisch macht das unseren Stadtteil erst mal unbewohnbar. In der Todeszone von Tschernobyl ist es – was das angeht – zweifellos angenehmer.

Apropos: Bietet jemand vielleicht zufällig noch heute eine Mitfahrgelegenheit in die Ukraine? Kontaktdaten bitte in den Kommentaren. Wir zahlen gut! 

PS: Vor Jahren habe ich die beiden zweifellos von Psychopathenhirnen erfundenen Veranstaltungen aus der Vorhölle gemeinsam mit Ms. Columbo schon einmal gegeneinander abgewogen, bin also letztlich zu meiner eigenen Überraschung selbst der Urheber der oben geschilderten Argumentation. Den Beweis finden Sie hier.   






04 Juli 2014

Eine Mail aus der Hölle

AN: Kundenzentrum-StPauli@hamburg-mitte.hamburg.de

Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,

ich maile Ihnen aus der Hölle: St. Pauli.

Seit Wochen jagt eine Großveranstaltung die nächste. Sie machen unsere Wochenenden unerträglich, eins nach dem anderen. Erst Motorradgottesdienst, dann Schlagermove, nun drei Tage lang Harley Days. 


Wie ist es möglich, dass z. B. schwere Motorräder offenbar keinerlei Lärmemissionsgrenzen einhalten müssen? Seit heute morgen donnern sie durch unsere Wohnstraße, und das wird bis Sonntag so weiter gehen.

Wie soll man es im Sommer in St. Pauli überhaupt noch aushalten? Wie kann es sein, dass die Stadt Hamburg durch Genehmigungen allsommerlich praktisch die Unbewohnbarkeit eines ganzen Stadtviertels fördert, das als Amüsierviertel eh schon ganzjährig außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt ist?

Für eine Antwort danke ich Ihnen schon vorab. Und fordere hiermit ausdrücklich eine Änderung dieser Politik, im Sinne der Gesundheit aller St. Paulianer.

Mit freundlichen Grüßen
Matt

29 Juni 2013

Pest und Cholera

Noch nie war der Kiez derart vollgepflastert mit Dixiklos wie seit heute Morgen – eine verzweifelte Maßnahme gegen die dank Schlagermove stets explodierende Zahl der Wildpinkler, die unseren Stadtteil jährlich in eine noch größere Kloake verwandeln als sowieso üblich.

Der Effekt ist denn auch sofort deutlich spürbar: Die Hossahamas muss dank der von den Dixiklos verstellten Flächen deutlich länger suchen, bis sie eine freie Hauswand oder Einfahrt zum Wildbepinkeln gefunden hat. Schafft sie aber dann doch (siehe Foto). Denn auch nach der Inhalation von „Blau, blau, blau blüht der Enzian“ scheint das Resthirn dieser Schunkeldschihadisten zumindest die elementaren Körperfunktionen noch so steuern zu können, dass ihre öffentliche Sichtbarkeit sichergestellt ist.

Mit Ms. Columbo diskutiere ich, was weniger schlimmer für St. Pauli ist: Harley Days oder Schlagermove. Wer verliert, muss die Veranstaltung für nächstes Jahr absagen. Oder sagen wir bis 2030. Um das wissenschaftlich sauber zu ermitteln, arbeiten wir gemeinsam eine Liste ab.

Pinkeltechnisch ist die Sache schon mal klar: Hier punkten die Harleyhirnis. Anscheinend suchen sie bei aufkommender Notdurft entweder wirklich öffentliche Toiletten auf, oder sie tragen ordnungsgemäß Urinale unter der Kluft. Denkbar ist auch wasserdichtes Schuhwerk; das würde jedenfalls erklären, warum viele Mitglieder dieser Hubraumhisbollah ihre Lederhosen in die Stiefel stecken.

Jedenfalls gehen die Zweiradzombies erst mal 1:0 in Führung. Olfaktorisch allerdings kacken sie schwer ab. Klar, die Kornfeldkamarilla beginnt zwar im Verlauf der Veranstaltung immer unerträglicher zu müffeln, doch die Bikes haben einfach den erheblich größeren Dunstkreis. Zwischenstand also 1:1.

Kommen wir zur Schallentwicklung. Was ist nervenzerrüttender, fragen wir uns: der kakofonische 170-db-Dauerpegel der „Schmidtchen Schleicher“-Schnulzensalafisten oder das rhythmische Brüllen der Motorradmarodeure? Schweren Herzens muss ich zugeben: Letzteres. Und das bedeutet die vorläufige 2:1-Führung für die „Anita“-Al-Kaida.

Letzter Punkt unserer Liste: die Ästhetik. Die „Mendocino“-Amöben setzten auf grüne Polyesterperücken, Sonnenbrillen in Herzchenform und bis in den Schritt ihrer pinken Schlaghosen hinunterlappende Plastikblumenhalsketten, während die ergrauten PS-Pestbeulen auf den Liebreiz von Jeansjackentattoos und meterbreiten Nietengürteln über den Frührentnerwampen vertrauen. Und damit fügen die Auspuffpissnelken den Augen unschuldiger Opfer doch etwas weniger Schaden zu als die „Guildo hat euch lieb“-Guerilla.

Das Ergebnis ist also ein klares 2:2. Was laut selbsterlassenem Regelwerk bedeutet: Wir müssen bis auf weiteres beide Veranstaltungen ausfallen lassen. Tja.

12 Juli 2009

Der Schlagermove ist überall

Dank einer Wochenendreise verpassten wir zuletzt schon die Harley Days, und jetzt entgeht uns aus dem gleichen Grund auch noch der Schlagermove – was sind wir bloß für Menschen …!

Bevor der Kiez von Myriaden sich die Kante gebender Halbirrer mit strassbesetzten Riesensonnenbrillen in Herzform und rosa Minipliperücken heimgesucht wird (der sog. „Hossa-Hamas“), müssen penible Vorbereitungen getroffen werden – ähnlich wie im Film „Mars Attacks!“.

Wir leben nicht im Erdgeschoss, das Verrammeln von Fenstern entfällt daher. Die Fahrräder aber werden hochgeholt, und hätten wir einen Vorgarten, wir brächten auch ihn in Sicherheit.

Trotz aller Präventionsmaßnahmen fahren wir nur halbwegs beruhigt nach Marburg. Dort allerdings geraten wir in etwas Schlagermoveadäquates: das Stadtfest namens „3TM“ („3 Tage Marburg“). Halb Hessen ist hier, und die meisten sind 20 Jahre jünger als wir.

Das alles aber wird mühelos aufgewogen durch die Film-noir-hafte Lage und Ausstattung unseres Hotels. Nichts in unserem Zimmer und Bad ist jünger als 40 Jahre, der Drehregler für die Klobelüftung unterliegt mit Sicherheit dem gleichen Denkmalschutz wie die Fachwerkhäuser in der Oberstadt, und über die Leuchtreklame vor unserem Fenster (Foto) hätte James Cagney Tränen der Rührung geweint.

Hoffentlich kann ich trotzdem schlafen wie Bogart in „The big Sleep“. (Ähm, hat er überhaupt je geschlafen in irgendeinem Film?)

05 Juli 2008

Im Kampf mit Zombieanwärtern

Ich komme nicht mehr nach Hause, der Weg ist versperrt. Mit Fahrrad und Sporttasche stehe ich eingangs der Reeperbahn (Pfeil oben rechts) ratlos vor abertausenden Irren in Schlaghosen, die einer Parade von Mottowagen zuprosten.

Aus den Wagen explodiert unsagbarer Schallterror, es lassen sich Wortfetzen wie „Mendocino“ identifizieren. Schlagermove! Das ist etwa so, als nähme man die Harley Days, potenzierte sie, verdoppelte das Ergebnis und wäre nicht mal nah dran.

Es ist Nachmittag, noch haben sich diese Leute nicht restlos weggeballert, noch können sie stehen, gehen und grölen, auch wenn sie bereits hunderte von Flaschen zertrümmert haben und bisweilen mit Chihuahuasandälchen durch die Scherben waten.

Diese brodelnde Wand aus inszenierter und längst komplett ironieloser Euphorie muss ich durchbrechen, denn ich komme vom Training, bin knülle und will nix weiter als nach Hause. Doch wie? Ich entschließe mich zur Methode Bulldozer: Rein ins Getümmel und stur Kurs halten.

Rechts ramme ich einem rosahemdigen Typen mit sombrerogroßer Gimmicksonnenbrille ein Pedal ins Kniegelenk, links bekommt eine Blondine, die aussieht wie Miss Piggy auf Speed, meinen Lenker in die Rippen. Doch alles nützt nichts, ich komme kaum vorwärts.

Selbst wenn ich vorstieße bis zur Straße, gälte es immer noch die „Mendocino“-brüllenden Mottowagen zu überwinden, und es gibt Dinge, die kann ein einzelner Mann mit Sporttasche nicht schaffen, dafür bräuchte er schon eine Bazooka. Was also tun?

Erst nach längerem Grübeln fällt mir die Lösung ein: Ich muss runter zur U-Bahn und durch den gegenüberliegenden Ausgang wieder raus. So kann ich die massierten feindlichen Linien subterran austricksen. Also wieder zurück und durch rammdösig grinsende Papierschlangenträger mit ausgeprägter Unlust, den Weg frei zu machen, hindurch zur Treppe.

Wie ich mich durch den übervölkerten U-Bahnhof kämpfe, wie lange es dauert und wie viele „Hossa!“ kreischende Zombieanwärter mir flaschenschlenkernd entschieden zu nahe kommen: Schwamm drüber. Es funktioniert jedenfalls, erschöpft rette ich mich in Ms. Columbos Arme.

„Was sind das bloß für Menschen?“, stöhne ich rhetorisch.
„Wahrscheinlich sind welche dabei, von denen man es nie gedacht hätte“, sagt sie.
„Ja, wie bei Serienkillern“, antworte ich.
Er hat immer so nett gegrüßt“, zitiert Ms. Columbo einschlägige Zeugenaussagen.
„Genau“, bestätige ich, „und heute torkelt er mit pinker Perücke besoffen über die Reeperbahn und brüllt beim schniedelschwingenden Wildpinkeln humpahumpatäterä. Man kann einfach nicht reinschauen in die Menschen.“

Gerade als ich das hier schreibe, schält sich ein einzelner Laut aus dem noch immer durch die offene Balkontür hereinbrandenden Schallterror aus Schreien, scheußlicher Musik und Polizeisirenen. Es ist ein Rülpser. Er bringt alles auf den Punkt.

Wie gern tauschte ich ihn ein gegen das sonore Geöttel einer Harley Davidson
.

08 Juli 2007

Angriff der Hossa-Hamas

Der Traum ging so: Tagsüber sollte es niagaraartig schütten und die Spaßterroristen des Schlagermove vom Kiez spülen; abends dann würde es plötzlich aufklaren, so dass wir uns unter linden Bedingungen dem größten Konzert aller Zeiten widmen könnten, nämlich „Live Earth“ im Volksparkstadion.

Zunächst lief alles nach Plan. Es goss, als stünde Noah persönlich an den Schleusen. Ms. Columbo und ich frohlockten, während das vom Spielbudenplatz herüberwehende „Griechischer Wein“ übertönt wurde vom infernalischen Pladdern der Sintflut.

Das anschließende Aufklaren verfolgten wir bang, nahmen aber gegen 15:26 Uhr das göttliche Geschenk eines anständigen Gewitters gerne an.

Komischerweise schien den Veranstaltern ein Abbruch des Schlagermoves gleichwohl keine Option. Und dann wurde es um kurz nach 4 auch noch empörend trocken; nur die von Westen heraneilenden Wolkenwände ließen die Hoffnung leben.

Und siehe da: Um 16:55 zog irgendwo dort droben jemand erneut den ganz großen Stöpsel raus. Yippie! 17:35 aber ein ernster Rückschlag. Kurz bevor John Denvers „Country roads“ die Scheiben der Sexshops zum Klirren brachte, kam gar die verdammte Sonne raus.

Andererseits nahte auch unserer „Live Earth“-Besuch, und ein minutengenaues Timing kann man selbst Petrus nicht abverlangen. Wir brachen also auf. Ich schlug vor, über die Reeperbahn zur S-Bahn zu gehen, um einen angeekelten Blick auf die durchgeknallte Hossa-Hamas zu werfen. Doch erwies sich das als die schlechteste Idee, seit ich damals in Belgrad den falschen Zug bestiegen hatte und dies erst acht Stunden später bemerkte: an der Endstation.

Wir hingen nämlich sofort fest zwischen Massen lallender Rosaperückenträger, während auf der Reeperbahn Themenwagen entlangkrochen, die uns mit gefühlten zwanzigtausend Watt „Fremder Mann“ in alle Körperöffnungen pressten.

Endlich bei „Live Earth“. Der zweite Teil des Traum wurde einschränkungslos wahr: Es blieb trocken. Das Stadion aber gähnte vor Leere. In den Umbaupausen lief auf der Leinwand das Schwesterfestival in London, was uns schmerzlich bewusst machte, mit welchem Mittelmaß wir abgespeist wurden.

Hier Revolverheld – dort Duran Duran. Hier Juli – dort Metallica. Hmpf. Immerhin interpretierte Juli-Sängerin Eva Briegel die herbstlichen Temperaturen ganz und gar Gore-gemäß: „Es ist kälter geworden“, freute sie sich über ein wichtiges globales Ziel der Megaveranstaltung, „es wirkt schon!“

Das erklärt übrigens auch meine Aufmachung auf dem Foto.