05 Juli 2008

Im Kampf mit Zombieanwärtern

Ich komme nicht mehr nach Hause, der Weg ist versperrt. Mit Fahrrad und Sporttasche stehe ich eingangs der Reeperbahn (Pfeil oben rechts) ratlos vor abertausenden Irren in Schlaghosen, die einer Parade von Mottowagen zuprosten.

Aus den Wagen explodiert unsagbarer Schallterror, es lassen sich Wortfetzen wie „Mendocino“ identifizieren. Schlagermove! Das ist etwa so, als nähme man die Harley Days, potenzierte sie, verdoppelte das Ergebnis und wäre nicht mal nah dran.

Es ist Nachmittag, noch haben sich diese Leute nicht restlos weggeballert, noch können sie stehen, gehen und grölen, auch wenn sie bereits hunderte von Flaschen zertrümmert haben und bisweilen mit Chihuahuasandälchen durch die Scherben waten.

Diese brodelnde Wand aus inszenierter und längst komplett ironieloser Euphorie muss ich durchbrechen, denn ich komme vom Training, bin knülle und will nix weiter als nach Hause. Doch wie? Ich entschließe mich zur Methode Bulldozer: Rein ins Getümmel und stur Kurs halten.

Rechts ramme ich einem rosahemdigen Typen mit sombrerogroßer Gimmicksonnenbrille ein Pedal ins Kniegelenk, links bekommt eine Blondine, die aussieht wie Miss Piggy auf Speed, meinen Lenker in die Rippen. Doch alles nützt nichts, ich komme kaum vorwärts.

Selbst wenn ich vorstieße bis zur Straße, gälte es immer noch die „Mendocino“-brüllenden Mottowagen zu überwinden, und es gibt Dinge, die kann ein einzelner Mann mit Sporttasche nicht schaffen, dafür bräuchte er schon eine Bazooka. Was also tun?

Erst nach längerem Grübeln fällt mir die Lösung ein: Ich muss runter zur U-Bahn und durch den gegenüberliegenden Ausgang wieder raus. So kann ich die massierten feindlichen Linien subterran austricksen. Also wieder zurück und durch rammdösig grinsende Papierschlangenträger mit ausgeprägter Unlust, den Weg frei zu machen, hindurch zur Treppe.

Wie ich mich durch den übervölkerten U-Bahnhof kämpfe, wie lange es dauert und wie viele „Hossa!“ kreischende Zombieanwärter mir flaschenschlenkernd entschieden zu nahe kommen: Schwamm drüber. Es funktioniert jedenfalls, erschöpft rette ich mich in Ms. Columbos Arme.

„Was sind das bloß für Menschen?“, stöhne ich rhetorisch.
„Wahrscheinlich sind welche dabei, von denen man es nie gedacht hätte“, sagt sie.
„Ja, wie bei Serienkillern“, antworte ich.
Er hat immer so nett gegrüßt“, zitiert Ms. Columbo einschlägige Zeugenaussagen.
„Genau“, bestätige ich, „und heute torkelt er mit pinker Perücke besoffen über die Reeperbahn und brüllt beim schniedelschwingenden Wildpinkeln humpahumpatäterä. Man kann einfach nicht reinschauen in die Menschen.“

Gerade als ich das hier schreibe, schält sich ein einzelner Laut aus dem noch immer durch die offene Balkontür hereinbrandenden Schallterror aus Schreien, scheußlicher Musik und Polizeisirenen. Es ist ein Rülpser. Er bringt alles auf den Punkt.

Wie gern tauschte ich ihn ein gegen das sonore Geöttel einer Harley Davidson
.

5 Kommentare:

  1. Ja, es war furchtbar heute. So furchtbar, daß meine ganzen Truppen heute auch keinesfalls mehr einen Fuß vor die Tür setzen wollten.

    Mir erging es kaum besser.

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  2. es ist ein trauriges schauspiel, leider kein lautloses. am schlimmsten sind die mit den orangen jägermeisterhüten, immerhin warnfarben...

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  3. watt bin ich froh, das ich nicht in der Stadt war....

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  4. wieso bist du nach dem training knülle? nicht das was falsches hier über den Sender geht. Was versteht man denn in HH unter knülle?
    oder ist das wieder so ein Mattstyle? grins.

    Knülle = volltrunken, oder wie jetzt?

    Beim letzten Schlagermove hier in H waren über 100000 Mutanten und tanzten zu musik zu der man nicht mal seinen Erzfeind verprügeln möchte.

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  5. Ich hatte schon letztes Jahr darüber geklagt und eine Wiederholung befürchtet.
    Da haben wir den Salat.

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