Posts mit dem Label penny werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label penny werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

06 April 2021

Neues aus St. Pauli (vor allem Kulturelles)

1. Die Kiezfirma Film Fatal, deren höchst unterhaltsame Webserie „Freelancers“ hier im Dezember über den grünen Klee gelobt wurde, hat was Neues in der Mache: den einstündigen Spielfilm „Theater Reeperbahn“ über eine obdachlose Schauspielerin auf St. Pauli. Das Werk ist schon abgedreht, braucht für den letzten Schliff aber noch ein wenig Kohle, beschaffbar der Einfachheit halber über die Crowdfunding-Plattform Startnext. Hier ein paar offizielle Zeilen zum Inhalt:

„Die obdachlose und alkoholkranke Schauspielerin Ewa (Elga Schütz) wünscht sich nichts mehr, als wieder auf der Bühne zu stehen. Tagsüber sammelt sie Pfandflaschen, nachts schleicht sie sich in ihr ehemaliges Theater, um dort in Erinnerungen an ihre alten Bühnentage zu schwelgen. Doch die neue Direktorin (Laura Ehrich) schöpft Verdacht und ist ihr auf den Fersen. Als Ewa den filmverrückten Matz (Nils van der Horst) trifft, sieht es so aus, als könnte sich ihr Leben doch noch mal ändern. THEATER REEPERBAHN ist ein Film über die oft fragile Lebenssituation von Künstlern und Kulturschaffenden in Deutschland, die besonders krisenanfällig sind, wie auch die Coronapandemie sehr deutlich gemacht hat. Für Arthouse-Lover, Schwarz-Weiß-Verehrer und St.-Pauli-Film-Fans.“
Je nach Unterstützungsbetrag landet man zum Dank sogar im Abspann des Films – die höchst seltene Chance also für jedermann und -frau, auf denkbar einfachste Weise selbst in die Geschichte des Kinos einzugehen, ohne den entbehrungsreichen Weg eines Brad Pitt absolvieren zu müssen. (Foto: Film Fatal)

2.
Mein Blogtext zum Penny-Laden auf der Reeperbahn hat es ins Stadtteilblatt Der St. Paulianer geschafft und damit gewissermaßen ins richtige Leben. In die Zeitschrift kann man natürlich wiederum online reinschauen, und zwar hier.

3. Heute sah ich – sollte ich sagen: endlich? – mal wieder ein Kondom, das auf dem Gehweg am Spielbudenplatz nach Erfüllung seiner Pflicht erschöpft herumlag. Mir wurde fast ein wenig nostalgisch zumute.


Update 06.04.2021, 20.30 Uhr: Die Abspannplätze im Film „Theater Reeperbahn“ sind inzwischen ausgebucht. Unterstützen kann man das Projekt aber natürlich weiter.




23 Februar 2021

Wie ich mal Albert Einstein bestätigte

Gestern bei Penny an der Reeperbahn versuchte ich wie üblich kontaktlos zu zahlen und hielt meine Karte vors Lesegerät. Es piepte empört. Die Kassiererin schaute irgendwo ins Nirgendwo und sagte: „Falsche Karte.“

Jetzt sah ich es auch: Auf dem Display stand in Großbuchstaben „FALSCHE KARTE“. Aber an meiner Karte, sehr verehrtes Penny-Kartenlesegerät, ist ganz und gar nichts falsch! Es ist meine sturmerprobte Haspa-Girocard. Sie tut immer klag- und seit längerer Zeit gar kontaktlos ihren Dienst.

Die Kassiererin schaute weiter desinteressiert und überließ mir das weitere Vorgehen. Mir fiel Albert Einsteins Definition von Wahnsinn ein: „immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“. Also hielt ich die Karte noch einmal vor die magisch-magnetische RFID-Fläche, und siehe da, diesmal klappte es. Aus der falschen Karte war unversehens die richtige geworden. Einstein war bestätigt. Mein Wahnsinn ebenfalls. 

„Treuepunkte?“, murmelte die ins Nirgendwo blickende Kassiererin hinter ihrer Maske. „Nein“, sagte ich und ergänzte im Bestreben, sie und die ganze Situation ein wenig aufzuheitern, „ich bin nur meiner Frau treu.“ Sie schaute nicht mal hoch. „Kassenzettel?“ „Ja, bitte.“ 

Wie wir aus einem unlängst hier veröffentlichten und reich bebilderten Blogtext wissen, hat sich der besagte Penny-Laden auf der Reeperbahn vor Kurzem äußerst rotlichtkompatibel aufgehübscht. Aber was nützt es, uns per Neonleuchte mit einem kobernden „Komm knabbern“ zu umsäuseln, wenn es dem Personal an jedweder Milieukompatibilität gebricht? 

Denn mal ehrlich: Mit Schmallippigkeit, Desinteresse und einem Blick ins Nirgendwo hat in der Davidstraße noch keine Bordsteinschwalbe je einen Wurm aufgepickt. Es sei denn einen, der genau auf so was steht. 

Ich gehöre nicht dazu.


13 Januar 2021

Puffs haben zu, aber es gibt ja Penny

2007 lief auf Spiegel TV eine Reportage über die Penny-Filiale auf der Reeperbahn, die zum medialen Dauerbrenner geworden ist, nicht nur im Fernsehen, wo sie immer und immer wieder läuft, sondern auch im Internet. Auf YouTube etwa haben die mundgerecht portionierten 25-Minuten-Häppchen des abendfüllenden Films kumuliert zig Millionen Zugriffe.


Die Faszination dieser Reportage liegt natürlich an den Figuren, die sie vorstellt. Es sind vor allem Arme und Armselige, Gestrandete und Obdachlose, Verhaltensauf- und -ausfällige aus den lichtlosen Ecken des Biotops St. Pauli – und typischen Mittelschichtlern (wie uns) liefert der Film die kostenlose Gelegenheit, sich diesen Menschen mit einer Mischung aus Grusel, Mitleid und Empathie zu widmen. Wir dürfen uns kopfschüttelnd fragen, wie man so leben und überleben kann, mitten in Deutschland, mitten in der Ersten Welt. Und wir dürfen uns gut fühlen, weil wir bei manchen dieser Drop-outs das wärmende Bedürfnis verspüren, sie zu knuddeln (sofern sie nicht allzu streng riechen).

Man kann nur hoffen, dass die Macher dieser Reportage damals, vor vierzehn Jahren, von allen Porträtierten und Vorgeführten ordnungsgemäß Einwilligungen zur Ausstrahlung eingeholt haben – und dass alle Porträtierten und Vorgeführten sich wenigstens halbwegs darüber im Klaren waren, was diese Einwilligung für sie und ihr künftiges Leben bedeuten würde. Nämlich wenig Gutes.

Einige von ihnen wird man wohl nicht mehr danach fragen können. Für die schon damals (auch von uns) gut frequentierte Penny-Filiale auf der Reeperbahn aber war diese – wie nennt man das heutzutage? – „Kultreportage“ ein Segen ohnegleichen. Sie wurde zum Touristenmagneten, wie der Michel oder die Elbphilharmonie: Komm, lass uns vorm Musical noch mal rüber zu Penny, Kiezfreaks gucken!

Das ist natürlich auch der Marketingabteilung des Discounters irgendwann aufgefallen. Und sie beschloss, diesem unverhofften Nimbus auch endlich konzeptuell gerecht zu werden. Statt die Billigwaren weiter lieblos in Kisten und Kästen zu kübeln, weil es dem armen und armseligen Stammpublikum natürlich null auf die Optik, sondern nur auf den Tiefstpreis ankommt, hat man den Laden jetzt großzügig aufgehübscht – und weil die Touristen (wenn sie denn wieder kommen dürfen) nun mal wegen des Rotlichtflairs über die Reeperbahn pilgern, besorgt es ihnen Penny jetzt aber mal so richtig.

Denn die Filiale ist zur blitzsauberen Hölle aus schlüpfrigen Kalauern geworden, mit Olivia Jones als Testimonial, klar. Ich weiß nicht, welche Hafencityagentur sich hier austoben durfte, aber ich sehe sie vor mir, die coolen Kreativen in ihren Rollkragenpullis (Klischee, ich weiß), wie sie sich juchzend auf die Schenkel klopfen, als ihnen als Name für die Metzgertheke „Frischfleisch“ einfiel oder „Heiße Teile“ für Brot und Brötchen. So geht das Gang für Gang, Regal für Regal – siehe unten. Die Puffs haben zu, aber Penny nicht.

Und wem haben wir diesen neonbunten Overkill aus den abgedroschensten Kiezkalauern seit Erfindung des Koberns zu verdanken? Den Armen und Armseligen, Gestrandeten und Obdachlosen, Verhaltensauf- und -ausfälligen von 2007, damals von Spiegel TV hervorgezerrt aus den lichtlosen Ecken des Biotops St. Pauli und seither ausgestellt im Fernsehen und im Netz.

Zig Millionen YouTube-Klicks! Ich meine: Wer so was nicht irgendwann monetarisieren will, der hat auf dem Kiez nun mal nichts verloren. Nur der Kiez selbst hat fast alles verloren, nicht nur dank Corona. Alles hier auf St. Pauli scheint inzwischen nur noch die folkloristische Widerspiegelung dessen zu sein, was einst mal ein echtes Rotlichtviertel war.

Und nichts verkörpert das brutaler, schonungsloser als die neu gestaltete Penny-Filiale auf der Reeperbahn.

Update 04.12.2021: Spiegel TV hat Penny schon wieder thematisiert.















07 Mai 2018

Was mir heute den Tag gerettet hat

Eine nur für Nichteingeweihte kryptische Kürzest-SMS des Franken (sie bestand nur aus dem Wort „Penny“) bewog mich heute, sofort den gleichnamigen Supermarkt an der Reeperbahn aufzusuchen, um dort rücksichtslos durch die zu Sonderpreisen angebotenen Bestände meiner Lieblingsschokolade zu marodieren. Ich hatte die Botschaft des Franken also richtig gedeutet.

Auf dem Weg zu Penny, nämlich an der Fußgängerampel eingangs der Silbersackstraße, gingen zwei junge Frauen an mir vorüber, die wohl noch nicht einmal die Marke von 20 Lenzen erreicht hatten. Sie unterhielten sich miteinander über irgendetwas, das ich nicht verstand, doch auf einmal wehte ein kleines Satzfragment zu mir herüber, das mir nicht nur den Tag rettete, sondern möglicherweise – das wird sich noch herausstellen – auch den Glauben an diese ganze Generation zurückzugeben in der Lage ist.

Das Satzfragment lautete: „Im Herbst letzten Jahres …“ 

Im Herbst letzten Jahres … Wie wunderbar. Diesen reinen, unverfälschten, mit liebreizender Nonchalance in den sommerlichen Kieznachmittag geflöteten Genitiv hätte ich von zwei jungen Frauen von nicht einmal 20 Lenzen, die im Jahr 2018 über die Reeperbahn schlendern, keinesfalls erwartet. Und das beschämt mich, wie ich zugeben muss.

Bei Penny erwischte ich dann übrigens nur noch Restbestände meiner Lieblingsschokolade, doch diese schmale Ausbeute vermochte den genitivüberstrahlten Kiezsommertag natürlich nicht im Geringsten zu beeinträchtigen.

Meine letzte Kürzest-SMS an den Franken lautete übrigens „Edeka“.

PS: Die „Frankensaga – Vollfettstufe“ gibt es als E-Book hier. Nur für den Fall, dass ich Sie – hüstel – noch niemals darauf hingewiesen habe.

04 April 2017

Die beste Show der Reeperbahn ist kostenlos

Die Penny-Filiale auf der Reeperbahn darf seit einigen Jahren nicht mehr an sieben Tagen die Woche ihren Betrieb am Laufen halten, sondern muss leider sonntags dicht bleiben. 

(Ob sich für diese Zwangsmaßnahme die Gewerkschaften oder die Kirche dereinst vor ihrem Schöpfer verantworten müssen, ist mir entfallen. Wahrscheinlich war es eine Koalition der beiden.) 

Jetzt halt nur noch von Montag bis Samstag läuft dort jedenfalls die beste Show auf dem Kiez, und sie ist auch noch kostenlos. Es ist eine Freakshow, und je später der Abend, desto freakiger. 

Zum durch die Gänge defilierenden Kundenensemble gehören Teenies mit verschmiertem Lippenstift, Plappertransen aus der Schmuckstraße, tätowierte Testosteronsammelstellen mit dem Willen zum Billigbier, eher nicht nach Hermès duftende Pfandflaschenzausel, gegelte Hugo-Boss-Typen mit zu engen Kurzsakkos, teigige Prolls in Schnellfickerhosen, die Dicke von nebenan, ältere türkische Herren auf dem Weg zum Kültürverein oder der heimlich Avocados (zer)drückende Hausmann.

Alle sind sie da. Und alle treffen sich spätestens in den zuverlässig langen Schlangen vor den Kassen. Selbst die Leute, die in dieser Penny-Filiale arbeiten, sind bisweilen eher … nun ja, ungewöhnlich. Keine Ahnung, ob sie speziell dahingehend gecastet wurden oder sich im Lauf der Zeit allmählich – Penny-Jahre sind Hundejahre, meine Damen und Herren! – ihrer Klientel annäherten. 

Man darf dabei eins nie vergessen: Jeder, der diesen Laden betritt, wird unweigerlich selbst Bestandteil der Freakshow, ob er will oder nicht. Doch was immer man tut, wie immer man sich verhält, keinen hier kümmert’s auch nur die Bohne – selbst wenn man 30 Tafeln Schokolade auf einmal zunächst aufs Transportband und wenig später in eine Eastpak-Umhängetasche kübelt, nur weil der Einzelpreis heute dramatisch von 1,29 Euro auf 85 Cent abgesackt ist.

Leider selbst getestet.



22 April 2012

Hauptsache nicht lila. Oder rosa.



Der Franke will sich eine Fitnessmatte anschaffen. Sein durch dekadenlange Fatal- und Fehlernährung (1. Fleisch, 2. Fleisch, 3. Wurst) erodierter Körper besteht anscheinend immer nachdrücklicher darauf, mal wieder auf Vordermann gebracht zu werden.

Das soll beim Franken zu Hause geschehen, mit Hilfe besagter Fitnessmatte. Zufällig hat Penny welche vorrätig, wie wir bei einer routinemäßigen Mittagspausenflanage feststellen. Allerdings sind die Matten lila. Eigentlich kein Problem im 21. Jahrhundert, doch: „Das ist eine Frauenfarbe!“, erregt sich der Franke, „ich laufe doch nicht mit einer lila Fitnessmatte durch die Stadt!“

„Warum denn nicht?“, gebe ich mich tolerant, „Ronaldo spielt sogar in rosa Fußballschuhen.“

Der Franke mustert mich, als hätte ich ihm gerade eine heimliche Vorliebe fürs Walzertanzen im Baströckchen gestanden. Denn gerade Ronaldo taugt ihm ganz und gar nicht als Rollenvorbild – unter anderem auch deshalb, weil zu befürchten steht, dass der Portugiese am Mittwoch gegen seinen FC Bayern in eben diesen rosa Fußballschuhen ein Tor erzielen wird. Oder zwei.

„Pah, Ronaldo!“, macht der Franke. „Bedenke“, höre ich mich plötzlich mit verdoppelter Verve Partei ergreifen für lila Fitnessmatten, „wichtig ist nicht, was die Welt über dich denkt, sondern was du über die Welt denkst.“

Dieser intelligent wirkende Satz – obzwar er gerade meinem eigenen Mund entfloh – erstaunt mich bass, habe ich doch kiezweit einen geradezu legendären Ruf als Pointenversemmler und Aphorismenverbasler. Außerdem gehe ich ganz stark davon aus, dass dieser Satz überhaupt nicht spontan von mir ersonnen, sondern lediglich reproduziert wurde. Doch wenn nicht, dann bin ich hiermit ganz schön beeindruckt von mir.

Wie auch immer: Wenn selbst ein solch tiefgreifender Appell ans fränkische Selbstbewusstsein nicht zum monstranzartigen Durch-die-Stadt-Tragen einer lila Fitnessmatte führt, dann bin ich mit meinem Latein am Ende.

Tja, und genauso ist es dann auch gekommen.


10 Dezember 2010

Der Kontaminator

Es verbessert die durch einen grippalen Infekt eh angespannte Gesamtlage keineswegs, sondern – im Gegenteil – macht sie vollends entwürdigend, wenn man dazu auch noch Rücken hat.

Wie ich.

Ein sogenannter Wärmegürtel linderte heute die schlimmsten Qualen, doch allein schon in den Räumen einer Apotheke die Beratung des einschlägig erfahrenen Franken in Anspruch nehmen zu müssen, vergällt rückblickend die ganze Woche.

„Ich weiß, wie das ist“, feixt der Franke Mitleid. Immerhin springt er nicht beiseite, als ich mich – beim Aufstehen wieder mal von Thors Blitz durchzuckt – entsetzt auf seiner Schulter abstützen muss. Braver Franke.

Neulich aber war er nicht brav. Während einer gemeinsamen mittäglichen Flanage durch den Pennymarkt in Ottensen hatte ich vier Tafeln „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“ erstanden. Zurück im Büro stand bereits nach wenigen Minuten Kramer in der Tür.

Er habe aus gewöhnlich zuverlässiger Quelle gehört, hub er an, ich hätte fünf Tafeln „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“ in egoistischer Verwahrung. „Franke, ich verfluche dich und deine Nachkommen bis in die siebte Generation!“, wollte ich gerade brüllen, doch da stand Kramer schon vorm Bisley und nestelte gierig wie ein Zombie an den Schubladen.

„Vier! Es waren nur vier!“, schrie ich, während ich verzweifelt mit ihm rang, doch er glaubte mir kein Wort und wollte, wie jeder stinknormale Mafiaboss, seinen Anteil. Wie es mir freilich im Verlauf unseres Kampfes um die territoriale Unversehrtheit meiner Bisleyschubladen gelang, ihn von der Schokolade abzulenken und seine Aufmerksamkeit stattdessen mit Mentholbonbons von Ricola zu fesseln, vermag ich nicht mehr stichhaltig zu rekonstruieren.

Tatsache jedenfalls ist: Beim ungelenken Herausschütteln aus der Dose fielen mir versehentlich gleich drei Bonbons in seine geöffnete Handfläche. Eine Katastrophe, denn damit waren sie alle schlagartig Kramer-kontaminiert, und wer diesen vierschrötigen Allesbegrabscher je in manueller Aktion erlebt hat, weiß, wovon ich spreche.

Er bestand darauf, die zwei Mentholbonbons zurück in die Dose zu befördern, ich verweigerte das mit brutalstmöglicher Verbissenheit. Aus Rache betatschte er daraufhin minutenlang wahllos alle erreichbaren Gegenstände im Zimmer, er kontaminierte buchstäblich handstreichartig Nachschlagewerke, Monitor, Tastatur, Terminkalender, Teppichboden (!) und die Oberfläche meines Schreibtisches.

Den Griff der Bürotür natürlich auch – wie sollte ich nun je wieder aus meinem Büro hinauskommen!? Und an allem war natürlich nur einer schuld: der Franke.

Ich sollte ihn mit einem Wärmegürtel knebeln.
Einen habe ich ja noch übrig.

23 April 2010

Wie das Partybild auf die Bahncard kam

Nein, nicht alle Kollegen sind eine Zierde meines Standes.

Manche scheinen sich trotz eines IQs, der Lothar Matthäus’ Lebensalter entspricht, geradezu verirrt zu haben in diese Welt des Denkens und Schreibens, ohne allerdings – und das ist das besonders Merkwürdige – sogleich zügig wieder hinausexpediert worden zu sein.

Zu diesen Journalisten gehört Regina.

Regina beklagt sich in einem Forum öffentlich über die Bahn. Die nämlich, schimpft sie am 3. 11. 2009, habe ihrer Bahncard statt des üblichen Passfotos etwas ganz anderes eingeschweißt: nämlich ein seltsames Partybild von ihr.

„Rätsel DB!“, schlägt sich Regina vor den überforderten Kopf – ohne auch nur ansatzweise zu begreifen, dass weltweit nur ein Mensch das Partybild beim Antragstellen versehentlich hochgeladen haben muss, und zwar sie höchstselbst: Regina.

Denn woher in Mehdorns Namen sollte die Bahn das Bildchen sonst wohl haben?

Ach, es ist ein Kreuz. Da lobe ich mir doch die Bauernschläue der Pennyfiliale in Ottensen, die einfach einen Aushang macht, wenn sie mal ein paar Ls billig loswerden will.
(Sowie ein Deppenleerzeichen.)

>> Die beliebtesten Tags: Brief | Bus | Einzelhandel, Franke | Fußball | Obdachlose | Panne | Reeperbahn | Sex | Sprache | St. Pauli


07 April 2010

Aber Bolzenschneider, schon klar

Okay, fassen wir mal zusammen:

1. wurde mir neulich zum insgesamt fünften Mal auf dem Kiez ein Fahrrad geklaut.
2. habe ich mir vergangene Woche ein neues (gebrauchtes) Rad gekauft, und …
3. hat Penny auf der Reeperbahn seit heute BOLZENSCHNEIDER im Angebot.

In Worten: BOLZENSCHNEIDER. Welcher Schluss ist wohl aus dieser Faktenkette zu ziehen? Jedenfalls bin ich froh, 41 Tacken in ein angeblich bolzenschneiderfestes Kettenschloss investiert zu haben.

Apropos Penny: Heute war ich mal wieder da, um meine Lieblingsschokolade zu kaufen, „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“. Ärgerlicherweise aber hatten sie sie nicht. Alle anderen Sorten lungerten dumpf und stumm herum, sogar die hellen Nichtschokoladen und die joghurtverseuchten. Aber keine dunkle Voll-Nuss.

Ich erlebe das ständig. Neulich bei Real habe ich sogar mal das entsprechende und natürlich leere Fach fotografiert. Dabei müsste mein stadtstaatweit berüchtigter Verbrauch dieser Sorte eigentlich einen derartigen Bedarf bei Ritter Sport anmelden, dass das Aufstellen von Extradisplays nur für Voll-Nuss in sämtlichen Supermärkten der Stadt die Geschäftsidee des Jahres wäre.

Stattdessen präsentieren sich mir dutzendweise spätdekadente Sorten wie „Pfefferminz“ oder „Schoko-Duo“, ja sogar indiskutable Pseudoschokoladen wie „Vollmilch“. Wer (fr)isst so was?

Aber Bolzenschneider im Angebot haben, schon klar. Und was legt der Typ in der Kassenschlagne vor mir, ein verschlagen dreinschauender Mittelscheitel- und Dreitagebartschattenträger mit fetttriefenden Haaren und dem Fluidum des professionellen Vertickers von Fahrrädern, die nachts in Billstedt vom Laster gefallen sind, aufs Band?

Nein, keine „Ritter Sport Dunkle Voll-Nuss“.

>> Die beliebtesten Tags: Brief | Bus | Einzelhandel, Franke | Fußball | Obdachlose | Panne | Reeperbahn | Sex | Sprache | St. Pauli


17 März 2010

Fundstücke (72)



Wie fern und fremd uns der Sommer inzwischen geworden ist, beweist unfreiwillig der Penny-Laden in Ottensen: Er weiß nicht mal mehr, wie man „Strandtuch“ schreibt.

Und das Schlimmste ist: Er verramscht es schon jetzt, ganz so, als sei der Sommer bereits wieder vorbei.

Es ist alles so furchtbar traurig.


17 Januar 2010

Mit gutem Gewissen

Der Franke und ich flanieren durch den Penny-Markt in Ottensen und nehmen die Wochenware in Augenschein. USB-Kartenleser, Schischuhe, Toilettensitze, Konserven: so’n Zeug.

„Hier gibt es nichts“, sage ich erleichtert zum Franken, denn das Wesen der Flanage besteht bekanntlich darin, Kaufanzreizen zu widerstehen, und wo gar keine sind, fällt das besonders leicht.

„Wonach suchst du überhaupt?“, fragt der Franke, aber nur rhetorisch. „Nach gar nichts“, sage ich, „aber hier gibt es ja auch nichts.“

Als wir gerade auf gewohnt geschmeidige Weise an der Kassenschlange vorbei gen Ausgang wieseln wollen, spricht uns von der Seite ein Penny-Verkäufer an. Er schwenkt zwei brikettartige Etwasse.

„Meine Herren!“, ruft er in gespielter Aufregung, „Sie haben noch beide Hände frei – und ich habe hier zwei Päckchen Vogelfutter!“ Er hat uns anscheinend als Flaneure enttarnt und versucht diese merkantil betrübliche Sachlage nun zugunsten seines Arbeitgebers zu verändern.

„Denken Sie an die Vögel!“, ruft er und schwenkt die Futterbriketts, „denken Sie an Ihr Gewissen!“

„Wir denken dran“, sagt der Franke knapp.

„Ganz fest“, sekundiere ich.

Und schon haben wir es wieder mal geschafft, den Ausgang zu erreichen, ohne das Wesen der Flanage verraten zu haben. Fast bin ich ein bisschen gerührt.



15 November 2009

An einem ganz normalen Sonntag

Vor der Fischmarktbude steht eine weißhaarige und -häutige Schaufensterpuppe, deren Kopf und Haare sich kaum abheben vom Hintergrund. Ich zücke die Kamera.

„Fünf Euro pro Foto“, scherzt der hinzutretende Budenbesitzer, der gerade am Abbauen ist. „Nur wenn mich die Dame selbst darum bittet“, kontere ich in einem extremst raren Anfall von Schlagfertigkeit, der deshalb auch sofort verbloggt werden muss, um mich hinfort daran zu erinnen, dass ich es wirklich einmal war: schlagfertig.

Jedenfalls komme ich um die fünf Euro herum, denn die Dame bleibt stumm. Im Gegensatz zu diesem schmerbäuchigen Riesen bei Penny an der Reeperbahn, der seine Halbglatze mit kragenlangen fettigen Ringellöckchen zu kompensieren versucht. Er steht in der Kassenschlange und wird von einem alten Graukopf mit Schiebermütze und drei Tetrapacks unterm Arm angesprochen.

Es ist nicht zu hören, was der Alte sagt, doch klar ist: Er möchte angesichts seiner überschaubaren Einkäufe gern vorgelassen werden. Was der schmerbäuchige Riese antwortet, ist drei Schlangen weit zu hören. „Die Antwort ist ein ganz klares Nein!“, schnappt er. Dabei schaut er schräg unter sich. „Ein ganz klares Nein!“

Der Alte murmelt etwas und trottet den Gang hinab, ans Ende der Schlange – vorbei an dem Mittdreißiger mit Bandana und Ziegenbärtchen, der gerade einen unrasierten Mann in seinem Alter anspricht. „Sach ma, kann ich das ma kurz in deinem Wagen zwischenlagärn?“

Umstandslos wuchtet er seine Einkäufe in den Wagen des Fremden, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Überrumpelte ist hilflos, denn er telefoniert gerade. Wortfetzen wehen herüber „… Ware angekommen … überprüft … das ist bei der Ware so … kümmer mich drum …“

Pennygeschichten. Solche Dialoge hört man bei Edeka nie. Vor allem nicht innerhalb von drei Minuten.


05 August 2009

Mal wieder Brötchenprobleme

Heute bei Penny – die Filiale verschweige ich lieber – mustert die Verkäuferin missmutig die durchsichtige Brötchentüte des Kunden vor mir.

Es sind viele Semmeln drin, verschiedene Sorten gar, die Kassenfrau kann das Wirrwarr durch puren Augenschein nicht recht auflösen. Was also tut diese Pragmatikerin?

Sie öffnet die Tüte, greift herzhaft hinein, sortiert dort, im Tüteninnern, die Backwaren in hell und dunkel und tippt dann die unterschiedlichen Preise ein.

Warum dann allerdings drüben an der Selbstbedienungstheke Greifzangen an Ketten hängen, mit denen die Kundschaft die Brötchen rausholen soll wie Plüschteddys aus der Glasbox aufm Dom, das ploppt im Schatten dieses verblüffenden Ereignisses als große Frage auf.

„Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Verehrteste: Brötchen kann man übrigens nicht waschen“, sage ich keineswegs zur Verkäuferin, denn das wäre ja wohl der Text des betroffenen Kunden vor mir gewesen.

Die Schweinegrippe inkubiert übrigens bis zu vier Tage.

PS: Ja, ich habe dieses Foto schon mal verbloggt, und zwar am 15. Januar 2007.


17 April 2009

Fundstücke (46)



Die Features dieses Handys (s. Hervorhebung) sind nur auf den ersten Blick fantastisch.

Beim näheren Hinsehen nämlich stellt sich heraus, dass man im Grunde ständig telefonieren muss, damit der Akku sich nicht rasend schnell entleert. Und ohne Flatrate geht so was immens in die Kosten.

Doch für Vieltelefonierer und Fans magischer Technik ist das Teil ein Muss, ganz klar.

(Entdeckt bei Penny in Ottensen.)


06 Januar 2009

Fernsehtipp

Die praktisch immer geöffnete Pennyfiliale an der Reeperbahn kommt hier im Blog öfter vor.

Warum das notwendigerweise so sein muss, zeigt die Spiegel-TV-Reportage „Auf der Reeperbahn nachts um 11 – Ein Supermarkt in Hamburg St. Pauli“ recht anschaulich.

Der erste Teil läuft heute Abend um 23:10 Uhr (wieder mal) auf Vox.


Foto: Spiegel TV

06 November 2008

O du nölige

Bei Penny. „Nenn mir ein Wort mit vier tz“, fordert der Franke mich unvermittelt auf.

„Weiß nicht“, muffle ich, erschüttert und fasziniert von der scheußlichen Weihnachtsdeko, die uns umgibt wie ein terroristischer Anschlag. Meine geistige Trägheit freut den Franken, denn jetzt kann er glänzen. Das tut er auch.

Atzventzkrantzkertzen!“, triumphiert er in einer Lautstärke, welche Pennykunden verschüchtert darüber nachdenken lässt, das nächste Mal besser zu Aldi zu gehen. Sie wissen ja nicht, dass der Franke auch dort regelmäßig seine sonischen Duftmarken zu setzen weiß.

Atzventzkrantzkertzen also. Wer ist da eigentlich als erster drauf gekommen, irgendein Komiker? Der Franke jedenfalls nicht von alleine, es gibt 80 Treffer bei Google.

Später erhalte ich eine Spammail mit dem Betreff: „Ihre Anfrage nach Kunsttannen“, und beim Thailänder in der Taubenstraße servieren sie zum Likör
einen wohl weihnachtsmäßig gemeinten Langhaarschrat mit Wallebart.

Diese ganze Atzventzzeit ist von höchst zweifelhafter Provenienz, wenn ihr mich fragt.


26 Oktober 2008

Das Ensemble des Todes



Seit Wochen müssen sie der absolute Hit bei Penny in Ottensen sein, sonst wären sie längst aus dem Sortiment verschwunden: Grablampen.

Allerdings konzentriert Penny sich voll auf das Modell „Grablampe mittel“, als gäbe es nicht auch eine ungestillte Sehnsucht nach S oder XXL.

Um diese Lücken im Sortiment zu verschleiern, hat Penny den Grablampen seit neuestem ein Gespenst von 24 Zentimetern Höhe zur Seite gestellt. Grundsätzlich gar nicht mal unsinnig; schließlich gehören Gespenster ebenfalls jener Sphäre an, die Grablampen gemeinhin zu erhellen versuchen.

Doch warum lacht das terrakottafarbene Gespenst halloweenesk auf und wedelt mit der Rute? Im Angesicht von „Grablampen mittel“ ist das pietät-, geschmack- und würdelos.

Anders gesagt: Gefällt mir richtig gut.


04 Oktober 2008

Die Frage aller Fragen

Wahrscheinlich steht die Verpflichtung zu dieser Frage im Arbeitsvertrag sämtlicher Pennyverkäufer. Wer bei Penny an der Kasse sitzt, muss sie stellen, unabhängig vom Wert des Einkaufs oder der Reputation des Kunden.

Jeder vollendete Bezahlvorgang muss mit dieser Frage abgeschlossen werden, sonst Abmahnung. So weit, so gut. Als aber heute die Pennyverkäuferin dem Obdachlosen, der lediglich einen Tetrapak billigsten Rotweins aufs Band gelegt hatte, die in ihrem Arbeitsvertrag festgelegte Frage stellte, wurde das Surreale dieser Vorschrift doch sehr evident.

Sie blickte hoch zu dem Obdachlosen, der nach seinem Tetrapak griff, und fragte sie, die Frage aller Fragen.

Sie lautet: „Kassenbon?“

Der Mann schüttelte Kopf und Bart und ging hinaus. Genau wie ich wenig später, mit der gleichen Frage als Echo zwischen den Ohren – und vier Frühstücksbrötchen in der Tasche.

Vielleicht sollte man ihn sich wirklich mal geben lassen, den Kassenbon, und nachmittags mit einem angebissenen Brötchen wiederkommen: „Sorry, das war nicht gut, ich möchte es umtauschen, hier ist der Kassenbon.“

Eventuell nächsten Sonntag.



03 September 2008

Die Folgen der Wohnlage

Liegt es an mir, oder hat wirklich alles auf dem Kiez einen anzüglichen Subtext?

Entdeckt bei Penny, Reeperbahn.

23 Juli 2008

Keilriemen statt Spaghetti

Bei Penny an der Reeperbahn (Foto).

Die Frau in der Schlange vor mir legt nur zwei Produkte aufs Laufband: diverse Packungen Spaghetti und einige Liter Milch. Nach dem Nudelscan ruft sie plötzlich: „Halt!“.

Sie will lieber erst mal schauen, ob überhaupt ihr Geld reicht. Eindringlich und umständlich investigiert sie ihre Börse. „Ich habe zehn Euro“, sagt sie dann zur Kassenfrau. „Und einen im Wagen.“

Nicht nur das exakte Wissen über ihr im Auto deponiertes Vermögen erstaunt. Entweder sie hat nur zufällig nicht mehr dabei als volle elf Euro; oder sie ist zwar zum Auffüllen der Nahrungsvorräte zu abgebrannt, fährt aber aus Gründen wohlgesetzter Priorität noch immer trotzig Auto – Motoren- statt Olivenöl, Keilriemen statt Spaghetti.

Allerdings bleibt das letztlich ungeklärt. Nudeln und Milch kosten sie am Ende genau 9,92 Euro. Sie muss nicht mal raus zum Handschuhfach.

Übrigens darf beim momentanen Spritpreis derjenige am höchsten frohlocken, der sich gar kein Auto leisten kann.