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29 Mai 2012
Ein weißer Schimmel
Bei Aldi im Gemüsefach gibt es nur noch eine einzige Packung Strauchtomaten, und die ist großflächig verschimmelt.
Da ich zwar einen Einkaufswagen dabeihabe, aber nichts weiter einkaufen möchte, also sowieso den Weg durch den Kassengang wählen muss, um den Laden wieder verlassen zu können, nehme ich die Tomaten mit und reihe mich in die Schlange ein.
Die Schimmeltomaten ruckeln gelassen übers Band Richtung Kasse. Währenddessen überlege ich, was ich zur Kassiererin sagen soll. Immerhin behauptet Aldi, bei niedrigsten Preisen höchste Qualität anzubieten. Allerdings kommt es dafür doch etwas zu oft zu Schimmelbefall. Schon einmal trug ich eine verdorbene Tomatenschale zur Kasse, wo sie ein junger Mann mit den fröhlichen Worten „Ach, die waren auf dem Lieferwagen schon verschimmelt!“ entgegennahm und wegschmiss.
Jedenfalls plane ich den Satz: „Diese Tomaten sind verschimmelt, lassen Sie sie mir etwas billiger?“ Ein guter Satz. Ein sarkastischer, provokanter Satz. Und ein schwer zu sagender, wenn man so sehr auf Konfliktvermeidung getrimmt ist wie ich.
Als ich dran komme mit meinem leeren Einkaufswagen und dem in weißliche Fäden gehüllten Gemüse, überfällt mich die übliche Feigheit, und ich sage: „Diese Tomaten sind verschimmelt. Ich möchte Sie Ihnen gerne zwecks Entsorgung zurückgeben.“
Die Verkäuferin stutzt nur einen winzigen Moment, dann nimmt sie wortlos die Packung und wirft sie neben sich in einen Mülleimer.
„Sonst habe ich nichts“, ergänze ich entschuldigend, weil ich meinen leeren Wagen einfach durchschiebe und nicht einen Cent Aldi-Umsatz generiere. Sie sagt noch immer kein Wort. Keins des Bedauerns, keins der Entschuldigung, einfach nichts. Sie scheint Routine in so etwas zu haben, und das sagt ja letztlich genug.
Die ersatzweise besorgten Rispentomaten von Edeka (Foto) sahen übrigens toll aus. Vielleicht eine Spur zu makel- und schimmellos, aber ich will nicht kleinlich sein.
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