Posts mit dem Label film werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label film werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

06 April 2021

Neues aus St. Pauli (vor allem Kulturelles)

1. Die Kiezfirma Film Fatal, deren höchst unterhaltsame Webserie „Freelancers“ hier im Dezember über den grünen Klee gelobt wurde, hat was Neues in der Mache: den einstündigen Spielfilm „Theater Reeperbahn“ über eine obdachlose Schauspielerin auf St. Pauli. Das Werk ist schon abgedreht, braucht für den letzten Schliff aber noch ein wenig Kohle, beschaffbar der Einfachheit halber über die Crowdfunding-Plattform Startnext. Hier ein paar offizielle Zeilen zum Inhalt:

„Die obdachlose und alkoholkranke Schauspielerin Ewa (Elga Schütz) wünscht sich nichts mehr, als wieder auf der Bühne zu stehen. Tagsüber sammelt sie Pfandflaschen, nachts schleicht sie sich in ihr ehemaliges Theater, um dort in Erinnerungen an ihre alten Bühnentage zu schwelgen. Doch die neue Direktorin (Laura Ehrich) schöpft Verdacht und ist ihr auf den Fersen. Als Ewa den filmverrückten Matz (Nils van der Horst) trifft, sieht es so aus, als könnte sich ihr Leben doch noch mal ändern. THEATER REEPERBAHN ist ein Film über die oft fragile Lebenssituation von Künstlern und Kulturschaffenden in Deutschland, die besonders krisenanfällig sind, wie auch die Coronapandemie sehr deutlich gemacht hat. Für Arthouse-Lover, Schwarz-Weiß-Verehrer und St.-Pauli-Film-Fans.“
Je nach Unterstützungsbetrag landet man zum Dank sogar im Abspann des Films – die höchst seltene Chance also für jedermann und -frau, auf denkbar einfachste Weise selbst in die Geschichte des Kinos einzugehen, ohne den entbehrungsreichen Weg eines Brad Pitt absolvieren zu müssen. (Foto: Film Fatal)

2.
Mein Blogtext zum Penny-Laden auf der Reeperbahn hat es ins Stadtteilblatt Der St. Paulianer geschafft und damit gewissermaßen ins richtige Leben. In die Zeitschrift kann man natürlich wiederum online reinschauen, und zwar hier.

3. Heute sah ich – sollte ich sagen: endlich? – mal wieder ein Kondom, das auf dem Gehweg am Spielbudenplatz nach Erfüllung seiner Pflicht erschöpft herumlag. Mir wurde fast ein wenig nostalgisch zumute.


Update 06.04.2021, 20.30 Uhr: Die Abspannplätze im Film „Theater Reeperbahn“ sind inzwischen ausgebucht. Unterstützen kann man das Projekt aber natürlich weiter.




03 Dezember 2020

Neues aus St. Pauli (vor allem Skurriles)

Gestern gingen wir an der Simon-von-Utrecht-Straße lang und sahen einen jungen Mann mit langen Haaren, der wie schwebend über dem Gehweggeländer hing und mit Armen und Beinen zappelte. Zunächst dachte ich, er hätte beim Vornüberbeugen die Balance verloren, um deren Rückgewinnung er nun mit grotesken Schlenkereien kämpfte, dann aber schien mir ein epileptischer Anfall doch wahrscheinlicher. 


Ich beschloss auf Nummer sicher zu gehen und fragte: „Brauchen Sie Hilfe?“ Sofort rappelte der Mann sich auf, nahm Haltung an und sagte lächelnd: „Alles okay.“ Wir gingen weiter, nachhaltig irritiert. Einen Reim darauf können wir uns noch immer nicht machen – und verbuchen es einfach unter der in allen Farben einer Ölspur auf der Elbe schillernden Rubrik Kiezskurrilitäten.

Am Tag zuvor war mir etwas passiert, was allerdings eher weniger zu St. Pauli zu passen scheint. Um die Engstelle einer großen Baustelle in der Detlev-Bremer-Straße zu umfahren, wechselte ich mit dem Rad kurz auf den Gehweg. Der war allerdings versperrt, worauf mich ein mir in den Weg tretender Bauarbeiter auch freundlich hinwies. Neben ihm stand eine kleine Greisin, die mich anfunkelte und wie aus dem Nichts giftete: „Schade, dass nichts von oben runterfällt!“

Auf St. Pauli gehört ja – wer hier seit 2005 mitliest, weiß das besser als jene, die das nicht tun – die kleine Regelverletzung quasi zur Kernkompetenz, weshalb mich diese unverhohlen vorgetragene Gewaltfantasie doch ziemlich verdatterte. Wegen eines Schlenkers auf den Gehweg wünscht diese Rentnerin mir den Tod an den Hals oder zumindest einen Schädelbruch …? Na ja, wahrscheinlich ist sie zugezogen und habituell noch in Eppendorf.

Ganz und gar zum Kiez hingegen gehört das Filmemacherkollektiv FILM FATAL, dessen schön düster gestaltete Website zwar keinerlei Links enthält, dafür sein YouTube-Kanal umso mehr.

Das Team um die Produzentin Claire Bouillet hat vor zwei Jahren die tragikomische, fast durchweg auf St. Pauli spielende Webserie „Freelancers“ gedreht, auf die ich zu meiner Schande erst dank einer Mail der erwähnten Produzentin aufmerksam wurde. Bei „Freelancers“ handelt es sich um acht knackige Fünfminüter über das prekäre Gezappel dreier Zwangsselbstständiger – eine Thematik, die erst im Coronajahr so richtig an Durchschlagskraft gewonnen hat, weshalb FILM FATAL jetzt dankenswerterweise eine zweite Staffel hinterherschickt.

Das Ganze erinnert mich mit seinem traurigen Witz an die grandiose ORF-Serie „Schlawiner“, wobei „Freelancers“ deutlich ambitionierter gefilmt ist. Selten sah die sich im Schicksal der Protagonisten spiegelnde herbstliche Kieztristesse ästhetischer aus als durch den Blick der Kamera von Jerry Suen und Julian Harenberg – beide wie auch der Rest von FILM FATAL übrigens (natürlich) Freelancer.

Weil’s so schön ist, hier die Direktlinks zu allen acht Folgen der ersten Staffel (das Foto oben stammt aus Folge zwei):





15 April 2014

Herrn Dinklage ist es hier zu feucht


„Game of Thrones“-Star Peter Dinklage dreht gerade auf St. Pauli. Seine 137 Zentimeter Sexappeal steuert er zur Verfilmung von Karen Duves Roman „Taxi“ bei, der über weite Phasen auf dem Kiez spielt. 

Hamburger „Game of Thrones“-Fans sind jetzt ganz hibbelig und wollen mit Dinklage Bier trinken, wenn man den Schanzentwitterer Weltregierung als Maßstab nimmt. Heute hat sich der kleine Mann, der während der Drehzeit bestimmt bei Sibel Kekili untergekommen ist, in einem Interview mit dem Abendblatt allerdings beklagt über die Stadt.  

„Ich hätte nicht gedacht“, soll er gesagt haben, „dass es hier so viel regnet.“ 

Ein Satz, der mich bis ins Mark trifft. Denn er befeuert erneut das sich seit der fatalen Drei-Wetter-Taft-Werbung hartnäckig haltende Falschgerücht, in Hamburg regne es viel. 

Die vielen Gespräche, in denen ich das fussellippig richtigstellte, die meteorologischen Statistiken, die ich bei Bedarf auch bei scheinbar harmlosen Kneipengesprächen wie zufällig hervorzuzaubern in der Lage bin: alles umsonst, wenn so ein dahergelaufener New Yorker nach zwei gerade mal mittelfeuchten Tagen in der Stadt „Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so viel regnet“ sagt.

Deshalb noch mal zum Mitschreiben, Mr. Dinklage und lieber Rest der Welt: In Hamburg regnet es nicht viel. Jedenfalls nicht so viel wie in München. Glauben Sie also bitte keinem Lannister. Er ist auch nicht schlauer als die Drei-Wetter-Taft-Werbung.

Foto: HBO

17 November 2013

Fundstücke (184)















1. Das skurrile Vincent-Gallo-Vehikel „The Legend of Kaspar Hauser“ glänzt mit vielen Schwächen und Pannen, darunter einem versehentlich im Bild baumelnden Mikrofon. Ein Fauxpas ist allerdings erst auf den zweiten Blick zu sehen: In der Anfangssequenz werfen zwei Figuren Schatten in verschiedene Richtungen. Liegt wohl daran, dass Vincent Gallo hier in zwei Rollen gleichzeitig zu sehen ist, die Szene also vorm gleichen Hintergrund zweimal gedreht und am Ende zusammengeschnitten werden musste. Dass die doofe Sonne derweil den Naturgesetzen folgt und einfach weiterwandert, konnte der Regisseur ja nun wirklich nicht ahnen.  

PS: Ja, ich weiß, dass es in Wahrheit die Erde ist, die weiterwandert – und ich mich mit dieser Bemerkung um 99 Prozent aller potenziellen Kommentare bringe.

PS: Der Film wurde übrigens auf Sardinien gedreht. Anhand dieser Information kann man sogar herausfinden, welche der beiden Szenen – die linke oder die rechte – zuerst im Kasten war, sofern die Prämisse stimmt, dass beide am gleichen Tag entstanden sind. Na, wer führt den Beweis?

 





2. Diese Definition sicherer Dateien, die mir von einem Programm angeboten wurde, finde ich recht weitgehend. Genauer gesagt: allumfassend. Leider verschweigt es, welche Dateien es als unsicher einstuft. Das wäre die wirklich interessante Info gewesen.


3. Mit dem abgebildeten Photoshopfopp wollte mich Groupon zu einem „frischen Schnitt“ ermuntern. Meine Haarpracht reicht dafür leider knapp nicht mehr aus, aber wahrscheinlich gilt das für ungefähr sechs Milliarden Menschen weltweit. Und dem Rest fehlt mit Sicherheit zumindest der Giraffenhals, der ihn zum Kauf dieses Groupon-Gutscheins berechtigt hätte. 

Noch viel schönere Photoshopkatastrophen gibt es in Hülle und Fülle hier.


24 Dezember 2011

Im Grunde eine Filmkritik



Hier sehen wir ein erschütterndes Dokument der Verwüstung, zerstört und brandgeschatzt in einer mehrwöchigen Orgie allmorgendlicher Gewalt: mein Smarties-Adventskalender.

Ein Exemplar ist noch drin, es ist gelb und wird – das drohe ich schon mal an – Heiligabend nicht überleben. Übrigens ebensowenig wie der Kalauer „Kaviar: Nahrung, die über Laichen geht“, der mir vorhin beim Anschauen des Zweiteilers „Das Jesus-Video“ einfiel.

Allein das zeigt schon, wie grottig dieser Film war.


19 Dezember 2011

Der Vorteil von Vorurteilen



Ms. Columbo möchte in „Mission impossible 4“, ich in „Jane Eyre“ – ja, in welcher Welt leben wir eigentlich? Das ist übrigens schon das zweite Mal, dass ich mir in den vergangenen Tagen diese Frage stellen musste.

Bei einem Presseempfang im Maritim-Hotel Reichshof war ich mit einer bereits etwas betagteren Kollegin ins Gespräch gekommen. Sie wirkte wie eine altgediente Vollhanseatin, die bewusst einer leichten Tendenz zum Kiezchic huldigte; so deutete ich jedenfalls ihre Staffage aus Echtpelzstola und etwas zu klobiger Perlenkette, die im etwas zu tiefen Dekolletee versank.

Ihr Sohn, so stellte sich im Gespräch heraus, ist in meinem Alter, was andersrum bedeutet: Die Kollegin mit der Echtpelzstola ist so alt wie meine Mutter – und war neulich in Köln.

Beim Metallica-Konzert.

„Aber nur“, raunte sie mir vertraulich zwischen zweimal Nippen am Schampus zu, „meinem Freund zuliebe. Ich mag AC/DC lieber.“

Ich überbrückte und vertuschte mein Erstaunen nun meinerseits mit einem ausgiebigen Nippen am Schampus. Das verschaffte mir genug Zeit, um im Stillen einer bereichernden Erkenntnis nachzuspüren, die vielleicht sogar das Zeug zum Aphorismus haben könnte.

Sie lautet: Wer keine Vorurteile hat, erlebt weniger Überraschungen – und führt ein uninteressanteres Leben.

PS: Nein, ich habe früher nie mit Puppen gespielt. Ehrlich nicht.

PPS: Wir waren dann doch in „Jane Eyre“. Aber nur, weil das Kino fußläufig zu erreichen war. Ehrlich!

13 Dezember 2011

Von denen hätte ich das nicht gedacht

Neulich traf ich auf einer Weihnachtsfeier einen Alleinunterhalter, der schon derart viele Weihnachtsfeiern intus hatte, dass er einschlägige Ranglisten erstellen konnte.

„Es gibt nur eine Weihnachtsfeier, auf der mehr gesoffen wurde als auf der von Saturn“, verriet er und schwieg kurz sardonisch, um unsere erwartungsvollen Blicke auszukosten. „Und zwar auf der von … Greenpeace!“

Wir staunten allesamt Bauklötze aus nachhaltiger Produktion: Das Jahr über piesacken die Wal-, Watt- und Weltretter also Ölplattformen, und im Advent saufen sie unverdrossen Saturn untern Tisch? Das macht sie ja noch sympathischer – es sei denn, man ist gerade auf Entzug.

An diese kleine Nähkästchengeschichte des erfahrenen Alleinunterhalters musste ich heute denken, als ich mir den Dokumentarfilm „Blood into Wine“ ansah. Er erzählt davon, wie der Rocksänger Maynard James Keenan (Tool, A Perfect Circle) in der Hochwüste von Arizona Wein anbaut; und an einer Stelle im Film trägt Keenan das oben abgebildete Kalauer-T-Shirt.

Sollten Sie, die Sie dies hier lesen, wirklich noch kein Weihnachtsgeschenk für den berüchtigten Ökoaktivisten und Waffennarr German Psycho haben, so interpretieren Sie das bitte als gutgemeinten Vorschlag. Erhältlich ist das Hemd übrigens in diesem Webshop – und nein, ich werde von denen nicht bezahlt, sondern suche nur nach einer nonchalanten Möglichkeit, die Fotoquelle zu erwähnen, um dadurch eventuell dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu entgehen.

Es würde – nebenbei bemerkt – diesen Blogbeitrag auf besonders elegante Weise harmonisch abrunden, wenn Saturn das Kalauer-T-Shirt im Angebot hätte, doch das kann man von einem Elektrohöker, der sich sogar von Greenpeace unter den Tisch saufen lässt, einfach nicht verlangen.

PS: Übrigens hat Gunter Gabriel den Johnny-Cash-Song „Cry, cry, cry“ mal mit „Wein, Wein, Wein“ übersetzt. Ob es ein Roter oder Weißer war, erwähnte er allerdings nicht.


23 August 2011

Meine Straße



Zum Glück ist das Stöckchenwerfen in der Blogosphäre zuletzt aus der Mode geraten. Doch ennomanes Idee, seinen Berliner Kiez kommentierend zu filmen und das Produkt online zu stellen, hat zu viel Charme, um seine Bitte, es ihm gleichzutun, einfach abzuwehren.

Deshalb habe ich sein Stöckchen gefangen und bin filmend und plappernd durch meinen Kiez glaufen: die Seilerstraße auf St. Pauli. Nun können Sie alle einmal nachschauen, wie es auf der Rückseite der Reeperbahn so aussieht. Und wie sie sich anhört, nämlich allzu oft nach Polizeieinsatz.

Zum Spiel mit dem Stöckchen gehört es, dass man es weiterwirft. Drei Kandidaten dürfen sich daher jetzt ducken, aber nur ganz kurz: Fräulein Krise, German Psycho und Anna Nuehm.

Kneifen gilt übrigens nicht, wo sogar ich … Na, Sie wissen schon.


30 November 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli Hamburg (37): Alles Gold, was glänzt



Die Tapete im renovierten Passage-Kino in der Mönckebergstraße ist derart hinreißend, dass ich sie kurzerhand zum formatfüllenden Bildschirmhintergrund meines MacBook Pro gemacht habe.

Welchen Film die Passage zeigt, ist in Anbetracht des Wandschmucks eher zweitrangig – obwohl die meisten der 187 Minuten von „Carlos, der Schakal“ durchaus ihre Reize haben.

13 März 2010

Der mit dem Volk tanzt


Der Typ, der gestern Abend die Bühne des CCH betrat, sah exakt aus wie Oscar-Gewinner Kevin Costner. Was einen einfachen Grund hatte: Er war es. Mit seiner Band Modern West spielte er Mainstreamrock.

Vorher in der Mopo hatte ich ein Zitat von ihm gelesen: „Ich weiß, dass 50 Prozent der Leute nur aus Neugier kommen. Aber nach spätestens drei Songs haben sie garantiert vergessen, dass sie mich aus dem Kino kennen.“ Das liest sich, als sei Costner dieses ganze Hollywoodding lästig beim Start seiner neuen Karriere. Es ist aber genau andersrum.

Zunächst nämlich liefen eine geschlagene Viertelstunde lang Ausschnitte aus seinen Filmen – „Silverado“, „Bodyguard“, „Der mit dem Wolf tanzt“ etc. Und zwar aus nur einem Grund: damit wir selbst nach dem dritten Song nie auch nur eine Sekunde lang vergessen würden, dass Costner ein Hollywoodstar ist. Wie peinlich.

Nach der großen Trailershow betrat er die Halle von hinten, um in der Menge zu baden, Wangenküsschen zu verteilen, Hände zu schütteln. Der mit dem Volk tanzt. Ms. Columbo und mich erinnerte das fatal an den Rentnerbeglücker Helmut Lotti, der einst in der Color Line Arena praktisch jedem der geschätzt 8000 Zuschauer persönlich die welken Wangen nässte, ehe er auch nur den ersten Ton sang.

Als uns Costner nach dem circa fünften Song zu langweilen begann, schlichen wir uns raus – vorbei an erstaunlich einheitlich besetzten Reihen mit moppeligen Abteilungsleitersekretärinnen, die ihre hoch erhobenen Arme im Takt schwenkten.

Aber nett isser schon, der Kevin. Und er hat Whitney Houston geküsst, als sie noch eine verdammte Göttin war, verdammt.

>> Die beliebtesten Tags:
Brief, Bus, Einzelhandel, Franke, Fußball, Obdachlose, Panne, Reeperbahn, Sex, St. Pauli

10 März 2010

Das weiße Band



Die gewitzten Österreicher haben es ja geschafft, die Welt glauben zu machen, Hitler sei Deutscher gewesen und Mozart Österreicher – dabei war es genau umgekehrt.

Mit Michael Hanekes meisterlichem Film „Das weiße Band“ ist uns Piefkes jetzt die Revanche geglückt: Alle denken, es handele sich um einen deutschen Film – und dass er keinen Oscar bekommen hat, liegt bestimmt genau daran.

Mein Lieblingsfilm 2009 ist und bleibt er natürlich trotzdem.

Foto: X-Verleih


01 März 2010

Super Schnäppchen

Auf dem Flohmarkt in den Messehallen erstand ich heute die originalverschweißte Klaus-Kinski-DVD „Roland - Die Horden des eisernen Ritters“, und zwar für laue zweifünfzig.

Super Schnäppchen, dachte ich, und sollte sich der Streifen als doof entpuppen (was bei einem Kinski-Film sehr wahrscheinlich ist; ich weiß das, bin schließlich sein größter Fan), dann kann ich ihn immer noch bei Amazon weiterverkaufen.

Natürlich ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass die DVD dort gebraucht nur 1,99 brächte und selbst neu weniger kostet als das, was ich heute auf dem Flohmarkt hinlegen musste.

Einschließlich Gebühren und Porto ist demnach selbst Verschenken deutlich lukrativer – zumindest wenn ich die mir unweigerlich entgegenschlagende Dankbarkeit pekuniär umrechne.

Wer in meinem Freundeskreis demnächst Geburtstag hat, sollte sich also schon mal unauffällig wegducken.

09 September 2009

27

Am Wochenende wollten wir uns auch mal einen 3-D-Film (Foto) anschauen. Optimistisch und beschwingt traten wir vor die Kinokasse. Dort allerdings verlangte ein professioneller Wegelagerer völlig überraschend die Gesamtsumme von 27 Euro von uns.

27 Euro?! Dachte erst, ich hätte mich verhört. Doch der zynischerweise mit einem unschuldig weißen Oberhemd ausstaffierte Schnösel grinste nicht. Er meinte es ernst – und lehnte zudem unter schlecht geheucheltem Bedauern alle üblichen Ermäßigungen ab. „Nicht für 3-D-Filme“, grummelte der geschulte Spitzbube desinteressiert triumphal.

Ms. Columbo und ich waren beide zu verwirrt und verdattert, um die Sache lauthals und unter Anzettelung eines an „Terminator 3“ geschulten Kundenaufstands abzublasen oder sie wenigstens kleinlaut in einen 2-D-Film umzumünzen. Stattdessen entrichtete ich wie hypnotisiert die geforderte Wuchermaut.

27 Euro. Dafür kann man bei Amazon einen neuwertigen DVD-Spieler kaufen, dafür muss eine Reinigungskraft fast vier Stunden arbeiten, und auf der Reeperbahn beginnt ungefähr dort sicherlich das untere Ende der Skala der Sextarife.

27 Euro. Umgerechnet wären das damals – manchmal muss man sich das noch mal bitterzart auf der Zunge zergehen lassen – rund 53 Mark gewesen. Für einen einzigen Film. Ohne Bier und Popcorn.

Immerhin weiß ich jetzt, warum Cinemaxx-Kassierer hinter Panzerglas sitzen müssen.

17 Juli 2009

Vom Leben und Leiden in der Melkzentrale


Der traurigtrotzige Dokumentarfilm „Empire St. Pauli“ von
Steffen Jörg u. a. (Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND 3.0) erzählt von der Verwandlung unseres Stadtteils und wie das bei den Menschen, die hier wohnen, so ankommt.

Wer mal eben 85 Minuten Zeit hat: herzlich willkommen.

Alle anderen: Geht doch rüber! (nach Eppendorf.)

Edit 30.7.2009, 00:19: Der Film ist inzwischen nicht mehr als Stream verfügbar. Wo man die DVD kaufen und den Film öffentlich sehen kann, erfährt man auf der offiziellen Webseite.

12 Juli 2009

Der Schlagermove ist überall

Dank einer Wochenendreise verpassten wir zuletzt schon die Harley Days, und jetzt entgeht uns aus dem gleichen Grund auch noch der Schlagermove – was sind wir bloß für Menschen …!

Bevor der Kiez von Myriaden sich die Kante gebender Halbirrer mit strassbesetzten Riesensonnenbrillen in Herzform und rosa Minipliperücken heimgesucht wird (der sog. „Hossa-Hamas“), müssen penible Vorbereitungen getroffen werden – ähnlich wie im Film „Mars Attacks!“.

Wir leben nicht im Erdgeschoss, das Verrammeln von Fenstern entfällt daher. Die Fahrräder aber werden hochgeholt, und hätten wir einen Vorgarten, wir brächten auch ihn in Sicherheit.

Trotz aller Präventionsmaßnahmen fahren wir nur halbwegs beruhigt nach Marburg. Dort allerdings geraten wir in etwas Schlagermoveadäquates: das Stadtfest namens „3TM“ („3 Tage Marburg“). Halb Hessen ist hier, und die meisten sind 20 Jahre jünger als wir.

Das alles aber wird mühelos aufgewogen durch die Film-noir-hafte Lage und Ausstattung unseres Hotels. Nichts in unserem Zimmer und Bad ist jünger als 40 Jahre, der Drehregler für die Klobelüftung unterliegt mit Sicherheit dem gleichen Denkmalschutz wie die Fachwerkhäuser in der Oberstadt, und über die Leuchtreklame vor unserem Fenster (Foto) hätte James Cagney Tränen der Rührung geweint.

Hoffentlich kann ich trotzdem schlafen wie Bogart in „The big Sleep“. (Ähm, hat er überhaupt je geschlafen in irgendeinem Film?)

07 Juli 2009

„Nicht so engfotzig, Sie alter Fliegenbefriediger!“

Der unten zu hörende Dialog findet sich auf dem raren Soundtrack zu Wolfgang Staudtes 1971er Film „Fluchtweg St. Pauli“.

Zwei grenzderbe Koberer nehmen einen unbedarften Kiezflaneur verbal in die Mangel – und das Witzige ist: Ihre vulgären Anmachsprüche haben sich seither kaum gewandelt.

Die Reaktion des Opfers allerdings ist so was von 70er. Heute würde niemand mehr mit distinguierter Empörung zu argumentieren versuchen – sondern einfach weiterlaufen.

Das ist zumindest meine Strategie.

17 Juni 2009

In Teufels … äh … Brünos Namen

Als ich den Vorraum betrete, stehe ich unversehens vor zwei Männern, die in uniformen blauen Anzügen stecken. Ihre Münder haben schon lange kein Lächeln mehr geformt, das sieht man sofort.

Sie fordern mich in knappen Worten auf, mein Handy, die Kamera und meine Umhängetasche abzugeben. Es ist sonst einfach zu gefährlich.

Ich erhalte für jedes Teil eine metallene Marke mit einer Nummer drauf. Es ist wohl besser, sie nicht zu verlieren, sonst adieu, liebe Gadgets.

Überall hängen riesige Warnschilder. Eins davon nennt mich einen potenziellen Verbrecher. Ein anderes informiert darüber, dass wir alle für die nächsten anderthalb Stunden mit einem Nachtsichtgerät beobachtet werden.

Ich werde an einen Tresen gebeten, wo mir eine Einverständniserklärung ausgehändigt wird. Ich muss bestätigen, nicht vor dem 6. Juli über das zu berichten, was ich gleich erleben werde. Nachher, beim Rausgehen, heißt es, solle ich diese Einverständniserklärung unterschrieben abgeben.

Endlich nähern sich die stalinistischen Formalitäten ihrem Ende. So sieht es zumindest aus. Ich bewege mich Richtung Saal, wo es gleich geschehen wird. Allerdings stoppen mich zwei weitere schmallippige Männer in Blau. Einer davon fasst mir umstandslos zwischen die Beine.

Dann zückt er ein phallisches Gerät, mit dem er mir unangenehm nah am Körper herumfuchtelt. Der Phallus piept aufgeregt, und der Mann runzelt vorwurfsvoll die Stirn. Er wird immer handgreiflicher.

Mein Schlüsselbund ist schuld am Piepen. Und danach der Metallknopf an meiner Geldbörse. Ich fühle mich nackt und gedemütigt. Damals, beim Grenzübergang Friedrichstraße in Berlin (Hauptstadt der DDR), war es ähnlich, nur trugen die Typen da auch Mützen und hatten Orden oder so was am Revers. Und einen Phallus höchstens in der Hose.

Endlich bin ich durch und kann den Saal betreten. Der Mann mit dem Nachtsichtgerät geht in Position. Das Licht erlischt, der Vorhang geht auf. Und dann beginnt sie endlich:

die Pressevorstellung von Sacha Baron Cohens neuem Film „Brüno“.

Später schleiche ich aus dem Kino wie ein Dieb, mit der Einverständniserklärung in der hinteren Jeanstasche. Ein Sieg über den eisernen Vorhang der Filmindustrie, und das 20 Jahre nach dem Mauerfall.

Ein bitterschöner Tag.



11 Mai 2009

Kaiserwetter am Patentag

Heute war Patentag. Heißt: Wir haben uns in kleiner Runde alle drei Teile der „Paten“-Trilogie von Francis Ford Coppola hintereinander weg angeschaut, nur unterbrochen von Pasta-, Espresso-, Barolo- und Tiramisupausen, wobei wir manche der Einfachheit halber zusammenlegten.

Nach diesen knapp zehn Stunden „Pate“ bin ich zu kaum noch was in der Lage – nur noch dazu, die Frage „Wer war der Mörder?“ mit einem sicheren „Keinesfalls der Gärtner“ zu beantworten. Zumal in keinem der drei Filme auch nur das Fitzelchen eines Gärtners auftauchte.

Wir hatten uns angesichts der auf Innenräume beschränkten Herkulesaufgabe für draußen hämisch Donner, Blitz und Regen gewünscht, doch über St. Pauli prangte der blauste Himmel seit Erfindung des Vollrauschs.

Ich musste sogar gereizt die Vorhänge zuziehen, um die Hafengeburtstagssonne daran zu hindern, Marlon Brandos Hamsterbäckchen heller auszuleuchten, als es Coppola vorgesehen hatte.

Fazit: Das Konzept Mafia hat gewisse moralische Mängel, ist kulinarisch hingegen voll zu begrüßen.

(Foto: babble.com)