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31 Juli 2006
Ein selbstreferenzielles Stöckchen
Warum bloggst du?
Krankhaftes Mitteilungsbedürfnis. Wortdiarrhö. Ruhmsucht.
Seit wann bloggst du?
Moment, seit … 16. September 2005.
Selbstporträt
Warum lesen deine Leser dein Blog?
Da fragst du den Falschen.
Welche war die letzte Suchanfrage, über die jemand auf deine Seite kam?
„heidi klum kinder fotos“. Jetzt fühle ich mich wie die Gala.
Welcher deiner Blogeinträge bekam zu Unrecht zu wenig Aufmerksamkeit?
„Zu Unrecht“ klingt so vorwurfsvoll … Wenig Aufmerksamkeit bekamen natürlich die frühen; man bloggte ins Nichts, es gab nur wenige Kommentare. Vielleicht hätte ich mir besonders für den Eintrag „Der Verdächtige“ mehr Feedback gewünscht. Der war wenigstens mal unironisch.
Dein aktuelles Lieblingsblog?
wirres, wegen der tollen Urlaubsvertretung.
Welches Blog hast du zuletzt gelesen?
Poodle
An welche vier Blogs wirfst du das Stöckchen weiter und warum?
An den Club der scheintoten Dichter, weil der Clubpräsident in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung in der Blogosphäre ist; an Julia, weil sie zwischendurch schon mal aufgehört hatte und bestimmt besonders interessante Dinge zum Bloggen beisteuert; an Nirgendwo, damit sie mal die Chance bekommt, längere Sätze zu schreiben; und an Mark, weil es gut sein kann, dass er die Antworten REIMT.
30 Juli 2006
Zickezacke Hunde…
Post von Postel
Diesen Schriftverkehr möchte ich dem Blogpublikum natürlich nicht vorenthalten. Schließlich werden darin weitere Heldentaten angekündigt, auf die wir uns schon freuen dürfen. Keep on going, Gert!
Der Dialog beginnt mit dem Ende meines oben erwähnten Blogeintrags, denn der Pseudopsychiater bezieht sich in seiner ersten Mail direkt darauf.
Matt: … Steckt etwa der in Marburg abgetauchte Postel selbst hinter den Anrufen und der Verfälschung von Wikipedia? Suchte er mal wieder nach einer Gelegenheit, seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen und sich anschließend ins Fäustchen zu lachen? Wenn ja, dann müsste man enttäuscht konstatieren: Der Mann hat schon größere Coups gelandet.
Postel: Danke für den schönen Artikel! Keine Sorge, die größeren Aktionen eignen sich nur nicht für eine Erörterung in der Öffentlichkeit …
Matt: Sie lernen wohl nicht dazu, was? ;-)
Postel: Ich lerne nur das nicht, was offenbar Sie zu lernen als notwendig erachten, mehr ist es nicht …
Matt: Ihre Spitzfindigkeit scheint mir eine andere Umschreibung für „nicht resozialisiert“ zu sein. Oder sogar für „nicht resozialisierbar“, was natürlich sehr schade wäre. Waren Sie das eigentlich mit der kleinen Manipulation des Wikipediaeintrags von Herrn Haußmann? Immerhin erörtern Sie ja nur die „größeren Aktionen“ nicht in der Öffentlichkeit; aber die hier war ja nun wirklich Pipifax.
Postel: Wissen Sie, mit Etikettierungen beweist man nichts als Denkfaulheit, oder, schlimmer noch, mangelnde Denkfähigkeit. Machen Sie das ruhig so: mir ist es vollkommen einerlei, ob Sie das Etikett „nicht resozialisierbar“ oder gerne auch „Sahnetorte“ verwenden. Das sagt ja gar nichts über mich aus, aber vielleicht etwas über Sie. Ich betrachte die Korrespondenz mit Ihnen als beendet. Wichtigere Dinge warten …
Matt: Gut, auf das Etikett „Gert Postel ist Sahnetorte“ können wir uns einigen. ;-) Ich wünsche Ihnen viel - ähem - Erfolg bei Ihren Unternehmungen. Und ein glücklicheres Leben.
Postel: Letzte Nachricht: Mein Leben könnte glücklicher kaum sein.
Matt: Wow … Damit haben Sie praktisch allen Menschen auf diesem Planeten etwas voraus. Wenn Sie vielleicht als letztes Geschenk an die Erdbewohner diese Glücksformel noch veröffentlichen würden? Das wäre überaus reizend, geradezu philantrophil. Ach ja: Meiner Frage nach dem Wikipediaeintrag sind Sie bisher ausgewichen, und ich möchte diese kleine Korrespondenz natürlich nicht abgeschlossen wissen, ohne Sie noch einmal danach gefragt zu haben (obgleich ich allen Grund hätte zu schmollen, schließlich haben Sie mir die Denkfähigkeit abgesprochen; aber ich bin zum Glück nicht nachtragend). Also: Wieso ist Ihnen dieser Tippfehler beim Namen „Haussmann“ unterlaufen? Eine solche Nachlässigkeit passt nicht zu Ihnen. Wo lag das Problem? Oder WOLLTEN Sie, dass man es bemerkt?
Postel: Ich bin nicht „ausgewichen“, sondern wollte gar nicht antworten. Lesen Sie heute in der taz Nordteil ne super Postel-Geschichte. ENDE.
Übrigens wurde der Haußmann-Eintrag bei Wikipedia inzwischen korrigiert.
(Foto: Eichborn)
28 Juli 2006
Mittendrauf statt nur dabei
Ungerührt ignorieren sie den abendlichen Verkehr. Wer im Auto vorbeikommt, lässt sich zwar kurz irritieren, umkurvt dann aber doch mit dem typischen Fatalismus des Großstädters das Hindernis, um es sogleich wieder zu vergessen. Diese Typen muss ich mir anschauen, klar. Ich gehe runter.
„Was seid ihr denn für welche?“, schlage ich einen leutseligen Ton an, „habt ihr eine Wette verloren?“ (Das ist übrigens Ms. Columbos Theorie.) Die beiden, das sieht man gleich, sind St.-Pauli-Fans. Der eine, ein muskulöser Mensch mit Mütze, trägt als Gesinnungsnachweis ein T-Shirt mit Stadtteilschriftzug. Der andere, ein kleiner pummeliger Mittdreißiger von schon leicht angegrauter Provenienz (vor allem an den Schläfen), brabbelt etwas vor sich, ohne die von mir vorgebrachte Theorie von Ms. Columbo zu verifizieren.
„Bissu auch Paulifan?“, fragt er. „Bin ich“, bestätige ich. Inzwischen ist ein weiterer Passant hinzugetreten, ein arabisch und zugleich derangiert wirkender Bartträger mit zerrissenen einst weißen Hosen und Bierflasche in der Hand. Letzteres eint ihn übrigens mit den beiden Herren auf den Stühlen. Der Neuankömmling (auf dem Foto verdeckt) ist begeistert von der Situation. „Ihr seid so cool, ey, so cool!“, ruft er und offenbart dabei ein völlig entspanntes Verhältnis zu seinen zahlreichen prominent platzierten Zahnlücken.
Ungerührt, geradezu huldvoll nehmen die Kreuzungssitzer die Eloge entgegen. „Haste was zu kiffen?“, versucht der Mützenträger umstandslos die Diskussion in eine für ihn günstige Richtung zu lenken. Der Araber verneint und verweist kundig auf die Hafenstraße; außerdem steht ihm eh mehr der Sinn nach weiterer Untermauerung seiner „Ihr seid so cool!“-These.
„Bissu auch Mitglied im Pauliforum?“, wendet sich der Grauschläfige nun wieder an mich. „Bissu sweiunpfirsich? Du siessaus wie
sweiunpfirsich.“ Eine recht schmeichelhafte Schätzung, wie ich ihm dankbar zu verstehen gebe. Ich verzichte darauf, die an dieser Stelle eigentlich angebrachte Vertiefung der Diskussion über die Zahl 42 im Sinne Douglas Adams' anzugehen, denn von der Detlev-Bremer-Straße her hält ein Taxi auf unsere kleine Gesellschaft zu. Es bremst, und beim Umkurven dreht der wie beseelt dreinschauende Fahrer die Scheibe herunter und sagt: „Das ist so geil, so geil!“Die Begeisterungsstürme, die zwei mit Dope unterversorgte Betrunkene mitten auf einer Kiezkreuzung auszulösen vermögen, sind wirklich erstaunlich. Der kleine Pummel entwickelt plötzlich Theorien über die Richtung, aus der die unvermeidlichen Ordnungshüter bald anrollen werden. „Gleich kommt die Schmier!“, prognostiziert er, was ich als Kiezmetapher für die Polizei deute, „und zwar von da unten“, womit er die Westrichtung der Seilerstraße meint.
Vom Tippel II dringt inzwischen durch ausgesandte Boten eine betrübliche Kunde: Die Wirtin, heißt es, würde von nun an jede Bierversorgung des exterritorialen Gebietes einstellen. Unwiderruflich. Die Stuhlbesetzer nehmen es hin mit der Gelassenheit derjenigen, denen man zuletzt mehrfach bestätigt hat, cool und geil zu sein.
„Haste wirklich nix zu kiffen?“, wendet sich der Muskelmann wieder an das Zahnlückensortiment auf zwei Beinen. Jetzt lässt sich sogar die Wirtin selber blicken. „Gleich kommt die Schmier!“, warnt sie, doch das gehört auf der Kreuzung längst zum Allgemeinwissen. Selbst ich ertappe mich dabei, wie ich sie mitleidig anlächle.
Und wirklich: Die Schmier kommt. Allerdings aus ungeahnter Richtung, nämlich der Detlev-Bremer-Straße. Die beiden biersatten Verkehrshindernisse packen erstaunlich katzenartig ihre Stühle und huschen hinüber zum Tippel II, der Araber, der Bote des Bierstopps und ich treten dezent zurück an den Straßenrand.
Und als der Streifenwagen langsam über die Kreuzung gleitet wie ein witterndes Raubtier, ist das übliche Raum-Zeit-Kontinuum längst wieder hergestellt. Nichts mehr erinnert an die zwei traulichen Zecher, nichts mehr an unsere kleine Runde mitten auf der Straße, mitten im Verkehr.
Ich muss an Samuel Beckets Stück „Warten auf Godot“ denken, weiß aber nicht mehr, warum.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Kreuzungen und Straßen
1. „Crossroads" von Calvin Russell
2. „Crossroads" von Robert Johnson
3. „Our house" von Madness
Die Fundstücke des Tages (22)
2. Die einzige Leistung, die von Lance Armstrong in Erinnerung bleiben wird, ist die: Er hat sich – anders als Ullrich, Pantani oder Floyd Landis – nie erwischen lassen. Na ja, eigentlich doch. Aber dann war die B-Probe plötzlich verschwunden. Glück happens.
3. Beim Brillendiscounter Fielmann in Ottensen fragt ein Kunde nach einer bestimmten Mitarbeiterin, die ihm versprochen habe, heute anwesend zu sein, um sich seiner speziellen Belange annehmen zu können. Wie die Kollegin denn aussehe, fragt die betreuende Fielfrau am Tresen. „So mehr der italienisch-ostasische Einschlag", sagt der Kunde wortwörtlich. „Italienisch-ostasisch?", hallt es in mir nach. Während ich dem Nachhall noch still hinterhersinniere, weiß die Fielfrau sofort, wen er meint. Guter Kundenservice.
4. Mein Wunsch fürs nächste Jahr: Ich würde gern Reichensteuer bezahlen müssen.
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14,
15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, Oh, my Google!
27 Juli 2006
Ein vetter Push
Mir fehlen leider die Möglichkeiten, mich bei Udo Vetter zu revanchieren. Es sei denn, der Callboy aus Berlin verklagt mich wirklich; dann werde ich Vetter als Anwalt engagieren – natürlich.
Mal sehen, wie tief das Loch sein wird, in das ich falle, wenn der Besucherstrom wieder auf Normalmaß sinkt. Wahrscheinlich gebe ich dann weinend das Bloggen auf.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Rechtsanwaltsbezug
1. „Lawyers, guns and money" von Warren Zevon
2. „Philadelphia lawyer" von Woody Guthrie
3. „Hurricane" von Bob Dylan
26 Juli 2006
Seyfried stinkt!
Jetzt allerdings leistet sich der Altlinke einen unfassbaren Ausrutscher, der mich an seinen politischen – und vor allem: ethischen – Maßstäben zweifeln lässt. In seinem Blog unterm Dach der taz veröffentlichte Seyfried vor einigen Tagen eine Karikatur zur Rechtschreibreform, die er gemeinsam mit Ziska Riemann bereits 1999 verfasst hatte. Damals wollte sie niemand veröffentlichen, und ich kann verstehen, warum. Statt sie einsichtig in die Tonne zu treten, hält Seyfried die Gelegenheit einer Veröffentlichung inzwischen wieder für günstig. Schließlich hat er sein eigenes Blog, und da kann er ja machen, was er will.
Die Zeichnung möchte ich aus nachvollziehbaren Gründen hier nicht zeigen, daher eine kurze Beschreibung: Zu sehen ist ein Scheiterhaufen aus brennenden Duden, und darunter steht der unfassbare Kalauer: „Die Endlösung der Dudenfrage“.
Wie kommt der Mann bloß auf so einen Irrsinnsvergleich?
Das schrie natürlich nach einem Kommentar. Doch leider hat Seyfried bisher nicht die cojones, meinen kurzen Text auch freizuschalten. Deshalb steht er jetzt hier: „Ich bin ja nicht zimperlich, aber das finde ich völlig daneben – einfach, weil die Zeichnung letztlich den Holocaust verharmlost, indem sie ihn kalauerisierend für so etwas vergleichsweise Läppisches wie die Rechtschreibreform heranzieht. Du stinkst, Mann.“
Und das tut er wirklich. Riecht ihr's auch?
25 Juli 2006
Posse um Postel
Ich: … mehr darüber weiß Wikipedia.
F.: Wikipedia weiß auch nicht alles.
Ich: Wer weiß schon alles?
F.: Wikipedia.
Der Tag hielt noch weitere Merkwürdigkeiten parat, und verwickelt darin war Hochstapler Gert Postel (Foto: www.gert-postel.de), ein chamäleonartiger Ex-Briefzusteller, der jahrelang ungestört an einer Leipziger Klinik als Psychiater praktizierte, ehe er aufflog und ins Gefängnis wanderte. Sein zynisch betiteltes Buch „Doktorspiele“ erzählt davon.
Irgendein Scherzbold jedenfalls, der sich als der Regisseur Leander Haußmann ausgab, hatte gestern telefonisch die Nachrichtenagentur dpa darüber informiert, er wolle in Bremen die Lebensgeschichte des Herrn Postel auf die Bühne bringen. Wenig später rief auch der vorgebliche Pressesprecher des besagten Theaters bei dpa an und bestätigte die Story.
Statt sich nun bei Haußmann oder dem Theater in Bremen noch mal rückzuversichern (was ja aus journalistischer Sicht nicht das Dümmste gewesen wäre, vor allem, wenn man ungefähr eine Million Medien mit Meldungen beliefert), schickte dpa den schrulligen Bericht bundesweit auf die Ticker. Schließlich hatte sie zwei Quellen! Und die Frankfurter Rundschau sowie die Oberhessische Presse fielen prompt auf die Ente rein – schließlich war die Quelle seriös, sie hieß ja dpa!
Haußmann und das Bremer Theater mussten schließlich selber aktiv werden, um mit Richtigstellungen die Ente absaufen zu lassen. Doch so kurz der Fake auch in der Welt war, bei Wikipedia schlug er sich nieder – und damit schließt sich aufs Geschickteste der Kreis zum Beginn dieses Beitrags, wie ich selbstgefällig anmerken möchte.
Das Onlinelexikon weiß nämlich manchmal sogar mehr als alles: Jemand hat den dortigen Eintrag über Haußmann flugs um die gestrige Falschmeldung ergänzt, war aber dabei nicht mal in der Lage, den Namen des Regisseurs richtig zu schreiben („Haussmann“).
Steckt etwa der in Marburg abgetauchte Postel selbst hinter den Anrufen und der Verfälschung von Wikipedia? Suchte er mal wieder nach einer Gelegenheit, seine Fingerfertigkeit unter Beweis zu stellen und sich anschließend ins Fäustchen zu lachen?
Wenn ja, dann müsste man enttäuscht konstatieren: Der Mann hat schon größere Coups gelandet.
Nachtrag vom 27.7.2006: In meinem Gästebuch hat Gert Postel inzwischen folgenden Eintrag hinterlassen:
Danke für den schönen Artikel! Keine Sorge, die größeren Aktionen eignen sich nur nicht für eine Erörterung in der Öffentlichkeit ...
Herzlich, Gert Postel
E-Mail: G.Postel@myfaz.net
Webseite: www.gert-postel.de
Nachtrag vom 30.7.2006: Inzwischen hat sich eine interessante Mailkorrespondenz mit Postel ergeben …
23 Juli 2006
Ein Kiezklischee jagt das nächste
Vorurteil 1: Der Kiez ist eine Verbrecherhochburg
– Beim Brötchenholen gerate ich in der Talstraße in einen Polizeieinsatz. Vorm Fahrradladen versperren mehrere Streifenwagen die Durchfahrt, bewaffnete Sonnenbrillenmänner in Blau und Schwarz laufen geschäftig hin und her, und mitten auf der Straße steht ein spitteriger Twen mit schlechten Zähnen, seine Hände sind hinterm Rücken mit Handschellen gefesselt, zusätzlich hält ihm ein Polizist die Arme fest. Er brabbelt unverständliche Proteste vor sich hin. Natürlich ist er unschuldig, schon klar. Was genau los ist, erfahre ich nicht, denn zu Hause wartet Ms. Columbo auf eine zügige Brötchenlieferung. Ich muss weitermachen, immer weitermachen.
Vorurteil 2: Der Kiez ist ständig Filmkulisse
– Auf der Rückfahrt gerate ich an der Clemens-Schulz-Straße/Ecke Rendsburger Allee mit Karacho in Dreharbeiten. Die bösen Blicke des Filmteams ernte ich zu Recht, denn ich fuhr auf dem Gehweg, den sich der Locationscout bestimmt genau deshalb ausgesucht hatte, weil dort gemeinhin keine Fahrräder unterwegs sind. „Entschuldigung“, murmele ich, ernte aber nur eisiges Schweigen. Schon habe ich die Kosten für die Produktion wieder um ein paar tausend Euro nach oben getrieben. Und das bei den Lohnnebenkosten!
Vorurteil 3: Auf dem Kiez wohnt man nicht sicher
– Vorgestern Nacht gegen 2 Uhr klingelte es zweimal an der Tür, was mich aber – wie Stammleser wissen – um diese Zeit nie zum Nachschauen oder gar Öffnen bewegt. Heute erfahre ich von einer Nachbarin, was los war. Sie ertappte nämlich in jener Nacht im fünften Stock einen verwirrten etwa 20-jährigen mit Einstichlöchern in der Armbeuge, der vorgab, auf der Suche nach einer Freundin zu sein. Der Nachbarin gelang es, ihn trotz seines Wunsches, doch bitte ersatzweise bei ihr übernachten zu dürfen, hinauszukomplimentieren – und zwar unter Verweis auf die grimmigen männlichen Bewohner des Hauses, die zu seinem Glück bisher noch nichts vom unerwünschten Besuch erfahren hätten, jedoch kiezweit berüchtigt dafür seien, „nicht lange zu fackeln“. Damit meinte sie auch mich – einen Menschen, der stets recht lange fackelt. Aber das konnte der Eindringling ja nicht wissen, und so trollte er sich mühsam, aber beeindruckt.
Vorurteil 4: Kiez und Sex sind synonym
– Okay, okay, nirgendwo auf der Welt würde man einen selbstgebastelten Zettel mit der befehlsnah formulierten Bitte „Kondome in den Müll“ an einer Klinkermauer finden – vor allem nicht direkt neben einem Sterbehospiz.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Verbrechen und Verbrecher
1. „Wanted man" von Bob Dylan
2. „Crime of the century" von Supertramp
3. „The great deception" von Van Morrison
22 Juli 2006
Gesichtszwillinge (7)
Voilà: Morgan Freeman.
20 Juli 2006
Hitzewelle
So kann man das auch sehen
Ich zu Andreas: „Wasss? Du hast keine Ohrstöpsel dabei?“
Er: „Nein, wieso auch? Die Konzerte werden doch eh immer leiser …“
18 Juli 2006
Berlin kennt keine Bandansagen
Seine Halswirbelsäule wirkt bereits gefährlich verbogen, und sein Rücken neigt zu ungesunder Wölbung. Der ganze Mensch wirkt unterm satanischen Wechselspiel aus Schalten, Gasgeben, Bremsen und krumm Ansagenmachen verhärmt und ausgelaugt. Früher sahen nur die Junkies am Bahnhof Zoo so aus. Sein Schnurrbart ist strohig, sein immerhin dichtes Haupthaar so aschfahl, als sähe er die Sonne nie, dabei sitzt er doch den ganzen Tag gleichsam mittendrin.
Klar, deses Verdammtsein zur unablässigen Ansagerei verhärmt jeden gesunden Menschen über kurz oder lang. Vor jeder Station denkt der Mann sich doch: Jleich muss icke wieder quaddeln, und dette jrässlich fehljustierte Mikro taugt jarnüscht und uzt mir auch noch!
In Hamburg – um jetzt mal wohldosiert die lokalpatriotische Karte auszuspielen – kommt so etwas komplett vom Band, liebe BVG, da muss sich kein Busfahrer mit abmühen; er kann sich stattdessen Ampeln und Mitverkehr widmen und falsch abbiegende Radfahrer sauber erlegen. In der hiesigen U-Bahn spielen sie momentan sogar locker Kinderstimmen ein, die fröhlich „St. Pauli!“ krähen oder „Please leave here for harbour boat trips!"
Ja, Berlin, soweit ist die Technik bei uns schon: Bandansagen! Vollautomatisch! Stell dir das mal vor: Keine 300 Kilometer entfernt, und doch eine ganz andere Zivilisationsstufe!
An der gebeugten aschfahlen Figur hinterm Lenker auf der Berliner Linie M46 hingegen erkennt man ungeschönt die ganze bittere Lage der Haupstadt – und zwar viel besser, als sie aus todtraurigen Wowereitschen Haushaltsplänen je herauszulesen wäre.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über den öffentliche Personennahverkehr
1. „Crosstown traffic" von Jimi Hendrix
2. „Stuck inside of mobile (with the Memphis blues again)" von Bob Dylan
3. „Autobahn" von Kraftwerk
17 Juli 2006
Nur ich und der Teufel
Ich bin schon halb hindurch, als ein panisch herbeistürzender Pfarrer die Flügeltür von außen gegen meinen Widerstand zu- und mich damit ins Kircheninnere zurückdrückt.
„Nein, nein!“, ruft er dabei mit flackerndem Blick, „hier dürfen Sie nicht hinaus!“ Aber die Tür sei doch offen, warum man denn nicht …
„Durch die mittlere Tür“, ruft er, „gehe nur ich – und der Teufel!“
Ehrlich gesagt entwaffnet mich dieses so inbrünstig hervorgestoßene Dogma augenblicklich. Auch mein Esprit erstirbt schlagartig. So verpasse ich die tolle Chance, in einer kleinen Rollenanmaßung sardonisch grinsend zu erwidern: „Nur Sie und der Teufel? Na, dann können Sie mich ja durchlassen! …“
Wir stehen uns also gegenüber, er draußen, ich drinnen, getrennt durch diese plötzlich mit immenser Bedeutung aufgeladene Tür, und er beginnt, die merkwürdige Sitte, mittlere Kirchentüren für den erwähnten Personenkreis zu reservieren, historisch herzuleiten. Bis zum Jahr siebenhundertnochwas reiche das alles zurück, erklärt er, und seine kräftigen Hände umfassen noch immer unnachgiebig beide Flügeltürgriffe.
Wer wäre ich, mit diesem offenbar erprobten Brauch zu brechen, jetzt, nach fast 1300 Jahren? Nein, ich gebe mich geschlagen und nehme die linke Tür.
Aberglauben halten die Evangelen übrigens für etwas sehr, sehr Böses.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Türen
1. „Mary shut the garden door" von Donald Fagen
2. „Open the door" von Betty Carter
3. alles von den Doors
15 Juli 2006
Gesichtszwillinge (6)
Lächerlich. Der wahre Simpson-Gesichtszwilling ist doch ganz offensichtlich St.-Pauli-Präsident Corny Littmann (Foto: Spiegel.de).
13 Juli 2006
Du Denkschnecke!
Hier bieten mein Kollege Kramer und ich unsere Hilfe an. Um für ähnliche Fälle gewappnet zu sein, möchten wir dem besten Fußballer der Welt ein paar persönlich erprobte Beleidigungen an die Hand geben, die vielleicht auch einen Materazzi zum Klappehalten gebracht hätten.
Wir achten bei unseren Disputen übrigens stets darauf, nicht in die Phrasenfalle zu tappen. Eine von Generationen hochroter Streithähne totgebrüllte Beleidigung wie „Hornochse!“ ist natürlich unter unserem Niveau. Nein, es muss schon etwas origineller sein.
Und genau das – eine originelle und dennoch treffsichere Beleidigung – hätte vielleicht dem WM-Finale eine andere Richtung gegeben. Also, Zidane, aufgepasst, fürs nächste Mal:
mw: Du Merkbefreiter!
K.: Datenbankstreber! Problemredakteur!
mw: Blindie! Schlamper!
K.: Hohlspiegeldauergast!
mw: Glatzenschlumpf!
K.: Leck misch!
mw: Lieber nicht – mir fällt keine geeignete Stelle ein.
K.: Bloody Banause!
mw: Nasenbär!
K.: Lutscher!
mw: Tuckentröster!
K.: Hosenhuster!
mw: Nasenhaarvokuhila! Knautschsackfresse!
K.: Zitzenzieher!
mw: Hundehaufenbedufter!
K.: Nassauer!
mw: Gibt es Rabatt für Leute, die das Schicksal damit bestraft hat, dich lose zu kennen?
K.: Schnauze, du Mundschleimhautbakterienzüchter!
mw: Die zweite gute Tat heute wird sein, dir den Mümmeltrichter zu polieren!
K.: Wurzelsepp!
mw: Du Elendszecke! Geografielegastheniker!
K.: Weißweinsammelbesteller, Autoverkäufer!
mw: Hey, ich bestehe auf Beleidigungen, du Faktenaufzähler!
K.: Rap-Rüpel! Fliegenlandebahnkopf! Basmatireisumstülper!
mw: Standspurdenker! Bratwurst! Neidhammel! Missgönner! Glatzenkandidat!!!
K.: Du siehst aus wie ein Kilo Gehacktes!
mw: Du Halbsynapse! Du Sockenschuss! Du Denkschnecke!
K.: Textverhunzer!
mw: Alphabetschänder! Wortvermüller! Dudendilettant!
K.: Du Schüsselsprung! Du Flugangsttier!
mw: Noch ein Wort, und ich schiebe dir diese CD-Box so tief in den Enddarm, dass du kuckst wie ein adipöser Karpfen.
K.: Krämersfrau!
mw: Intelligenzamöbe! Denkvakuum!
K.: Blödmannsgehilfe!
Und so weiter. Das Foto zeigt zum Ausgleich den Vollmond von gestern Nacht, wie er einen Kran hinter der Reeperbahn umschmeichelt. Wenigstens die zwei mögen sich.
Am Ende eines großen, dunklen Trips
Barrett war ein strahlend hübscher Jüngling der 60er, ein frühreifes Genie; er gründete Pink Floyd, schenkte ihnen einige der merkwürdigsten Dreiminutenmeisterwerke der Popgeschichte, wurde zum LSD-Wrack und kehrte nie mehr ganz zurück von seinem großen, dunklen Trip.
Als er am Ende war, Anfang der 70er, verließ er eines Tages seine Wohnung in London ohne Koffer und kehrte zurück zu seiner Mutter nach Cambridge, zu Fuß, die ganze Strecke; und in diesem Haus hat er gelebt bis letzten Freitag, bis er starb.
Hat Barrett je gezecht, gefeiert, geliebt? Das Mysterium dieser sich hermetisch vor der Welt verbergenden Popikone hat mich immer fasziniert, und ab und zu googelte ich in den letzten Jahren nach Fotos von ihm. So wurde ich Zeuge, wie aus dem strahlend hübschen Jüngling der 60er urplötzlich – weil 30 Jahre zwischen den Fotos lagen – ein dicklicher Kahlkopf geworden war. Die letzten Paparazzibilder zeigten ihn magerer, gezeichnet von irgendetwas, das nicht nur körperliche Ursachen gehabt haben konnte.
„Shine on, you crazy diamond“, rief ihm Roger Waters 1975 in Form eines epischen Songs zu. Barrett hat nie auf Waters gehört; nur dessen Wunsch „Wish you were here“ leistete Barrett einmal Folge, als er bei den Aufnahmen zum gleichnamigen Pink-Floyd-Album im Studio auftauchte wie ein Phantom, das eine Weile stumm im Halbschatten stand und wieder verschwand.
Sein ganzes Leben verlief im Halbschatten, und jetzt ist er endgültig verschwunden.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs von Syd Barrett
1. „Arnold Layne"
2. „See Emily play"
3. „Mathilda mother“
Foto: blogmedias
12 Juli 2006
Reine Kopfsache
Als Grund reicht ihm offenbar mein Eintrag vom 26. Mai, in dem ich ihn auf seine Rechtschreibwäche aufmerksam mache. Statt sich allerdings für die kostenlose Korrektur zu bedanken und an seinen Defiziten zugunsten einer weniger blamablen Zukunft zu arbeiten, droht er nun mit einer Anzeige. Bin sehr gespannt, wie er die begründen wird.
Wer sich für die Ab- und Hintergründe des Falls Callboy Torsten interessiert, findet im Blog Krambox eine Zusammenfassung.
Eines muss man dem radebrechend durchs Web marodierenden Torsten allerdings zugutehalten: Er gebraucht seinen Kopf nicht wie dieser Herr hier – zumindest noch nicht …
(Maus bewegen, Kopfstoß per Klick)
Falls es nicht funktioniert, bitte hier klicken.
10 Juli 2006
Gesichtszwillinge (5)
Bei der Suche nach dem entsprechenden Fotobeweis stieß ich auf dieses brasilianische Blog, wo das Problem schon gelöst wurde.
Allerdings muss die beliebte Rubrik heute auf Drillingsstärke erhöht werden, denn ob man's glaubt oder nicht: Scolari ist auch ein Ähnlichseher von Oscar-Preisträger Sean Penn!
09 Juli 2006
Buhnenzauber
Haha, feixt der stets einwechselbereite Besserwisser in mir, haha, sie haben die Pünktchen überm ü vergessen, aber warum eigentlich sollte von einer Openair-Theateraufführung, die zweifellos heute Abend genau hier stattfinden wird, eine Gefahr ausgehen – etwa, weil die Schauspieler wegen ihrer provinzbedingten Lausigkeit schädlich für unser Nervenkostüm sind, haha?
Überlegen den Kopf schüttelnd steige ich ins 20 Grad warme Wasser und paddle durch die Wellen, bis ich plötzlich knirschend auf Grund laufe, weil irgendein Riesenidiot unter Wasser ein Mäuerchen gemauert hat. Beide Oberschenkel schürfe ich mir auf, und dazu den rechten Hinternbacken, fluchend und blutend krieche ich an Land.
Dort dämmert mir dann allmählich, dass die Sylter doch keine Legastheniker oder grundlose Feinde der Pünktchen überm ü sind, sondern durchaus wissen, was es mit einer BUHNE wirklich auf sich hat. Ein schmerzhafter Lernprozess für ein Landei wie mich. Aber sonst war es ein sehr schöner Tagesausflug ans Meer.
PS: Ist es eigentlich bedenklich, mit offenen Schürfwunden durch ein von Algen und azurblauen Quallen bevölkertes grüntrübes Meer zu schwimmen?
Die Meinung eines Virologen oder so wäre mir relativ wichtig.
08 Juli 2006
Der unvollendete Panini-Coup
Panini nämlich, so der Bruder oder Freund des Franken, bestücke die Kartons nicht mit doppelten Stickern. Täten sie einfach nicht. Produktionstechnische Gründe. Wer also einzeln kaufe, sei logischerweise der Dumme – und zahle viel mehr als ein cleverer Franke oder dessen Bruder oder Freund.
Tagelang erzählt der bauernschlaue Würzburger immer wieder vom Reiz dieser Methode; man merkt, wie es tief in seiner fränkischen Psyche dräut und dröhnt, wie Geiz, Gier und Katholizismus einen erbarmungslosen Kampf ausfechten.
Und eines Tages ist es soweit: Er marschiert in einen Laden, knallt 50 Euro auf den Tresen und kauft einen kompletten Karton Panini-Bildchen. Die Leute sollen alle komisch geguckt haben, gibt der Franke donnernd zum Besten, aber das war ihm so egal wie eine Nürnberger Rostbratwurst.
Inzwischen, nach einer mehrtägigen Fron allabendlichen Klebens, für das er in Sing-Sing bestimmt zum Strafgefangenen des Monats aufgestiegen wäre, hat sich herausgestellt: Die Informanten waren zuverlässig, der Franke hat wirklich und wahrhaftig kein einziges Bildchen doppelt. Sein Album ist auf einen Schlag zu Fünfsechstel voll.
„Du hast den Sinn des Ganzen überhaupt nicht begriffen!", fahre ich, ein Panini-Verweigerer seit Erreichen der Pubertät, erregt auf. Doch der Franke keckert nur überlegen vor sich hin.
Allerdings gibt es da ein Problem. Zwar fehlen ihm nur noch 90 Stück – aber er hat nicht das kleinste Fitzelbild zum Tauschen.
Nicht mal eins von denen, wo zwei Saudis auf einmal drauf sind.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Sammeln
1. „One piece at a time" von Johnny Cash
2. „Arnold Layne" von Pink Floyd
3. „The teardrop collector" von Love & Rockets
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
06 Juli 2006
Fundstücke des Tages (21)
2. Jemand, den ich kenne, nimmt gerade den Familiennamen seiner Frau an, weil beide keinen geeigneten Namen für ihr noch zu gebärendes Kind finden, der mit dem tütensuppenhaften „Knorr“ harmoniert. Eine rührende Geste. Aber soooo einfach wird das mit „Autzen“ auch nicht.
3. „Alle Mannschaften ziehen sich zurück, alles ist taktisch und studiert, nicht vibrierend. Deutschland ist die Ausnahme. Ich wünschte mir, Brasilien würde spielen wie Deutschland." Das ist zweifellos der schönste Satz, den ich seit Jahrzehnten über den deutschen Fußball gehört habe. Gesagt hat ihn Tostão, eine der brasilianischen WM-Legenden von 1970, einer aus der Pelé-Mannschaft also. Bin sprachlos. Nein, ein Wort fällt mir doch ein: Klinsmann.
4. Der Wolkenbruch heute nachmittag versuchte das alte Fabrikgebäude, in dem unsere Redaktion untergebracht ist, in die Elbe zu spülen. Es blieb allerdings bei pittoresken Tropfenmustern auf den Fensterscheiben. Aber kühler ist es nicht geworden, nur feuchter.
5. Der große Soul- und Bluessänger Van Morrison erwähnt in einem seiner Songs erstaunlicherweise die Reeperbahn, und zwar im Stück „Heavy connection“ vom Album „A period of transition“. Die Platte erschien 1977. Ungefähr so lange kenne ich sie auch schon, aber jetzt erst stoße ich auf diese kleine Skurrilität. Blamabel.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs von Van Morrison
1. „Sweet thing"
2. „Summertime in England"
3. „He ain't give you none"
Alle bisherigen Fundstücke des Tages:
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14,
15, 16, 17, 18, 19, 20, Oh, my Google!
Alessandros falsche Fußballkarten
Nein, die Fifa ist mehr denn je der missmutige, argwöhnische, Big-Brother-hafte Krake, der uns nur dann Tickets geben wollte, wenn wir uns nackicht machten, und es selbst dann nur im Ausnahmefall getan hat (wobei ich nicht die zwei Ausnahmen für mich verhehlen will …).
Wer die Fifa veräppelt, darf deshalb auf viel Sympathie hoffen. Wie etwa der österreichische Radiosender Ö3, der – ähnlich wie das Hamburger Studio Braun – den arglosen Nutzern moderner Telekommunikation gern fiese Telefonstreiche spielt.
Auch viele andere Gags sind empfehlenswert – und nicht gar so erbarmungslos wie die des Studio Braun.
05 Juli 2006
Nach dem Spiel ist nach dem Spiel
Italienische Fans in St. Pauli: „Ihr könnt nach Hauuuuuse fahrn, ihr könnt nach Hauuuuse fahrn!“
Ähm, das sind wir doch schon. Und es ist ziemlich nett hier. Viel netter als noch vor vier Wochen.
Auch jetzt noch.
Nein: Jetzt erst recht.
(Foto: Spiegel online)
03 Juli 2006
Duck dich, Sylt!
Kramer schaut mich an, als hätte ihm gerade Papst Benedikt XVI einen gemeinsamen Bordellbesuch vorgeschlagen. Denn bei ihm und auch beim Franken habe ich den Ruf einer Spaßbremse oder, anders ausgedrückt, eines ganz erbärmlichen Trinkers, und das zu Recht. Wenn andere gemächlich in Fahrt kommen, so nach drei, vier Bier, wird mir schon blümerant, und ich muss den chemischen Selbstversuch abbrechen, um nicht nachts von Übelkeit geplagt durch die Wohnung wanken zu müssen und Ms. Columbo in höchste Sorge zu stürzen.
„Wie willst du den Sylt aufmischen“, höhnt Kramer, „etwa mit zwei Bier?“ Für Kramer nämlich bedeutet feiern automatisch saufen, und aufmischen automatisch auch. „Wir könnten zum Beispiel“, rufe ich ihm unbeeindruckt zu, „Sandburgen bauen – und sie anschließend zerstören!“ Kramer kringelt sich. „Genau“, ächzt er, „Sandburgen bauen!“
„Oder“, ziehe ich den brutalsten Pfeil aus dem Köcher, „wir könnten Strandkrebse quälen! Ist das nicht aufmischen?“ Findet Kramer keineswegs. Ohne Pils keine Party – seine Meinung.
„Dann lass uns eben ins Stadtbad fahren“, dehne ich unterm Einfluss von Hochsommer und unmittelbar bevorstehendem Feierabend seine Fassungslosigkeitsgrenze bis zum Äußersten, „und Mädchen aufreißen!“ Kramer schaut den Franken mit diesem Hast-du-das-auch-gerade-gehört-Blick an, und der realisiert das alles mit zweisekündiger Verspätung, ehe er mir eine derart unverschämte Lache ins Gesicht schüttet, als sei es wirklich völlig unmöglich, in meiner Begleitung Mädchen aufzureißen.
Wahrscheinlich hat er sogar Recht.
Also trinken wir gemeinsam ein Bier, jetzt und sofort. Der Franke eine Flasche allein, ich teile mir eine mit A., nur Kramer verzichtet aus irgendeinem gegrummelten Grund. Ausgerechnet der!
Vielleicht fahren wir am Wochenende wirklich mit dem Schleswig-Holstein-Ticket nach Sylt, aber ohne Kramer. Definitiv.
Die bisherigen Teile der Frankensaga
19. Der Kulturstoffel 18. Fußball auf Fränkisch! 17. Auhuuu! 16. Die Bettelblickattacke 15. Der Franke bleibt störrisch 14. Der unvollendete Panini-Coup 13. Duck dich, Sylt! 12. Auf Partypatrouille 11. Laggs auf vier Uhr 10. Der Franke ist überall 9. Die Greeb-Pfanne 8. Erste gegen dritte Liga 7. Die verspätete Riesenkartoffel 6. Der historische Tag 5. Der Alditag 4. Der Faschingskrapfen 3. Der Klozechpreller 2. Der Dude 1. Das Alte Land
02 Juli 2006
Elfmetertöter
Na ja, hoffen wir mal, dass er sich wenigstens nicht schwer verletzt hat.
Gesichtszwillinge (4)
Gut, der rote Zinken von Udo Lattek ist unkopierbar.
Aber sonst sehe ich recht viel Lattek im Gesicht seines Trainerkollegen Sven-Göran Eriksson, der sich gerade von der WM verabschieden musste.
Aber wahrscheinlich bin ich mal wieder der Einzige. Pffft.
01 Juli 2006
Debil vor Glück
Die armen Tröpfe brauchen dringend Asyl. Sie waren fürs Spiel Italien-Ukraine angereist und hatten versucht, die erste Halbzeit der Deutschland-Partie optisch irgendwo auf der Reeperbahn zu erhaschen, waren aber weitgehend gescheitert. Also hatte Sherpa Lyssa sie kurzerhand und klugerweise hierher verschleppt.
Nach dem gloriosen Elfmeterschießen bin ich endlich, endlich mal dabei und sogar aktiv beteiligt, als sich die legendären wildfremden Menschen um alle verfügbaren Hälse fallen; pikanterweise gehören auch ein Holländer (der Videoblogger Erik) und der Engländer Ben dazu. Man muss aber wirklich schon sehr genau hinschauen, um in beider Lächeln den Anschein von Säuerlichkeit zu erkennen. Und vielleicht bilde ich mir das auch nur ein.
Hinterher brechen die Berliner und ich zum zweiten Viertelfinalspiel in die Hamburger Arena auf, und ich muss sagen: Im wohligen Gefühl des deutschen Sieges durchs Busfenster eine Abendsonnendusche zu nehmen und sich selig zum Stadion schaukeln zu lassen, gehört schon jetzt zu den schönsten Gefühlserinnerungen des Jahres.
Über der zweiten Partie scheint durch die dramatischen Ereignisse zuvor ein mattschimmernder Seidenglanz zu liegen, und ich genieße selbst Fehlpässe von Timostschuk mit dem Grinsen eines Debilen. So zumindest müssen die mich seltsamerweise homogen umgebenden Koreaner meine Mimik deuten.
Jener Holländer übrigens, der bei Ebay noch bis zum 7. Juli Karten für das Spiel von heute Abend verticken will (Stückpreis: 1000 Euro), sollte sich vielleicht nach einer anderen Karriere umschauen. Zum Schwarzhändler fehlt ihm das Talent.