Wie im April hier im Blog mit Befremden vermerkt, hat jemand Befugtes, wahrscheinlich die Stadt, überm Abluftschacht an der Simon-von-Utrecht-Straße einen großen Blechkasten platziert.
Damit sollten Obdachlose vergrämt werden, was auch ausgezeichnet gelang. Nun hatten zwei unbekannte Jungs eine hübsche, von zivilem Ungehorsam und sozialem Engagement gleichermaßen inspirierte Idee. Sie hebelten, wie in einem Bekennervideo zu sehen ist, die Frontseite des Kastens ab (Sachbeschädigung! Diebstahl!) und bauten zwei fabrikneue Betten rein (illegale Sperrmüllentsorgung!).
Allerdings waren die Betten nicht lange dort. Irgendwer hat sie inzwischen wieder mitgenommen, vielleicht die Stadt. Wenn ja, hätte sie aber bestimmt auch das Frontblech wieder angeschraubt, so dass alles wieder von vorne hätte losgehen können.
Jedenfalls: Seit der Kasten offen und damit das Warmluftgitter erneut zugänglich ist, sitzen jetzt manchmal auch wieder Obdachlose drin. Nur die Querstangen knapp überm Boden stören.
Eine Eisensäge könnte hier Wunder wirken.
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02 Juli 2013
22 Januar 2011
Fundstücke (124)
Eine wunderbare Hommage an den Hamburger Hafen, ohne jemals Hamburg zu erwähnen – aber unter Verwendung des bisher noch nie in einem Popsong aufgetauchten Wortes „Massengutfrachter“.
Mit Dank an Axel für den Tipp.
26 März 2010
Ein Tag von spätrömischer Dekadenz
Das erste, was mir am Mittwochabend in Berlin widerfuhr, als ich am Bahnhof Zoo auf den Bus wartete, war ein Mann mit Kapuzenjacke, der seine Flasche Rotwein aufs Pflaster stellte, um beidhändig sein Gemächt hervorholen und dann unter die Wartebänke schiffen zu können.
Während die Schweinerei da so vernehmlich hinpladderte, erwog ich einen Moment lang, ihn zur Rede zu stellen (Männer mit ihrem Gemächt in den Händen sind relativ wehrlos), doch dann dachte ich: Ach, lass die Berliner doch ihren Scheiß alleine erledigen. Tat aber keiner.
Abends ging es dann mit Dr. K. in die o2-World-Arena zu Peter Gabriel, der sein rein orchestral arrangiertes Coveralbum „Scratch my back“ aufführte. „Er fängt bestimmt mit ,Heroes’ an“, prophezeihte Dr. K., und noch während meiner stichhaltig vorgebrachten Argumente gegen diese Theorie fing Gabriel an, „Heroes“ zu singen, weshalb das erste Wort (jenes solitäre „I“) auch nicht drauf ist auf meinem Clip.
In der zweiten Hälfte des Konzertes spielte Gabriel dann seine eigenen Stücke. Bei „Solsbury hill“ tanzte er sogar ausgelassen, als wäre er nicht 60, sondern keinen Tag älter als 59, während das New Blood Orchestra zum großen Finale ein Beethoven-Zitat einstreute („Freude schöner Götterfunken“) – und das war zweifelsohne ein angemessenes Präludium für das, was nachts geschehen solllte.
Zu Hause nämlich führten Dr. K. und ich uns auf rituell überhöhte Weise meine vor fünf Jahren hier im Blog schon einmal erwähnte Flasche 1999er Chateau d’Yquem zu, was den Abend adäquat abrundete.
Wir fühlten uns dabei spätrömisch dekadent, und was soll ich sagen, Westerwelle: Das macht Spaß. Sollten Sie mal ausprobieren.
>> Die beliebtesten Tags: Brief, Bus, Einzelhandel, Franke, Fußball, Obdachlose, Panne, Reeperbahn, Sex, Sprache, St. Pauli
02 Dezember 2009
Pfannkuchen!
Paul McCartney wunderte sich ziemlich darüber, beim Betreten der Bühne der Color Line Arena ausgepfiffen zu werden. Doch sein Publikum – darunter viele Leute, die ihn schon im Starclub live gesehen haben könnten – war heute Abend einfach nicht mehr jung und tolerant genug, um ihm die fast anderthalbstündige Konzertverspätung nachzusehen. Auch bei mir wollte das „OmfG: Ich bin in einem Raum mit einem BEATLE!“-Gefühl nicht aufkommen.
Nach einer Stunde abgeschmackten Heavyrocks legte McCartney dann ein hübsches akustisches Intermezzo ein, inklusive „Blackbird“. Der unterhaltsamste Moment war aber der, als er ohne jede kontextuelle Einbindung unvermittelt „Spiegelei auf Toast!“ sagte. Und direkt danach „Pfannkuchen!“.
Und warum? Weil er es kann. Auch nach 49 Jahren noch.
27 Juni 2008
Was Busreisen mit Soul zu tun haben
Heute steckte mir eine aus rätselhaften Gründen sachkundige Nachbarin, wie Busunternehmen bei längeren Urlaubsreisen die Arbeitsvorschriften austricksen.
Irgendwo unterwegs, zum Beispiel zwischen hier und Paris, fände zwar der gesetzlich vorgeschriebene Fahrertausch statt, erzählte sie – aber nur scheinbar, denn beide Fahrer führen in Wahrheit einfach weiter, und zwar jeweils den Bus des anderen.
So könnten beide Doppelschichten kloppen, ohne den Passagieren Verdachtsmomente zu liefern. Dass der „neue“ Mann am Steuer vor Erschöpfung drauf und dran sein könnte, den Nightliner in der nächstbesten Schlucht letal schlafen zu legen, ahnen sie nicht.
Tja, eventuell sind Busreisen auch nicht mehr das, was sie mal waren. Doch zu Hause ist es eh am schönsten – zum Beispiel frühabends auf dem noch kaum bevölkerten Spielbudenplatz, wo Strandkörbe, Kuschelkissen und Fläzsessel verlockende Signale aussenden, wo man im linden Abendhauch Caipirinhas süffeln und dabei Soulsängerinnen zuhören kann, die an einem Nachwuchswettbewerb teilnehmen.
Wie Indra Afia, die sich vor drei Stunden bestimmt noch nicht hat träumen lassen, mit ihrer Spielbudenplatzversion von „Gegen den Strom“ hier und jetzt veryoutubt zu werden.
Wäre sie stattdessen gerade auf einer Busreise gewesen, zum Beispiel zwischen hier und Paris, hätte sie das elegant vermeiden können – aber möglicherweise nicht das letale Schlafenlegen in einer Schlucht.
Tja, wie man’s macht.
22 Februar 2008
Von Bob bis Murder
Link: sevenload.com
Am Sonntag gibt es auf Byte.FM die nächste von mir konzipierte Radiosendung, diesmal mit einem kleinen Schwerpunkt anlässlich des Kinofilms „I’m not there“, der am nächsten Donnerstag Bundesstart hat.
Es geht um einen Künstler, über den ich schon mehrfach gebloggt habe, und das aus gutem Grund: Er ist der Größte. Amber kann und wird das bestätigen.
Mehr zum Konzept und zur Songliste gibt es hier. Vertreten ist auch das spröde dänische Folkduo Murder, dem ich noch Anfang der Woche im Knust zujubeln durfte. Vor allem die actionreiche Show riss die wenigen Besucher zu Begeisterungsstürmen hin.
Der Höhepunkt war erreicht, als der nerdige Vollbart- und Brillenmoppel Jacob Bellens, der die ganze Zeit stoisch mit übergeschlagenem Bein auf einem Hocker saß, mit der Handfläche den Takt auf seiner Schuhsohle schlug. Unvergesslich.
Die Qualität des Filmchens ist übrigens genauso zappenduster wie die des Strunkclips gestern, versprochen. Aber der Song ist magisch.
Strunk schmeißt mit Schmutz
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Mit GP auf der Abschlusskundgebung der PARTEI im Schanzenviertel. Uns lockten die Inhalte. Mit Slogans wie „Hamburg – Stadt im Norden“, „Jugendgewalt: ohne uns“ oder „Bildung beginnt mit B“ können wir uns vorbehaltlos identifizieren. Ja, sie bilden geradezu die (einzigen) Schnittmengen unserer politischen Überzeugungen.
GP trägt seinen üblichen stinknormalen Armanianzug, ich hingegen habe mich aufgebrezelt mit einer winddichten Land’s-End-Squalljacke, oder wie das Ding heißt. „Wie siehst du überhaupt aus?“, will GP wissen, dabei kann er das von außen viel besser beurteilen.
Heinz Strunk, hanseatischer Spitzenkandidat der PARTEI, redet glucksend und leicht lallend, obwohl er, wie er behauptet, bei weitem nicht so betrunken sei wie bei der letzten Veranstaltung. Er kündigt die Machtübernahme für Sonntag an. GP und ich wollen daraufhin sofort PARTEImitglieder werden, doch man hat es versäumt, Aufnahmeanträge herbeizuschaffen.
Stattdessen liegen Plakate und verschiedene „Titanic“-Ausgaben herum, die gegen eine freiwillige Spende abgegeben werden sollen. Ich entrichte zwei Euro für eine „Titanic“ (Nennwert: vier Euro). Nur wenig später wird sie mir an der Theke gestohlen, obwohl ich ihren Besitz mit einer darauf abgestellten Flasche Astra ausreichend markiert zu haben glaubte.
Ich beschließe, der PARTEI ohne weitere Spende eine Ersatz-„Titanic“ zu entwenden, was auch gelingt. GP trifft es härter. Obgleich sich die PARTEI als wichtiges Ziel „Raucherschutz statt Nichtraucherschutz“ auf die Plakate schrieb, wird er für seine rituelle Kippenverbrennung des Saales verwiesen.
„Warum?“, empöre ich mich gegenüber dem Tresenmann, denn zurzeit folge ich der Maßgabe, Freiheit sei immer die Freiheit des Andersdenkenden, selbst wenn er raucht statt denkt.
„Der Veranstalter will es so“, versucht der Tresenmann die Diskussion zu beenden. „Aber fungiert denn nicht die RaucherschutzPARTEI heute Abend als Veranstalter?“, wundere ich mich ostentativ, um die Lachhaftigkeit seiner Argumentation zu erschüttern.
„Nein“, sagt er und wendet sich anderen Kunden zu.
Derweil startet Strunk eine handelsübliche Schmutzkampagne und thematisiert die physiognomische Ähnlichkeit von Hinnerk Fock und dem Kannibalen Armin Meiwes – „Zufall?, fragt die PARTEI.“ Und dass die PARTEI das in Form eines glucksenden und lallenden Heinz Strunk wirklich fragt, beweist das heutige Filmchen.
Aber Achtung beim Anschauen: Es könnte Ihre Wahlentscheidung beeinflussen, und zwar auf fatale Weise.
12 November 2007
Cruise grinst Hitler weg
Gestern sahen wir im Kino den Trailer zum Film „Walküre“ über das Attentat auf Hitler vom Juli 1944. Hollywoodstar Tom Cruise spielt Claus Schenk Graf von Stauffenberg, also die Hauptrolle.
Eine kleine Sequenz aus diesem Trailer pflanzte mir den Stachel der Skepsis ins Hirn, und dort wird er bleiben bis nächsten Sommer, wenn „Walküre“ ins Kino kommt.
Sie geht so: Einer der Mitverschwörer spricht gegenüber Stauffenberg von der Todesgefahr, in der sie alle schweben, und Tom Cruise antwortet so was wie: „Wie werden dem Tod heute noch öfter begegnen.“ Das ginge ja vielleicht noch durch als üblicher Hollywoodsprech für pathetische Situationen, in denen die Furchtlosigkeit des Helden durchscheinen soll. Doch während Cruise das sagt, grinst er auf seine hundertfach erprobte Weise aasig sarkastisch, als wäre er ein Broker, der als nächstes die Chefsekretärin flachlegen will.
Weiter entfernt vom realen Stauffenberg können diese zwei Cruise-Sekunden einfach nicht sein, dafür umso näher am draufgängerischen Sonnyboy, der diesem schrägen Diktator jetzt mal zeigen will, was ’ne richtige Harke ist – let’s roll!
Oh Mann. Der Film wird bestimmt ganz, ganz furchtbar. Und für solche Cruise-Momente durften sie im Bendlerblock drehen.
Wahrscheinlich werden Ms. Columbo und ich uns „Walküre“ trotzdem ansehen. Aber nur, wenn parallel kein EM-Spiel läuft.
PS: Wer generell wissen will, was zurzeit im Kino sehenswert ist und was man tunlichst meiden muss, sollte sich donnerstags auf Gunnars brandneuem Kinoblog Orientierung holen. Selbst wenn er einen Film noch nicht gesehen hat: Eine Meinung dazu hat er immer, garantiert …
Eine kleine Sequenz aus diesem Trailer pflanzte mir den Stachel der Skepsis ins Hirn, und dort wird er bleiben bis nächsten Sommer, wenn „Walküre“ ins Kino kommt.
Sie geht so: Einer der Mitverschwörer spricht gegenüber Stauffenberg von der Todesgefahr, in der sie alle schweben, und Tom Cruise antwortet so was wie: „Wie werden dem Tod heute noch öfter begegnen.“ Das ginge ja vielleicht noch durch als üblicher Hollywoodsprech für pathetische Situationen, in denen die Furchtlosigkeit des Helden durchscheinen soll. Doch während Cruise das sagt, grinst er auf seine hundertfach erprobte Weise aasig sarkastisch, als wäre er ein Broker, der als nächstes die Chefsekretärin flachlegen will.
Weiter entfernt vom realen Stauffenberg können diese zwei Cruise-Sekunden einfach nicht sein, dafür umso näher am draufgängerischen Sonnyboy, der diesem schrägen Diktator jetzt mal zeigen will, was ’ne richtige Harke ist – let’s roll!
Oh Mann. Der Film wird bestimmt ganz, ganz furchtbar. Und für solche Cruise-Momente durften sie im Bendlerblock drehen.
Wahrscheinlich werden Ms. Columbo und ich uns „Walküre“ trotzdem ansehen. Aber nur, wenn parallel kein EM-Spiel läuft.
PS: Wer generell wissen will, was zurzeit im Kino sehenswert ist und was man tunlichst meiden muss, sollte sich donnerstags auf Gunnars brandneuem Kinoblog Orientierung holen. Selbst wenn er einen Film noch nicht gesehen hat: Eine Meinung dazu hat er immer, garantiert …
30 September 2007
Oliver Stone und ich haben was gemeinsam
Link: sevenload.com
Reeperbahnfestival, dritter und letzter Tag, nicht mehr lang bis Mitternacht. Ich bin extra eine halbe Stunde zu früh im D-Club, um noch die Chance zu haben, mich in die ersten Reihen vorzukämpfen.
Denn Juliette Lewis wird spielen, die Frau aus Oliver Stones „Natural born Killers“, und so eine schaut man sich nun mal nicht aus der Ferne an.
Der D-Club ist so voll, dass die Masse schier rausquillt auf den Spielbudenplatz. Dort steht eine unwirsche Schlange, die von grimmigen Türstehern gebändigt wird. Ich werde nur deshalb noch reingelassen, weil ich einen Wunderpass um den Hals trage und ein Wunderbändchen am Handgelenk.
Mit Letzterem musste ich die letzten Tage sogar duschen. Was man nicht alles tut für die Kunst und privilegierten Einlass. Jedenfalls klappt es, ich bin drin, und dann schubse, schiebe und kneife ich mich vor bis in Bühnennähe.
Dort ist neben Luftholen (sofern man die gasförmige Substanz, die sich hier zäh wie flüssiges Gummi durch die Bronchien zwängt, noch als Luft bezeichnen kann) keine andere Bewegung mehr möglich. Ein Zustand, der sich gegenüber dem, der folgt, als komfortabel erweisen soll.
Als die rockende Mimin auftaucht, bekomme ich eine Bierdusche ab, noch vor dem ersten Song. Das hätte mich warnen sollen, doch ich bin arglos, trotz der Erfahrungen vieler hundert Konzerte.
Dann legt die Band los, und sofort klärt sich die Lage auf fatalste Weise: Ich befinde mich zu meinem Entsetzen mitten unter hunderten von Hardcore-Fans. Und diese Leute sind brutalst entschlossen, jener Frau, die statt einer Serienkillerin heute Abend die klassische Rock’n’Roll-Bitch spielt, ihre Verehrung deutlich zu zeigen, vor allem physisch.
Für mich heißt das Übles. Um mich herum beginnt es zu brodeln und zu toben, hundert Kilo schwere Lewis-Fans beginnen unter demokratischer Berücksichtigung aller horizontalen und vertikalen Möglichkeiten zu hüpfen und verfehlen dabei nicht immer meine Füße.
Statt einer einzelnen Bierdusche setzt zudem ein Bierregen ein. Und von allen Seiten rammen mir enthemmte Wahnsinnige Ellenbogen in alle verfügbaren Weichteile.
Ich halte mit den Fäusten dagegen, setze beide Schultern ein, schlage zurück. Erzieherische Wirkung entfaltet das aber alles nicht. Irgendwann wird mir alles egal, und ich hole unter abenteuerlichen Umständen die Kamera raus, um mich endlich mal auf Augenhöhe mit Oliver Stone zu fühlen.
Wer die technische Qualität des Clips moniert, sollte bedenken: Jeder Wackler dokumentiert unsichtbar einen hingenommenen Schlag in die Rippen, jedes Verrutschen des Bildes einen gefühlten Zehenbruch. Was man nicht alles tut für die Kunst und Videodokumente für die Ewigkeit.
Danach kämpfe ich mich raus, biergetränkt, rauchverpestet, durchgewalkt. Und irgendwo tief drin keimt auf einmal beängstigend viel Verständnis für natural born killers, ich weiß auch nicht warum.
18 August 2007
Die Pissnelke
In Winterklamotten gehen wir in dieser kalten Augustnacht rüber ins Millerntorstadion, angezogen von den cineastischen Verheißungen des 60er-Jahre-Trashfilms „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“.
Wir sehen Erstaunliches. Nämlich den jungen Fritz Wepper, wie er sich mit einer nackten Frau in den Laken wälzt. Wir sehen Leute, die LSD konsumieren, wir sehen bloße Brüste, und das in einem deutschen Film von 1967!
Gegen halb 11 geht drüben auf dem Dom das Feuerwerk los. Der Verständlichkeit der Filmdialoge nützt das natürlich wenig, doch das macht nichts – denn dafür fällt ein atmosphärischer Clip dabei ab, den man nirgendwo sonst auf der Welt drehen könnte.
Als ich mich auf dem Heimweg unserem Haus nähere, höre ich plötzlich eine Frau „Nicht schauen!“ kreischen. Der Imperativ dringt mir nur halb ins Bewusstsein; er wird auf die übliche Weise automatisch herausgefiltert.
Denn unter unserem Balkon geschieht allwochenendlich sowieso viel zu viel Seltsames und letztlich Harmloses, als dass man sich über Gebühr darum kümmern sollte.
Als ich fast an der Haustür bin, kreischt es indes wieder und sehr viel lauter „Nicht schauen!“. Ebenso hätte mich irgendjemand auffordern können: „Denk bitte jetzt gerade mal nicht an die Kleine Hufeisennase“, und an was hätte ich zwanghaft gedacht? Genau.
Natürlich schaue ich also jetzt hin und sehe eine ungefähr 19-Jährige, wie sie aufgebrezelt, großäugig und breit grinsend dahockt mit heruntergelassenen Hosen und auf den Gehweg pisst. Daneben steht ihre Freundin und überwacht die Situation.
„NICHT schauen!“, schreit die Pissnelke, und ihre Riesenohrringe wackeln im Wind. Ich schaue weg, schließe wortlos die Haustür auf und betrete die Wohnung.
Natürlich hätte ich sie aufs öffentliche Klo drüben auf der Reeperbahn hinweisen können, doch wozu? Es gibt schließlich Ziele, die viel eher zu erreichen sind, als Wildpinkler auf dem Kiez zur Rückkehr in die menschliche Zivilisation zu bewegen – zum Beispiel Weltfrieden.
03 August 2007
Von Humor- und anderen Bomben
Im schwäbische Kneipenrestaurant Brachmanns Galeron in der Hein-Hoyer-Straße sind wir die ersten Gäste.
Als wir eintreten, läuft dissonanter Avantgardepop mit extremem Nervpotenzial, der bestimmte Lebenssituationen durchaus adäquat illustrieren könnte (zum Beispiel eine Kniespiegelung), doch keinesfalls ein Abendessen mit Ms. Columbo.
„Sind Sie wirklich sicher“, frage ich den Ober, „dass diese Musik appetitanregend wirkt?“ Er grinst säuerlich. Sie hätten diese Platte, führt er ernst aus, „nur zum Aufbauen“ aufgelegt, wobei mir nicht ganz klar ist, was er mit Aufbauen meint.
Ist ja auch nicht wichtig, solange er die Musik wechselt. Das tut er, und ein schöner Abend schließt sich an, einer mit Lachs auf Linsen, Rösti mit Rauke, Hefebrand nach Grauburgunder.
Am Ende möchte ich mit Karte zahlen. „Tut mir Leid“, sagt der Avantgardepop-Ober, „nur bar.“
„Na gut“, antworte ich, „können wir dann Teller waschen?“ Sein säuerliches Grinsen ist am Tisch bereits bekannt. Eine echte Humorbombe, der Mann.
Eine Bombe spielt übrigens auch eine wichtige Rolle in diesem kleinen bösen Clip von heute. Und wer das jetzt empörend mühsam zusammengebogen findet, der hat völlig Recht.
31 Juli 2007
Ein alberner Beitrag, der gerade noch die Kurve kriegt
Vor 544 Jahren verschwand der mutmaßliche Mörder, Magister und geniale Dichter François Villon spurlos. Er war 32, und man hörte nie mehr etwas von ihm, sein Leichnam wurde nie entdeckt.
Genau genommen gibt es also keinen Beweis für seinen Tod. Vielleicht ist der Fall Villon gar ein Indiz für die Unrichtigkeit der statistisch sonst gut belegten These von der Sterblichkeit des Menschen. Vielleicht geistert Villon seit 544 Jahren durch die Weltgeschichte, mal hier, mal da.
Wenn ja, dann scheint er sich zurzeit immer noch in Frankreich aufzuhalten, allerdings unter einem lachhaft leicht zu durchschauenden Pseudonym. Der aktuelle französische Premierminister heißt nämlich – François Fillon … Da Mord nicht verjährt, sollte man Monsieur le Premier bald mal mit den forensischen Erkenntnissen von 1455 konfrontieren.
Diese alberne Überlegung hat zumindest einen Vorteil: Sie verschafft mir mal wieder die Gelegenheit, auf die so lebenstrunkene wie wehmütige Vertonung von Villons Gedicht „Cylea“ durch Christian Redl hinzuweisen und dringend den Kauf seines eigentlich vergriffenen, aber gebraucht hie und da noch erhältlichen Albums anzuregen. Es heißt „14 und ein viertel Jahr“, wurde 1991 aufgenommen und ist unbedingt dem jüngeren und viel schwächeren „CR singt François Villon“ vorzuziehen.
Wie komme ich nach dieser Verzettelung bloß wieder zurück auf den Kiez? Vielleicht über ein verdienstvolles Projekt der Künstlerin Gabriele Horndasch. Sie suchte nach deutschen Synonymen für „Hure“ und sammelte verblüffenderweise fast 600, darunter „Zwitscherliese“ und „Amüsierfleisch“.
Die meisten davon fand sie mit Sicherheit hier, auf dem Kiez. Wo Villon übrigens nie war – aber das könnte Fillon ja nachholen.
Genau genommen gibt es also keinen Beweis für seinen Tod. Vielleicht ist der Fall Villon gar ein Indiz für die Unrichtigkeit der statistisch sonst gut belegten These von der Sterblichkeit des Menschen. Vielleicht geistert Villon seit 544 Jahren durch die Weltgeschichte, mal hier, mal da.
Wenn ja, dann scheint er sich zurzeit immer noch in Frankreich aufzuhalten, allerdings unter einem lachhaft leicht zu durchschauenden Pseudonym. Der aktuelle französische Premierminister heißt nämlich – François Fillon … Da Mord nicht verjährt, sollte man Monsieur le Premier bald mal mit den forensischen Erkenntnissen von 1455 konfrontieren.
Diese alberne Überlegung hat zumindest einen Vorteil: Sie verschafft mir mal wieder die Gelegenheit, auf die so lebenstrunkene wie wehmütige Vertonung von Villons Gedicht „Cylea“ durch Christian Redl hinzuweisen und dringend den Kauf seines eigentlich vergriffenen, aber gebraucht hie und da noch erhältlichen Albums anzuregen. Es heißt „14 und ein viertel Jahr“, wurde 1991 aufgenommen und ist unbedingt dem jüngeren und viel schwächeren „CR singt François Villon“ vorzuziehen.
Wie komme ich nach dieser Verzettelung bloß wieder zurück auf den Kiez? Vielleicht über ein verdienstvolles Projekt der Künstlerin Gabriele Horndasch. Sie suchte nach deutschen Synonymen für „Hure“ und sammelte verblüffenderweise fast 600, darunter „Zwitscherliese“ und „Amüsierfleisch“.
Die meisten davon fand sie mit Sicherheit hier, auf dem Kiez. Wo Villon übrigens nie war – aber das könnte Fillon ja nachholen.
30 Mai 2007
Ganz schön Wunder-bar
Am 28. April besiegte der FC St. Pauli das Team aus Ahlen mit 3:0, auch wenn der kicker zwischenzeitlich etwas ganz anderes gesehen haben wollte.
Mit im Stadion war die Hamburger Band Wunder und drehte Material für ihr neues Video „Stadionlicht“, das es hier und heute taufrisch zu sehen gibt.
Die getragene, schwelgerische Ballade passt zwar nicht ganz zur gezeigten Euphorie im Stadion, doch wahrscheinlich will die Band uns damit nur sagen, dass in jeder großen Freude schon klammheimlich das Unglück keimt.
Und umgekehrt natürlich, sonst wäre das alles ja auch gar nicht zu ertragen.
Mit im Stadion war die Hamburger Band Wunder und drehte Material für ihr neues Video „Stadionlicht“, das es hier und heute taufrisch zu sehen gibt.
Die getragene, schwelgerische Ballade passt zwar nicht ganz zur gezeigten Euphorie im Stadion, doch wahrscheinlich will die Band uns damit nur sagen, dass in jeder großen Freude schon klammheimlich das Unglück keimt.
Und umgekehrt natürlich, sonst wäre das alles ja auch gar nicht zu ertragen.
12 Januar 2007
Senait live
Link: sevenload.com
Jetzt funktioniert der Senait-Clip. Die technische Qualität ist sehr mau, aber der Groove kommt durch. Hoffentlich.
11 Januar 2007
Verzeih mir
Wenn man Musikjournalist ist, eine Künstlerin privat kennt, ihr Album aber nicht so prall findet und diese Auffassung auch unverdrossen druckt, hat man ein Problem. Im schlimmsten Fall kennt man sich hinterher privat nicht mehr so gut …
Zum Glück ist Senait Mehari die Hartgesottenste von allen – und kündigte mir die Freundschaft nicht.
Ihr sehr groovelastiges Souljazzkonzert gestern Abend im Hamburger Stage Club gefiel mir viel besser als das Album. Die letzte Zugabe filmte ich mit, und als ich nach dem Konzert mit der im sechsten Monat Schwangeren zusammensaß und zur Frage ansetzte, ob ich den Clip verbloggen dürfe, stand just ihr Manager auf und ging irgendwohin, so dass er die Frage nicht hörte.
Senait jedenfalls sagte: „Klar“, und das zählt. Leider misslang später das Hochladen; die majestätische Grooveviertelstunde der Zugabe „Verzeih mir“ will keins dieser blöden Videoportale akzeptieren, deshalb nur ein Foto.
Heute muss ich noch mal in den Stage Club. Gestern bin ich Wirrkopf nach dem Aftershowplausch nämlich einfach gegangen ohne zu zahlen. Ich hoffe, die verzeihen mir.
Zum Glück ist Senait Mehari die Hartgesottenste von allen – und kündigte mir die Freundschaft nicht.
Ihr sehr groovelastiges Souljazzkonzert gestern Abend im Hamburger Stage Club gefiel mir viel besser als das Album. Die letzte Zugabe filmte ich mit, und als ich nach dem Konzert mit der im sechsten Monat Schwangeren zusammensaß und zur Frage ansetzte, ob ich den Clip verbloggen dürfe, stand just ihr Manager auf und ging irgendwohin, so dass er die Frage nicht hörte.
Senait jedenfalls sagte: „Klar“, und das zählt. Leider misslang später das Hochladen; die majestätische Grooveviertelstunde der Zugabe „Verzeih mir“ will keins dieser blöden Videoportale akzeptieren, deshalb nur ein Foto.
Heute muss ich noch mal in den Stage Club. Gestern bin ich Wirrkopf nach dem Aftershowplausch nämlich einfach gegangen ohne zu zahlen. Ich hoffe, die verzeihen mir.
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