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27 Juni 2023

Wir haben aufgerüstet


Seit anderthalb Jahrzehnten währt er nun schon, unser epischer Kampf gegen die Kieztauben. Seit heute hat dieser Konflikt seine nächste Evolutions- beziehungsweise Eskalationsstufe erreicht.

Denn ich habe eine Wasserspritzpistole angeschafft, und, verdammt, ich werde sie benutzen!

Mit seinem Achthundert-Milliliter-Magazin und einem Pumpstrahl von zehn Metern Reichweite vermag das Modell der Marke Paochocky, wie ich hoffe, eine ausreichend verheerende Wirkung auf die Taubenpsyche zu erzielen. Aber auch nur auf die, denn körperliche Schäden haben die Gluckscheißer nicht zu befürchten.

Ich bin ja kein Unmensch. Nur dauersauer und deshalb willens, die Vögel möglichst nachhaltig zu vergrämen – zumal sie auf empörte Zischlaute, explosives Klatschen und andere sonische Kampfmittel schon lange nur noch so reagieren wie Friedrich Merz auf die inständige Bitte, sich vom Acker zu machen: gelangweilt.

In der Tat orientierte sich die ekle Taubenschar, was mich angeht, zuletzt immer deutlicher an Karl Valentin und seinem zeitlosem Rat: „Des ignoriern ma net amoi!“ Parallel dazu arbeitete sie zudem erfolgreich am Abbau ihres Gespürs für soziale Distanz, was sich erst kürzlich in einem paarweise vorgenommenen Besuch unseres Wohnzimmers niederschlug.

Schreiend und mit dreschflegelartigen Armbewegungen bat ich die beiden zu gehen, was auch gelang. Leider nur recht geringe Befriedigung vermochte ich dabei aus der Tatsache zu ziehen, dass eine der beiden Vertreterinnen der Art Columba livia forma domestica bei ihrer widerwilligen Flucht erst einmal Kopf voran gegens Balkonfenster krachte.

Statt aus diesem Vorfall nun – wie es jeder mittelclevere Vogel getan hätte – den Schluss zu ziehen, unser Territorium künftig zu meiden, hockten die Terrorgurrer bereits kurze Zeit später wieder balzend auf unserem Geländer und schissen wohlig auf Sonnenschirm und Balkonmöbel.

All das dürfte Ihnen verdeutlichen, warum ich nach siebzehn zehrenden Jahren endlich entscheidend aufrüsten musste. Seit gestern liegt also eine Paochocky-Wasserspritzpistole im Hängegitter für Pflanzentöpfe, welches am Balkongeländer angebracht ist, parat und fiebert dort dem ersten Kampfeinsatz entgegen. Und ich noch mehr.

Allerdings gibt es ein Problem. Seitdem nämlich lässt sich – Stand heute – keine Taube mehr blicken. Wirkt meine Paochocky etwa ähnlich wie Atombomben in der Geopolitik: Es reicht, sie zu zeigen, um sicherzustellen, dass niemand sie einsetzt? Klar, das wäre die beste Lösung für uns alle, vor allem für sie. Aber wahrscheinlich beratschlagen sie einfach nur, was nun zu tun ist.

„Morgen Mittag“, prophezeiht Ms. Columbo, „ist die Pistole bestimmt vollgekackt.“



 

24 Oktober 2022

Gepriesen sei die Müllabfuhr!

Immer wieder kommt es vor, dass ein Hornochse denkt, es sei angebracht und überhaupt nichts dabei, seinen Müll einfach auf die Straße zu kübeln, weil ja eh schon genug davon herumliegt auf St. Pauli. In der Tat begegnen viele Benutzer unseres Viertels – wahrscheinlich mehrheitlich welche, die nicht hier wohnen – dieser Angewohnheit empörend gelassen.

Ich gehöre nicht dazu. Müll stört mich. Man kann es auf folgenden Nenner bringen: Mich stört alles, was Tauben erfreut. Zwischen uns gibt es einfach keinen gemeinsamen Nenner. Deshalb mag ich auch Möwen: weil Tauben genau das nicht tun. Tauben sind der definitive Kontraindikator, und wer sich jetzt echauffieren möchte über dieses scheinbar grundlos ungerechte Federviehbashing, dem rufe ich zu: Wir haben eine gemeinsame Geschichte, wir und die Tauben! Sie besteht aus mehreren Kapiteln (1, 2, 3, 4) und ist nicht schön.    

Jedenfalls meldete ich den Haufen vor der Spielothek am Tag nach der Entdeckung via App der Hamburger Stadtreinigung. Da hatte er, der Haufen, bereits damit begonnen, in einen gewissen Zerfledderungsprozess überzugehen. Im Fußball würde man sagen: Er vergrößerte auf regelwidrige Weise seine Körperfläche.

Nach meiner Meldung, da war ich mir sicher, würde erst mal nicht viel passieren. Außer dass Tauben drin herumstolzieren, prekär aufgestellte Passanten den Schandfleck nach Brauchbarem durchwühlen und flanierende Torkler aus dem Umland ihren mitgeführten Restmüll ebenfalls dem Haufen überantworten würden. Denn er war ja schon da, und eine Astradose mehr oder weniger würde doch wohl an der Gesamtlage kaum etwas ändern. TUT ES ABER!

Egal. Als ich am Tag nach der Müllmeldung via App morgens auf den Balkon hinaustrat, um mir beim Zähneputzen den spätsommerlichen Oktoberwind um die Nase wehen zu lassen, sah ich kaum Glaubliches (vgl. unteres Bild): nämlich kein Fitzelchen Müll mehr. 

Die Stadtreinigung Hamburg, diese gebenedeite unter allen Anstalten des öffentlichen Rechts, hatte es über Nacht vermocht, den Müllhaufen auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, und dafür gebührt ihr jeder verfügbare Jubel und Lobpreis. 

Sogar dann, wenn es vielleicht nur ein schöner dummer Zufall war.




22 Juni 2021

Die Tauben eskalieren wieder

Heute auf dem Balkon wurde ich, obzwar von guten Mächten – nämlich unserem Sonnenschirm (Foto) – wunderbar geborgen, Opfer eines im Flug in Einzelteile zerfallenen Guanogeschosses. Dessen Farbe (grünweiß) und Konsistenz (schleimig) lenkten meinen Verdacht schnell auf eine Vertreterin der Taubenvögel. Obwohl ich nicht genau weiß, warum, wäre mir eine Möwe lieber gewesen.

Aber egal: Ich wurde getroffen, und zwar am rechten Brillenbügel sowie am Unterarm, und der fetteste Batzen dieser ordentlichen Portion Taubenkacke landete mitten auf dem Monitor meines MacBook Pro von 2018. Eine Fotodokumentation erspare ich Ihnen; schließlich sollen sie nicht auf unschöne Weise an einen der größten cineastischen Fehler Ihres Lebens erinnert werden, nämlich den Besuch von Faith Akins Film „Der Goldene Handschuh“ – oh, Verzeihung. Ich sage nur so viel: Dieser grünweiße Schleim war flüssig genug, um pfützenartig aufzuplatzen, jedoch auch ausreichend kohäsiv, um nicht gravitationsbedingt in Fluss zu geraten.

Dass er mich und mein MacBook Pro überhaupt traf, obwohl wir beide eigentlich wunderbar geborgen unterm Sonnenschirm saßen, lässt einen wichtigen forensischen Rückschluss zu. So kann der tatverdächtige Vogel keinesfalls aus einer Ruheposition heraus aktiv geworden sein. Es saß also nicht irgendwo über uns herum und führte gemütlich ab. Nein, im Flug muss er seine Last losgeworden sein, wodurch diese eine schräge Falllinie einnahm. Die Schutzfunktion unseres Sonnenschirms ist indes nur für Geschosse TÜV-lizenziert, die in einem akkuraten 90-Grad-Winkel herniederprasseln.

So sah mich St. Pauli heute Vormittag fluchend auf einem Retinadisplay herumrubbeln. Die letzten Spuren der Attacke entdeckte Ms. Columbo noch nachmittags, und zwar oberhalb meines rechten Ohrs, inzwischen geruchsneutral eingetrocknet.

Nach mehr als zwölf Jahren der relativ friedlichen Koexistenz im Anschluss an die legendären Taubenkriege von St. Pauli interpretiere ich diesen Zwischenfall nun als erstmalige Erhöhung der Eskalationsstufe. Jetzt muss über Reaktionsoptionen nachgedacht werden. Ich meine: Was täte Joe Biden, wenn ein nordkoreanischer Torpedo das Heck des Flugzeugträgers USS Theodore streifte?

Eine Frage, die sich vor allem die hiesigen Vertreter der Taubenvögel stellen sollten. Aber egal, was passieren wird: Ich habe nicht angefangen.




28 November 2010

Wieder mal ein Beitrag „gegen Tiere“

 
Der alte leerstehende Kaufhauskomplex namens Frappant in Altona soll abgerissen werden, weil das Möbelhaus Ikea an gleicher Stelle ein Filialgebäude errichten will. Vorher, heißt es in der jüngsten Mopo am Sonntag, müssten allerdings tierschutzgesetzgemäß die dort nistenden „Taubenbabys“ umgesiedelt werden. 

Wie bitte …? Selbst wenn „Taubenbabys“ (vulgo: Küken) wirklich existierten, wäre das eine markerschütternde Nachricht, denn aus diesen kleinen Federknäueln entstünden bei entsprechender Fütterung unweigerlich ausgewachsene und fatalerweise flugfähige Vögel, und diese Biester schlügen irgendwann mit tödlicher Sicherheit hier auf unserem Balkon auf. 

Doch es gibt ja zum Glück in Wahrheit gar keine Taubenküken, oder hat irgendjemand von Ihnen schon mal welche gesehen? Na bitte. Ms. Columbo vertritt übrigens die plausible Theorie, Tauben durchliefen alternativ zum Kükenstadium Terrorcamps im Nahen und Fernen Osten und würden nach der Abschlussprüfung direkt nach Hamburg importiert, um die geschilderten Anschläge auf unseren Balkon durchzuführen (leider sind es keine Selbstmordattentate). 

Ich plädiere übrigens schwerstens und ganz generell dafür, Tauben mit aller gebotenen Härte zu Zugvögeln umzuschulen – und den afrikanischen Ländern, in denen sie überwintern, üppige Prämien dafür zu zahlen, dass sie ihnen im Frühling keine Ausreisevisa mehr ausstellen. Die angebliche Umsiedlung von „Taubenbabys“ in Altona unter Federführung von Ikea ist jedenfalls schon jetzt der schlechteste Witz der gesamten Adventszeit, dabei hat die gerade erst begonnen. 

Neben Tauben gibt es übrigens auch Pferde. Sogar alte – und die verfügen erstaunlicherweise über ein Diskussionsforum im Internet. Von dieser Skurrilität hätte ich niemals erfahren, wenn nicht zurzeit eine erkleckliche Zahl Blogbesucher von ebendort auf die Rückseite der Reeperbahn umgeleitet würde. 

Kennt irgendwer den Grund? Ich möchte mich ungern selbst dort anmelden, zumal ich nicht mal einen alten Maulesel besitze, geschweige denn einen im Rentenalter.

20 Juni 2010

Freiheit für Herrn Hugs!



Am Hamburger Berg, der kneipengespickten Hauptsaufzone all jener Kiezbesucher, die an käuflichen Damen weniger Interesse haben als an einem gut gezapften Astra, sitzen drei Tauben auf dem Gehweg und picken behaglich in einer großen Lache Erbrochenem.

Diese Tiere sind sich einfach für nichts zu schade, und ich bin heilfroh, dass sie unseren Balkon dank des aufgespannten Netzes nun praktisch nicht mehr besuchen können mit ihren kleinen stinkenden kotzegesprenkelten Schnäbeln.

Die Begegnung mit dem ekelresistenten Taubentrio hatte ich auf dem Weg zum Flohmarkt in der Wohlwillstraße, wo an einem der Stände eine patente Blondine kostenlose Umarmungen anbot – ein Service, der anscheinend nicht der Knaller des Tages war, denn einem Bekannten, den sie gerade herzte, als ich vorüberging, sagte sie: „Du bist erst der zweite!“

Dabei war die Frau keineswegs das Musterbeispiel einer knollengesichtigen Vettel, der man intuitiv die Schuld an der taubenverzaubernden Lache am Hamburger Berg in die Schuhe geschoben hätte. Vielleicht wusste einfach die Mehrzahl der Passanten nicht, was unter „free hugs“ zu verstehen sein sollte.

Angesichts der politisch stets hochmotivierten Kiezbewohnerschaft hätte sich dahinter ja auch die Aufforderung an irgendeinen US-Gouverneur verstecken können, einen gewissen Herrn Hugs endlich aus dem Gefängnis zu entlassen, vergleichbar mit dem Fall Mumia Abu-Jamal. Befreit Herbert Hugs! Er sitzt schon viel zu lange in der Todeszelle!

Temporärer Themenwechsel: „Fick dich in den Arsch, du Hurensohn!“, soll der Fußballspieler Nicolas Anelka nach Angaben französischer Medien sinngemäß zu seinem Trainer gesagt haben, und obwohl diese Aufforderung selbst für einen Nationalcoach physisch nur sehr schwer umzusetzen ist, also ganz offensichtlich scherzhaft gemeint war, musste der Spieler sofort nach Hause fahren.

Anelka hätte dem Trainer statt des missverständlichen Imperativs besser einen „free hug“ anbieten sollen. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

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06 Dezember 2009

Eine kam durch (und davon)

 

Tauben sind die populärsten Tiere hier auf der Rückseite der Reeperbahn. Allerdings aus den falschen Gründen. Denn es ist echt zum Milbenmelken: Schon wieder schaffte es eine Taube auf unseren vollvernetzten, inzwischen gar mit Drähten gesicherten, kurz: zur quasi uneinnehmbaren Trutzburg ausgebauten Balkon. Den Horden Dschingis Khans hätte er gewiss mondelang widerstanden, doch leider nicht den hiesigen Luftratten. Zumindest einer nicht. 


Die verlustigte sich hier nun fröhlich flatternd und stürzte sich immer wieder kopfüber und krallenvoran ins Netz juchhe, während ihre Gang draußen auf dem Baum saß und Haltungsnoten vergab. Eine selbstverständlich untragbare Situation. Doch diesmal war kein Profivergrämer mehr nötig, oh nein. Es war klar, was zu tun war. 

Ich suchte mir die älteste, fleckigste, gelbste Pannesamtdecke aus den niedersten Niederungen meines geerbten 19.-Jahrhundert-Steckschranks und betrat den Balkon wie Django, nur halt ohne Sarg und Knarre. Aber mit Pannesamtdecke. Das Tier wusste augenblicklich, was auf es zukam, und nahm die Herausforderung an. 

Es folgte eine wilde Jagd auf engstem Raum, die darin bestand, dass ich ein ums andere Mal den Samt durch die Gegend warf wie Lucky Luke sein Lasso, nur mangels Übung ohne dessen Treffsicherheit. Die Taube entkam gewiss ein Dutzend mal. Doch dann war es soweit: Die Decke begrub den Vogel unter sich – was ihn erstaunlicherweise sofort in eine für mich höchst kommode Duldungsstarre versetzte. 

Warum wehrte er sich nicht mehr – war es Erschöpfung? Taktik? Einsicht gar? Wie auch immer: Ich konnte ihn packen, mitsamt Decke auf den unbefestigten und dennoch von Tauben komplett verschmähten Südbalkon tragen und dort aus dem Samt schütteln. 

Auf dem Weg durch den Flur war nur kurz der Gedanke an einen leckeren Taubenbraten aufgeflammt. Doch wenn man gerade keinen Metzger zur Hand hat, sind die sich abzeichnenden Begleitumstände seiner Herstellung doch recht unappetitlich. So nahm ich Abstand. Stattdessen delektierten wir uns später an Rotbarsch. 

War wohl eine Art Übersprungshandlung.

22 August 2009

Die Vögel

Wie die treueste Leserschar weiß, hatten wir vor einiger Zeit ein ernstes Taubenproblem. Es wurde schließlich behoben durch die Vollvernetzung unseres Balkons. Er erhielt gleichsam ein Ganzkörperkondom und stellte danach einen Ausbund an Wohnlichkeit dar, zumindest im Vergleich zu vorher. 

Nach einigen paradiesischen Wochen entdeckte ich einen Guanoklecks auf dem Balkonboden. Ich ging der Sache aber nicht auf den Grund, sondern runzelte nur die Stirn. Vielleicht aus Selbstschutz. Eine Woche später war ich in der Küche und nahm im Augenwinkel eine Bewegung auf dem Balkon war. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah: eine Taube. Wie in Pablo Picassos Namen war sie auf den vollvernetzten Balkon gelangt? War das Ganzkörperkondom etwa undicht? 

Nein: Aber zwischen Netzunterkante und Balkonboden klafft umlaufend eine Lücke von genau 82 Millimetern (Foto 1), ich habe mittlerweile nachgemessen. Und dort hatte das Viech sich anscheinend durchgequetscht. Jetzt flatterte es auf dem vollvernetzten Balkon herum und wusste nicht, was zu tun war. Denn hier gab es nichts, kein Fresschen, nur Plastikmöbel und einen Topf mit Minze, die Ms. Columbo sich seit dem Taubenbesuch die längste Zeit als Tee aufgegossen hat. Und vor allem gab es kein Entkommen. Die Taube war zwar clever genug gewesen, den Spalt zu finden, doch zu dämlich, um sich beim Fluchtversuch daran zu erinnern. 


Aufgeregt flatterte der Vogel nun hirnlos gegen die Netzwand, setzte sich ab und zu auf die Gießkanne, um zu kacken, und ich stand an der Scheibe und konnte a-b-s-o-l-u-t nichts tun. Die Menschheit hat es geschafft, auf den Mond zu kommen, doch wie ich persönlich dieser Taube nun den Ausweg verklickern sollte, das war mir so rätselhaft wie das verwirrende Geflecht der Gassen Ottensens, in dem ich mich regelmäßig verlaufe. 

Ratlos und vorsichtig betrat ich den Balkon, als der gefiederte Widerling mal kurz auf dem Boden Platz genommen hatte – und plötzlich schlüpfte er unten durch den Spalt. Bodenlose Erleichterung! Zumal der kleinhirnige Dinosauriernachfahr gewiss in den letzten Minuten ausreichend Panik geschoben hatte, um nie, nie mehr wiederzukommen. Tauben lernen ja aus so was. Und sie würde es aufgeregt den anderen sagen: Bleibt da weg, zu viel Adrenalin! Das Leben war schön. 

Eine Woche später allerdings rief Ms. Columbo nach mir. Ich eilte in die Küche und sah es. Drei Tauben. Auf dem Balkon. Der geschnäbelte Vollhorst von damals hatte die Story weitererzählt, und jetzt wollten seine Kumpels auch mal gucken. Ihre Panik bei meinem Anblick war zunächst groß. Ein einziges Geflatter, Gegurre und Gekacke machte sich breit unterm Netz, der Balkon war ein Tollhaus. Unsere Panik war kaum kleiner. Was nur tun? Vergrämer anrufen. 

Es war Samstagnachmittag, der Mann war entsprechend begeistert. Zumal er aus Bad Segeberg rüberkarriolen musste. „Das. Kriegen. Wirr. Schon. Hin“, schnarrte er im modulationsfreien Ton des Kehlkopfoperierten, der sich beim Sprechen ein Mikro mit Minilautsprecher an den Hals halten muss. Er hatte eine Decke mitgebracht. Die warf er über die Tauben, fing so eine nach der anderen ein und quetschte sie – nein, nicht zwischen seinen Handwerkerpranken zu Tode, wie es eine dunkle Seite in uns mit uneingestandener Angstlust erwartete, sondern zwischen den sich überlappenden Netzbahnen hindurch in die Freiheit. 

Dann spannte dieser Segeberger Samariter zwei Drähte vor den 82 Millimeter breiten Spalt und schnarrte zum Abschied ein blechernes „Auf. Wiederr. Sehen.“ Seitdem haben sie es nicht mehr geschafft, auf unseren Balkon vorzudringen. Doch gestern hörte ich es gurren im Halbschlaf, und etwas flatterte und kratzte am Schlafzimmerfenster. 

Sie wollen wieder rein, jetzt erst recht. Und sie sind sauer.

07 Januar 2009

Guano galore

Heute erreichte ich eine neue Stufe der Verzweiflung und bewarf eine unserer Balkontauben mit einer Kartoffel der Sorte Princess aus kontrolliert ökologischem Anbau (ohne zu treffen). Nun fühle ich mich beschmutzt und beschämt. 

Was mich tröstet, ist einzig die Tatsache, dass die Hausverwaltung bis dato unsere fünfprozentige Mietminderung wegen des Taubenterrors kommentarlos hingenommen hat. Die Richtung scheint also zu stimmen. 

Aber die Biokartoffel: Die ist unwiederbringlich perdu. Und zwar ohne den geringsten Eindruck bei der Balkontaube zu hinterlassen, wie ich mit stoischem Fatalismus den neuesten Guanospuren entnehmen kann.


17 Dezember 2008

Im Kampf mit Gluckscheißern

Angesichts der Tauben auf unserem Innenhofbalkon läuft mein im Prinzip gandhieskes Wesen Gefahr, sein düsterstes Pendant hochsympathisch zu finden. Tagsüber bereits bevölkern die Tauben sonder Zahl unseren Balkon, als gäbe es dort etwas umsonst. Dem ist aber nicht so. Was es dort kiloweise gibt, ist lediglich Taubenmist. Das kann ja wohl nicht derart attraktiv sein, gerade für die Verursacher nicht. 

Dennoch wirkt unser Balkon magisch auf Tauben. Er ist ihr Elysium, das Paradies auf Erden, der Platz, wo man als Taube sein möchte, ein Refugium zum Spaßhaben und Altwerden. Aber warum? Keinen Schimmer. 

Das ist, wie gesagt, die Situation am Tag, wenn es hell ist. Und nachts bleiben sie der Einfachheit halber gleich da. Der Balkon über uns hat so hübsche kleine Boxen im Boden (Foto), deren Länge, Tiefe und Zuschnitt der Balkonbauer zweifellos dem Taubenwunschkatalog entnommen hat. Für jedes Täubchen ein Kabäuzchen. Sobald es dunkelt, kuschelt sich die Vogelschar dort hinein, gurrt selig, schlummert alsbald einem weiteren wunderbaren Tag auf unserem Balkon entgegen und lässt von Zeit zu Zeit glücklich und traumverloren Taubenkacke leis herniederklatschen. Diese Gluckscheißer! 

Die bereits mehrfach alarmierte Hausverwaltung signalisiert zwar stets abwiegelndes Mitgefühl, doch was ihren Problemlösungseifer angeht, ist sie so aktiv wie ein Eifelvulkan. Nein, der Balkon ist verloren, keine Frage. Dennoch habe ich vor einiger Zeit beschlossen, den nachtflugscheuen Tauben wenigstens das Leben zur Hölle zu machen. Also öffne ich seit Wochen stets gegen Mitternacht die Balkontür, greife den bereitstehenden Schrubber und fuchtele damit vor den Täubchenkabäuzchen herum wie ein Jedi mit dem Lichtschwert. 

Allerdings reagieren die Vögel zunehmend unwilliger auf meine Attacken. Anfangs reichte es noch, nach dem Schrubber zu greifen, um die Federpest zur Flucht zu zwingen. Nach einigen Tagen aber musste ich bereits eine falkenähnliche Zustoßbewegung vollführen, um überhaupt noch eine Reaktion zu erzielen. Neuerdings nehmen die Luftratten sogar diese Maßnahme mit provokantem Gleichmut hin; sie zwingen mich dadurch, einen Schritt hinaus auf den taubenkackverdreckten Balkon zu tun (in Hausschuhen!), um meine Reichweite zu erhöhen. 

Gestern erwischte ich erstmals eine hart mit der Schrubberbürste, was sie schließlich einen Rückzug in Erwägung ziehen ließ; die taumelnd herabsinkende Feder war das Unterpfand meines allerdings schnell wieder verlodernden Triumphes. Denn alles bleibt vergebens. Mein Terror wirkt nicht. Auch heute Abend saßen sie wieder da, als wäre nie etwas gewesen oder – schlimmer – als nähmen sie mich nicht richtig ernst. Gelassen erwarteten sie mein Hinaustreten in den Dreck, meine Schrubberattacke, die ganze wütend entfesselte physische Gewalt, bevor sie schnippisch hinausflatterten in die Nacht. 

Wie hat Gandhi das eigentlich hingekriegt? Er hatte doch nicht mal einen Schrubber.

05 August 2008

Sie weiß alles

Natürlich, es ist übel, eine alte graue Frau mit Gehhilfe anzupflaumen. Deshalb tue ich es auch nicht, sondern bleibe höflich. „Entschuldigen Sie“, sage ich, „Sie füttern Tauben. Warum tun Sie das?“ 

Sie steht gebeugt da, mit mühsam erhobenen Armen, und bröselt mit verbogenen Fingern Weißbrot aufs Pflaster. Die gefiederten Mistviecher kriegen fast einen Herzkasper vor Begeisterung. 

„Weil ich Tauben mag“, sagt die Frau. 

Sie stützt sich jetzt wieder auf die Gehhilfe und weicht einen Schritt zurück. Ich stecke die Hände in die Hosentaschen, damit ich nicht bedrohlich wirke. 

„Tauben übertragen Krankheiten“, erläutere ich. 
„Weiß ich“, sagt sie leise. 
„Mit Recht ist es deshalb verboten, sie zu füttern. Es kostet sogar Bußgeld.“ 

Sie weicht noch weiter zurück und meinem Blick aus. „Weiß ich“, sagt sie noch leiser. 

Mist, sie weiß es. Sie weiß alles. Und tut es trotzdem. Warum? Wahrscheinlich ist sie Witwe, ihre Kinder besuchen sie nie, der Hund ist weggelaufen, der Heimplatz schon gebucht, und ich verderbe ihr auch noch die letzte verbliebene Freude: gefiederte Mistviecher an den Rand des Herzkaspers zu bringen vor Glück; ihnen dabei zu helfen, die Gegend mit Viren zu verseuchen. Sie weiß es, und sie tut es trotzdem, sie muss ihre Gründe haben. 

Zeit zu gehen, mit den Händen in den Hosentaschen. Unseren hinteren Balkon können wir übrigens schon lange nicht mehr benutzen. Tauben haben ihn längst übernommen. Schwäne wären mir lieber. 

PS: Der Schlusssatz liegt ausschließlich an der bestürzenden Tatsache eines fehlenden Taubenbildes – oder das einer alten grauen Frau mit Gehhilfe. 

30 August 2007

Von Tölen, Tauben und Toten

Neulich stieß ich in der Zeitung auf eine Liste bußgeldpflichtiger Vergehen in Hamburg. Einige waren für uns Kiezbewohner von besonderem Interesse. So fällt, wie ich erfuhr, beim öffentlichen Urinieren ein Zwangsobolus von mindestens 40 Euro an, die Obergrenze liegt bei 150. 

Legte sich also die Polizei ein Kiezwochenende lang auf die Lauer und bäte die Inhaber undichter Fortpflanzungsorgane zur Kasse, die Finanzierung der Elbphilharmonie wäre schlagartig gesichert, aber so was von. Wovon die Bußgeldhöhe genau abhängt, ließ die Zeitung offen. Fragte man mich, ich würde fürs Pinkeln in die Seilerstraße mit einem Betrag am oberen Ende der Marge liebäugeln. 

Weiter im Text: Das achtlose Liegenlassen von Verdauungsprodukten der eigenen Kläfftöle schlägt mit recht moderaten 25 bis 100 Euro zu Buche. Doppelt so teuer hingegen kann das Wegwerfen eines Fernsehers werden, obwohl das Gerät deutlich weniger stinkt. Der Unsitte des Fernseherwegwerfens begegnet man rund um die Reeperbahn übrigens durchaus nicht selten. Ja, wären es wenigstens funktionsfähige Plasmageräte mit mindestens 106 Zentimetern Bildschirmdiagonale! Aber nein. 

Übrigens wird ein solcher recht kunstvoll zerstörter Stuhl, wie ich ihn in der Schmuckstraße visuell dingfest machen konnte, preislich nicht anders behandelt als ein Fernseher. Auffällig beim Vergleich der aufgelisteten Untaten ist die manchmal unerklärlich krass differierende Bußgeldhöhe. Zum Beispiel beträgt die Strafe fürs Ausgraben einer Leiche maximal 500 Euro – und somit nur ein Zehntel des Betrags fürs Taubenfüttern. 

Man könnte übrigens gerade diese beiden Vergehen ganz gut miteinander kombinieren.

27 Juli 2007

Ratten kreuzten seinen Weg

Auf dem Gehweg an der Schmuckstraße, wo die Transen stehen, hocken zwei Tauben, als ich mit dem Fahrrad angeradelt komme. Flöge eine Fee herbei und gewährte mir die Erfüllung eines Dutzend Wünsche, so könnte ich nicht ausschließen, ihr nach Weltfrieden, genereller Genesung und einem 1976er Chateau d’Yquem auch das Bedürfnis nach spurloser Verpuffung aller Hamburger Tauben vorzutragen. 

Trotz dieses düsteren Wunsches, der gewiss einen Schatten auf meinen Charakter wirft, bringe ich es aber nie übers Herz, der noch immer nicht aufgetauchten Fee vorzugreifen und diese Vögel bei passender Gelegenheit plattzufahren. Die beiden vor mir auf dem Gehweg wissen das genau und bleiben gelangweilt sitzen – zumal sie sich im Recht wähnen dürfen: Sie sind zu Fuß, ich radle, und das auf dem Gehweg. 

Als ich mich schon schicksalsergeben auf einen Slalomkurs einzustellen beginne, betritt von links ein weiteres unsympathisches Tier die Szenerie, nämlich eine kapitale Ratte. Düpierend gemächlich hoppelt sie quer über den Weg, ohne mich oder mein Fahrrad auch nur eines Blickes zu würdigen. Interessanterweise reagieren die Tauben ebenfalls mit versnobter Ignoranz auf den immerhin spitzzahnigen Nager. 

Anscheinend hat hier auf St. Pauli niemand mehr vor irgendjemand Respekt oder gar Schiss, und beim Weiterradeln bin ich darüber seltsam verärgert. Ich denke, dieses Gefühl werde ich sublimierend am Franken oder an Kramer auslassen. Jedenfalls nicht an Ms. Columbo, in deren Anwesenheit ich abends auf dem Weg ins Kino dieses Foto vom Heiligengeistfeld schieße.

17 Juni 2007

Taubenfutter zweckentfremdet

Warum sieht man nach einer Nacht im Liegewagen eigentlich immer so aus, als wäre man Stefan Hentschels Sandsack? Uebrigens fuehlt man sich auch genauso. Dabei ist doch nichts weiter passiert, als dass man ein paar Stunden lang sehr beengt flachgelegen hat. 

Wir werden jedenfalls einen Tag brauchen, um hier in Danzig die Sandsackexistenz wieder einzutauschen gegen etwas Menschenaehnlicheres. Dabei hat es schon mal geholfen, den kleinen Jungen auf dem Marktplatz zu beobachten. 

Seine Eltern hatten ihm Taubenfutter gekauft, was auf St. Pauli strafbar wäre, hier aber als Touristenattraktion sogar gefoerdert wird. Der Kleine hatte aber eine bessere Idee: Er aß das Zeugs lieber selber. Aufschrei bei Mama, feixen bei Matt und Ms. Columbo. 

So kann es weitergehen.

13 Juni 2007

In Sichtweite der Taubenstraße

Tote Tauben auf St. Pauli bieten gewöhnlich einen erbärmlichen Anblick. Meist mussten sie eine deutliche Reduktion ihres Körpervolumens hinnehmen, da ihre Mortalitätsrate vor allem von fatalen Kontakten mit Verkehrsmitteln bestimmt wird.

Nur ganz selten hingegen sieht man Taubenleichen, die eines offenbar natürlichen Todes gestorben sind. Dann sehen sie aus, als schliefen sie.

Vornübergekippt und mit dem Schwänzchen in die Höh ruhen sie auf dem Gehweg, ihre Köpfchen sind traulich zur Seite geneigt, die Taubenwängchen ruhen friedlich auf dem Stein.

Es scheint dann, als träumten sie vom Pickparadies.

Genauso lag die von heute da – und das ausgerechnet in Sichtweite der Taubenstraße. Der Kiez kann so zynisch sein.

15 April 2007

Alle Vöglein sind schon weg

Touristen schieben sich schwarmartig über die Landungsbrücken, die eklen Dieselschwaden der Schiffe hängen träg im traumhaften Tag, und wir suchen einfach nur Enten. Gerne auch Möwen. Denn wir haben Brotkanten dabei, und Vögel sollen sie fressen, solange es keine Tauben sind, diese elenden Ratten der Lüfte. 

Hierher aber, ans hochsommerliche Glitzerfunken sprühende Wasser, trauen sich die Tauben nicht. Sie fürchten sich vor der Aggessivität und den Hakenschnäbeln der Möwen. Aber wo sind die Möwen bloß? Und wo die Enten? Wir sehen keine. Eine Brücke nach der anderen laufen wir zunehmend verwundert ab, doch die Elbe scheint jetzt, wo endlich die Lachse wieder da sind, vom gefiederten Volk völlig verlassen. 

Wir sind schon wieder auf dem Rückweg, als ich auf dem kleinen Ponton unter Brücke 10 endlich ein faules Entenpaar entdecke. Es sitzt träg im Schatten des traumhaften Tages und verdöst die Mittagszeit, statt seiner evolutionären Pflicht zu folgen und Nahrung zu suchen. Doch heute erweist sich Tatenlosigkeit als genau richtige Taktik im Sinne Darwins, und als das erste Stückchen Brot neben ihnen ins Wasser platscht, sind die beiden sofort hellwach – genauso wie die gefühlten dreißig Möwen, die urplötzlich aus dem Nichts materialisieren, als hätte Scotty sie hierher gebeamt, an die Landungsbrücke 10. Wo, verdammt, waren diese Vögel die ganze Zeit? Und wie, in Phoenix’ Namen, kriegten sie die Mannalieferung derart schnell spitz? 

Jedenfalls herrscht binnen Sekunden ein Hauen und Stechen. Wir versuchen die Enten zu bevorzugen, weil sie keine Chance hätten im Kampf mit den Möwen, doch wir haben eh genug für alle dabei. Schon bald sind Enten und Möwen satt und prall und zunehmend desinteressiert. Ich kann Ms. Columbo zu Hause abliefern und sofort rübergehen zum Stadion, wo ich auf den letzten Drücker noch eine Schwarzmarktkarte fürs Spiel meines kleinen Stadtteilvereins gegen Holstein Kiel ergattere. St. Pauli siegt 2:0, ich stehe in der Nordkurve träg im traumhaften Tag und hole mir – Mitte April – einen leichten Sonnenbrand auf beiden Lippen.

Ich liebe den Klimawandel.