Sie steht gebeugt da, mit mühsam erhobenen Armen, und bröselt mit verbogenen Fingern Weißbrot aufs Pflaster. Die gefiederten Mistviecher kriegen fast einen Herzkasper vor Begeisterung.
„Weil ich Tauben mag“, sagt die Frau.
Sie stützt sich jetzt wieder auf die Gehhilfe und weicht einen Schritt zurück. Ich stecke die Hände in die Hosentaschen, damit ich nicht bedrohlich wirke.
„Tauben übertragen Krankheiten“, erläutere ich.
„Weiß ich“, sagt sie leise.
„Mit Recht ist es deshalb verboten, sie zu füttern. Es kostet sogar Bußgeld.“
Sie weicht noch weiter zurück und meinem Blick aus.
„Weiß ich“, sagt sie noch leiser.
Mist, sie weiß es. Sie weiß alles. Und tut es trotzdem. Warum? Wahrscheinlich ist sie Witwe, ihre Kinder besuchen sie nie, der Hund ist weggelaufen, der Heimplatz schon gebucht, und ich verderbe ihr auch noch die letzte verbliebene Freude: gefiederte Mistviecher an den Rand des Herzkaspers zu bringen vor Glück; ihnen dabei zu helfen, die Gegend mit Viren zu verseuchen.
Sie weiß es, und sie tut es trotzdem, sie muss ihre Gründe haben.
Zeit zu gehen, mit den Händen in den Hosentaschen.
Unseren hinteren Balkon können wir übrigens schon lange nicht mehr benutzen. Tauben haben ihn längst übernommen. Schwäne wären mir lieber.
PS: Der Schlusssatz liegt ausschließlich an der bestürzenden Tatsache eines fehlenden Taubenbildes – oder das einer alten grauen Frau mit Gehhilfe.
So grotesk wie das jetzt klingt, ich hab mal 30 € gezahlt, nur weil ich meine Eiswaffel (die ich einfach nicht mag) zerbroeselt habe und das fuer die Tauben auf dem Winterhuder Markt hingeworfen habe. Kein Witz jetzt. Seit dem esse ich Eis nur noch aus dem Becher!
AntwortenLöschenDie Olle, die Sie beschreiben, gehört meiner Meinung nach in die Anstalt. Die füttert seit mindestens 20 Jahren in Hamburg - nicht nur in St. Pauli, und auch nicht nur gelegentlich.
AntwortenLöschenLeider sauen einem die Tauben, wenn man sie platt fährt, leider das Auto zu sehr ein. Ich habe das mal sehen können, als jemand mit seinem Sportwagen auf der Kreuzung Heußweg/Osterstraße sechs auf einem Streich erlegt hatte ;-)
Fraglos sind die Ratten der Lüfte eine Plage und ihre Fütterer zelebrieren die Mitleidstour genauso perfekt wie die Viecher sich vermehren, aber kennt irgendwer jemanden, der von einer Taube eine Krankheit bekommen hat? Ich bezweifle die Aussage nicht, bin selbst damit aufgewachsen, aber kommt es wirklich vor und kann man den Fütterern mit konkreten Beispielen ihren Spaß verderben?
AntwortenLöschenaquiinla, das 30-Euro-Argument hätte ich gerne noch in die Diskussion mit der Dame einfließen lassen, doch nun ist es zu spät.
AntwortenLöschenMike, Ihre Maßnahme scheint mir zu radikal – und Ihre Schilderung des Vorfalls ist blankes Jägerlatein. Stimmt's?
Ric, hier wird das alles in der Tat ein bisschen relativiert.
AntwortenLöschenDanke für den Link! Ich werde dennoch weiterhin die Luft anhalten, wenn ich durch eine Taubenmenge laufe...
AntwortenLöschenSehr schön, wie Sie subtil noch den Alain Delon haben einfließen lassen. Das verdient höchsten Respekt!
AntwortenLöschenmoin moin mal wieder
AntwortenLöschenda fällt mir glatt das lieblingslagerfeuerlied meiner kinder ein: alte frau (von WIZO)
blondyonly
Der hintere Balkon muss zurückerobert werden! Melde mich freiwillig für die erste Wache.
AntwortenLöschenGP, diese Anspielung muss mir versehentlich unterlaufen sein. Deshalb bitte ich a) um die Rücknahme des Respekts und b) um Aufklärung.
AntwortenLöschendein_koenig, da müssen Sie schon Ihre royalen Legionen mobilisieren. Einzelwachen? Vergessen Sie's!
Ich bin böse, ich weiß. Aber wie viele Lebewesen übertragen Krankheiten und ihr Kot stinkt vor sich hin, und sie werden trotzdem gefüttert, Menschen zum Beispiel.
AntwortenLöschenHunde auch, deren Nutzen oft fragwürdig ist.
Die alte Dame soll doch weiter füttern wenn sie mag.Es ist allemal billiger als Hundesteuer zahlen.
Croco, Sie sind in der Tat sehr, sehr böse, denn Sie haben unseren Balkon vergessen. Und beides – das Füttern und die Nichtbetretbarkeit unseres Balkons – hängt zusammen.
AntwortenLöschenWahrscheinlich haben Sie einfach keinen Balkon. Und kein Einfühlungsvermögen.
Ich kann Tauben auch nichts abgewinnen, habe mich sogar schon einmal von dem Geruch gebratener Tauben übergeben, daher verbitte ich mir, einen Zusammenhang zwischen Tauben und Hunden herzustellen.
AntwortenLöschen>> Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos <<
Matt, wie waere es mit einer Katze, so nur mal leiweise fuer 3 Wochen, das sollte auch kuenftig die Tauben abhalten. Bei Drosseln im Kirschbaum hat das auf Jahre hinaus gewirkt.
AntwortenLöschenWir sind überhaupt nicht so die Tiertypen.
AntwortenLöschenLieber Matt, diese Anspielung MUSS doch geplant gewesen sein. Sowas schreibt man doch nicht einfach mal so auf!
AntwortenLöschenAlain Delon in „Killer stellen sich nicht vor”, als er wieder mal irgendeine Diskussion verliert, dann etwas Schlaues sagen will, die Dame nur mit „ich weiß” kontert: DANN sagt er diese Sätze, resignierend, seufzend, aber auch stolz: „Sie weiß es. Sie weiß alles.”
Croco: Es gibt sicherlich Tauben, die nützlicher sind als manche Menschen. Im Durchschnitt glaube ich aber, sollte man doch eher Menschen füttern.
Wie Sie wissen, muss man einen Schimpansen nur lange genug auf einer Schreibmaschine herumhacken lassen, dann kommt irgendwann auch mal was Sinnvolles dabei heraus.
AntwortenLöschenIch bin der Schimpanse.
Dochdoch, ich habe einen Balkon. Und da fege ich jeden Tag den Fledermauskot weg.Die Flatterer übernachten nämlich zwischen Balken und Haus.Und ich freu mich, wenn sie am Abend ihre Kreise ziehen und vor der Lampe Insekten fangen.
AntwortenLöschenAls kleines Friedensangebot und zur Rettung des Balkons als soziokulturellem Ort, das hier.
http://www.taubenabwehr-shop.de/xtcommerce/index.php?language=de&gclid=CLD68JfI_JQCFRnqXgodFBAkrg
Na, das ist schon sehr viel konstruktiver. Geht doch!
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