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09 Mai 2014

Ist halt immer Abwägungssache

Als ich heute im neu entdeckten Altonaer Massagestudio vor der Anwendung noch mal kurz verschwinden wollte – ich hatte eine ganze Stunde gebucht –, fand ich die Toilette besetzt vor. 

Von drinnen hörte man es fröhlich pladdern (Stehpinkler!), begleitend war ein gar nicht mal untalentiertes tremolierendes Pfeifen zu hören. Nach dem Ersterben dieser polyphonen Geräuschkulisse öffnete sich ohne weitere Verzögerung die Tür (Hände nicht gewaschen!), und heraus trat sympathisch grinsend ein schlanker Muskelmann.

Wenig später wartete ich bereits entkleidet im Behandlungsraum – und wer kam herein? 
Der gleiche Mann. Mein Masseur. 

Mist. Was tun? Eine Diskussion anfangen? Fliehen? Mir fiel eine Seinfeld-Folge ein, in der Jerry auf der Restauranttoilette den Koch trifft, der sich ebenfalls nicht die Hände wäscht und wenig später erneut Jerrys Aufmerksamkeit erregt: als er mit Hingabe Teig knetet. 

Im Vergleich erschien mir das weitaus bedenklicher als die Situation, der ich mich nun zu stellen hatte, und ich entschloss mich, die Massage nicht einfach nur als Training für meinen Rücken, sondern auch für mein Immunsystem zu sehen.

Und was soll ich sagen? Der Mann hatte nicht nur übertünchendes, vielleicht sogar desinfizierendes Mandelöl zur Hand, sondern auch wahre Wunderhände. Da konnten sämtliche Experten, denen ich im Lauf der Jahre meinen Rücken anvertraut hatte – darunter ganze Riegen von sachkundigen Thaidamen –, einfach nicht mithalten.

Was ich damit sagen will: Ich glaube, ich muss dort noch mal hin, trotz alledem. 

Für Rücken und Immunsystem.

18 März 2010

Fundstücke (73): Lose Zusammengekehrtes

1. Auf den Toiletten des CCH ist der verchromte Spülkasten (Foto) so geformt und geneigt, dass er die untere Körperhälfte spiegelt – und dabei doch wahrhaftig die Größenverhältnisse ins Schmeichelhafte verzerrt. Frauen kriegen das wahrscheinlich überhaupt nicht mit.

2. Mein Ranglistenplatz auf der Statistikseite Bloggerei entsprach heute Abend exakt unserer Kabinennummer auf der anstehenden Ostseekreuzfahrt: 222. Was soll mir das sagen?

3. Die saumseligen Kommentare aus dem alten Blog bequemen sich übrigens peu à peu ebenfalls umzuziehen. Somit könnte ich alsbald erwägen, den Status quo ante komplett zu entfernen, doch irgendetwas hält mich davon ab. Ich warte erst einmal, ob Blogspot/Google auch tittenlastige Beiträge wie diesen auf Dauer unzensiert lässt.

4. Die Transen in der Schmuckstraße dürften seit heute tief durchatmen, denn endlich sind die Straßenbauarbeiten weitgehend durch. Das ordnungsgemäße Kobern ist nämlich eine geradezu unbewältigbare Herkulesaufgabe, wenn derweil Presslufthammer-B-B-B-Bernie in den Untergrund vorstößt und das Jaulen der Asphaltfräsen die stichhaltigsten Argumente übertönt. Doch jetzt wird ja wieder alles gut.

5. Ein großer Hamburger Verlag unterzieht freie Journalisten einer ganz besonderen Behandlung. Er bestellt einen Artikel zu einem bestimmten Honorar. Wenn auf der vorgesehenen Seite nun zur Freude des Verlags jemand eine viertelseitengroße Anzeige schaltet, kürzt er das Honorar für den bereits gelieferten Artikel um 25 Prozent, denn es wird ja auch weniger Text gedruckt … Im Klartext: Weil der große Hamburger Verlag plötzlich mit der Seite Geld verdient, spart er parallel am Honorar für den Journalisten. Wollte man die Begriffe „paradox“, „perfide“ und „schäbig“ gemeinsam definieren: Mit dieser Geschichte schaffte man es mühelos.

6. Es gibt einen neuen Bewerber um den Jil-Sander-Gammelsprech-Preis des Jahres. Auch er ist Modedesigner und heißt Wolfgang Joop. In der Zeitschrift Tush sagt der Mann Sätze wie: „Wir sind totally equipped und totally Opfer vom Equipment.“ Es ist vollkommen offensichtlich, dass der exzessive Umgang mit Klamotten bestimmte Synapsen beschädigt, die bei normalen Menschen das Babylon-Syndrom verhindern helfen. Es sollte allmählich Betty-Ford-Kliniken für so was geben.


>> Die beliebtesten Tags: Brief, Bus, Einzelhandel, Franke, Fußball, Obdachlose, Panne, Reeperbahn, Sex, St. Pauli

07 November 2009

Die gesammelten Irritationen des Tages



In der Weinstube Zur Traube in Ottensen lassen wir uns Wirsingrouladen schmecken, die bedauerlicherweise mit stark überwürztem Rehhack gefüllt sind.

Die weitaus nachhaltigere Irritation ereilt mich allerdings auf der Herrentoilette: Dort stehen auf einer Ablage über der Kloschüssel Mikadostäbe in einer kleinen Glasvase, die zu einem Drittel mit Wasser gefüllt ist. Mikadostäbe.


Wenn Zahnstocher auf dem Tisch stehen, kann ich ihre Funktion unmittelbar nachvollziehen. Aber bei Mikadostäben auf dem Klo?

Es läge nahe, von den Zahnstochern ausgehend analog rückzuschließen auf eventuelle Einsatzgebiete ihrer großen Brüder, doch hält mich nicht zuletzt die im Gastraum überdeutlich ausgestellte Gutbürgerlichkeit der Traube davon ab, diesen Gedanken bis zum unappetitlichen Schluss durchzudeklinieren.

Leider habe ich die Kamera nicht dabei, sonst hätte ich das Ganze fotografisch festgehalten und zu einer längst fälligen weiteren Folge der Herrenkloserie ausgebaut. So bleibt mir nur, die dritte Irritation des Tages zu dokumentieren; chronologisch gesehen war sie sogar die erste.

Sie suchte mich mittags heim. Als ich in meine Espressotasse blickte, schien die Crema zu meinem namenlosen Entsetzen das Jack-Wolfskin-Logo nachbilden zu wollen. Auf dem Foto sieht man das leider praktisch überhaupt nicht.


Jedenfalls half nur die sofortige Vernichtung aller Beweise. Und darin bin ich zum Glück spitze.


08 Oktober 2008

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (9)



Im Bambi am Hamburger Berg gerate ich beim Versuch, mir die Hände zu waschen, an eine sanitäre Einrichtung unbekannter Funktion.

Das quadratische Metallbecken mit mittigem Abfluss verfügt nur über einen Druckspüler, doch den Hahn suche ich vergeblich. Stattdessen rinnt plötzlich von allen Seiten Wasser ins Becken und gurgelt ostentativ durch den Abfluss.

Ratlos stehe ich davor, mit weiterhin qualvoll ungewaschenen Händen. Der direkt neben mir unverdrossen pinkelnde Mensch am Pissoir dreht sich um und empfindet die Situation nicht derart, dass er nicht parlieren könnte. Im Gegenteil.

Er – pissend, doch wissend – klärt mich auf über die Funktion dieses Dings. „Das ist ein Kotzbecken“, erläutert er zum Soundtrack seines schniedelinduzierten Plätscherns, „und ich kenne keine andere Hamburger Kneipe, in der es so etwas gibt.“

Mir geht es genauso, gebe ich ihm zu verstehen, und entdecke derweil um die Ecke ein astrein funktionierendes Waschbecken, das meine hygienischen Bedürfnisse voll und ganz zu erfüllen weiß. Zurück am Platz bitte ich Ms. Columbo, die Damentoilette zu investigieren und nach einem baugleichen Kotzbecken Ausschau zu halten. Sie kommt ergebnislos zurück.

Das Kotzen, so meine empirisch jedoch nicht ganz wasserdicht abgesicherte Erkenntnis, scheint eine männliche Domäne zu sein. Denn eins ist sicher im Kapitalismus, in dem wir trotz Finanzkrise noch immer ganz kregel zu leben verpflichtet sind: Nachfrage
induziert Angebot, und nur deshalb gibt es im Bambi ausschließlch auf dem Herrenklo ein Kotzbecken.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was das für mein Selbstverständnis als Mann bedeutet, aber das finde ich bestimmt noch heraus.

11 Juni 2008

Frauen: Bitte nicht lesen!



Wahrscheinlich stehe ich eh im Ruf, eine Spur zu oft über Obdachlose und Herrentoiletten zu schreiben. Also ist es auch egal, wenn das heute schon wieder passiert, sogar en bloc.

Der Franke und ich sitzen auf dem Alma-Wartenberg-Platz vorm Türkenbistro, das einen Flachbildfernseher zum Fußballgucken aufgestellt hat. Es gibt technische Probleme. Drei Bistromitarbeiter tüfteln am TV herum, um das Erste reinzukriegen, wo das EM-Spiel Spanien-Russland übertragen wird.

Es will nicht klappen. ZDF, NDR, RTL: alles prima, aber wo ist das Erste? Wir ordern schon mal je ein Bier, denn Optimismus ist unser zweiter Vorname.

Plötzlich tritt einer der Obdachlosen heran, die das ganze Jahr über auf dem Platz lagern. Manchmal spielen sie Fußball, dann kriegen sie Ärger mit der Gastronomie. Manchmal prügeln sie sich, dann kriegen sie Ärger mit der Polizei. Immer aber betteln sie und beschleunigen damit den Schritt der Passanten.

Heute jedoch beschwert sich einer. Und zwar über das fehlende Fernsehbild zur Fußballübertragung. Eine Dreistigkeit, die mir Respekt abnötigt. Nicht aber dem Bistrobesitzer, der dem erregten zahnarmen Späthippie schließlich mit einem probaten Stilmittel der körperlichen Gewalt (Schubsen) unmissverständlich bedeutet, sich gefälligst zu trollen.

Geduldet werden hier halt nur Konsumenten von Bier und/oder Döner, und da kann der Hippie nicht mithalten. Weil uns zu kalt ist, wechseln wir in der Halbzeit in die „Bar“ um die Ecke. Dort ist es mollig, das Bier sogar billiger, und Obdachlose trauen sich nicht hinein, selbst nicht zum Beschweren.

Auf dem Klo entdecke ich den abgebildeten fußballaffinen Einsatz im Pissoir und frage mich ernsthaft, was Frauen wohl von uns Männern dächten, wenn sie wüssten, wie großartig wir es finden, mit unserem naturgegebenen kraftvollen Strahl einen Ball in ein Tor zu dirigieren.

Gut, ich weiß schon, was Frauen darüber dächten. Doch zum Glück werden sie dank des Titels dieses Beitrags von unserer Marotte nie erfahren.


07 Juni 2008

Zwischen Pissoir und Power-Frau



Ausgerechnet die altehrwürdige Laeiszhalle (Foto), ein Konzerthaus in vollem Stuck- und Kronleuchterornat, inspirierte mich heute zu urinalen Gedanken.

Es passiert kurz vor Beginn des Cat-Power-Konzertes, als ich im Herrenklo auf eine freie Kabine warte und etwas Zeit habe, über die Bedingungen des Stehpinkelns nachzudenken.

Pissoirs sind in hygienischer Hinsicht nämlich suboptimal, Näheres später. Ich jedenfalls benutze sie deshalb nur im Notfall und gehöre damit zu einer belächelten Minderheit. Selbst wenn meine Geschlechtsgenossen alle Urinale belegt vorfinden, verschmähen sie oftmals die verlockende Infrastruktur einer Kabine und stehen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte lieber Schlange vorm Pinkelbecken.

Dabei sind die – wie erwähnt – hygienisch gesehen nicht der Weisheit letzter Schluss. Zwar ist es problemlos möglich, sich nach ihrer Nutzung am Waschbecken die Hände zu säubern, doch wie steht es um jenes Körperteil, dessen Berührung ja gerade das Säubern der Hände erforderlich machte?

Für eine entsprechende Behandlung des männlichen Körperzentrums stellen Urinal und sein Ambiente keinerlei Utensilien zur Verfügung. Frauen machen sich davon wahrscheinlich gar keine Vorstellung, doch der User des Urinals ist zurückgeworfen auf ein mittelfrequentes, aber aus Gründen des Selbst- und Nachbarschaftsschutzes nicht gar zu dolles Schütteln a posteriori.

Das hat allerdings kaum mehr als ein grobes Abtropfen zur Folge. Papier oder gar ein säubernder Wasserstrahl (dessen Zielgenauigkeit eh nicht zu garantieren wäre) stehen am Urinal nirgends zur Verfügung, und in dieser Hinsicht ist das Laeiszhallenklo keinen Deut besser als das stille Örtchen einer Kaschemme wie dem Windjammer in der Davidstraße.

Nein, an jedem verdammten Pissoir ist man alternativlos angewiesen aufs Wegstecken und -gehen, mit doofen Konsequenzen für die Innenseite der Unterhose. „Da hilft kein Schütteln und Klopfen“, weiß schon der Volksmund, „in die Hose geht der letzte Tropfen“ – und recht hat er.

Ja, und deshalb warte ich stets geduldig auf eine freie Kabine, auch in der Laeiszhalle, bevor Cat Power „The dark end of the street“ singen wird, einen meiner ewigen Lieblingssongs.

Jetzt geht eine Tür auf. Ein drahtiger Mann kommt heraus – und hetzt ohne Waschbeckenstopp zum Ausgang, zu Cat Power. Abgezogen hat er auch nicht.

Irgendwie habe ich das Gefühl, er wäre für meine Überlegungen zum Urinal nicht besonders offen gewesen.


23 März 2008

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (8)



Warum der Bistrobetreiber im Jenischpark einen Gag namens „Toilettentennis“ für eine gute Idee hielt: keine Ahnung. Es ist nämlich eine dumme Idee. Dadurch verbringt man viel mehr Zeit auf dem Lokus, dabei sollte man doch mehr Zeit im Bistro verbringen, konsumierend.

Der Aufforderung an den Kabinenwänden, doch mal nach links zu schauen, dann nach rechts und so weiter und so fort, folgt man als höflicher Mensch nämlich allzu bereitwillig. Und irgendwann ruft die Gattin die Feuerwehr, weil man festhängt im Höflichkeitsloop. Ich freilich konnte mit eiserner Willensstärke und der Hilfe meines Fotoapparates den Teufelskreis innerhalb eines vertretbaren Zeitraums durchbrechen.

Trotzdem haben wir im Bistro nichts konsumiert. Das Wetter war einfach zu schön, um etwas anderes zu tun als unter Bäumen einherzuwandeln und über Wiesen zu streunen, während im Süden die Elbe funkelte wie die zu einem Riesenhaufen milchiger Scherben zertrümmerte Scheibe einer Bushaltestelle an der Susettestraße.

Das wussten wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, die Haltestelle erreichten wir erst zwei Stunden später.

12 März 2008

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (7)



Eine Meldung auf Spiegel online informierte die verblüffte Welt heute über eine Frau, die zwei Jahre lang ununterbrochen auf der Toilette saß und so allmählich mit der Brille verwuchs.

Mich mahnt diese Meldung, endlich die berüchtigte Serie mit Herrenklofotos fortzusetzen. Das heutige zeigt die wuchtige Szenerie im Sanitärbereich des Kulturhaus III&70 am Schulterblatt, die einem dort, wo man eigentlich ganz gern alleine zugange ist, eine Vielzahl sozialer Kontakte suggeriert.

Wenn man übrigens schon irgendwo festwächst, dann ist eine Toilettenbrille zweifellos die beste Wahl. Anderswo – etwa auf dem Wohnzimmersofa – könnte es schnell sehr unappetitlich werden.

„Aber warum“, sinnert Ms. Columbo noch immer über die Spon-Meldung, „hat ihr Freund bloß zwei Jahre gewartet, ehe er den Notarzt rief?“ „Vielleicht“, vermute ich, „nahm er an, sie sei tagsüber, während er arbeitete, auf übliche Weise mobil und setzte sich erst unmittelbar vor seiner Heimkehr auf die Toilette, weil sie – zum Beispiel – keine Lust mehr hatte, mit ihm zu schlafen, nach all den Jahren.“

Ms. Columbo nimmt meine Theorie mit Skepsis auf. Und die ganze Geschichte sowieso. „Ich glaube, die Meldung ist eine Ente“, sagt sie, „ein verfrühter Aprilscherz.“

Wie auch immer: Wer im Lauf von zwei Jahren festwächst auf einer Klobrille, sollte das keinesfalls auf einer x-beliebigen tun, sondern am besten auf der vom Kulturhaus III&70 am Schulterblatt.

Dort ist es einfach weniger einsam als anderswo, man hat immer Augenkontakt.

29 Dezember 2007

Vor und in Umkleidekabinen

Wohl dank einer Geistesverwirrung habe ich mich heute in den postweihnachtlichen Einkaufswahn gestürzt.

Zur Strafe stand ich bei H&M in der beträchtlich langen Umkleideschlange. Vor mir hatte sich eine Armada von Frauen aufgereiht, obwohl wir uns in der Herrenabteilung befanden. Vermutlich waren die Schlangen in der Damenabteilung noch länger.

Andererseits taugte dieses in der Toilettensphäre häufig vorkommende Phänomen noch nie als Grund, einfach mal so aufs Herrenklo zu gehen; warum also war die Hemmschwelle geringer bei Umkleidekabinen?

All das aber ging mir in diesen zähen Minuten noch gar nicht durch den Kopf. Dafür sorgte erst eine H&M-Verkäuferin. „Mädels“, sprach sie vertraulich die vordere Hälfte der Schlange an, „das hier sind die Umkleidekabinen für Jungs.“

Betretenes Schweigen in der Damenarmada. Diese spürbare Betroffenheit hätte alle möglichen Chancen geboten. Man hätte die Schraube nur noch eine Vierteldrehung weiterdrehen müssen, und schon wären die Damen bestürzt gen richtige Etage geflohen.

Innerlich war ich längst auf der Seite der H&M-Verkäuferin und hoffte auf den entscheidenden Satz. Doch was sagte sie? Sie sagte: „Ich sag’s ja nur.“

Fatal! Die vor mir in der Schlange stehenden Damen nahmen das natürlich erleichtert als Freibrief. Sie reagierten wie ein Ochse, dem jemand ins Horn zwickt, nämlich gar nicht.

Somit verlängerte sich meine Schlangenverweildauer unnötig. Doch ich war viel zu feige höflich, um die Damen zur Schnecke zu machen. Genauso wie etwa eine Stunde später im Kaufhof, als eine Verkäuferin forsch den Vorhang der von mir belegten Kabine beiseite zog mit den Worten: „Oh, Entschuldigung, ich suche einen anderen Herrn!“

Grundsätzlich wäre das natürlich nicht schlimm gewesen, da ich just mal nicht im Slip vorm Spiegel stand. Doch leider war ich gerade dabei, Fotos anzufertigen, von denen eins der Bebilderung dieses Beitrags dient.

Wahrscheinlich hält mich die Kaufhoffrau jetzt für einen Perversen, der sich daran aufgeilt, in öffentlicher Heimlichkeit seinen Bauch zu knipsen. Ich versuchte eilends diesen Eindruck zu zerstreuen, indem ich genau die Hose kaufte, die sie mir empfohlen hatte.

Allerdings quält es mich nun nicht wenig, niemals erfahren zu können, ob diese Taktik auch gefruchtet hat.


22 Juli 2007

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (6)



Fitnessstudio, Toilette. In der Nachbarkabine schnauft es schwer, und mir fallen dafür gerade nur zwei denkbare Gründe ein.

Apropos: Die beliebte Herrenkloserie geriet etwas in Vergessenheit, doch heute soll sie fortgesetzt werden. Diesmal dran: das Örtchen im Windjammer in der Davidstraße.

Die Verantwortlichen dort begegnen innerhäusiger Graffiti offensichtlich mit sehr großem Wohlwollen. An eine Entfernung der Höhlenmalereien denken sie jedenfalls im Traume nicht.

Und warum auch? Zum einen werden sie erfahrungsgemäß in 30 000 Jahren mal wichtig, zum anderen geben die typografisch eigenwilligen Nachrichten aus einer verborgenen Männerwelt dem Windjammerklo genau jene eigentümliche Spezifik, die blanke Kacheln nun mal nicht liefern können.

Ich habe mich dort jedenfalls recht wohl gefühlt. Irgendwie.


07 Juni 2007

Wie ich heute Abend den deutschen Sieg herbeigepinkelt habe

In der 42. Minute des Spiels Deutschland-Slowakei entschließe ich mich auf gewissen Druck von innen, dem Halbzeitansturm auf die Toiletten zuvorzukommen und eile schon mal treppab.

Ich habe noch nicht einmal die Hose auf, da wogt natürlich verdammt noch mal der Jubel übers 2:1 (Hitzlsperger per Kopf, wie ich später erfahren soll) auch in die hinterste Kabine. Den Toilettengang absolviere ich routiniert, doch innerlich fluchend; manche meiner Schicksalsgenossen hier belassen es hingegen nicht bei stiller Kontemplation.

Zurück auf der Tribüne erwartet mich der fröhlich feixende Franke, der mir genussvoll Entwicklung und Vollendung des Tores unter die Nase reibt. Dabei schält sich eine fränkische Theorie heraus, die offensichtlich Folge temporärer Umnachtung ist.

Der völlig Verwirrte nämlich sieht meinen Toilettengang in einem unbestreitbaren Zusammenhang mit Hitzlspergers Kopfballtreffer. Geduldig erläutere ich ihm den essenziellen Unterschied zwischen Kausalität und Koinzidenz, doch barsch wischt er alles beiseite. Ich war pieseln, derweil ein Tor fiel: Das reicht dem katholisch vorgeschädigten Franken vollkommen, um eine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen beiden Ereignissen herzustellen.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Viel mehr hat der Muffelkopf heute Abend auch nicht mehr zu bieten. Ob wir anderen 51.499 Zuschauer uns nun hinfort heiser schreien, in Rage klatschen, aufspringen oder die Welle machen: Der Franke sitzt da und rührt kaum ein Glied. „Bin doch kein Kleinkind“, grummelt er.

Stattdessen beginnt er mich ab der 60. Minute zu einem weiteren Toilettengang aufzufordern. Dabei liegen ihm keinerlei Indizien für die Notwendigkeit desselben vor. „Wir brauchen noch ein Tor“, brummt er.

Ich freilich bin höchst unwillig, mich zum bloßen Erfüllungsgehilfen eines auf meine Toilettengewohnheiten abgestimmten Schicksals degradieren zu lassen. Schließlich habe ich den Eintrittspreis im festen Willen entrichtet, mich gerade den Höhepunkten der Partie mit besonderem Genuss zu widmen. Und einen davon habe ich ja bereits verpasst, unter denkbar unwürdigen Umständen.

Ich bleibe also unbeirrt sitzen. Irritierenderweise wirkt das Spiel in der Folge wie eingefroren, es will auf dem Platz einfach nichts Spektakuläres mehr geschehen, selbst Strafraumszenen kommen inzwischen seltener vor, als Flugzeuge die Arena überqueren.

Für den Franken tragen daran jedoch nicht etwa Lahm, Frings, Gomez oder Rolfes die Hauptschuld; nein, mich klagt der Irre an. Meine störrische Weigerung, erneut die Toilette aufzusuchen, verhindert also eine ganze Halbzeit lang die Sicherheit im deutschen Spiel, die ein 3:1 zweifellos bedeutet hätte.

Ich müsste gehen, dann käme der Erfolg. Doch ich bleibe hier sitzen, und so tappt auch das Spiel entschlossen auf der Stelle. Nur der Franke entwickelt sich: Er wird immer sauertöpfischer.

Am Ende kann ich mir wenigstens den herbeigepinkelten Siegtreffer anrechnen lassen. Schönes Tor übrigens; ich habe gerade zu Hause die Aufzeichnung gesehen.

27 Mai 2007

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (5)

Einiges wird sich auch in der 2. Liga im Stadion des FC St. Pauli nicht ändern. Zum Beispiel das konsequent durchgezogene Containerprinzip.

Das Pressezentrum: ein Container. Die Toiletten: ebenfalls Container, natürlich nach Geschlechtern getrennt.

Gästefans werden sich also an einiges gewöhnen müssen. Auch an Klosprüche wie den abgebildeten, den ich am Freitag an der Wand des Herrenklocontainers entdeckte.

In ihm steckt so etwas wie die politische Essenz des klassischen St.Pauli-Fans: Er ist durch und durch antifaschistisch, möchte diese Einstellung aber selbst gegen Rechte möglichst nicht mit einfacher körperlicher Gewalt durchsetzen. Also gibt er allen Nazis einfach einen gut gemeinten Rat, den sie doch bitte tunlichst selbst in die Tat umsetzen sollen: „Geht sterben.“

So ist der klassische St.Pauli-Fan: konsequent meinungsstark, doch immer bereit zur Deeskalation.

Die 2. Liga darf sich freuen auf uns.

05 November 2006

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (4)

Eigentlich ist es ja mein Fachgebiet, das Herrenklo, wie ich in bisher drei Beiträgen (1, 2, 3) versucht habe nachzuweisen. Doch auch Bachmann-Preisträgerin Kathrin Passig entpuppt sich überraschend als überaus kundig.

Dieses Foto hätte unbedingt die Originalgrundlage für meinen Herrenklotext Nummer 4 werden sollen, aber wann komme ich schon mal in die Wiener Opernpassage?

24 Oktober 2006

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (3)

Ja, auch römische Männer pinklen an Hauswände. Beim recht häufigen Anblick der eingetrockneten Rinnen versuche ich die unweigerlich aufkeimende Kiezheimeligkeit zu unterdrücken. Vergeblich.

Apropos pinkeln:
Armin Hary könnte 1960 die gleiche Toilette im römischen Olympiastadion benutzt haben wie ich. Ob vor oder nach seiner Goldmedaille im 4x100m-Rennen, bleibt aber unklar.

Wahrscheinlicher allerdings ist: voher. Denn er lief bestimmt nur deswegen wie ein Windhund über die Bahn, weil er unbedingt recht bald im Hotel eine Nachreinigung gewisser anatomischer Regionen vornehmen wollte. Papier gibt es nämlich bis heute keins im Olympiastadion zu Rom, und nicht nur das: Man hält so etwas auch offenbar für völlig unnötig - es ist nicht einmal eine Halterung dafür vorgesehen.

Das abgebildete Etwas an der Decke hingegen scheint seine Unabdingbarkeit einsichtig nachgewiesen zu haben, denn es hängt in jeder Kabine. Aber um was handelt es sich dabei bloß? Es ist jedenfalls keine Lampe. Ein Sprinkler auch nicht (glaube ich).

Eine Art Megafon?

Armin Hary weiß es vielleicht.

07 Oktober 2006

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (2)

Diese Serie beschäftigt sich mit dem, was der weiblichen Hälfte der Menschheit gemeinhin verborgen bleibt: Herrentoiletten. Genauer gesagt: dem Innern der Kabinen.

Die zurecht als Kultkneipe geltende Ritze an der Reeperbahn versucht mit der gewagten Kombination aus Zierkacheln und Holzfurnier zu punkten, und das scheint selbst jene Besucher, die zufällig Schreibutensilien dabei haben, in eine Schockstarre zu versetzen. Denn Grafitti ist hier kaum zu sehen. Und wenn, dann ist es kryptisch statt vulgär.

Vielleicht liegt die Grafittiarmut auch an der abschreckenden Wirkung des in unmittelbarer Nähe liegenden Boxrings. Oder an der respekteinflößenden Aura von Michalczewski und anderen Weltmeistern, die im Lauf der Zeit vor dieser Klokabinenwand gestanden und versonnen an sich herab geschaut haben.

In der warmen Farbgebung offenbart sich schließlich doch ein entscheidender Vorteil der nur auf den ersten Blick fatalen Kachel/Holz-Kombi, denn mal ehrlich: Welches andere Herrenklo wirkt schon derart heimelig wie das im Bauch der Ritze? Nein, nein: Man hat hier alles richtig gemacht.

Teil 1: Bar Hamburg

15 Juni 2006

Ex cathedra: Die WM-Checkliste

War heute leibhaftig und persönlich im Stadion beim 3:0 von Ecuador gegen Costa Rica. Hatte Kloß im Hals, als die Spieler einliefen – einfach deshalb, weil diese Kinder des Glücks wirklich und wahrhaftig bei einer waschechten Weltmeisterschaft mitspielten und ich live dabei sein durfte.

Im „Fifa-WM-Stadion“, wie die AOL Arena, die mal Volksparkstadion hieß, für vier Wochen genannt werden muss, waren alle Nichtsponsorennamen entfernt. Na ja: fast. Auf dem Herrenklo entdeckte ein kleiner Junge ein unscheinbares elektrisches Schaltelement in Bodennähe, auf dem „Siemens“ stand.

Das fiel dem Knirps sofort auf, und er wies seinen Daddy mit einer Mischung aus Unverständnis und Empörung darauf hin, doch der war selbst viel zu schockiert ob der skandalösen Entdeckung, um seinem Söhnchen Lebenshilfe gewähren zu können.

Während des Spiels wurden immer wieder Wellen gestartet, die allerdings nach dem ecuadorianischen 1:0 allesamt an der grimmigen Bewegungslosigkeit des frustrierten costaricanischen Blocks verebbten. Natürlich wurde er dafür fröhlich ausgepfiffen.

Da ich bisher alle (in Worten: ALLE) WM-Spiele gesehen habe, fühle ich mich stark genug für eine Kurzeinschätzung sämtlicher Teams. Eins ist sicher: Der Weltmeister ist auch dabei …

Los geht’s:


– Angola: unbedarft und kampfstark. Können einem das Leben schwer machen, aber ohne Angriff wird das nix.
– Argentinien: abgebrüht, kühl, souverän. WM-Mitfavorit
– Australien: bissig, mit Pitbullmentalität. Wird spielerische Mängel aber nicht ausgleichen.
– Brasilien: schlafender Riese mit einem wachen Moment. Sie sollten mal zu elft spielen.
– Costa Rica: harmlos, leblos, müde. Wie konnten diesen sedierten Mittelamerikanern bloß zwei Tore gegen uns gelingen?
– Deutschland: leidenschaftlich, surfend auf der Brandung der Begeisterung. Mit Heimvorteil wirklich ein WM-Kandidat. Hipp, hipp, hurra.
– Ecuador: ballsicher, stark in allen Mannschaftsteilen – und noch nicht richtig gefordert

– Elfenbeinküste: bullenstark und technisch vorzüglich. Könnten Holland schlagen. Nein: müssen!

– England: überschätzt. Große Namen, aber limitierte Mittel. Kein Weltmeister, nein, nein.

– Frankreich: Altherrentruppe, die ihre Erneuerung verpasst hat. Lebt nur noch vom Nimbus. Und der bröckelt.
– Ghana: ohne Sturm kein Dreier: So simpel ist das.

– Iran: zu wenig aggressiv und wohl auch physisch zweitklassig

– Italien: steigerungsfähig, wird das Potenzial bei Bedarf abrufen. Natürlich.

– Japan: außerhalb Asiens wird das nix

– Kroatien: robust und technisch stark; Mannschaft wird demnächst explodieren.

– Mexiko: spielstark, aber ohne die nötige Durchsetzungsfähigkeit. Und Borghetti ist alt geworden, meine Herren.

– Niederlande: Team wird Fahrt aufnehmen. Muss es auch. Robben kaputttreten: eine Option für jeden Gegner.

– Paraguay: Guter Sturm, aber der sollte auch mal richtig hinhlangen.

– Polen: und tschüss …

– Portugal: Wie immer: viele Vorschusslorbeeren, die rasch verwelken werden.

– Saudi-Arabien: gepflegter Spielstil, wenn man sie lässt. Wird aber nicht mehr passieren.

– Schweden: hat Geniestreichpotenzial. Wird im Achtelfinale scheitern.

– Schweiz: sehr bissig und spröde. Harter Brocken. Und wenn sie auch noch anfangen, Tore zu schießen ...

– Serbien-Montenegro: Können sie mehr als zerstören? Sie werden keine Gelegenheit mehr dazu bekommen.

– Spanien: perfektes Spielsystem, traumhaftes Verständnis. WM-Favorit.

– Südkorea: konditionsstark, aber zu bieder.

– Togo: gute Ansätze, aber starkes Leistungsgefälle im Team. Werden bald abreisen.

– Trinidad und Tobago: grandiose Amateure mit Herz. Hätten sie nur einen Knipser!

– Tschechien: auf dem Zenit, aber vielleicht auch schon zu saturiert. Alles ist möglich, im Guten wie im Schlechten.

– Tunesien: abwehrschwach, aber psychisch stabil – zumindest gegen Gegner aus der gleichen Liga.

– Ukraine: katastrophal. So lebhaft wie der Betonsarkophag überm AKW Tschernobyl.

– USA: schwach wie Bushs Umfragewerte. Selbst gegen Ghana wird das nichts.

08 Juni 2006

Die Flucht vom Fitnessklo

Zwischen Training und Dusche suche ich die Toilette auf, und zwar so, wie die Evolution mich schuf, aber plus Handtuch. Es gibt zwei Kabinen, eine ist besetzt. Als ich meiner dort üblichen Beschäftigung nachgehe, erhalte ich unfreiwillig akustisch Kunde von den erstaunlichen Vorgängen in der Nachbarkabine.

Ohne ins Detail gehen zu wollen – die Geräuschkulisse erinnert an Bombenangriffe. Könnte man Schall riechen, müsste ich sofort in Ohnmacht fallen, niedergestreckt von einem olfaktorischen Overkill. Auch Dauer und Dynamik der Attacken sprengen jede Vorstellung, zumindest meine.

Ich drücke kräftig aufs Tempo und verlasse diesen ungastlichen Ort, so schnell es geht. Im Vorraum leert gerade eine nette Reinigungskraft mit Migrationshintergrund den Mülleimer. Mir wird plötzlich klar, wie wenig schallisoliert die Kabinen sind und wie wenig gedämpft man gewisse Geschehnisse auch hier, an den Waschbecken, vernehmen kann. Und mir wird zugleich bewusst, was die nette Reinigungskraft mit Migrationshintergrund jetzt denken muss. Schließlich weiß sie nichts von einem weiteren in Frage kommenden Kandidaten.

Ein sehr, sehr unangenehmer Gedanke. Ich darf mir das, was eben in der Nachbarkabine geschah, keinesfalls anhängen lassen, soviel ist sicher. Aber soll ich sie wirklich ansprechen und die Sachlage wahrheitsgemäß aufschlüsseln? Soll ich, ein nackter Mann mit Handtuch, mich wirklich vor diese Frau hinstellen und beschwörend murmeln: „Hören Sie, ich weiß, was Sie jetzt denken, aber ich war das nicht, ehrlich!“? Hmm.

Sie ist weiter mit dem Leeren des Behälters beschäftigt und hat bisher höflicherweise nicht hochgeschaut; immerhin bewegt sie sich tagtäglich im Reich nackter Männer und weiß, was sich gehört. Und darin liegt meine Chance, doch noch ohne Plädoyer und Stigma aus der Sache rauszukommen. Also stehle ich mich rasch hinaus. Sie hat mich gewiss nicht gesehen, geschweige denn erkannt; erleichtert fliehe ich unter die Dusche.

Und dort, unter der schütztenden Kaskade, fällt mir nicht nur ein ähnliches Erlebnis vom Januar ein, sondern auch eine Geschichte von David Sedaris. Er erzählt davon, wie er auf einer Gartenparty das Klo aufsucht und dort etwas Unbeschreibliches im Becken vorfindet, was sich partout nicht wegspülen lassen will; also beginnt er fiebrig zu rätseln, wie er die dort dümpelnde Elefantenwurst los wird, um nicht mit ihr in Verbindung gebracht zu werden.

Eine Geschichte, die mir bislang extrem witzig vorkam, aber im Licht der heutigen Ereignisse deutlich an Komik eingebüßt hat.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs mit Toilettenbezug
1. „Waterloo“ von Abba (haha …)
2. „Pissing in a river“ von Patti Smith
3. „Aliens broke my toilet seat“ von Sir Oliver Mally's Blues Distillery

23 Mai 2006

Letzte Geheimnisse: Das Herrenklo (1)

Zeit für eine neue Serie in diesem Blog. Sie soll sich – vor allem visuell – mit dem beschäftigen, was der weiblichen Hälfte der Menschheit gemeinhin verborgen bleibt, sofern sie nicht mit der professionellen Reinigung desselben ihr allzu karges Brot verdienen muss: Herrentoiletten. Genauer gesagt: dem Innern der Kabinen.

Denn dort, wo der Mann noch Mann sein darf und muss, sieht es bisweilen heimelig aus und oft klinisch; und immer, wenn es wenigstens ein bisschen ästhetisch dort zugeht, zücke ich gewöhnlich meine selbst an diesem merkwürdigen Örtchen klaglos treue Digicam. Doch keine Angst: Blicke in die Abgründe des männlichen Seins werde ich mir und uns ersparen.

Heute erregte der Sanitärbereich der Bar Hamburg in der Nähe des Hauptbahnhofs meine Aufmerksamkeit. Die stoffbespannte, an eine Nachttischlampe erinnernde Wandleuchte, die hier warmherzig Spülkasten und Keramik anlächelt, überrascht doch an einem Ort, wo gemeinhin eher Abwaschbarkeit gefragt ist.

Dorthin verschlagen hatte es uns wegen eines Showcase' des schwedischen Künstlers Daniel Cirera, der daherkommt wie ein Folkie, aber ein Vokabular drauf hat wie ein Straßenköter aus Compton. Später, im Smalltalk, stellte sich heraus: Cirera hatte Deutsch in der Schule. Und er kann auch noch einen Satz aufsagen: „Ick bin ajne ajngebildede Ssiege“.

Guter Mann.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs ab 18 (Reihenfolge willkürlich)
1. „Sexy MF“ von Prince
2. „Motherfucker“ von Daniel Cirera
3. „Motherfuckin asshole“ von Martha Wainwright