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20 Oktober 2024

Die perforierte Hafencity

Der Blick von der Kaimauer in der Hafencity ist an einem sonnigen Oktobersonntagmorgen wirklich apart (qed). Doch wenn er sich umdreht, erwartet den empfindsamen Sprachstilisten das blanke Elend. Denn überall in der Hafencity wird er bombardiert: mit Deppenleerzeichen.

Es ist, als hätte die Senatskommission zur Benennung von Verkehrsflächen – laut Hamburgischem Wegegesetz Paragraf 20 zuständig für Straßennamen – eine Schrotflinte damit munitioniert und wild herumgeballert. Es sind ja nicht nur die „Magellan Terrassen“, die durchlöchert wurden, nein. Wir haben auch den „Vasco da Gama Platz“, die „San Francisco Straße“ oder die U-Bahn-Haltestelle „HafenCity Universität“, Letztere gar mit einer hochnotpeinlichen Binnenmajuskel.

Ob diese Namen wirklich so im Grundbuch stehen oder auf dem Weg in die freie Wildbahn von einer enthemmten Layouterkamarilla mit Deppenleerzeichen perforiert und erst dann auf Mauern und Wänden öffentlich verewigt wurden, ist aus Laiensicht letztlich nicht zu beurteilen.

Empfindsame Sprachstilisten sollten dem bebauten Teil der Hafencity jedenfalls zur eigenen Sicherheit den Rücken zukehren. Vor allem an einem sonnigen Oktobersonntagmorgen wie heute (qed).

04 Dezember 2012

Jungfernfahrt in der U4

Wann bekommt eine westliche Großstadt schon mal eine neue U-Bahn-Linie? In Athen zum Beispiel passierte metromäßig nach 1904 erst mal 96 Jahre lang überhaupt nichts mehr.

Von daher ist die Eröffnung der U4 in Hamburg ein großes Ereignis. Endlich passiert mal wieder was! Und die schnorrerhaft veranlagten Ms. Columbo und ich nutzen natürlich sofort das Angebot der hiesigen Verkehrsbetriebe, den U-Bahn-Frischling zur Einführung kostenlos zu befahren.

Vom Jungfernstieg aus geht es unter der Elbe hindurch gen Hafencity, wo uns zwei gewaltige Bahnhofshallen erwarten, deren Kubikmeterpreis sich bei parzellenweiser Vermietung bis ins Fantastilliardenhafte schraubte.

Die Station Hafencity Universität ist gar auf geradezu „Clockwork Orange“-hafte Weise illuminiert, während dazu diverses Meeresgetier leise säuselnd den Soundtrack liefert. Ganz vernarrt in die überwältigende Kraft von multichromen LEDs und Symmetrie schieße ich ein Foto ums andere und komme am Ende zu dem Schluss: Hier lässt es sich aushalten. Ein neuer gemütlicher Ort ist geboren.

Die Station zu verlassen ist allerdings (noch) nicht angeraten, denn draußen empfängt uns ein wilder Mix aus Zäunen, Brachen und Bauschutt. Sozusagen ein Gammelsurium.

Ein bescheuerter Kalauer, der Ms. Columbo übrigens erheitert. Und dafür mache ich das doch alles!




19 August 2012

Blau gemacht



Überseebrücke mit Elbphilharmonie im Hintergrund



Hafen, Schaufelraddampfer



Cap San Diego, 90-Grad-Blick über die Reling aufs Wasser



Michel



Reste des Cruise-Days-Feuerwerks über der Reeperbahn



Hafencity, ein weiteres neues Architektenschelmenstück



Seilerstraße, nach einem Windstoß


15 Juli 2012

Kloschnorren in der Hafencity



Kurz nach Besichtigung der Queen Mary 2 am Kreuzfahrtterminal beschlich mich ein Bedürfnis, welches man in Hamburg außerhalb der eigenen Wohnung normalerweise nur auf völlig indiskutable Weise oder kostenpflichtig befriedigen kann – etwa indem man sich in einem Café durchs Bestellen eines Espressos teuer das Recht erkauft, die entsprechende Örtlichkeit aufsuchen zu dürfen.

Doch die gewitzte Ms. Columbo bewies besondere Ortskenntnisse: „Wir können zur Campus Suite gehen“, schlug sie vor, „dort ist das Klo gleich hinterm Eingang rechts.“

Und genauso verhält es sich auch. Das Bedienpersonal dieses bistroähnlichen Ladens hat – zumal wenn die Hafencity dank der Queen Mary 2 so heillos übervölkert ist wie heute – dank der kloschnorrerfreundlichen Architektur kaum eine Chance, dich beim Betreten zu erspähen und sodann zu einer Bestellung zu nötigen.

Betrachten Sie diesen Beitrag also als Insidertipp. Aber er muss unter uns bleiben, das müssen Sie mir versprechen.

28 Oktober 2011

Stuck in the middle with you



Der arme Linienbus hatte sich auf dem Wendehammer eingangs der Speicherstadt heillos festgefahren. Nichts ging mehr, kein Vor, kein Zurück, auch eine spontane Levitation stand augenscheinlich nicht zur Debatte.

Der Lenker hatte im verständlichen Bestreben, die Kurve zu kriegen, seinen Trumm von Bus wohl so lange rumrangiert, bis die Hinterräder auf dem Bordstein standen und die Vorderräder ebenfalls. Dadurch wurde das Reifenpaar vor der Hinterachse, welches anscheinend ganz allein für den Antrieb verantwortlich war, zu seinem großen Entzücken weitgehend entlastet. Es hatte praktisch jeden Bodendruck verloren und drehte jetzt so richtig durch.

Eine automobilistische Fehlkonstruktion, die allerdings einer zusätzlichen fahrerischen Fehlleistung an einem geeigneten Ort wie diesem bedurfte, um weltöffentlich zu werden. Jedenfalls war der Busfahrer in Not sowie die Passagiere ratlos bis verärgert und teils schon frustriert ausgestiegen.

Doch schnell fand sich eine Gruppe zufälliger Passanten, zu der ich die Ehre hatte, zählen zu dürfen, die gewillt war anzupacken. Wie in „Erdbeben“ oder „The Day after tomorrow“. Wir klemmten also unter Beifallsbekundungen des Fahrers allerhand herumliegende Gegenstände probehalber unter die Reifen der Antriebsachse, um dem Bus den nötigen Widerstand für den Vortrieb zu verschaffen.

Doch nichts half. Selbst kapitale Bretter von der Dauerbaustelle an der Brücke flogen munter drunter durch oder ließen sich behaglich eine breit grinsende Gummispur verpassen. Ich wuchtete daraufhin sogar eine Steinplatte, die mir beinah das Rückgrat brach, vor die Mittelachse. Auch das vergebens.

Zweifellos: Hier musste die Kavallerie ran, also ein Abschleppdienst für die ganz großen Brocken. Das sah inzwischen auch der beschämte Fahrer ein, der bisher noch gehofft hatte, sich die blamagenahe Blöße eines SOS-Anrufs nicht geben zu müssen.

Das tat er aber nun doch, und so trollten wir Zufallspassanten uns alle wieder, verschwitzt, zufrieden – und beseelt von diesem unnachahmlichen Mutter-Teresa-Gefühl, für das man sich gelegentlich auch mal das Rückgrat brechen kann: das Richtige getan zu haben, ohne auch nur einen Millimeter weitergekommen zu sein.

Immerhin: Für einen belanglosen Blogeintrag an einem Tag, an dem sonst nichts Berichtenswertes passierte, hat es allemal gereicht.

Und machen wir uns nichts vor: Darum geht es hier doch seit Jahren.

12 Juli 2011

Grenzerfahrung in der Hafencity



Vor zwei Jahren nahm ich schon einmal das spezifische Flohmarktsortiment in der Hafencity unter die Lupe und kam zu interessanten soziologischen Erkenntnissen. Am Sonntag waren wir mal wieder da, um erneut die Anwohner von Magellanterrassen und Sandtorkai beim Ausmisten zu beobachten.

Diesmal auffällig oft vertreten: Nippes, den man von Flugreisen übrigbehält. Also Schirmmützen der Lufthansa, Rucksäcke von Condor, Einwegschlappen aus Luxushotels – sowie ein zauberhafter Strohhut mit der Banderolenaufschrift „Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket“, den ich augenblicks erstehen musste (aus Gründen), und zwar für faire drei Euro. Der Herr in den besten Jahren, der ihn mir verkaufte, begründete seine Entscheidung damit, sein Kopf sei mittlerweile „zu groß geworden“.

Ich fand das merkwürdig, weil gemeinhin mit dem Alter eher Körperpartien wie Bauch, Hüfte oder Oberschenkel dazu neigen, Lebensjahre kongenial in Speckzuwachs umzusetzen, doch vielleicht unterscheidet ja gerade das die Hafencitybewohner essenziell von Kiezianern oder Eimsbüttlern.

Gleichwohl verstörte mich etwas anderes weitaus mehr, nämlich das Cover der abgebildeten Vinylsingle.

Klar, die Popgeschichte ist überreich an ästhetischen Verirrungen, ja Vollkatastrophen, doch dieses Exemplar einer gewissen Claudia Phillips, die den Begriff „Brustimplantat“ auf bestürzende Weise neu interpretiert und dazu grellstens grimassiert, als schöbe man ihr gerade einen Skorpion ins Rektum, gehört in seiner Scheußlichkeit sicherlich zu den herausragenden Beispielen.

Es ist also völlig nachvollziehbar, weshalb ein Hafencitybewohner sich lieber vorgestern als übermorgen von der dreiköpfig mutierten Frau Phillips trennen möchte. Die entscheidende Frage aber lautet doch: Wie ist er überhaupt in den Besitz dieser Platte gelangt? Wurde er irgendwo auf der Welt, vielleicht im Folterkeller des Sheraton-Grande Lacuna Beach Phuket, unter Androhung roher körperlicher Gewalt zum Kauf gezwungen?

Ich habe mich nicht getraut zu fragen. Schließlich gibt es Grenzen.

19 Mai 2011

Pareidolie (3): Nein, nicht Bernd, das Brot



Diesen kapitalen Brocken Brot von rund 30 Zentimetern Höhe entdeckten wir heute in der Langnese Bar am Strandkai.

Er schaute uns derart grundzufrieden an, als hätte er gerade mit großem Behagen eine Melone verspeist, und zwar mit einem einzigen Happs.

Die Bedienung der Langnese Bar, die natürlich nicht wusste, dass ich nur aus pareidolischen Gründen ein Brotfoto machte, war sichtlich stolz auf diesen Trumm. „Und das ist nur die Hälfte!“, informierte sie uns begeistert. Von der anderen Hälfte aßen wir dann mehrere Scheiben, belegt mit Kichererbsencreme, Pistazienkernen und Kresse.

Ein also in jeder Hinsicht empfehlenswerter Laden, diese Langnese Bar (wo es natürlich auch Eis gibt, aber wem sag ich das).

17 Mai 2011

Lieblingsorte (7): Kaiserkai, Hafencity



Man kann ja gegen die Legokastenoptik der Hafencity sagen, was man will …

… aber wenn man am Kaiserkai neben der Elbphilharmonie steht und – mit der Legokastenoptik im Rücken – den Blick nach Südwesten schweifen lässt, und wenn dann ein solcher Wolkenbatzen tonnenschwer am Himmel hängt wie vorgestern …

… dann ist das einer der schönsten Orte, an denen man sich in Hamburg aufhalten kann.

11 April 2011

Was Hafencity und Kim Jong-il gemeinsam haben

Ein Ausflug in die Hafencity bringt jedesmal neue und bisweilen erstaunliche Erkenntnisse – vor allem, wenn man (wie wir) nur alle paar Monate dort aufkreuzt.

So posieren dort neuerdings Erpel auf einem Bein, als bewürben sie sich für Germany's next topduck. Im Pavillon der Elbphilharmonie haben sie derweil das Publikum offensichtlich nach der Ästhetik des nordkoranischen Parlaments modelliert.

Und am Dalmankai … doch sehen Sie selbst.







08 Februar 2011

Der rätselhafte Sticker



Hier auf dem Kiez nimmt man oftmals die Eigenschaften jener an, deren Pendant man eigentlich zu sein glaubt.

Neulich in der Haspafiliale an der Reeperbahn zum Beispiel sollte ich etwas unterschreiben. Der Haspamitarbeiter machte mich mit den Worten „Das müssen Sie noch unterschreiben“ auf diesen Umstand aufmerksam.

Ich schaute etwas ratlos auf das Dokument. „Wo denn?“, fragte ich. Und der Haspamann mit seinem Anzug, seiner Krawatte und der sorgfältigen Scheitelakkuratesse auf dem Schädel antwortete nur mühsam beherrscht: „Wo man halt unterschreibt.“

Da sieht man mal, wie die raue Herzlichkeit unseres Viertels auch vor traditionell förmlichen Bankangestellten nicht Halt macht. Nein, sie sickert Tröpfchen für Tröpfchen auch in die Herzen jener ein, die sich eigentlich in einer anderen Sphäre wähnen.

Manche betreiben die Mimikry möglicherweise auch ganz bewusst – wie jener Anonymus, der den oben abgebildeten Aufkleber an die Fassade eines Hauses klebte, das einst, in den 80ern, zu den hart umkämpften besetzten Häusern der Hafenstraße gehörte.

Damals riefen Besetzer und Sympathisanten der Polizei den Schlachtruf „Hafenstraße bleibt!“ entgegen. (Sie hatten übrigens Recht: Die Hafenstraße ist noch immer genau an der gleichen Stelle wie damals.) Und heute parodiert jemand mit sticheliger Häme diesen Klassiker, indem er ihn zu „Hafen city bleibt!“ verballhornt.

Bei der HafenCity (übrigens nur echt mit Binnenmajuskel!) handelt es sich, wie man in – sagen wir – Kornwestheim vielleicht nicht ganz so genau weiß, um die größte Baustelle Europas. Dort entstehen überwiegend Luxusbüros und -wohnungen für Menschen, die auch mal 10.000 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen können, um vor Gästen mit einem unverbaubaren Wasserblick prunken zu können.

Dieses Megaprojekt nun per Sticker mit den damaligen Bruchbuden der Hafenstraße in Verbindung zu bringen, hat durchaus einen gewissen Pfiff. Aber wer steckt dahinter? Eine klandestine Yuppiebruderschaft, die sich nun beömmelt über ihre zynische Persiflage des linken Aktivistenjargons? Oder die Hafenstraßenbewohner selbst, die uns damit die Absurdität eines künstlich geschaffenen Luxusrefugiums mitten im Hafen vor Augen führen wollen?

Beides ist denkbar, beides möglich. Der Sticker jedenfalls wird bislang toleriert unter all den sich harmonisch in den Sound der Hafenstraße einfügenden Konkurrenzslogans. Das spricht eigentlich dafür, dass ihn doch jene erfunden haben, die so tun wollen, als seien sie die anderen, die jene persiflieren.

Vielleicht ist es aber auch genau andersrum.