30 April 2014

„Wie sind Sie denn drauf???“

Schlachthofflohmarkt. Ich befühle versonnen ein feines Wollsakko. Da tritt der Standbetreiber an mich heran und bittet darum, mich dem Sakko doch von der anderen Seite zu nähern. 

Ich schaue ihn an, als hätte er mir gerade erzählt, der Papst schwämme jeden Sonntag nach der Messe in Strapsen durch den Trevibrunnen. „Warum denn das?“, frage ich, nachdem ich mich wieder gefangen habe. 

Weil die Stelle, wo ich gerade stünde und von der aus ich das feine Wollsakko befühle, zum Nachbarstand gehöre, nicht zu seinem. Also solle ich doch bitte um den Garderobenständer herumgehen und das Sakko von der anderen Seite befühlen. 

„Danke“, antworte ich, „jetzt nicht mehr.“ 
Und er, laut: „Wie sind Sie denn drauf???“ 

Trotz solch schrulliger Typen erziele ich auf dem Schlachthofflohmarkt immer wieder bedeutende Kauferfolge. So gelang es mir erst am vergangenen Samstag, eine Boss-Hose aus reiner Schurwolle, eine in Würde gealterte Mustangjeans sowie die Mac-Originalversion des Office-2004-Pakets zu erwerben – für insgesamt 7 Euro!

Mal schauen, ob ich am Samstag auf dem Wiener Naschmarkt ähnlich erfolgreich sein werde.


20 April 2014

Wer ruft, muss blechen


Wenn man am Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis vorbeispaziert, stehen unten meist Frauen vor den stacheldrahtgekrönten Mauern und rufen was hoch zu den Zellenfenstern. Dort oben stehen meist Männer und rufen was zurück. 

Das ist schon immer so gewesen, so lange wir auf dem Kiez leben und am Holstenglacis langspazieren. Kommunikation unter erschwerten Bedingungen halt, dazu peinlicherweise auch noch öffentlich. Aber immerhin Kommunikation. Menschen in misslichen Lagen sind findig. 

Heute musste ich allerdings feststellen: Diese Kommunikation ist illegal. 

Zwar gilt laut Artikel 5 des Grundgesetzes in Deutschland die Meinungsfreiheit, doch parallel anscheinend auch das oben abgebildete Schild. Es hängt an der Mauer des Gefängnisses und deklariert es als ordnungswidrig, wenn freie Menschen auf einem freien Gehweg etwas rufen. 

Einen Verstoß dagegen bedroht dieses nonchalant das Grundgesetz außer Kraft setzende Schild – wenn denn die drei Scheine unten rechts nicht nur symbolisch gemeint sein sollten – mit satten 300 Euro Bußgeld.

Das Rufen von „MÄNNO, ALDER, HAST DU DIE FEILE DENN NICHT IM FLADENBROT GEFUNDEN?“ ist also erheblich teurer als das Überfahren einer roten Ampel samt Sachschaden (200 Euro) oder das Donnern durchs Dorf mit satten 110 Sachen (280 Euro).

Und jetzt die gute Nachricht: Fürs Hochrufen gibt es keine Punkte in Flensburg.

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18 April 2014

Fundstücke (187): Aus gegebenem Anlass


Was ist noch älter als dieser ganze Osterschmus? 
Der hier abgebildete Olivenbaum.

Entdeckt im Garten Gethsemane, Jerusalem.

15 April 2014

Herrn Dinklage ist es hier zu feucht


„Game of Thrones“-Star Peter Dinklage dreht gerade auf St. Pauli. Seine 137 Zentimeter Sexappeal steuert er zur Verfilmung von Karen Duves Roman „Taxi“ bei, der über weite Phasen auf dem Kiez spielt. 

Hamburger „Game of Thrones“-Fans sind jetzt ganz hibbelig und wollen mit Dinklage Bier trinken, wenn man den Schanzentwitterer Weltregierung als Maßstab nimmt. Heute hat sich der kleine Mann, der während der Drehzeit bestimmt bei Sibel Kekili untergekommen ist, in einem Interview mit dem Abendblatt allerdings beklagt über die Stadt.  

„Ich hätte nicht gedacht“, soll er gesagt haben, „dass es hier so viel regnet.“ 

Ein Satz, der mich bis ins Mark trifft. Denn er befeuert erneut das sich seit der fatalen Drei-Wetter-Taft-Werbung hartnäckig haltende Falschgerücht, in Hamburg regne es viel. 

Die vielen Gespräche, in denen ich das fussellippig richtigstellte, die meteorologischen Statistiken, die ich bei Bedarf auch bei scheinbar harmlosen Kneipengesprächen wie zufällig hervorzuzaubern in der Lage bin: alles umsonst, wenn so ein dahergelaufener New Yorker nach zwei gerade mal mittelfeuchten Tagen in der Stadt „Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so viel regnet“ sagt.

Deshalb noch mal zum Mitschreiben, Mr. Dinklage und lieber Rest der Welt: In Hamburg regnet es nicht viel. Jedenfalls nicht so viel wie in München. Glauben Sie also bitte keinem Lannister. Er ist auch nicht schlauer als die Drei-Wetter-Taft-Werbung.

Foto: HBO

12 April 2014

Geht’s noch dekadenter?

Gestern Abend war ich zur Partie des FC St. Pauli gegen den 1. FC Kaiserslautern eingeladen, und zwar in ein Separee, wie sie hier in Beerbung der Umgebungstradition die teuren Firmenlounges nennen.

Dabei entblödete ich mich nicht, vor und während des unschön endenden Spiels (2:3 in der siebenundneunzigsten Minute!) Sachen zu essen – zum Beispiel die hier abgebildete Komposition aus Wirsing, Lamm und Schupfnudeln. Begleitet natürlich von sorgsam darauf abgestimmten Getränken.

Könnte ich mich glatt dran gewöhnen, ich willenlos durchgentrifizierter Pseudopaulianer.

11 April 2014

Ist Pete Doherty überhaupt kieztauglich?


Aha, so, so, der britische sog. „Skandalrocker“ Pete Doherty zieht also nach St. Pauli. Der Exlover von Kate Moss wird unser neuer Nachbar. Feine Sache. 

Aber ist Doherty überhaupt kieztauglich? Ich habe da so meine Zweifel. Vor einem Konzert seiner Band Babyshambles habe ich Doherty mal über die Hundewiese an der Schmuckstraße staksen sehen, und was soll ich sagen: Er hat kein einziges Mal geguckt, wo er hintritt. FAIL! 

Ich würde sagen, bevor Pete Doherty ein Visum für St. Pauli kriegt, muss er sich erst mal das komplette Blog „Die Rückseite der Reeperbahn“ durchlesen, und wenn er das wegen Überforderung verweigern sollte, dann hat er wenigstens die Beiträge mit dem Etikett „St. Pauli“ durchzuackern. 

Aber vorher Schuhe ausziehen, sonst brauche ich ne Nasenklammer.


07 April 2014

Pareidolie (94–95)


Damit sich nicht wieder gar so viele Motive ansammeln, werde ich einfach öfter pareidolisieren müssen. 

Das zwischen Grinsen und Erschrecken changierende Gesicht links entdeckte ich am Wochenende an unserer Kabinentür auf der MS Amelia. Und die so missmutige wie einäugige Timberlandtasche stammt von der Webseite meiner einstigen Kommilitonin Afsun, die inzwischen in Norditalien hochwertige Secondhandmode an die Frau von Stil vertickt.

Erstaunlich, wozu ein Studium der Politikwissenschaft so alles gut ist.

PS: Eine ganze Galerie gibt es bei der Pareidolie-Tante.


06 April 2014

Die Pe’st


Wohin man auch fährt im vereinigten Europa: Der Deppenapostroph ist garantiert schon da – aber nur selten mit einer derartigen Penetranz.

Entdeckt in Nimwegen, Niederlande.


02 April 2014

Ich hör nix


Mein neuer Masseur Bernie erzählt von seinem Leben. Seinem Berufsleben. 

Die Praxis, in der er arbeitet, hat sich unlängst auch urkomischen Humbug wie „Cranio-Sacral-Therapie“ zugelegt, vor allem zur Behandlung von Tinnitus, und Bernie hat dafür eine saugute Begründung, die selbst für Esoterikabstinenzler wie mich unmittelbar einsichtig ist. 

„Man kann natürlich nicht beweisen, dass der Tinnitus damit weggeht“, sagt Bernie und lächelt fein. „Aber man kann auch nicht beweisen, dass jemand den Tinnitus überhaupt hört.“ Ergo? Cranio! 

Bernie ist bauernschlau, und die Krankenkassen finanzieren es. 

Wer also ernsthaft erwägt, seine Kasse zu schröpfen, um damit Bernies Arbeitsplatz zu sichern, der simuliere einfach einen Tinnitus. Niemand kann ihm das Gegenteil beweisen. 

Aus Protest gegen diese Praxis gehe ich jetzt sofort mit Ms. Columbo und meinen Eltern auf Flusskreuzfahrt nach Amsterdam (Foto). So.