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04 April 2022

Fundstücke (257)

Zu den Dienstleistungen des Analservice Sperling gehören erwartungsgemäß Rohrreinigung und -sanierung sowie die besonders erwünschte Dichtheitsprüfung, und das alles natürlich rund um die Uhr. Schließlich weiß man nie, wann es einen trifft.

Aber was bedeutet bloß das große K auf seinem Werbeschild?

Entdeckt im hessischen Dillenburg.

31 März 2016

Rewe hat keine Eier!

Neulich, in dieser kleinen Pension in Schwerin, lag die „Bild am Sonntag“ neben dem Tresen. Dafür würde ich selbstverständlich niemals Geld ausgeben, aber wenn sie schon  rumliegt, kann man sie ja auch mal aufschlagen. 

Am interessantesten war eine doppelseitige Anzeige von Rewe, in der die Kette sich unter der Überschrift „Mit jedem Einkauf Gutes tun“ auf die Schulter klopft – für einen Grundpreis von 176.500 Euro. So viel kostet nämlich eine vierfarbige Doppelseite in der BamS. 

Besonders fesselte mich das vorgestellte „einzigartige Pilotprojekt“ namens „Spitz & Bube“. Dabei handelt es sich um eine Eiervariante, bei deren Produktion den Legehennen nicht die Schnäbel abgeschnitten und – noch lobenswerter – keine männlichen Küken geschreddert, sondern aufgezogen werden. Ihr Leben ist hinfort geprägt von Müßiggang und Rumpicken. So etwas könnte ich mir auch für mich vorstellen.

Ich muss vorwegschicken: Ich sehe mich als Flexitarier. Zu Hause esse ich kein Fleisch, aber wenn ich irgendwo ein Rinderfilet vorgesetzt bekomme, dann zicke ich nicht rum. Das Rind wurde aufgezogen, um gegessen zu werden. Es gibt sein Leben, um ein anderes zu erhalten; das ist nicht völlig ohne Sinn. 

Ganz anders bei der Massenherstellung von Eiern. Die nutzlosen männlichen Küken wandern dabei samt und sonders in den Häcksler oder die Gaskammer. Sie werden wie Abfall behandelt, und das sollte nicht sein.

Deshalb suchen wir seit einiger Zeit nach Alternativen – und dann kommt unverhofft der zweitgrößte Einzelhändler der Republik mit Eiern um die Ecke, die nicht mit toten Küken bezahlt werden müssen, sondern nur mit ein, zwei Euro mehr pro Packung. Das ist super, sagten wir uns einhellig, da melden wir doch gleich mal Nachfrage an, um so peu à peu die Republik in puncto Eiern umzukrempeln.

Also tat ich in Schwerin etwas, was ich sonst nie selten tue: Ich entnahm der BamS die 176.500 Euro teure Doppelseitenanzeige, faltete sie, schmuggelte sie mit nach Hamburg, ging in den nächstbesten Rewe am Großneumarkt und verlangte nach „Spitz & Bube“-Eiern.

Man hatte noch nie davon gehört.

Ich zeigte die Anzeige vor, man ging damit zum Chef. Der hatte noch nie davon gehört. Allerdings sei man nur ein kleiner Markt, das Gesamtsortiment gäbe es nur in den großen.

Nächster Versuch im Portugiesenviertel, auch kein großer Markt, aber einer, der auf dem Weg lag. Der Ablauf unseres Besuchs ähnelte auf verblüffende Weise dem ersten: Die Anzeige erzeugte Stirnrunzeln, Verblüffung, Ratlosigkeit.

Wollte Rewe uns veräppeln? Aber sind 176.500 Euro dafür nicht ein paar Tacken zu viel …?

In Altona gibt es zum Glück einen wirklich riesigen Rewe-Markt. Er liegt an der Max-Brauer-Allee und bildet fast ein eigenes Stadtviertel. Dort – ich war mir ganz ein bisschen sicher – würde ich endlich meine schredderfreien Eier erwerben können. 

Zunächst schnürte ich eine Weile erfolglos um die außergewöhnlich beeindruckende Eierauslage herum. Bestimmt hatte ich die „Spitz & Bube“-Sorte nur übersehen; das kann passieren bei einem exorbitanten Sortiment wie diesem. Jedenfalls war es erneut erforderlich, eine Rewe-Kraft mit meinem lodernden Bedürfnis, das eine bundesweite Anzeige unlöschbar geweckt hatte, zu behelligen.
 
Ich sprach eine Verkäuferin an, natürlich bewaffnet mit meinem besten Argument, der BamS-Anzeige, die so teuer war wie eine 130-Quadratmeter-Wohnung mit Fußbodenheizung und Schwimmbad in Schwerin. 

Die Verkäuferin hatte noch nie davon gehört. Aber möglicherweise, sagte sie, könne man eine „Spitz & Bube“-Packung für mich bestellen. 

Darauf also lief alles hinaus: Rewe gibt eine knappe Sechstelmillion Euro dafür aus, dass ein Kunde, nachdem er sich in drei Läden die Hacken wundgelaufen hat, eine Packung Eier bestellen kann. Mit ungewissem Lieferzeitpunkt.

Bisher dachte ich immer, man macht Werbung für etwas, das man auch hat. Sinn und Zweck einer solchen Investition – so meine naive Vorstellung – ist doch die Refinanzierung. Am Ende soll der durch die Anzeige generierte Gewinn höher sein als ihre Kosten. Aber vielleicht habe ich in diesem Punkt den Kapitalismus auch einfach falsch verstanden.

Ich schlich mich jedenfalls frustriert zu unserem Stamm-Edeka-Laden. Ob sie vielleicht ebenfalls Eier anböten, die ohne den Massenmord an fiepsenden Küken produziert worden wären? Immerhin habe Rewe so etwas neuerdings im Angebot, wie aus dieser Anzeige (ich zeigte sie vorwurfsvoll vor) unzweifelhaft hervorginge.

Bedauerlicherweise nicht, doch man versprach mit leichter Panik im Blick (verdammt, Rewe ist schon so weit, und dabei sind die nur die zweitgrößten hinter uns …!), sich zu erkundigen. Morgen könne ich wieder nachfragen.

Und verdammt: Das tue ich auch. Diese Spitzbuben kommen mir nicht davon.


Update v. 24.02.2017: Der Rewe-Markt im Brauerknechtsgraben (Hamburg, Nähe Michel) hat inzwischen die schredderfreien Eier. In der Edeka-Filiale Rindermarkthalle gibt es ebenfalls welche.






09 Juni 2014

„19 …?“


Was gibt es eigentlich Langweiligeres als noch ein Bahnbashing? Das ist doch seit Jahren Volkssport in deutschen Blogs. Dennoch soll auch hier in der gebotenen Kürze nicht unerwähnt bleiben, wie engagiert das ehemalige Staatsunternehmen in Abwicklung sich darum bemühte, unsere Pfingstreise nach Paris zu beeinträchtigen. 

„Die Abfahrt verspätet sich um einige Minuten“, „Wir sind außerplanmäßig in einem Tunnel zum Halten gekommen“, „Oberleitungsstörung“, „Betriebsstörung“ etc. pp.: Diese einst recht vorzeigbare Transportfirma mit längst institutionalisiertem Handicap fuhr während beider Fahrten das ganze guterprobte Arsenal leicht zerknirscht klingender Ansagen auf, um die linear wachsenden Verspätungszeiten wenigstens begrifflich halbwegs einzuhegen. 

Das Unternehmen scheint zu einer vollmaroden Klitsche verkommen zu sein, in der es überall klappert, hakt und zwickt und lediglich die leicht zerknirschten Verspätungsbegründungsansagen noch tadellos funktionieren – auch wenn natürlich eine Floskel wie „… sind außerplanmäßig zum Halten gekommen“ keine Begründung darstellt, denn das hatten wir auch so bereits bemerkt. 

Von der Zeit, die wir in Paris verbringen wollten, forderte die Bahn jedenfalls schon auf der Hinfahrt einen außerplanmäßigen Tribut von zweieinhalb Stunden, und dafür werden wir sie mit einem Erstattungsantrag kräftig bluten lassen, versprochen. 

Doch wir sind angekommen in Paris, und das ist ja die Hauptsache, nicht wahr. Beim Flohmarkt am Samstag am Porte du Vanves biss ich mir die Zähne aus an einer Verkäuferin, der ich zwei mit je zehn Euro ausgepreiste Hemden von Christian Lacroix und Donna Karan zum Mengenrabatt abkaufen wollte. Ich begann also mit 14, woraufhin sie „No, 20“ sagte. „Okay, 15“, machte ich ein Angebot zur Güte, was sie mit „No, 20“ konterte. 

Schon jetzt schien mir der Zeitpunkt gekommen, sie daran zu erinnern, wo wir uns gerade befanden: auf einem Flohmarkt nämlich, einer Veranstaltung also, der Handeln und Feilschen gleichsam wesenseigen sei. Dann bot ich 16. Sie sagte „No, 20“, ich: „Okay: 18!“, sie „No, 20“, ich – fassungslos zu Ms. Columbo – „Mann, die ist ja bockelhart!“ und dann zu ihr, nur noch pro forma und mit bereits erstorbener Verve „19 …?“ 

Sie schüttelte den Kopf und lächelte melancholisch: „20.“ Zur Wahrung meiner Restwürde entschloss ich mich zu einer dual abgestuften Rückzugsstrategie, kaufte ihr das Lacroix-Hemd für den geforderten Zehner ab und hängte das Karan-Hemd zerschmettert wieder zurück. Über das seither nagende Gefühl, es lieber in meinem Besitz zu haben, tröstet mich auch die Tatsache nicht hinweg, zehn Euro mehr in der Geldbörse zu wissen.

Was es sonst noch gab in Paris (Auswahl): 

gegen Mitternacht ein famoser Gitarrentsunami der legendären Shoegazerband Slowdive (Foto) im Parc de la Villette

– eine merkwürdig holprig konzipierte Van-Gogh-Ausstellung im Musée d’Orsay

– eine durch Abwesenheit glänzende Duchamp-Schau im Centre Pompidou (die nämlich – anders, als es das blöde Internet behauptet – erst ab Oktober läuft)

– herumkrakeelende Jugendliche unterm Fenster unserer Wohnung im 12. Arrondissement, die nachts um 1 von einem gottgeschickten Regenguss nach Hause gespült wurden

– den schönen Kalauernamen „L’or ange“ für einen Saft

Und ab jetzt wieder Kiez. 
Moin.


19 August 2013

Fundstücke (180): Menschenhandel in Ottensen

Die Vielzahl der Problemzonen dieses Werbeschildes rechtfertigen auf alle Fälle einen eigenen Blogeintrag.  

Dabei möchte ich – um den Rahmen nicht zu sprengen – die sympathisch heterogen gehandhabte Groß- und Kleinschreibung von vorneherein ausklammern. Zu sehr dominiert die Strahlkraft der Deppenleerzeichen diesen Entwurf, als dass man ihre Würdigung mit anderen Aspekten kontaminieren dürfte.  

Es geht schon oben los. Der Inhaber des beworbenen und – wie wir noch sehen werden – breit aufgestellten Unternehmens, Herr Musa, beschäftigt anscheinend einen Meister, der mit Nachnamen Friseur heißt. Welch schöner Zufall, ist Musa doch vor allem im Geschäftsfeld der Haarbehandlung tätig.  

Interessanterweise aber scheint er sogar ein ganzes Team mit diesem Nachnamen in Lohn und Brot zu haben – und der Einfachheit halber unter dem Rubrum „Damen und Herren“ zusammenzufassen; wohl um nicht alle Rufnamen einzeln aufführen zu müssen. So ein Schild bietet schließlich nicht endlos Platz.

Musas Geschäftsmodell aber ist, wie bereits angedeutet, erstaunlich vielfältig. Es geht weit über das Shampoonieren und Trimmen hinaus. So hat der pfiffige Geschäftsmann – obzwar damit frohgemut gegen die Genfer Konvention verstoßend – sogar Rentner im Verkauf.  

Jetzt mal abgesehen von moralisch-ethisch-gesetzlichen Erwägungen und diesem ganzen Pipapo: Der Endpreis von 8 Euro pro Rentner scheint mir doch sehr knapp kalkuliert. Vielleicht handelt es sich sogar um ein Lockvogelangebot, und das wäre auf jeden Fall illegal.  

Denn müssten Rentner mit all ihrer in Jahrzehnten angesammelten Fachkunde und Lebenserfahrung nicht für deutlich mehr Geld in der Auslage liegen? Die Produktions- und Lagerkosten, das weiß jeder kaufmännische Berufsschüler, fließen schließlich in den Preis mit ein und sollten sich am Point of Sale entsprechend niederschlagen. Was sagen eigentlich seine Angestellten dazu, die Damen und Herren Friseur? Zumal Musas Parallelprodukt, ein simpler „Maschienenharrschnitt“, genau so wenig kostet wie ein Rentner.

Beides kann man beim kulanten Ottenser übrigens ohne jede „voranmeldung“ erwerben – und ich habe es jetzt doch nicht geschafft, die heterogen gehandhabte Groß- und Kleinschreibung dieses Großen unter den Kleinunternehmern von vorneherein auszuklammern.

Na ja, jeder macht mal Fehler. 


PS: Über den Kamm, der oben rechts wahrscheinlich wild knurrend eine unschuldige Schere totbeißt, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Aus Gründen.

13 Juli 2013

Fundstücke (176): Die einzig wahre Diät


Man streiche dem Janus das J und ersetze Meditation durch „Kacken“ – schon ergibt die auf diesem Plakat beworbene Veranstaltung endlich so etwas wie Sinn. Und es funktioniert
wirklich, versprochen!

Entdeckt in der Wohlwillstraße.

16 April 2013

Fundstücke (172)


1. Während des Abendessens bei German Psycho und Twelectra ergab es sich, dass ich den Sanitärbereich aufsuchte – und vor dieser Fußmatte stand. Im Haus der Addams Family stieße man bestimmt auf weniger interessante Überraschungen. Übrigens hing dort auch noch ein Handtuch …

 



2. Kaum habe ich mir HD angeschafft, geruht man mich mit den Schattenseiten zu konfrontieren. „Aus lizenzrechtlichen Gründen“ hat mein Receiver schulterzuckend die Aufnahme einer ZDF-Sportübertragung verweigert. Der technische Fortschritt lässt mich also in die Röhre gucken. Wo kann ich mich gegen diese Gängelung wehren? Wo zur Revolte gegen die Aushebelung meines souveränen Mitschneidewillens aufrufen? Momentan, das kann ich versichern, sind hier in der Seilerstraße nicht nur die Fernsehprogramme hochaufgelöst, sondern auch ich. Vor Zorn.

3. Na ja, sie meinen es bestimmt nur gut. Entdeckt im Schaufenster einer Apotheke in der Neustadt.


 









4. Ursache und Wirkung … Entdeckt auf dem Amazon-Marketplace.

29 März 2013

Der Cheesecake reicht für zwei

Diese lustige Deckendeko dürfte in Rinderkreisen als nicht sonderlich amüsant empfunden werden.

Beim Humor ist das Restaurant The Bird halt generell mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit gesegnet, wie hiesige Blogleser spätestens seit dem Eintrag vom 3. März wissen. Doch „Nashville Nutte“ hin oder her: Von einem Besuch hält uns so was ja nicht ab, im Gegenteil. Und zum Glück.

Denn mein von dezenten Röstaromen geprägtes dickes Ribeye, das sie dem Rind dort nur in mindestens 400-Gramm-Stücken aus den Rippen schneiden, war von genau jener Zart-, Rosa- und Saftdurchdrungenheit, die auch einen Preis von 34 Euro gut verschmerzbar macht.

Zum Nachtisch bestellten wir Käsekuchen, der es sich seit einiger Zeit gefallen lassen muss, zum neudeutschen „Cheesecake“ transformiert zu werden. Der tätowierte Kellner empfahl uns, am besten nur ein Stück, dafür aber zwei Gabeln zu nehmen, denn es sei doch „sehr groß und mächtig“. Und er wusste natürlich, wovon er sprach, verdammt.

Ungebetene Insidertipps wie diese finde ich persönlich ja hinreißend. Ein Restaurant, welches den Gästen solche scheinbar kontraproduktiven Empfehlungen zuflüstert, verzichtet dadurch heute Abend natürlich auf einen kleinen Zusatzgewinn, gewinnt mich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit als Stammkunden, weil es den Eindruck erweckt, als wollte es mich auch in allen anderen Hinsichten nicht übers Ohr hauen.

Und auch in Cheesecakekreisen kommt so was wahrscheinlich super an.



21 Februar 2013

Schon wieder eine Wohnung zu vermieten

Die Rückseite der Reeperbahn entwickelt sich anscheinend zum Marktplatz für freie Hamburger Wohnungen, und das auch noch erfolgreich, wenn man das blitzartig vermittelte erste Angebot zugrundelegt.

Diesmal geht es zwar nicht um eine Bleibe auf St. Pauli, sondern im schönen Ohlsdorf, und sie wird zurzeit noch von einem großartigen Kerl aus meinem Freundeskreis bewohnt, nämlich von Cinema noir.

Er ist u. a. auch Fotograf und pflegte dereinst einmal eine potentiell unendlich fortsetzbare Bilderserie mit dem programmatischen Titel „Orte, an denen noch nie das Blog von Matt Wagner gelesen wurde“. Ich hoffe immer noch auf eine Wiederbelebung dieser verdienstvollen Reihe.

Aber zurück zur Wohnung, zu deren Vermittlung wir nun endlich schreiten sollten. Die Eckdaten:

• zwei Zimmer (etwa gleich groß)

• 50 Quadratmeter
• Vollbad und Kellerraum
• rund drei Fußminuten vom S- und U-Bahnhof Ohlsdorf entfernt
• Warmmiete momentan 485 Euro monatlich

„Wenn man bedenkt, dass der St.-Pauli-Kiez alles für die Anbahnung von Nachwuchs im weitesten Sinne anbietet“, schreibt Cinema_noir in seiner antichambrierenden Begleitmail, „so befindet sich hier in Ohlsdorf ja der spezielle Kiez für den letzten Gang des Menschen. Also eine Art Beendigungskiez.“

Das meint er übrigens positiv. Und es ist ja auch wirklich so, dass die Nachbarschaft in dieser grünen Lunge Hamburgs unübertrefflich illuster ist. So wird die Gegend etwa aufgewertet durch die dauerhafte Anwesenheit von Hans Albers, Heinz Erhardt, Gustav Gründgens, Heinrich Hertz, Inge Meysel oder des oben abgebildeten Herrn mit Rose.

Gentrifizierungseffekte sind dort überhaupt nicht zu beobachten; die erwähnten alteingesessenen Bewohner ziehen garantiert nicht mehr weg. Aber Sie ja vielleicht hin – Mail genügt, ich leite weiter.
 

14 Februar 2013

Fundstücke (171)

1. Der Herr (Kiezbäcker) hat’s gegeben, der Herr (bzw. sein Gehweg) hat’s genommen. Wahrscheinlich war es von vorneherein ein Fehler, den von Samstagnacht übriggebliebenen Promilleplauzen hausgemachten Kartoffelsalat mit Riesenbockwurst vorzusetzen. Blärch …

 


2. Das abgebildete Produkt gibt es bei Tchibo zu kaufen. So richtig zum Mitnehmen. Offensichtlich habe ich das Prinzip „Luftgitarre“ bisher völlig falsch verstanden.

3. Den Amazon-Preis von 66.567 € für die Dandy-Warhols-LP „Welcome to the Monkey House“ finde ich recht knackig; es gibt dort zurzeit auch kein teureres Album. Bei Ebay kriegt man das gleiche Modell für 34,69 €, aber wahrscheinlich ist es einfach nicht ganz so gut erhalten.

4. Liebes Vattenfall, Sie fragen bestürzt nach den Gründen für meinen Wechsel. Nun, vielleicht liegt es daran, dass Sie ihn mir ausdrücklich nahelegten, nachdem ich sehr muffig auf Ihre Preiserhöhungen reagiert habe. MfG, Matt


26 Januar 2013

Nachmieter auf dem Kiez gesucht! (echt jetzt!)

Nach allem, was Sie jahrein und -aus hier lesen müssen, können Sie gewiss überhaupt nicht verstehen, warum um alles in der Welt man auf den Kiez ziehen (oder dort wohnen bleiben) sollte.

Dennoch werden viele Irregleitete wie magisch angezogen von Hipnessfaktoren wie Huren, Hundehaufen und Schnapsleichen. Mein Freund A. allerdings, dem ich hier vor sechs Jahren einen ebenso zweifelhaften wie dauerhaften Ruhm als Pornobalkensachverständiger verschaffte, zieht jetzt weg.

Was bedeutet:

Mitten. Auf. St. Pauli. Wird. Eine. Wohnung. Frei.

Genauer gesagt in der Herrenweide. Und er sucht einen Nachmieter. Die Daten folgen unten.

Wer also schon immer davon geträumt hat, nach dem Totalabsturz im Casino Novolino (Foto) oder dem Silbersack binnen fünf Minuten im eigenen Bett weitervegetieren zu können, dem kann geholfen werden. Interessenten bringe ich gern in Kontakt mit A. – ganz ohne Maklergebühr.


• Altbau (an der Fassade steht das Baujahr: 1885, ein altes Seemannshaus), 3. OG (Endetage), 2 Zimmer

• Gesamtfläche: 49 m²
– Wohnzimmer (22 m²): sehr hell und sonnig (komplett nach Südwesten)
– Schlafzimmer (6,5 m²)
– Küche (10 m²): Platz für 4 Personen. Einbauküche (Ikea-Style, 90er-Jahre)
– Bad (6 m²): geräumig, mit Badewanne (hier steht auch die Waschmaschine), Kachelboden
– Flur (3,5 m²) mit Regalnische (1 m²)
– Boden: Laminat
– Heizung: Fernwärme
– Geräte: zusätzlich zu Herd/Ofen und Kühlschrank (Wohnungsbestandteile) ein separater Eisschrank und eine Waschmaschine (beide in gepflegtem Zustand, Abstand: 250 €)

• Warmmiete: 555 € (kalt 425 + Betriebskosten 130)
– Wasser und Strom werden direkt mit Versorgern abgerechnet
– Kaution: zwei Monatsmieten
– Courtage: Keine

• Einzugstermin: 1. März (frühestens 25. Februar)
• Besichtigung: ab sofort
• Wohnung muss renoviert werden (Farbe), dafür bei Auszug nicht
• Voraussetzungen für die Hausverwaltung: Personalausweis und Verdienstbescheinigung (Schufa-Auskunft kann nicht schaden, wurde aber nicht erwähnt)

10 Dezember 2012

Und noch eine Sprachnörgelei

Der hochverehrte Hamburger Werbetexterpapst ramses101 wird mich angesichts des heute präsentierten Fundstücks gewiss wieder als „Sprachnörgler“ bezeichnen.

Zuletzt tat er das erst am vergangenen Donnerstagabend, als wir uns im Brandanfang in der Deichstraße unterm unheilvollen Einfluss von Bier, Wein und German Psycho kräftig in die Haare gerieten, wobei das in meinem Fall aus rein anatomischen Gründen eigentlich gar nicht möglich ist.

Jedenfalls muss Sprachnörgler Matt an diesem Infoschild einige Auffälligkeiten konstatieren, ob es  ramses101, dem sanftmütigsten Fehlerdurchgehenlasser seit Konrad Dudens Geburt, nun passt oder nicht. Alles andere wäre grob fahrlässig.

Aus Sicht eines Deutschlehrers nämlich
wären beeindruckende acht Fehler zu markieren, was bei einem lediglich ebenso viele Wörter umfassenden Text eine Superleistung darstellt – und im Grunde nur von einem Schülerpraktikanten aus der Klasse von Frl. Krise zu packen wäre.

Übrigens thematisiere ich an dieser Stelle immer meine aufkeimende Befürchtung, die Dienstleistungsqualität des verantwortlichen Unternehmens könne ein ähnliches Niveau aufweisen wie der
Frontalunfall von Infoschild. In diesem Fall gälte das für den Media Markt in Altona.

Na ja, vielleicht kaufe ich den HD-Fernseher doch lieber bei Conrad. Oder Saturn.

PS: Ja, ich weiß, dass Media Markt und Saturn zur selben Unternehmensgruppe gehören.


06 Dezember 2012

Sehr delikatet

Nehmen wir mal an, ich käme auf die Idee, mit Ms. Columbo in Peking ein Restaurant mit hanseatischer Küche aufzumachen.

Nehmen wir des weiteren an, eines Tages wäre – sagen wir – überraschenderweise Herbert Grönemeyer zu Gast, und wir beschlössen, dieses Großereignis zu Eigenwerbungszwecken der Welt resp. ganz Peking per Schaufensteraushang zu verkündigen.

Gesetzt also diese unwahrscheinlichen Fälle: Würden wir uns dann wirklich ohne jede einheimische Hilfe mächtig einen auf Chinesisch abbrechen? Nein, würden wir nicht. Das Restaurant China in der Kirchenallee ist da allerdings deutlich selbstbewusster.

Mit den üblichen Folgen.



21 November 2012

Das schwere Atmen

Heute tauchte zum wiederholten Male die Hamburger Telefonnummer 040-808044935 in der Anrufliste unserer Fritzbox auf. Normalerweise steht diese Nummer einfach im Protokoll, denn dem ominösen Anrufer ist es bisher zuverlässig gelungen, uns nie zu Hause anzutreffen.

Heute aber war etwas anders, nämlich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Zu hören ist, wie jemand 50 Sekunden lang schwer in den Hörer atmet. Im Hintergrund Trubel und Stimmengewirr, meist weiblichen Zuschnitts.

Eine Webrecherche legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um den Kontaktversuch eines o2-Callcenters handeln könnte. Das beweissichere Hinterlassen schweren Atmens erwarte ich aber normalerweise nicht von o2. Nicht mal von der Telekom.

Warum 040-808044935 immer wieder mal anruft, aber nie etwas sagt, sondern allenfalls schwer atmet, könnte darauf hindeuten, dass sie Arbeit bloß simuliert – „hier, Chef, das sind die 1278 Nummern, die ich heute angerufen habe, krieg ich jetzt ne Gehaltserhöhung?“

An dieser Taktik muss 040-808044935 auch künftig nichts ändern, denn dass ich die Nummer jetzt endlich in die Fritzbox-Sperrliste eingetragen habe, kriegt sie gar nicht mit. Angeblich hört sie nämlich trotzdem ein Freizeichen – wir aber das Klingeln (und Atmen) nicht mehr.

Wieder mal eine Win-win-Situation, wie ich sie sehr, sehr schätze.



30 September 2012

Volksverdummung auf dem Kiez

Hier in St. Pauli stößt man zurzeit öfter auf das oben abgebildete Plakat; es wendet sich gegen die Gentrifizierung unseres Viertels. Inhaltlich kann man das ja durchaus gutheißen – doch ästhetisch ganz und gar nicht.

Wir beide, Ms. Columbo und ich, fühlten uns jedenfalls unisono an antijüdische Hetzplakate der Nazis erinnert: Ein ins Groteske übersteigertes Menschenmonster – Goebbels hätte von „Volksschädling“ gesprochen – macht sich über etwas her, das eigentlich uns allen gehört. Die Grundidee des Plakats steht verblüffend unverblümt in dieser Propagandatradition; die volksverdummende Plumpheit der Darstellung ebenso.

Hier zum Vergleich zwei historische antisemitische Beispiele (Quellen: links, rechts), von deren Überzeugungskraft sich die hiesigen Antigentrifizierer anscheinend inspirieren ließen:  

 


Man könnte fast zum Fan der Gentrifizierung werden.


12 März 2012

Ein Tag auf der Internorga



„Du weißt schon, dass uns heute Abend speiübel sein wird, oder?“, sagte ich zwischen englisch-indischen Pakoras und einer Kugel Black-Mamba-Eis aus Schwarzvanille zu Ms. Columbo. „Bis dahin“, antwortete sie und nahm eine Probe Schupfnudeln mit Sauerkraut ins Visier, „ist es noch lange hin.“

Eine solche Szene kann sich praktisch nur auf der Gastronomiemesse Internorga abspielen, wo wir heute einen halben Tag lang mit dem Verzehr von Happen, Pröbchen und Schlückchen beschäftigt waren. Hier stößt man auf alles, was uns Konsumenten demnächst konvenieren soll. Also Sachen wie gezapfte Automatensuppe, Würstchen aus dem Toaster (das Ding hat Röhren statt Schlitze!), Kuchen am Stiel sowie Tofu, das so verzweifelt wie vergeblich ein Schnitzel zu simulieren versucht.

Es gibt kalten Latte Macchiato in Einwegdosen und – o Wunder! – sogar Tomaten, die mal nicht schmecken wie schnittfestes Wasser. Sie heißen „Honigtomaten“ und kommen aus Holland. Warum sie außen allerdings nach überhaupt nichts riechen, weiß wahrscheinlich nur Jean-Baptiste Grenouille. Oder der Genetiker, der diese neueste Paradiesapfelvariante zusammengemixt hat.

Neben der bisweilen kuriosen kulinarischen Auswahl begeisterten mich übrigens besonders die Kalauer. Überall auf der Messe versuchten Anbieter, ihren Produkten mit Sprachspielereien den besonderen Kick zu verleihen. „Cup & Cino“ ist ja schon lange von der Kette gelassen worden, aber ein Teigmaschinenhersteller, der in seinem Slogan „Dough-how“ unterbringt, hat augenblicklich meinen Respekt.

Auch die Wohltäter von „ChariTea“ beweisen kalauertechnisch höchste Treffsicherheit. Nicht aber die voll auf Nüsse setzenden Leute von „Well Nuss“; das kann man einfach nicht richtig aussprechen – je nach voreingestelltem phonetischen Sprachmodus scheitert man entweder am W oder am u.

Die Firma „Tussi on Tour“ hingegen kalauert überhaupt nicht, sondern alliteriert nur. Sie gibt sich aber viel zu pink, um nicht zur Illustration des heutigen Blogeintrags missbraucht zu werden. Was sie eigentlich herstellt, weiß ich allerdings auch nicht. Tussis?


20 Februar 2012

Fundstücke (153)

Noch während ich dieses Schild in der Sternstraße im Schanzenviertel fotografierte, glaubte ich an einen unfreiwilligen Missgriff der Kioskinhaber. Vielleicht hatten sie ja „Alkoholika“ gemeint.

Doch die daneben ausgestellten Fotos des sogenannten „geschulten Personals“ belehrten mich eines Besseren. Darauf zu sehen waren nämlich ausschließlich mittel- bis vollderangierte Männer, die der Gruppenbezeichnung des Schildes außergewöhnlich treffsicher entsprachen.


Nein: Das hier war keine Real-, sondern gewollte Satire. Eine, welche die tagtägliche Kioskwirklichkeit wahrscheinlich ebenso gut widerspiegelte, wie sie dem anvisierten Zielpublikum Heimeligkeit suggerierte. Sie war somit Fazit und Ausblick zugleich.

Und da sage noch einer, die Schanze sei nur was für Hipster.


28 Januar 2012

Der Clash fällt vorerst aus



Das größte Hamburger Rotlichtviertel außerhalb von St. Pauli befindet sich am Steindamm hinterm Hauptbahnhof; ein Viertel, das zugleich von einer Wohnbevölkerung überwiegend islamischen Glaubens geprägt ist.

Dieser Umstand klingt nach einem programmierten Clash der Kulturen, doch der erschöpft sich bislang allenfalls in lustigen Kontrasten, wie die beiden abgebildeten Werbeschilder zeigen.


Hier runtergesetzte Gebetsmützen oder frisch eingetroffenes „Zam-Zam Wasser“ aus Mekka; dort, nur wenige Meter weiter, eine flüsternde Hure im Hauseingang oder eine annotierte Gang-Bang-Party.

Es geht also, man muss nur wollen.
Vallah.

27 Januar 2012

Fundstücke (152)



Dieses forschfrivole Reklameschild ist dort, wo es steht, durchaus ein Wagnis, denn es verziert die Altstadt des stark christlich kontaminierten hessischen Städtchens Herborn.

Möglicherweise führt der anzüglich unterfütterte Claim bei manchem Zufallspassanten zu mentaler Verschnupfung. Oder zu noch Schlimmerem: einem Leserbrief an die Lokalpresse. Das ist dort die Bazooka des rechtschaffen Empörten.

Aber vielleicht sind sie inzwischen auch schon viel weiter als damals, zu meiner Zeit.

24 Januar 2012

Wo sind die Polen?



Unter den Werbeflächen an der Simon-von-Utrecht-Straße, wo seit Jahren die polnischen Obdachlosen lagern, herrscht heute ausnahmsweise mal wieder Ödnis.

Die Männer sind werweißwohin. Wo sonst die Werbemotive bisweilen zynische Kommentare zur Lage der unter ihnen lagernden Elenden abgeben, regiert nun das blanke Nichts.

Denn nicht nur die Menschen sind verschwunden, auch die Plakatwände haben heute keine Botschaft – ganz so, als wären beide, die Obdachlosen und die Reklame, aufeinander angewiesen, als wären sie nur gemeinsam denkbar, und wenn die einen verschwinden, auch die andere gar nicht erst auftaucht.

Die drei Plakatwände wirkten – man verzeihe mir die pathetische Anwandlung – wie das Triptychon einer großen Abwesenheit.

Höchste Zeit, dass die Polen wiederkommen.