Das übliche Wochenendszenario also – was ich leider am Folgemorgen auch in der Kiezbäckerei konstatieren muss, wo dieselbe Verkäuferin wie neulich erneut meine Brötchen antatscht und so mit ihren von Papier- und Münzgeld aufgenommenen Keimhorden kontaminiert. Doch heute fehlt mir nicht die Kraft wie beim letzten Mal, heute sage ich: „Bitte benutzen Sie die Zange. Das ist mir lieber.“ Sofort holt sie die Brötchen (händisch) wieder aus der Tüte, sagt „Natürlich, selbstverständlich“ und tut mit der Zange zwei neue rein. Damit dürfte dies ein für alle mal geklärt sein.
Nachmittags beim Spaziergang durch Ottensen stehen wir plötzlich zufällig in der Zeißstraße, wo in den 70ern der Serienmörder Fritz Honka wohnte. Das weiß ich aus einem just an diesem Morgen gelesenen Artikel aus der Sonntagszeitung. Die Front des Hauses Nr. 74, wo Honka im Dachgeschoss Arme, Beine und andere Teile seiner Opfer in Plastiksäcken lagerte, erinnert dank eines offenstehenden Fensters an ein Gemälde von Edvard Munch, aber wahrscheinlich liegt diese Deutung nur an meiner noch immer nicht überwundenen Schwäche für Pareidolien.
Auf dem Weg nach Hause kommen wir am Goldenen Handschuh vorbei, und Ms. Columbo erinnert sich der Tatsache, dass Honka hier immer abhing, soff, Frauen ansprach und mehrere davon bewegen konnte, ihn nächtens in die Zeißstraße zu begleiten, mit bekannten Folgen. Was mir am Goldenen Handschuh allerdings erst heute auffiel, ist der Untertitel: „Honka-Stube“. Auch ein Serienmörder kann also zur Kiezfolklore werden. Wie ich das finde, ist mir selbst noch nicht ganz klar. Ich halte Sie aber gerne auf dem Laufenden.