Man erkennt die Handschrift – vgl. das abgefackelte Dixiklo vom Februar.
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12 September 2024
10 September 2024
Wenn die Telekom an deine Tür hämmert
Heute Nachmittag verschaffte sich ein gewisser Leon C. Zugang zu unserem Haus. Er hatte sich unten vorgestellt als „Vertreter Ihres Netzbetreibers“ und mich damit reingelegt. Ich hatte trotz jahrzehntelanger Erfahrung mit derlei Tricks den Summer gedrückt. Grober Fehler.
Sein Name stand auf einem Mitarbeiterausweis der Telekom, den ich mir später gerade noch so eben zeigen lassen konnte, ehe eine weitere Eskalationsstufe dies unmöglich gemacht hätte. Leon C. – etwa Mitte zwanzig, akkurat frisiert, energisches Kinn; vgl. die Fotos aus dem Netz, die ihm ähnlich sehen – wollte unbedingt mit mir über Glasfaserverträge sprechen. Meinen Hinweis, die entsprechende Mail, die ich neulich von seinem Auftraggeber erhalten habe, genüge mir als Entscheidungshilfe vollauf, ließ er nicht gelten. Stattdessen versuchte er aufdringlich, mich mit rhetorischen Fragen in ein Gespräch zu verwickeln. Das lehnte ich entschieden ab.
Inzwischen standen mehrere Nachbarn in ihren Wohnungstüren, denn Leon C. hatte natürlich überall geklingelt. Ich warnte sie in seiner Gegenwart lautstark vor einem just anwesenden Telekom-Drücker und bat ihn, das Haus zu verlassen, und zwar unverzüglich.
Ob ich Eigentümer sei, schnappte er zurück.
Nein, Mieter, sagte ich.
Dann müsse er auch das Haus nicht verlassen, argumentierte er. Als Mieter habe ich nicht das Recht, ihm derlei zu befehlen.
Unter der akkuraten Frisur glühte es inzwischen puterrot. Außerdem wechselte er unversehens zum Du. Wenn Sie dieses Blog seit seinen Anfängen verfolgen, ahnen Sie, wie sehr mir höfliche Umgangsformen am Herzen liegen. Deshalb fragte ich ihn, warum er mich plötzlich duze, und verbat mir das.
Das brachte Leon C. endgültig auf Zinne. Seine hervorgestoßenen Worte „Wollen wir das klären? WOLLEN WIR DAS KLÄREN?“ kann ich nur dahingehend deuten, dass ihm als angemessene Lösung unseres Disputs eine zünftige Straßenprügelei vorschwebte.
Auch das, Sie ahnen es, ist nicht vollends kompatibel mit meiner Idealvorstellung zivilisierter Umgangsformen. Deshalb beschloss ich mich sicherheitshalber in unsere Wohnung eine Etage höher zurückzuziehen. Allerdings eilte Leon C. mir hinterher. Gerade noch rechtzeitig gelang es mir, die Wohnungstür zu schließen und die Kette vorzulegen. Er schlug mehrfach gegen die Tür.
Zu meiner nicht geringen Schande muss ich leider gestehen, dass ich ihm daraufhin ein herzhaftes „Verpissen Sie sich!“ entgegenschmetterte. Immerhin ohne ihn zu duzen. Auf dieses Niveau wollte ich mich nun wirklich nicht herablassen.
Nach diesem Vorfall scheint mir die Wahrscheinlichkeit, dass jemand hier im Haus demnächst einen Glasfaservertrag mit der Telekom abschließt, ein wenig gesunken zu sein. Und wer weiß: Vielleicht gelingt Leon C. dieser Erfolg ja dank seiner sehr speziellen Drückerkolonnenmethode in ganz St. Pauli.
04 September 2024
Alles so schön bunt hier
In der Galerie im Erdgeschoss hat heute Silke Thoss ihren imaginären Kiosk Silkys Späti eröffnet – und auch wenn bei der Vernissage ein Gewitter den Partycrasher spielte: Bunter, das ist gewiss, wird’s dieses Jahr auf St. Pauli nicht mehr.
In Silkys Späti ist alles Pappmaché, alles ein Einzelstück und jedes „Produkt“ bis zur macho- und kapitalismusparodistischen Kenntlichkeit verfremdet.Schaun Sie doch mal rein. Soll Ihr Schaden nicht sein.
06 August 2024
Der Streetworker von St. Pauli
Das auf dem Foto ist Herr H. Dass er so heißt, habe ich von einem Nachbarn erfahren. Anscheinend hat Herr H. zu Hause keinen Raum, den er als Arbeitsplatz nutzen kann. Deshalb macht er Streetoffice. Herr H. ergreift dazu Stuhl und Laptop, betritt den Kiez, setzt sich auf den Gehweg und arbeitet. Ganz gerne wüsste ich schon, an was. Aber bisher habe ich eine gewisse Scheu, Herrn H. danach zu fragen. Manchmal errichtet Herr H. sein Streetoffice auch nicht auf dem Gehweg, sondern direkt auf der Straße. Dass dieser Anblick auf herannahende Autofahrer irritierend wirken könnte, kümmert Herrn H. keineswegs. Schließlich sind sämtliche Fahrzeuge mit Lenkrädern ausgestattet und somit in der Lage, mit wenig Aufwand einen Bogen um ihn herum zu fahren. Wenn sie das nicht in der Fahrschule gelernt haben, was dann.
Übrigens habe ich noch nie einen Autofahrer gesehen, der sich über Herrn H.s auf der Fahrbahn errichtetes Streetoffice echauffiert hätte. Man hört ja sonst so allerhand, wie es zugehen soll vor Ampeln und auf Autobahnen. Geschrei, Gepöbel, justiziable Eigenschaftszuschreibungen: All das scheint in Deutschland gar nicht selten vorzukommen. Doch nicht in Gegenwart von Herrn H. Man umkurvt ihn offenkundig verständnisvoll und deshalb kommentarlos. Was er als selbstverständlich hinnimmt.
Nein, Herr H. lässt sich bei dem, was immer er dort tut, nicht stören. Man kann sogar sagen, dass die resiliente Konzentration, mit der Herr H. sein Streetoffice-Pensum abarbeitet, bewundernswert ist. Nichts bringt ihn aus der Ruhe.
Herr H. richtet seinen Stuhl immer nach Westen aus. Zwar scheint ihm dann die Sonne mitten ins Gesicht, doch wenigstens nicht aufs Laptopdisplay. Das könnte schließlich bei der Arbeit stören, eventuell sogar die Qualität der Ergebnisse beeinträchtigen. Deshalb vermutlich nach Westen. Manchmal denke ich, dass Herrn H. eine Schirmmütze guttäte, aber wer bin ich, seine selbst geschaffenen Rahmenbedingungen infrage zu stellen.
Herr H. ist mir bisher ein Mysterium. Steht er vielleicht in der Tradition von Melvilles Schreiber Bartleby? Welche biografischen Wendungen und Winkelzüge führten zu seinem stoischen Dasein als Streetworker im wortwörtlichen Sinn?
Vielleicht überwinde ich demnächst meine Scheu und frage ihn einmal. Dann mehr an dieser Stelle.
01 Februar 2024
Die gemütlichsten Ecken St. Paulis (203)
Was hat dich nur so ruiniert, o Dixiklo?
Sachdienliche Hinweise und wilde Spekulationen bitte in den Kommentaren.
19 Dezember 2023
Auf den Straßen von St. Pauli
Manches, was hier in der Seilerstraße so herumliegt, wirkt kieztypisch, etwa der damenlose Büstenhalter. Er wirkt ein wenig wie wütend entsorgt. Die Geschichte dazu würde mich interessieren, und ich ersuche Sie dringend, diese in erforderlicher Ausführlichkeit in den Kommentaren zu schildern.
Anderes mutet eher überraschend an – wie etwa die handliche Bibelausgabe im Fahrradkorb. Fahrradkörbe werden hier auf dem Kiez übrigens recht oft für Mülleimer gehalten. Ich weiß nicht, wie man diesem Irrtum aufsitzen kann; normalerweise lernt man die Unterschiede schon recht früh im Leben.
Die Stolpersteine in unserer Straße wurden nach dem bestialischen Massaker der Hamas in Israel von einem kleinen Schutzwall aus Grablichten umgeben. Inzwischen trotzen sie wieder unumsäumt Wind, Wetter und Antisemitismus.
Die tote Kieztaube hat ihr Dahinscheiden wohl der einen Zigarette zu viel zu verdanken. Alle Indizien sprechen dafür.
Es ist gewiss nur Zufall, dass das „Zu verschenken“-Schild neben einem völlig intakten und scheckheftgepflegten Mittelklassewagen herumliegt. Sonst wären seine Türen doch bestimmt – ähem – nicht verschlossen gewesen.
24 Oktober 2022
Gepriesen sei die Müllabfuhr!
29 August 2022
Kassandro hat es wieder getan
Es war am 28. Juni letzten Jahres, als sich uns der gegenüberliegende Flachbau nach dem Entfernen eines Gerüstes in jungfräulichem Eierschalenweißgrau darbot. Damals malte ich die Zukunft dieser Hausfassade in den düstersten Farben. Unter dem Blogposttitel „Die Frage ist nicht ob, sondern wann“ schrieb ich Folgendes:
„Die Fassade gegenüber ist frisch gestrichen worden, gestern haben sie das Gerüst abgebaut. Heißt: Graffitischmiererei in drei, zwei, eins … Mehr in aller Bälde.“
Nun, ich gebe zu, ich lag schief. Aber so was von. Denn die Entwicklung im weiteren Verlauf des Sommers, im Herbst, Winter, ja sogar im kompletten Frühjahr bis hin zum aktuell grassierenden Sommer widerlegte mich Tag für Tag. Nichts geschah. Die Fassade blieb unangetastet, als wäre sie mit einem farbabweisenden Nanolack eingesprüht. Oder als hätte sich die komplette Sprayerszene gegen mich verschworen. Als wollte sie mir sagen: Pah, du mit deiner Pseudokiezkenntnis – nimm das! Nämlich nichts.
Diese für mich zwar ziemlich düpierende, objektiv betrachtet aber ästhetisch durchaus erfreuliche Nichtentwicklung breitete sich über sagenhafte dreizehn Monate und eine Woche aus, derweil ich mich immer mehr gezwungen sah, meine Erkenntnisse über das Viertel, in dem wir wohnen, einer grundsätzlichen Revision unterziehen zu müssen.
Dann aber, nach genau vierhundertunddrei graffitifreien Tagen, erbarmte sich endlich jemand und taggte die Wand mit einem großzügigen Motiv, welches mich entfernt an das Piktogramm eines Pottwals erinnert. Und natürlich gesellte sich nur wenige Tage später ein weiteres Motiv hinzu.
Von nun an – wie Sie sehen, habe ich nichts gelernt aus meinem Vorhersageversagen und betätige mich erneut kassandrisch – wird es keinerlei Halten mehr geben.
Heißt: weitere Graffitischmierereien in drei, zwei, eins …
Mehr in aller Bälde.
27 Juli 2022
Der Müllesser
29 Juni 2022
Alles rollt (oder brennt)
Heute ein paar verstörende Geschichten mit Fortbewegungsmitteln im Fokus. Los geht es mit einer für langjährige Blogleser und -leserinnen längst sterbenslangweiligen Meldung: Mir wurde erneut ein Fahrrad gestohlen. Es war Nummer neun; oben ein Fahndungsfoto. Wenn Sie es irgendwo herumstehen sehen bla, bla, bla. Wer immer es war, er knackte dabei ein Abus-Faltschloss der höchsten Sicherheitsstufe, ohne irgendwelche Spuren oder Trümmer zu hinterlassen. Respekt.
06 August 2021
Der Charaktertest
12 Juli 2021
Und wieder ist ein Ständer weg
28 Juni 2021
Die Frage ist nicht ob, sondern wann
24 Juni 2021
Als wären sie nie da gewesen
Unten im Treppenhaus, direkt hinter der Eingangstür, hat es sich ein Paar gemütlich gemacht, das hier definitiv keinen Mietvertrag besitzt. Es versperrt mir, der ich das Haus verlassen will, den Weg. Nach der Größe der herumliegenden Rucksäcke zu schließen, haben die beiden ihren halben Hausrat dabei; eher ist es sogar ihr ganzer. Auch zwei Fahrräder gehören dazu.
23 März 2021
Aus die Maus!
Es gibt Neuigkeiten zu unserem vielfach geschilderten Mäuseproblem, und zwar erfreuliche bzw. betrübliche; das hängt ganz von der Perspektive ab. Der letzte Stand war der, dass wir Lebendfallen aufgestellt hatten, welche unsere Nager interessiert beschnupperten, aber mehr auch nicht. Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle widerwillig bewundernd die Intelligenz unserer fallenvermeidenden Mitbewohner gelobt. Im Lichte der jüngsten Ereignisse möchte ich zwar nicht gänzlich davon abrücken und stufe sie – die Mäuseintelligenz – noch immer höher ein als jene der Ministerpräsidentenkonferenz, doch es ist etwas geschehen, was ins Gesamturteil einfließen muss.
Zunächst ging allerdings unsere Wildkamera kaputt, sodass visuelle Nachweise der fortdauernden Anwesenheit unserer Mäuse nicht mehr möglich waren. Auch Spuren wie köttelgestützte Reviermarkierungen tauchten nicht auf. Das Problem war wahrscheinlich noch da, doch die alte Strategie „Aus den Augen, aus dem Sinn“ bewährte sich auch in diesem Fall: Wir begannen die Mäuse zu vergessen. Das Schlagfallenarsenal hatte ich längst abgebaut, nur hier und da stand noch ein verschmähtes Köderdöschen herum, und irgendwann sammelte ich auch die meisten Lebendfallen wieder ein.
Doch gestern stieß ich unter der Küchenanrichte auf eine gut versteckte und deshalb vergessene Doppelfalle. Diese Konstruktion zeichnet sich durch zwei gegenüberliegende Schlagfallen aus, die von einem halbrunden Plastikdach überwölbt und so in einen für Mäuse gewöhnlich reizvollen Tunnel verwandelt werden. Solche Dinger standen monatelang an allen Ecken und Enden unserer Wohnung herum, mit lecker Erdnussflips beködert und dennoch von allen anwesenden Nagern nur beäugt, doch nie betreten.
Als ich also gestern die vergessene Tunnelfalle hervorzog, um auch sie wie alle anderen in der Abstellkammer einzulagern, fiel mein Blick auf etwas Längliches, das aus einem Ende hervorragte: ein Mäuseschwanz! Da war doch wahrhaftig etwas geschehen, mit dem ich nach all unseren frustrierenden Erfahrungen nie mehr gerechnet hätte: Eine Maus war in die Falle gegangen! Doch unglaublicherweise bot sich gegenüber, am anderen Ende der Tunnelfalle, das gleiche Bild: ein herausschauender Mäuseschwanz und auch dort das dranhängende Tier, erschlagen vom Fallenbügel.
Jetzt verstehen Sie, warum ich das Ergebnis des Mäuse-IQ-Tests relativieren muss. Ich meine: Wenn es an einem Ende der Falle bereits eine erwischt hat, sollte ihre Kollegin, die irgendwann danach am anderen Ende auftaucht – sofern sie wirklich intelligenter ist als die Ministerpräsidentenkonferenz, wovon ich weiterhin unter keinen Umständen abrücken möchte –, wenigstens so clever sein und sich trollen, anstatt den gleichen Fehler zu begehen.
Warum das dennoch geschah und wann genau, das werden wir nie erfahren. Jedenfalls endete somit doch noch alles erfreulich bzw. betrüblich. Das hängt ganz von der Perspektive ab.
05 November 2020
Fundstücke (247)
Beim Heranzoomen entpuppte sich die Installation allerdings als Kommentar zur US-Präsidentschaftswahl.