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24 Oktober 2022

Gepriesen sei die Müllabfuhr!

Immer wieder kommt es vor, dass ein Hornochse denkt, es sei angebracht und überhaupt nichts dabei, seinen Müll einfach auf die Straße zu kübeln, weil ja eh schon genug davon herumliegt auf St. Pauli. In der Tat begegnen viele Benutzer unseres Viertels – wahrscheinlich mehrheitlich welche, die nicht hier wohnen – dieser Angewohnheit empörend gelassen.

Ich gehöre nicht dazu. Müll stört mich. Man kann es auf folgenden Nenner bringen: Mich stört alles, was Tauben erfreut. Zwischen uns gibt es einfach keinen gemeinsamen Nenner. Deshalb mag ich auch Möwen: weil Tauben genau das nicht tun. Tauben sind der definitive Kontraindikator, und wer sich jetzt echauffieren möchte über dieses scheinbar grundlos ungerechte Federviehbashing, dem rufe ich zu: Wir haben eine gemeinsame Geschichte, wir und die Tauben! Sie besteht aus mehreren Kapiteln (1, 2, 3, 4) und ist nicht schön.    

Jedenfalls meldete ich den Haufen vor der Spielothek am Tag nach der Entdeckung via App der Hamburger Stadtreinigung. Da hatte er, der Haufen, bereits damit begonnen, in einen gewissen Zerfledderungsprozess überzugehen. Im Fußball würde man sagen: Er vergrößerte auf regelwidrige Weise seine Körperfläche.

Nach meiner Meldung, da war ich mir sicher, würde erst mal nicht viel passieren. Außer dass Tauben drin herumstolzieren, prekär aufgestellte Passanten den Schandfleck nach Brauchbarem durchwühlen und flanierende Torkler aus dem Umland ihren mitgeführten Restmüll ebenfalls dem Haufen überantworten würden. Denn er war ja schon da, und eine Astradose mehr oder weniger würde doch wohl an der Gesamtlage kaum etwas ändern. TUT ES ABER!

Egal. Als ich am Tag nach der Müllmeldung via App morgens auf den Balkon hinaustrat, um mir beim Zähneputzen den spätsommerlichen Oktoberwind um die Nase wehen zu lassen, sah ich kaum Glaubliches (vgl. unteres Bild): nämlich kein Fitzelchen Müll mehr. 

Die Stadtreinigung Hamburg, diese gebenedeite unter allen Anstalten des öffentlichen Rechts, hatte es über Nacht vermocht, den Müllhaufen auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, und dafür gebührt ihr jeder verfügbare Jubel und Lobpreis. 

Sogar dann, wenn es vielleicht nur ein schöner dummer Zufall war.




05 August 2008

Sie weiß alles

Natürlich, es ist übel, eine alte graue Frau mit Gehhilfe anzupflaumen. Deshalb tue ich es auch nicht, sondern bleibe höflich. „Entschuldigen Sie“, sage ich, „Sie füttern Tauben. Warum tun Sie das?“ 

Sie steht gebeugt da, mit mühsam erhobenen Armen, und bröselt mit verbogenen Fingern Weißbrot aufs Pflaster. Die gefiederten Mistviecher kriegen fast einen Herzkasper vor Begeisterung. 

„Weil ich Tauben mag“, sagt die Frau. 

Sie stützt sich jetzt wieder auf die Gehhilfe und weicht einen Schritt zurück. Ich stecke die Hände in die Hosentaschen, damit ich nicht bedrohlich wirke. 

„Tauben übertragen Krankheiten“, erläutere ich. 
„Weiß ich“, sagt sie leise. 
„Mit Recht ist es deshalb verboten, sie zu füttern. Es kostet sogar Bußgeld.“ 

Sie weicht noch weiter zurück und meinem Blick aus. „Weiß ich“, sagt sie noch leiser. 

Mist, sie weiß es. Sie weiß alles. Und tut es trotzdem. Warum? Wahrscheinlich ist sie Witwe, ihre Kinder besuchen sie nie, der Hund ist weggelaufen, der Heimplatz schon gebucht, und ich verderbe ihr auch noch die letzte verbliebene Freude: gefiederte Mistviecher an den Rand des Herzkaspers zu bringen vor Glück; ihnen dabei zu helfen, die Gegend mit Viren zu verseuchen. Sie weiß es, und sie tut es trotzdem, sie muss ihre Gründe haben. 

Zeit zu gehen, mit den Händen in den Hosentaschen. Unseren hinteren Balkon können wir übrigens schon lange nicht mehr benutzen. Tauben haben ihn längst übernommen. Schwäne wären mir lieber. 

PS: Der Schlusssatz liegt ausschließlich an der bestürzenden Tatsache eines fehlenden Taubenbildes – oder das einer alten grauen Frau mit Gehhilfe. 

17 Dezember 2008

Im Kampf mit Gluckscheißern

Angesichts der Tauben auf unserem Innenhofbalkon läuft mein im Prinzip gandhieskes Wesen Gefahr, sein düsterstes Pendant hochsympathisch zu finden. Tagsüber bereits bevölkern die Tauben sonder Zahl unseren Balkon, als gäbe es dort etwas umsonst. Dem ist aber nicht so. Was es dort kiloweise gibt, ist lediglich Taubenmist. Das kann ja wohl nicht derart attraktiv sein, gerade für die Verursacher nicht. 

Dennoch wirkt unser Balkon magisch auf Tauben. Er ist ihr Elysium, das Paradies auf Erden, der Platz, wo man als Taube sein möchte, ein Refugium zum Spaßhaben und Altwerden. Aber warum? Keinen Schimmer. 

Das ist, wie gesagt, die Situation am Tag, wenn es hell ist. Und nachts bleiben sie der Einfachheit halber gleich da. Der Balkon über uns hat so hübsche kleine Boxen im Boden (Foto), deren Länge, Tiefe und Zuschnitt der Balkonbauer zweifellos dem Taubenwunschkatalog entnommen hat. Für jedes Täubchen ein Kabäuzchen. Sobald es dunkelt, kuschelt sich die Vogelschar dort hinein, gurrt selig, schlummert alsbald einem weiteren wunderbaren Tag auf unserem Balkon entgegen und lässt von Zeit zu Zeit glücklich und traumverloren Taubenkacke leis herniederklatschen. Diese Gluckscheißer! 

Die bereits mehrfach alarmierte Hausverwaltung signalisiert zwar stets abwiegelndes Mitgefühl, doch was ihren Problemlösungseifer angeht, ist sie so aktiv wie ein Eifelvulkan. Nein, der Balkon ist verloren, keine Frage. Dennoch habe ich vor einiger Zeit beschlossen, den nachtflugscheuen Tauben wenigstens das Leben zur Hölle zu machen. Also öffne ich seit Wochen stets gegen Mitternacht die Balkontür, greife den bereitstehenden Schrubber und fuchtele damit vor den Täubchenkabäuzchen herum wie ein Jedi mit dem Lichtschwert. 

Allerdings reagieren die Vögel zunehmend unwilliger auf meine Attacken. Anfangs reichte es noch, nach dem Schrubber zu greifen, um die Federpest zur Flucht zu zwingen. Nach einigen Tagen aber musste ich bereits eine falkenähnliche Zustoßbewegung vollführen, um überhaupt noch eine Reaktion zu erzielen. Neuerdings nehmen die Luftratten sogar diese Maßnahme mit provokantem Gleichmut hin; sie zwingen mich dadurch, einen Schritt hinaus auf den taubenkackverdreckten Balkon zu tun (in Hausschuhen!), um meine Reichweite zu erhöhen. 

Gestern erwischte ich erstmals eine hart mit der Schrubberbürste, was sie schließlich einen Rückzug in Erwägung ziehen ließ; die taumelnd herabsinkende Feder war das Unterpfand meines allerdings schnell wieder verlodernden Triumphes. Denn alles bleibt vergebens. Mein Terror wirkt nicht. Auch heute Abend saßen sie wieder da, als wäre nie etwas gewesen oder – schlimmer – als nähmen sie mich nicht richtig ernst. Gelassen erwarteten sie mein Hinaustreten in den Dreck, meine Schrubberattacke, die ganze wütend entfesselte physische Gewalt, bevor sie schnippisch hinausflatterten in die Nacht. 

Wie hat Gandhi das eigentlich hingekriegt? Er hatte doch nicht mal einen Schrubber.

27 Juli 2007

Ratten kreuzten seinen Weg

Auf dem Gehweg an der Schmuckstraße, wo die Transen stehen, hocken zwei Tauben, als ich mit dem Fahrrad angeradelt komme. Flöge eine Fee herbei und gewährte mir die Erfüllung eines Dutzend Wünsche, so könnte ich nicht ausschließen, ihr nach Weltfrieden, genereller Genesung und einem 1976er Chateau d’Yquem auch das Bedürfnis nach spurloser Verpuffung aller Hamburger Tauben vorzutragen. 

Trotz dieses düsteren Wunsches, der gewiss einen Schatten auf meinen Charakter wirft, bringe ich es aber nie übers Herz, der noch immer nicht aufgetauchten Fee vorzugreifen und diese Vögel bei passender Gelegenheit plattzufahren. Die beiden vor mir auf dem Gehweg wissen das genau und bleiben gelangweilt sitzen – zumal sie sich im Recht wähnen dürfen: Sie sind zu Fuß, ich radle, und das auf dem Gehweg. 

Als ich mich schon schicksalsergeben auf einen Slalomkurs einzustellen beginne, betritt von links ein weiteres unsympathisches Tier die Szenerie, nämlich eine kapitale Ratte. Düpierend gemächlich hoppelt sie quer über den Weg, ohne mich oder mein Fahrrad auch nur eines Blickes zu würdigen. Interessanterweise reagieren die Tauben ebenfalls mit versnobter Ignoranz auf den immerhin spitzzahnigen Nager. 

Anscheinend hat hier auf St. Pauli niemand mehr vor irgendjemand Respekt oder gar Schiss, und beim Weiterradeln bin ich darüber seltsam verärgert. Ich denke, dieses Gefühl werde ich sublimierend am Franken oder an Kramer auslassen. Jedenfalls nicht an Ms. Columbo, in deren Anwesenheit ich abends auf dem Weg ins Kino dieses Foto vom Heiligengeistfeld schieße.

22 August 2009

Die Vögel

Wie die treueste Leserschar weiß, hatten wir vor einiger Zeit ein ernstes Taubenproblem. Es wurde schließlich behoben durch die Vollvernetzung unseres Balkons. Er erhielt gleichsam ein Ganzkörperkondom und stellte danach einen Ausbund an Wohnlichkeit dar, zumindest im Vergleich zu vorher. 

Nach einigen paradiesischen Wochen entdeckte ich einen Guanoklecks auf dem Balkonboden. Ich ging der Sache aber nicht auf den Grund, sondern runzelte nur die Stirn. Vielleicht aus Selbstschutz. Eine Woche später war ich in der Küche und nahm im Augenwinkel eine Bewegung auf dem Balkon war. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah: eine Taube. Wie in Pablo Picassos Namen war sie auf den vollvernetzten Balkon gelangt? War das Ganzkörperkondom etwa undicht? 

Nein: Aber zwischen Netzunterkante und Balkonboden klafft umlaufend eine Lücke von genau 82 Millimetern (Foto 1), ich habe mittlerweile nachgemessen. Und dort hatte das Viech sich anscheinend durchgequetscht. Jetzt flatterte es auf dem vollvernetzten Balkon herum und wusste nicht, was zu tun war. Denn hier gab es nichts, kein Fresschen, nur Plastikmöbel und einen Topf mit Minze, die Ms. Columbo sich seit dem Taubenbesuch die längste Zeit als Tee aufgegossen hat. Und vor allem gab es kein Entkommen. Die Taube war zwar clever genug gewesen, den Spalt zu finden, doch zu dämlich, um sich beim Fluchtversuch daran zu erinnern. 


Aufgeregt flatterte der Vogel nun hirnlos gegen die Netzwand, setzte sich ab und zu auf die Gießkanne, um zu kacken, und ich stand an der Scheibe und konnte a-b-s-o-l-u-t nichts tun. Die Menschheit hat es geschafft, auf den Mond zu kommen, doch wie ich persönlich dieser Taube nun den Ausweg verklickern sollte, das war mir so rätselhaft wie das verwirrende Geflecht der Gassen Ottensens, in dem ich mich regelmäßig verlaufe. 

Ratlos und vorsichtig betrat ich den Balkon, als der gefiederte Widerling mal kurz auf dem Boden Platz genommen hatte – und plötzlich schlüpfte er unten durch den Spalt. Bodenlose Erleichterung! Zumal der kleinhirnige Dinosauriernachfahr gewiss in den letzten Minuten ausreichend Panik geschoben hatte, um nie, nie mehr wiederzukommen. Tauben lernen ja aus so was. Und sie würde es aufgeregt den anderen sagen: Bleibt da weg, zu viel Adrenalin! Das Leben war schön. 

Eine Woche später allerdings rief Ms. Columbo nach mir. Ich eilte in die Küche und sah es. Drei Tauben. Auf dem Balkon. Der geschnäbelte Vollhorst von damals hatte die Story weitererzählt, und jetzt wollten seine Kumpels auch mal gucken. Ihre Panik bei meinem Anblick war zunächst groß. Ein einziges Geflatter, Gegurre und Gekacke machte sich breit unterm Netz, der Balkon war ein Tollhaus. Unsere Panik war kaum kleiner. Was nur tun? Vergrämer anrufen. 

Es war Samstagnachmittag, der Mann war entsprechend begeistert. Zumal er aus Bad Segeberg rüberkarriolen musste. „Das. Kriegen. Wirr. Schon. Hin“, schnarrte er im modulationsfreien Ton des Kehlkopfoperierten, der sich beim Sprechen ein Mikro mit Minilautsprecher an den Hals halten muss. Er hatte eine Decke mitgebracht. Die warf er über die Tauben, fing so eine nach der anderen ein und quetschte sie – nein, nicht zwischen seinen Handwerkerpranken zu Tode, wie es eine dunkle Seite in uns mit uneingestandener Angstlust erwartete, sondern zwischen den sich überlappenden Netzbahnen hindurch in die Freiheit. 

Dann spannte dieser Segeberger Samariter zwei Drähte vor den 82 Millimeter breiten Spalt und schnarrte zum Abschied ein blechernes „Auf. Wiederr. Sehen.“ Seitdem haben sie es nicht mehr geschafft, auf unseren Balkon vorzudringen. Doch gestern hörte ich es gurren im Halbschlaf, und etwas flatterte und kratzte am Schlafzimmerfenster. 

Sie wollen wieder rein, jetzt erst recht. Und sie sind sauer.

28 November 2010

Wieder mal ein Beitrag „gegen Tiere“

 
Der alte leerstehende Kaufhauskomplex namens Frappant in Altona soll abgerissen werden, weil das Möbelhaus Ikea an gleicher Stelle ein Filialgebäude errichten will. Vorher, heißt es in der jüngsten Mopo am Sonntag, müssten allerdings tierschutzgesetzgemäß die dort nistenden „Taubenbabys“ umgesiedelt werden. 

Wie bitte …? Selbst wenn „Taubenbabys“ (vulgo: Küken) wirklich existierten, wäre das eine markerschütternde Nachricht, denn aus diesen kleinen Federknäueln entstünden bei entsprechender Fütterung unweigerlich ausgewachsene und fatalerweise flugfähige Vögel, und diese Biester schlügen irgendwann mit tödlicher Sicherheit hier auf unserem Balkon auf. 

Doch es gibt ja zum Glück in Wahrheit gar keine Taubenküken, oder hat irgendjemand von Ihnen schon mal welche gesehen? Na bitte. Ms. Columbo vertritt übrigens die plausible Theorie, Tauben durchliefen alternativ zum Kükenstadium Terrorcamps im Nahen und Fernen Osten und würden nach der Abschlussprüfung direkt nach Hamburg importiert, um die geschilderten Anschläge auf unseren Balkon durchzuführen (leider sind es keine Selbstmordattentate). 

Ich plädiere übrigens schwerstens und ganz generell dafür, Tauben mit aller gebotenen Härte zu Zugvögeln umzuschulen – und den afrikanischen Ländern, in denen sie überwintern, üppige Prämien dafür zu zahlen, dass sie ihnen im Frühling keine Ausreisevisa mehr ausstellen. Die angebliche Umsiedlung von „Taubenbabys“ in Altona unter Federführung von Ikea ist jedenfalls schon jetzt der schlechteste Witz der gesamten Adventszeit, dabei hat die gerade erst begonnen. 

Neben Tauben gibt es übrigens auch Pferde. Sogar alte – und die verfügen erstaunlicherweise über ein Diskussionsforum im Internet. Von dieser Skurrilität hätte ich niemals erfahren, wenn nicht zurzeit eine erkleckliche Zahl Blogbesucher von ebendort auf die Rückseite der Reeperbahn umgeleitet würde. 

Kennt irgendwer den Grund? Ich möchte mich ungern selbst dort anmelden, zumal ich nicht mal einen alten Maulesel besitze, geschweige denn einen im Rentenalter.

15 April 2007

Alle Vöglein sind schon weg

Touristen schieben sich schwarmartig über die Landungsbrücken, die eklen Dieselschwaden der Schiffe hängen träg im traumhaften Tag, und wir suchen einfach nur Enten. Gerne auch Möwen. Denn wir haben Brotkanten dabei, und Vögel sollen sie fressen, solange es keine Tauben sind, diese elenden Ratten der Lüfte. 

Hierher aber, ans hochsommerliche Glitzerfunken sprühende Wasser, trauen sich die Tauben nicht. Sie fürchten sich vor der Aggessivität und den Hakenschnäbeln der Möwen. Aber wo sind die Möwen bloß? Und wo die Enten? Wir sehen keine. Eine Brücke nach der anderen laufen wir zunehmend verwundert ab, doch die Elbe scheint jetzt, wo endlich die Lachse wieder da sind, vom gefiederten Volk völlig verlassen. 

Wir sind schon wieder auf dem Rückweg, als ich auf dem kleinen Ponton unter Brücke 10 endlich ein faules Entenpaar entdecke. Es sitzt träg im Schatten des traumhaften Tages und verdöst die Mittagszeit, statt seiner evolutionären Pflicht zu folgen und Nahrung zu suchen. Doch heute erweist sich Tatenlosigkeit als genau richtige Taktik im Sinne Darwins, und als das erste Stückchen Brot neben ihnen ins Wasser platscht, sind die beiden sofort hellwach – genauso wie die gefühlten dreißig Möwen, die urplötzlich aus dem Nichts materialisieren, als hätte Scotty sie hierher gebeamt, an die Landungsbrücke 10. Wo, verdammt, waren diese Vögel die ganze Zeit? Und wie, in Phoenix’ Namen, kriegten sie die Mannalieferung derart schnell spitz? 

Jedenfalls herrscht binnen Sekunden ein Hauen und Stechen. Wir versuchen die Enten zu bevorzugen, weil sie keine Chance hätten im Kampf mit den Möwen, doch wir haben eh genug für alle dabei. Schon bald sind Enten und Möwen satt und prall und zunehmend desinteressiert. Ich kann Ms. Columbo zu Hause abliefern und sofort rübergehen zum Stadion, wo ich auf den letzten Drücker noch eine Schwarzmarktkarte fürs Spiel meines kleinen Stadtteilvereins gegen Holstein Kiel ergattere. St. Pauli siegt 2:0, ich stehe in der Nordkurve träg im traumhaften Tag und hole mir – Mitte April – einen leichten Sonnenbrand auf beiden Lippen.

Ich liebe den Klimawandel.

21 April 2020

Unter Corona (4): Vom Ausmisten

Seit die Pandemie Besitz ergriffen hat von der Welt, ist vieles anders, nicht nur im Großen, auch im Kleinen. Wenn man durch das gelähmte Hamburg läuft, fällt zum Beispiel auf, wie viel zu Verschenkendes plötzlich die Gehwege verziert. Anscheinend kommen die Menschen vor lauter Lockdownlangeweile endlich einmal dazu, die Bestände zu sichten. 

Vor allem Bücherkisten stehen draußen herum, heute sah ich zudem zwei Paar Damenschuhe sowie CDs und Handyschutzhüllen. Allerdings gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass irgendetwas davon auch nur einen der rar gesäten Passanten interessiert. Ausnahme: eine Pappschachtel mit (natürlich noch verschlossenen) Chipstüten, die am Wochenende bei uns im Treppenhaus stand. Keine zwei Stunden später war sie leer – und das sogar ohne unsere Mithilfe. Wir sind eher chipsophob.

Eine zweite Auffälligkeit betrifft einen erheblich unappetitlicheren Sachverhalt: Überall in der Stadt tauchen plötzlich Hotspots eingetrockneter Vogelkacke auf. Beide, Mensch und Tier, scheinen in der Not also auszumisten. Das Guanophänomen läuft allerdings aufs Merkwürdigste einer hier in Hamburg gerade breit diskutierten Entwicklung zuwider, nämlich der unter den Tauben grassierenden Hungersnot. 

Seit die vom Lockdown zum Konsumverzicht verdonnerten Menschen mangels Gelegenheit weniger Müll unsachgemäß entsorgen, müssen die armen Vögel darben. Wie sie es aber schaffen, im Gegenzug die Produktion von Exkrementen mächtig anzukurbeln, dürfen uns gern die Ornithologen erklären. Oder noch besser die Physiker, denen dieser aufregende Fall eines taubeninduzierten Perpetuum mobile – man steckt oben weniger rein, bekommt hinten aber mehr raus – sicherlich viel zu forschen aufgibt. Vielleicht liefern uns diese seltsamen Vögel damit sogar die Lösung aller künftigen Energieprobleme?

Die heute Nachmittag auf dem Heiligengeistfeld herumstaksenden Tauben schien das Dramatische ihrer Situation indes kaum zu kümmern. Es wurde fröhlich herumgebalzt, man umtänzelte und bestieg sich munter; ja, diese vögelnden Vögel taten ganz so, als gäbe es doch ein Morgen. Ein tröstlicher Gedanke, der augenblicklich meinen Tag erhellte. 




06 Dezember 2009

Eine kam durch (und davon)

 

Tauben sind die populärsten Tiere hier auf der Rückseite der Reeperbahn. Allerdings aus den falschen Gründen. Denn es ist echt zum Milbenmelken: Schon wieder schaffte es eine Taube auf unseren vollvernetzten, inzwischen gar mit Drähten gesicherten, kurz: zur quasi uneinnehmbaren Trutzburg ausgebauten Balkon. Den Horden Dschingis Khans hätte er gewiss mondelang widerstanden, doch leider nicht den hiesigen Luftratten. Zumindest einer nicht. 


Die verlustigte sich hier nun fröhlich flatternd und stürzte sich immer wieder kopfüber und krallenvoran ins Netz juchhe, während ihre Gang draußen auf dem Baum saß und Haltungsnoten vergab. Eine selbstverständlich untragbare Situation. Doch diesmal war kein Profivergrämer mehr nötig, oh nein. Es war klar, was zu tun war. 

Ich suchte mir die älteste, fleckigste, gelbste Pannesamtdecke aus den niedersten Niederungen meines geerbten 19.-Jahrhundert-Steckschranks und betrat den Balkon wie Django, nur halt ohne Sarg und Knarre. Aber mit Pannesamtdecke. Das Tier wusste augenblicklich, was auf es zukam, und nahm die Herausforderung an. 

Es folgte eine wilde Jagd auf engstem Raum, die darin bestand, dass ich ein ums andere Mal den Samt durch die Gegend warf wie Lucky Luke sein Lasso, nur mangels Übung ohne dessen Treffsicherheit. Die Taube entkam gewiss ein Dutzend mal. Doch dann war es soweit: Die Decke begrub den Vogel unter sich – was ihn erstaunlicherweise sofort in eine für mich höchst kommode Duldungsstarre versetzte. 

Warum wehrte er sich nicht mehr – war es Erschöpfung? Taktik? Einsicht gar? Wie auch immer: Ich konnte ihn packen, mitsamt Decke auf den unbefestigten und dennoch von Tauben komplett verschmähten Südbalkon tragen und dort aus dem Samt schütteln. 

Auf dem Weg durch den Flur war nur kurz der Gedanke an einen leckeren Taubenbraten aufgeflammt. Doch wenn man gerade keinen Metzger zur Hand hat, sind die sich abzeichnenden Begleitumstände seiner Herstellung doch recht unappetitlich. So nahm ich Abstand. Stattdessen delektierten wir uns später an Rotbarsch. 

War wohl eine Art Übersprungshandlung.

17 August 2010

Auf Kreuzfahrt (2): Verlorene Seelen



Als Passagier auf einem Kreuzfahrtschiff huldigt man dem brutalstmöglichen Eskapismus. Alles hier ist falsch, aber es ist großartig falsch.

Ein Kreuzfahrtschiff der gehobenen Klasse erfüllt die essenziellen Bedürfnisse des westlichen Menschen auf engstem Raum (wenn man 272 Meter Länge, 36 Meter Breite und eine Höhe von 14 Decks als „eng“ bezeichnen will).

Der westliche Mensch kann auf bestens präparierten Terrassen in der Sonne braten, so lange er möchte, er kann sich mitten auf dem Meer über eine vielfach gewundene Rutsche (Foto) ins beheizte Schwimmbad stürzen, er kann Fitnesstraining betreiben, bis der Arzt kommt (was Dottore sich mit 60 Euro pro Kabinenbesuch entlohnen lässt), er kann sich in unzähligen Clubs seine westlichen Depressionen schöntrinken, Bingo, Basketball, Roulette oder Tischtennis spielen – und vor allem: essen, essen, essen.

Die gebratenen Tauben, wie man so schön sagt, fliegen dir den ganzen Tag ins Maul, während Pakistan ertrinkt und Russland erstickt, und die Selbstkasteiung, Espresso, Wein und Whiskey extra bezahlen zu müssen, bringt dich kein Stück weiter auf dem Weg zur Rettung deiner Seele.

Vielleicht würde es helfen, die abendliche sog. Heilige Messe zu besuchen (immer um 17:15 Uhr, wir sind auf einem italienischen Schiff), doch wer’s nicht glaubt, wird halt auch nicht selig.

Weil das alles nun mal unwandelbar so ist, wie es ist, genieße ich mit nur maßvoll schlechtem Gewissen einen brutalsteskapistischen Nachmittag im Whirlpool. Über uns ist der Himmel makellos blau, während unendlich lange die an Rügen erinnernden Klippen von Gotland vorüberziehen.

Abends beim Dinner, als uns wieder gebratene Tauben ins Maul fliegen (respektive Ente bei Ms. Columbo und Knurrhahn bei mir – u. v. m. natürlich, das Dinner hat fünf Gänge, man hätte aber auch neun ordern können), konstatieren wir einen Wechsel in der Besetzung des Kellners gegenüber gestern (s. letzten Blogeintrag).

Der vibrierende Brasilianer hat erstaunlicherweise – obwohl sein Namensschild noch immer auf Tisch 42 steht – heute Abend bereits wieder frei. Oder er sitzt alternativ im Gefängnistrakt unter Deck, weil er sich gestern Abend, als wir längst aufgebrochen waren Richtung Mitternachtspizza im Büffetrestaurant, doch noch wild brüllend durch die übriggebliebenen Passagiere tranchierte, was die Kreuzfahrtleitung aber bislang peinlichst zu verheimlichen wusste.

So, mal schauen, was die Landgänge bringen.


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22 Februar 2006

Der Streik(unter)brecher

Nichts gegen den Streik im Öffentlichen Dienst, soviel vorweg. Wenn eine Gewerkschaft es zuließe, dass Menschen, die bereits einen Arbeitsplatz haben, zu Mehrarbeit gezwungen würden, obwohl genug Arbeitslose parat stünden, die jene Mehrarbeit leicht erledigen könnten; wenn man das also zuließe als Gewerkschaft, dann könnte man sich gleich wegen Schizophrenie einweisen lassen.

Doch zufällig gibt es ein paralleles Phänomen, welches die Lage verändert: die Vogelgrippe. Auf Rügen fielen schon hunderte Vögel vom Himmel. Rügen ist nicht sooo weit weg von Hamburg. Und parallel zur Seuche streikt die Müllabfuhr.

Für den Kiez ist das eine Katastrophe. Normalerweise kommen die Müllmänner hier zweimal am Tag. In Worten: z-w-e-i-m-a-l am Tag. Das tun sie zurzeit nicht. Weil die Abfallberge binnen kurzem fast so hoch wuchsen, dass man die Huren an der Davidstraße nur noch hüftaufwärts beurteilen konnte, wurde mehr oder weniger heimlich etwas weggekarrt. Merkt man aber kaum.

Also Müll überall, zerfledderte Zeitungen auf den Straßen und Gehwegen (vor allem BILD, was ein höchst adäquater Verwendungszweck für dieses Blatt ist), zerquetschte McDonalds-Boxen, Flaschen, Scherben, zertretene Pommes Frites – was immer du willst.

Kurz: ein Fest für Vögel. Eine Megaparty. Woodstock und Monterey zusammen. Wenn ich morgens auf dem Weg zur S-Bahn die Reeperbahn entlanggehe, sehe ich Trauben von Tauben, überall. Und Möwen, die sich dazwischenstürzen. Die Tauben stieben gurrend hoch und flattern wieder zu Boden, zurück zu den Leckereien im Straßendreck.

Ein Chaos aus Müll und Federvieh. Die Tiere gedeihen prächtig dabei, das spricht sich rum, sie kommen von überallher. Sie werden sich explosionsartig vermehren diese Saison. Und irgendwo da draußen – auf Rügen oder vielleicht schon näher – lauert H5N1 auf seine ganz große Chance. Voilà: Hier ist sie, mitten auf St. Pauli. Denn der Kiez wird gerade zu Bodega Bay. Wenn nur ein einziger infizierter Rügener Schwan hier mal guten Tag sagt, dann gute Nacht.

Es ist also ein ganz, ganz schlechter Zeitpunkt für einen Streik der Müllabfuhr. Gut, das konnte kein Mensch wissen, selbst Frank Bsirske nicht. Aber jetzt weiß er es. Und er könnte sich dafür stark machen, den Streik auszusetzen, bis die Seuche im Griff ist. Wie wäre das, Bsirske?

Bitte denk mal darüber nach.


Ex cathedra: Die Top 3 der Gewerkschaftssongs
1. „Part of the union“ von The Strawbs
2. „Joe Hill“ von Joan Baez


3. „There is power in a union“ von Billy Bragg

30 Januar 2006

Der suchende Hund

Der Eingang des Tabledance-Schuppens an der Reeperbahn ist voll verspiegelt. Jeden Morgen versammeln sich dort die Tauben. Vielleicht fühlen sie sich wohler, wenn sie das Gefühl haben, viele zu sein.

Der Spiegel verdoppelt sie. Sie scheinen Kraft zu tanken für einen harten Tag aus unablässigem Picken, Verscheuchtwerden, Autosausweichen, Umsfutterstreiten – oder Vögeln. Neulich sah ich auf dem Flachdach gegenüber den recht freudlosen, vor allem aber außerordentlich kurzen Akt. Zwei, drei Sekunden, und schon war die Grundlage gelegt für eine weitere Taubengeneration. Es hört nie auf.

Als ich abends aus der Sauna komme, steht ein zotteliger Terrier (im Stammbaum der Hundreassen etwa Nr. 124) im Mittelpunkt der Geschehnisse. Er kommt mir auf der U-Bahntreppe halb entgegentrippelt, schaut sich um, blickt erneut nach unten mit aufmerksamem, gleichsam intelligentem Blick. Er sieht offenbar nicht das, was er sucht, und huscht hoch, erforscht mit gerecktem Kopf die Lage vor der Station.

Als ich die Fußgängerampel zur Reeperbahn überquere, geht er mit, bleibt aber mitten auf der Straße stehen, immer noch hochkonzentriert die Umgebung musternd, in alle Richtungen. Ich überlege, ob ich ihn ermuntern soll, mir auf den Millerntorplatz zu folgen. Immerhin wird er dort in zehn Sekunden nicht von einer brüllenden Meute äußerst bremsunwilliger Autos überrollt.

Doch dann trifft er allein die richtige Entscheidung, läuft eifrig hinüber auf den Platz. Und von dort tönt plötzlich ein Pfiff, der Hund schießt los mit jener sehnigen Energie, die große Freude nun mal verleiht, und umtobt schier geck sein Herrchen.

Ich muss noch öfter an die Besorgnis dieses Hundegesichts denken, an diesen wachen, sondierenden Blick und die planmäßige Suche, und mich beschleicht das Gefühl, die Vorstellung von der Einmaligkeit unserer Intelligenz könnte nichts weiter sein als ein schrecklicher arroganter Irrtum.

Vorm verspiegelten Tabledance-Schuppen sitzen jetzt keine Tauben mehr. Wo sind sie eigentlich nachts? Haben sie Nester? Warum sieht man niemals Taubenküken?

Der Hund hat übrigens kein einziges Mal gebellt.

Ex cathedra: Die Top 3 der besten Songs, in denen Vögel vorkommen
1. „Albatros“ von Fleetwood Mac
2. „White bird“ von It's A Beautiful Day
3. „Bluebirds“ von Adam Green


27 Dezember 2012

Stadt, Land, Stuss

Die Unterschiede zwischen unserem mehrtägigen Weihnachtsdomizil am Rande des Westerwalds und St. Pauli sind evident. Ein zutraulich vorm Wintergarten lagerndes Reh zum Beispiel ist auf dem Kiez eher selten, und zwar nicht nur wegen des seltenen Vorkommens von Wintergärten.

Die hiesige Fauna besteht hingegen vor allem aus Tauben, Ratten, Mäusen, Möwen, Staffordshire-Terriern und … ähem … Bordsteinschwalben.

Und damit melde ich mich zurück.


02 März 2008

Mensch meets Möwe

Als wir mittags zum Fischmarkt hinuntergingen, um uns anzuschauen, was die Orkanin Emma mit dem Areal angestellt hatte, sahen wir gleich, dass nichts zu sehen war. Keine Überschwemmung, alles ganz normal. 

Am spektakulärsten war noch der Möwenschwarm, der sich am Ufer über eine illegal entsorgte Kiste Weißbrot hermachte. Enten und Tauben hielten sich missmutig am Rand und zogen lange Gesichter, blieben aber sicherheitshalber in der Nähe; man weiß ja nie. 

Angesichts der wild ums Weißbrot kämpfenden Seevögel fiel mir ein Transparent wieder ein, das wir auf dem Hinweg an einem der neuen Hochhäuser am Bavariagelände gesehen hatten. Es propagierte den peinigenden Slogen: „Mensch meets Möwe“. 

Kann uns vielleicht Fachmann Ramses mal erklären, wie so etwas durch sämtliche Kontrollinstanzen schlüpfen kann? Und was er alternativ von „Texter needs Faust (in his face)“ hält?

22 Juni 2021

Die Tauben eskalieren wieder

Heute auf dem Balkon wurde ich, obzwar von guten Mächten – nämlich unserem Sonnenschirm (Foto) – wunderbar geborgen, Opfer eines im Flug in Einzelteile zerfallenen Guanogeschosses. Dessen Farbe (grünweiß) und Konsistenz (schleimig) lenkten meinen Verdacht schnell auf eine Vertreterin der Taubenvögel. Obwohl ich nicht genau weiß, warum, wäre mir eine Möwe lieber gewesen.

Aber egal: Ich wurde getroffen, und zwar am rechten Brillenbügel sowie am Unterarm, und der fetteste Batzen dieser ordentlichen Portion Taubenkacke landete mitten auf dem Monitor meines MacBook Pro von 2018. Eine Fotodokumentation erspare ich Ihnen; schließlich sollen sie nicht auf unschöne Weise an einen der größten cineastischen Fehler Ihres Lebens erinnert werden, nämlich den Besuch von Faith Akins Film „Der Goldene Handschuh“ – oh, Verzeihung. Ich sage nur so viel: Dieser grünweiße Schleim war flüssig genug, um pfützenartig aufzuplatzen, jedoch auch ausreichend kohäsiv, um nicht gravitationsbedingt in Fluss zu geraten.

Dass er mich und mein MacBook Pro überhaupt traf, obwohl wir beide eigentlich wunderbar geborgen unterm Sonnenschirm saßen, lässt einen wichtigen forensischen Rückschluss zu. So kann der tatverdächtige Vogel keinesfalls aus einer Ruheposition heraus aktiv geworden sein. Es saß also nicht irgendwo über uns herum und führte gemütlich ab. Nein, im Flug muss er seine Last losgeworden sein, wodurch diese eine schräge Falllinie einnahm. Die Schutzfunktion unseres Sonnenschirms ist indes nur für Geschosse TÜV-lizenziert, die in einem akkuraten 90-Grad-Winkel herniederprasseln.

So sah mich St. Pauli heute Vormittag fluchend auf einem Retinadisplay herumrubbeln. Die letzten Spuren der Attacke entdeckte Ms. Columbo noch nachmittags, und zwar oberhalb meines rechten Ohrs, inzwischen geruchsneutral eingetrocknet.

Nach mehr als zwölf Jahren der relativ friedlichen Koexistenz im Anschluss an die legendären Taubenkriege von St. Pauli interpretiere ich diesen Zwischenfall nun als erstmalige Erhöhung der Eskalationsstufe. Jetzt muss über Reaktionsoptionen nachgedacht werden. Ich meine: Was täte Joe Biden, wenn ein nordkoreanischer Torpedo das Heck des Flugzeugträgers USS Theodore streifte?

Eine Frage, die sich vor allem die hiesigen Vertreter der Taubenvögel stellen sollten. Aber egal, was passieren wird: Ich habe nicht angefangen.




28 Oktober 2009

Intelligenzbestien unter sich

Seit einiger Zeit lungert täglich ein großer schwarzer Hund vorm Fahrradladen in der Detlev-Bremer-Straße herum.

Wahrscheinlich gehört er dem Besitzer, und der kann oder möchte sich keinen Hundesitter leisten. Also muss der große Schwarze seine Tage auf dem Gehweg verbringen, den er dabei mit hoher Effizienz versperrt.

Erschwerend hinzu kommt sein mangelndes Einfühlungsvermögen. Der Hund weigert sich zu begreifen, dass er a) ein Hindernis darstellt, zumal für Fahrradfahrer wie mich, die sich illegalerweise auf dem Gehweg fortzubewegen wünschen, und b) sich gefälligst zu trollen hat, wenn ein Mitglied der (aus seiner Sicht) herrschenden Klasse dahergeradelt kommt.

Denn nähert man sich ihm, so glotzt er zwar fried- und zutraulich, doch er rafft nicht, dass die Art, wie er sich in seiner großen schwarzen Massigkeit schrägquer im Durchgang aufbaut oder gar hinfläzt, jedwedes kollionslose Passieren verunmöglicht.

Bei Tauben ist mir ein verwandtes Phänomen aufgefallen. Kommt man angeradelt, fliehen sie zwar in letzter Millisekunde, doch nicht nach dem Motto „Schnell weg“, sondern erst einmal flatternd vors Vorderrad, so dass ich mich jedes Mal verärgert beim Bremsreflex ertappe, wobei doch ein aufstiebendes Taubenfedermeer die weit größere Befriedigung ergäbe.

Natürlich kommt die Taube stets davon, trotz ihres widersinnigen Fluchtkurses. Doch zurück zum Hund. Der steht oder liegt stoisch da und glotzt. Woher rühren noch mal die Behauptungen von der Intelligenz des Canis lupus familiaris? Bestimmt stammen sie vom gleichen Forscher, der sich beim Eisengehalt des Spinats um mehrere Kommastellen vertat.

Allein dass Hunde sich bereits vor Urzeiten ins Haustierdasein fügten und ihre seither ungebrochene Versklavung selbst durch Reeperbahnpunks oder grenzdebile Herrchen anscheinend ohne jeden revolutionären Impuls glotzend und gehwegversperrend fortzuführen gedenken, widerlegt m. E. die Intelligenzthese nachhaltig.

Dem großen schwarzen Hund bin ich gleichwohl bisher noch nie über den Schwanz gefahren, obwohl er es geradezu darauf anlegt. Nein, ich steige ab und schiebe.

Was das über meine Intelligenz aussagt, habe ich bisher noch nicht rausgefunden.

16 Februar 2014

Kein Interesse


Heute flohen wir vorm einsetzenden Regen auf einen Tee bzw. Espresso in ein Kneipencafé in der Markstraße. 

Hinterm Holztresen empfing uns eine desinteressierte Schnepfe mit der typischen Schnute einer Soziologiestudentin, die diesen Scheißbedienungsjob nun mal tun MUSS, weil Papa nicht genug Kohle springen lässt für bedingungsloses Rumstudieren. 

Ms. Columbo nahm die den Raum füllende Muffelaura indes mit erheblich mehr Gleichmut hin, als es eigentlich logisch gewesen wäre. Denn so was hat auch Vorteile. Statt sofort von einer überaufmerksamen Bedienung bereits beim Ablegen der triefenden Mäntel mit einem Bestellaufnahmewunsch behelligt zu werden, durften wir in aller Ruhe ablegen, die Getränkekarte in Augenschein nehmen, den ranzigen Muff der Inneneinrichtung beschnuppern und die – kaum dass wir Platz genommen hatten – plötzlich durchs Fenster hereinflutenden Sonnenstrahlen genießen.

Als die Tresentrulla dann schließlich unwillig herbeigeschlurft kam und mit ins Nirgendwo schweifendem Blick unsere Tee-, Espresso- und Kuchenwünsche entgegennahm, waren die Mäntel schon wieder trocken.

Vorgestern hatten wir bereits ein Erlebnis, welches durch das gemeinsame Band des Desinteresses auf wundersame Weise verknpüft ist mit der Marktstraßenschnepfe. Wir waren am Fuß der Wexstraße auf ein Brot- und Brötchendepot gestoßen, welches für auf Straßen herumliegende Lebensmittel eine erstaunliche Güte und Unversehrtheit aufwies. Die Körnerlaibe hatten sogar noch unbeschädigte Banderolen, wie auf dem Beweisfoto oben gut zu erkennen ist. 

Warum sich aber nicht schon längst Abertausende von Tauben heiß und innig für diese unverhoffte Ladung Manna interessierten, kann mit einem unterfinanzierten Soziologiestudium wohl kaum hinreichend erklärt werden.

03 Dezember 2010

Auf der Reeperbahn nachts im Schneeweiß



Unterm knusprigen Knirschen des Pulverschnees verschwindet der ganze Siff von St. Pauli.

Die unbeschreiblichen Flecken auf dem Pflaster der Reeperbahn, das Urinodeur, welches die Sockel der Häuser unablässig ausdünsten, die eingetrockneten Pfützen von letzter Samstagnacht: alles versteckt unterm großen Weiß. Und sogar die Tabledanceschuppen ragen harmlos und gemütlich aus dem Schnee.

Ein Koberer, an dem ich heute so rasch wie elegant vorbeischlittern wollte, trat mit den jahreszeitlich kompatiblen Worten „Oh mein Gott, oh mein Gott!“ und wildem Raufen seiner Wollmütze an mich heran, was mich zum Lachen brachte.

„Danke, ich habe einen Termin“, sagte ich vollkommen wahrheitsgemäß, noch ehe er seine zweifellos originelle Einleitung mit haltlosen Versprechungen aufhübschen konnte. Inzwischen lief er allerdings hoffnungsfroh neben mir her. „Du bist nur schüchtern!“, theoretisierte er nassforsch. Mittlerweile waren wir aber beim Paradise angelangt, und das ist Konkurrenzrevier – ich war ihn augenblicklich los.

Im Beatlemania, meinem Ziel, spielte heute Abend die Bochumer Nachwuchsband Frida Gold, die bestimmt mal ganz groß wird in den Charts, so wie Silbermond zum Beispiel, zumal sie demnächst im Vorprogramm von Kylie Minogue gebucht ist.

Songzeilen wie „Komm zu mir nach Haus/dort sieht es gut aus“ sind zwar noch nicht der Weisheit letzter Schluss, dafür aber hundertprozentig der Hintern der Sängerin, den sie zu unser aller Freude in eine krampfaderngefährdende Latexhose gezwängt hatte.

Auf dem Heimweg knirschte der Pulverschnee noch knuspriger als vorhin, und all die Koberer, die sich auf dem Hinweg noch auf mich gestürzt hatten wie die Tauben auf dampfende Dönerreste, ließen mich jetzt in Ruhe.

Vielleicht haben diese Menschen doch so etwas wie ein Gedächtnis.


21 Januar 2013

Nase zu und durch

Die Vogelschar, die sich mitten auf der Seilerstraße an irgendeinem Leckerli gütlich tut, muss aufgemischt werden.

Mit dem Fahrrad lässt es sich hervorragend mit Karacho hineinsteuern in dieses Gefiedergewirr, so dass alles lustig auseinanderstiebt, die Tauben und die Möwen.

Beim Durchbrettern wird indes bestürzend deutlich, woran die Vögel sich so interessiert labten: an einer sonntagsmorgens auf den meisten Kiezstraßen handelsüblichen kapitalen Kotzlache. Bremsen oder Ausweichen ist nicht mehr drin, es heißt Nase zu und durch.

Immerhin hat mir das eine sehr gute Begründung dafür verschafft, etwas nicht zu tun, das ich eh nur sehr selten getan habe, aber nur aus Faulheit: das Fahrrad im Haus unterzustellen.

Ich möchte übrigens nie mehr in einer Stadt leben, wo es keine Möwen gibt. Habe ich das schon mal gesagt?


30 August 2007

Von Tölen, Tauben und Toten

Neulich stieß ich in der Zeitung auf eine Liste bußgeldpflichtiger Vergehen in Hamburg. Einige waren für uns Kiezbewohner von besonderem Interesse. So fällt, wie ich erfuhr, beim öffentlichen Urinieren ein Zwangsobolus von mindestens 40 Euro an, die Obergrenze liegt bei 150. 

Legte sich also die Polizei ein Kiezwochenende lang auf die Lauer und bäte die Inhaber undichter Fortpflanzungsorgane zur Kasse, die Finanzierung der Elbphilharmonie wäre schlagartig gesichert, aber so was von. Wovon die Bußgeldhöhe genau abhängt, ließ die Zeitung offen. Fragte man mich, ich würde fürs Pinkeln in die Seilerstraße mit einem Betrag am oberen Ende der Marge liebäugeln. 

Weiter im Text: Das achtlose Liegenlassen von Verdauungsprodukten der eigenen Kläfftöle schlägt mit recht moderaten 25 bis 100 Euro zu Buche. Doppelt so teuer hingegen kann das Wegwerfen eines Fernsehers werden, obwohl das Gerät deutlich weniger stinkt. Der Unsitte des Fernseherwegwerfens begegnet man rund um die Reeperbahn übrigens durchaus nicht selten. Ja, wären es wenigstens funktionsfähige Plasmageräte mit mindestens 106 Zentimetern Bildschirmdiagonale! Aber nein. 

Übrigens wird ein solcher recht kunstvoll zerstörter Stuhl, wie ich ihn in der Schmuckstraße visuell dingfest machen konnte, preislich nicht anders behandelt als ein Fernseher. Auffällig beim Vergleich der aufgelisteten Untaten ist die manchmal unerklärlich krass differierende Bußgeldhöhe. Zum Beispiel beträgt die Strafe fürs Ausgraben einer Leiche maximal 500 Euro – und somit nur ein Zehntel des Betrags fürs Taubenfüttern. 

Man könnte übrigens gerade diese beiden Vergehen ganz gut miteinander kombinieren.