31 Dezember 2016

Ein offener Brief zu Silvester – diesmal als Selbstzitat


Seit geschlagenen zehn Jahren versuche ich hier jeweils zu Silvester die schlimmsten Folgen dieser Veranstaltung zu minimieren.

Heute verzichte ich auf eine weitere Variante dieses Appells und verweise auf den ersten Beitrag von 2006 – sozusagen die Mutter aller Bemühungen um Ihre Gesundheit.

Bitte studieren Sie den verlinkten Text aufmerksam. 
Nichts zu danken.


Foto: Gruppe anschlaege.de

29 Dezember 2016

540 Verrisse


Einige Anfragen aus der Gruppe jener, die bedrucktem Papier generell den Vorzug vor elektronischer Tinte geben, haben mich bewogen, das E-Book „3000 Plattenkritiken“ nun auch als gebundenes Hardcover drucken zu lassen.

Während das E-Book weiterhin mit fluffigen 2,99 Euro übern Tisch geht, erzwingen die Grundkosten für das kiloschwere Druckwerk indes einen etwas höheren Preis, den zu nennen ich mich an dieser Stelle nicht traue, der aber für schockresistente Interessenten einfach zu ermitteln ist, nämlich hier.

Wer sich zunächst mit einer Teilmenge des Rezensionskonvoluts begnügen möchte, hat dazu jetzt ebenfalls die Gelegenheit. Denn ich habe aus dem Gesamtwerk all jene Kritiken destilliert, die zu einem letztlich wenig schmeichelhaften Urteil über das betroffene Album kommen. Es heißt „540 Verrisse. Ziemlich schlechte Platten aus drei Jahrzehnten“ und ist ab sofort als Taschenbuch erhältlich – natürlich zu einem erheblich moderateren Preis als der Gesamtklotz. (Der meistverrissene Künstler ist übrigens Neil Young; ich konnte es selbst kaum glauben.)

Die Veröffentlichung von „540 Verrisse“ hatte für mich allerdings die zwingende Folge, unmittelbar nach Diktat zu verreisen und mich in die Obhut des Zeugenschutzprogramms für Musikrezensenten zu begeben. Der Text, den Sie in diesem Augenblick lesen, wurde daher aus dem Exil auf den Malediven übermittelt, wobei „Malediven“ ein Pseudonym für den weitaus faderen Ort ist, an dem ich mich in Wirklichkeit aufhalte.

Mit jedem Kauf von „540 Verrisse“, „3000 Plattenkritiken“ oder „Der Frankensaga – Vollfettstufe“ helfen Sie mir, mein künftiges Leben im Untergrund zu finanzieren, inklusive all der falschen Bärte und blickdichten Sonnenbrillen. Dafür schon mal vielen Dank vorab.

Für Signierstunden stehe ich trotz allem weiterhin zur Verfügung; Treffpunkt allerdings nur in einem Land meiner Wahl. Und seien Sie zeitlich bitte flexibel.

22 Dezember 2016

Der störrische Käseshop

Gerade weil ich so ein zufriedener Kunde dieses holländischen Onlinekäseshops war und bin, musste ich unbedingt etwas gegen die Blamage unternehmen, die er sich vierzehntäglich mit seinem Newsletter leistete. Endgültiger Auslöser war dieser Passus aus der Ausgabe vom 25. September:


Zwar war die selbstreferentielle Pointe dieser Argumentation nicht ohne philosophischen Reiz, doch ob sie auch dem Zweck des Newsletters dienlich war, schien mir zweifelhaft. Also schrieb ich eine Mail an den Käseshop:
Guten Tag, als Stammkunde finde ich es sehr bedauerlich, wie viele Fehler sich auf Ihrer deutschsprachigen Website und in Ihrem Newsletter finden. Das könnte durchaus Ihren Geschäftserfolg beeinträchtigen. Da ich freiberuflich als Lektor arbeite, möchte ich Ihnen hiermit vorschlagen, Ihre Texte Korrektur zu lesen, sie also stilistisch und orthografisch zu perfektionieren. Denn ich finde, die Genussfreude, die Ihr Shop ausstrahlt, sollte auch sprachlich bestmöglich vermittelt werden. Viele Grüße von einem deutschen Bröckelkaas-Liebhaber.
Lange passierte nichts. Stattdessen kam der nächste Newsletter, darin Sachen wie diese:


Das bewog mich, mein Angebot zu wiederholen – und prompt bekam ich nun doch noch Post, sogar vom Geschäftsführer persönlich, Herrn P. Er wisse, gab er zu, dass die Webseite „nicht zu 100% gut gramaticaal Deutsch“ sei, womit er völlig richtig lag. Eine Korrektur hingegen, führte er weiter aus, koste Geld, das man im Moment nicht habe. 

Daran freilich sollte es nicht scheitern, Käseshop! Ich antwortete also folgendermaßen:
Lieber Herr P., wir könnten uns auch auf eine Zahlung in Naturalien einigen. Wie wäre es z. B. mit monatlich 2,5 Kilo Bröckelkäse inkl. Versand gegen die Korrektur Ihres Newsletters? Auch das Checken Ihrer kompletten Website würde ich mir in Käse honorieren lassen; über die Menge müssten wir reden. Sie sehen: Ich bin WIRKLICH ein Fan Ihrer Produkte!
Aus Sicht des Käseshops musste dieses Angebot, wie ich fand, wirken wie ein Pferdekopf im Bett, nur ohne die mittransportierte Gewaltmetaphorik. Denn ein muttersprachlicher Profi würde sich ihrer Publikationen annehmen, hinterher wäre alles picobello, und sie müssten nicht mal einen Kredit aufnehmen, sondern könnten in Käse blechen, der eh räderweise bei ihnen herumlag.

Zweifellos war dieser Vorschlag ein Coup. Unser Haushalt sah paradiesischen Zeiten entgegen, mit stapelweise Old Amsterdam und kristallinisiertem vierjährigem Gouda in allen Speisekammerregalen. Noch vor Herrn P.s erneuter Antwort kam aber erst mal der nächste Newsletter, ein echter Tiefschlag. Er illustrierte auf düpierende Weise die Fruchtlosigkeit all meiner bisherigen Bemühungen:


Wenig später folgte eine Mail von Herrn P. Er bedankte sich für das freundliche Angebot, indes: „Wir haben im Moment andere Prioritäten. Vielleicht kommen wir zu Ihrem Angebot zurück. Es ist auf den Weg der Wahl.“

Wenn ich das richtig verstand, disputierte man also in intensiven Gremiensitzungen über das Lektorierungsangebot aus Hamburg, wog das Für und Wider ab, rechnete Kosten-Nutzen-Analysen durch. Derweil verfertigte die Newsletterredaktion unverdrossen das nächste Schreiben an die Kundschaft. Darin informierte man nicht nur über all das, was aus vergorener Milch Köstliches werden kann, sondern auch über die Vorzüge des Versands:


Dies weckte in mir den unschönen Eindruck, als habe sich seit Beginn meines Dialogs mit dem Käseshop die Gesamtlage eher verschlechtert. Die Diskussion, die ich angestoßen hatte, schien mir mehr Fluch als Segen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich allmählich paranoid wurde, aber der Schluss des Newsletters schien sogar mir persönlich zu gelten, und nach einer fruchtbaren Geschäftsbeziehung roch das nicht gerade:


Seither Funkstille. Irgendwie habe ich das Gefühl, der Käseshop will mich nicht. Wenn er allerdings glaubt, ich würde darob beleidigt alle Verbindungen kappen, dann hat er sich geschnitten.

Denn allmählich geht unser Bröckelkäsevorrat zur Neige.

Update v. 23.12.2016: Heute dann der nächste Tiefschlag per Webseite

   


15 Dezember 2016

Pareidolie (114)


Wenn das Fitnessgerät, an dem du gerade trainierst, das Gewicht, das du aufgelegt hast, aufrichtig bestaunt:

Darf man sich dann geschmeichelt fühlen?

 
PS: Eine ganze Galerie gibt es drunten in Wien bei der Pareidolie-Tante.

11 Dezember 2016

Der Franke macht endlich Druck!

Als 2011 mein E-Book „Die Frankensaga“ erschien, wünschten sich nicht wenige eine Druckausgabe. Seither sind fünf Jahre vergangen, die Zahl der Geschichten wuchs – und jetzt ist es Zeit für eine stark aufgeblähte, sogar um den genialen Michael-Rudolf-Text „Franken! Schluss! Aus! Sense!“ ergänzte Neuausgabe.

Und was soll ich sagen: Es gibt sie neben der E-Book-Version – gerade auch im Hinblick auf Weihnachten, wenn Sie wissen, was ich meine – nun auch gedruckt, also zum Anfassen und Aufblättern, entweder bei Amazon oder bei epubli und eigentlich auch sonst überall.

Anlässlich dieses Ereignisses erlaube ich mir Ausschnitte aus dem neuen Vorwort zu zitieren, denn besser könnte ich es auch nicht sagen. Voilà:

Seit der gefeierten Erstauflage der Frankensaga wurde das Material immer kalorienreicher. Während die Republik in die knöchernen Hände der Vegetarier und Veganer fiel, leistete ein Mann auch im vergangenen Halbjahrzehnt tapferst Widerstand, indem er unverdrossen Nürnberger Rostbratwürste und all ihre engen Verwandten vertilgte: der Franke.

Und ich war und blieb in all diesen Jahren sein Eckermann – eine Erkenntnis, die zu gleichen Teilen von Stolz und Selbstekel flankiert ist. Nun also kommt die exorbitant erweiterte Frankensaga in der Vollfettstufe – eine erschütternde Sammlung persönlich erlebter Geschehnisse, bei denen mehr Tiere zu Schaden kamen als in der Gesamthistorie aller kasachischen Zoos. Und ergänzt um die definitve Frankenanalyse des unvergleichlichen Michael Rudolf.

Das Lesen all dieser Texte erfolgt ausdrücklich auf eigene Gefahr. Sollten Sie aber alle bisherigen Staffeln von „The Walking Dead“ ohne Harm überstanden haben, wird Ihnen auch dieser erschütternd tiefe Einblick ins Leben des Franken nichts anhaben können. Oder nur wenig.

Eine Garantie dafür lasse ich mir aber nicht aus den Rippen leiern. Ich bin nicht rechtsschutzversichert.



Die Frankensaga – Vollfettstufe
Taschenbuch, 9,80 Euro, ISBN: 9783741874000
Hardcover, 17,99 Euro, ISBN: 9783741873966
E-Book, 3,99 Euro, ISBN: 9783741874680





09 Dezember 2016

Warten auf Kerry

Nein, Modernismus oder gar Ranschmeißerei an den Zeitgeist kann man unserer Hausverwaltung keineswegs vorwerfen. 

Der erstmalige (!) Neuanstrich unseres Treppenhauses seit mindestens drei, wenn nicht acht Jahrzehnten – unser Haus wurde um 1906 errichtet – orientiert sich koloral eher an dem, was wir draußen vor der Haustür gewöhnlich an menschlichen Körperflüssigkeiten und -feststoffen vorfinden, vor allem an Wochenenden.*

Insofern eine adäquate Farbwahl, zu der man die Entscheidungsträger nur beglückwünschen kann. Ja, ich würde so weit gehen, diese Wahl als mutiges Statement gegen die Gentrifizierung des Viertels zu deuten, als ein Manifest des widerständigen Traditionalismus – umgesetzt konsequenterweise exakt in der Farbe, die bisher schon unsere Treppenhauswände zierte. Wir müssen uns also nicht mal umgewöhnen. 

Nur das charmant Abgeranzte, die Rußspuren an den Türrahmenritzen, die abgeplatzten Flächen: All das ist halt jetzt nicht mehr da. Aber das kriegen wir wieder hin in den nächsten drei, wenn nicht acht Jahrzehnten. Schließlich sind wir St. Paulianer.

Aber wir haben auch unser Päckchen zu tragen, vor allem, wenn gerade OSZE-Konferenz ist. Gestern an der Fußgängerampel am Casino stieß ich auf eine Menschenmenge, deren mentaler Zustand sich bereits bei meiner Ankunft am Siedepunkt bewegte. Denn sie wurde grundlos am Überqueren der Straße gehindert. Wie der leicht verschüchterte Polizist, der uns in Schach zu halten versuchte, erläuterte, müssten wir warten, bis die Kolonne des US-amerikanischen Außenministers vom Stephansplatz aus kommend die Kreuzung überquert habe.

Allerdings war von Kerrys Kolonne weit und breit nichts zu sehen. Und die Mitglieder der von der Straße geteilten Menge trennten nur je sechs Meter von der anderen Seite, dem Ziel aller Träume. Doch der Cop – Typ graumelierter Studienrat, unbewaffnet – ließ uns nicht.

Eine Radfahrerin war die erste, die den Aufstand wagte. Sie fuhr einfach los und rief: „Ich muss zur Arbeit!“ Eine Frau in Joggingkleidung ergänzte schrill: „Ich hab’s eilig!“ Der Polizist bekam allmählich einen runden Rücken und eine Gesichtsfarbe, die mich an unser Treppenhaus erinnerte. „Das haben wir doch alle“, lächelte er lahm und schaute bang runter Richtung Stephansplatz.

Doch von dort kein Kerry, nirgends. Hier aber eine zweigeteilte Menschenmenge, die wütend mit den Hufen scharrte, mittlerweile schon halb auf der Straße stand und immer lauter murrte. Anweisungen der Ordnungskräfte brauchen halt immer auch eine sich sinnlich erschließende Plausibilität, und die hätte in dieser Situation nur der heranbretternde Herr Kerry herstellen können. Oder wenigstens ein anschwellender Sirenenton.

Das sah nun auch der Polizist ein: Er beugte sich dem Druck des Volkes. „Okay“, sagte er seufzend, und alle strömten herüber und hinüber, von links nach rechts und rechts nach links. Und dann eilten sie davon, um auch heute endlich wieder unbehindert von Phantomen wie Kerry und Konsorten dem Sinn ihres Lebens nachgehen zu können: einer abhängigen Beschäftigung. 

Abends sah ich Kerry im Fernsehen, er war also doch noch gekommen. Im Wohnzimmer roch es ein wenig nach Farbe.


*Das gilt übrigens auch für die Ästhetik dieses Blogs, wie mir gerade dämmert.

03 Dezember 2016

Fundstücke (216)


Vielleicht mache ich es wie Nico Rosberg und trete auf dem Höhepunkt meiner Karriere zurück.
 
Entdeckt auf Amazon, in den Kindle-Musikcharts.