24 April 2018

21 April 2018

San Bernadino

Wir waren 16. Die dunkle, stille Spanierin aus meinem Dorf war vor allem still, weil sie damals noch schlecht deutsch sprach. Das fand ich geheimnisvoll. Aber ich war hilflos. 

Als ich es mal schaffte, sie zu einem Besuch in meinem Zimmer zu bewegen, spielte ich ihr Christies „San Bernadino“ vor. „Warum?“, fragte sie. „Weil es mich immer an dich erinnert“, sagte ich, „es klingt spanisch, verstehst du?“ Sie verstand nicht – wie auch? – und wurde noch stiller. Wenn ich allein in meinem Zimmer war, legte ich oft „San Bernadino“ auf.

Ein andermal saßen wir im VW-Käfer eines Freundes gemeinsam auf der Rückbank, und es gelang mir eine Weile, ihre Hand festzuhalten. In einem unachtsamen Moment entzog sie sie mir, und wir saßen still nebeneinander da. Nicht mal unsere Beine berührten sich. Zu Hause hörte ich mir „San Bernadino“ an.

Später heiratete sie einen Verwandten von mir, der sie im Suff prügelte und ihr Leben verpfuschte. Mit zwei Kindern floh sie schließlich ins Nachbardorf, viele Jahre zu spät.

Hätte sie mir damals nicht ihre Hand entzogen und hätte „San Bernadino“ besser funktioniert, würde sich dieser Text wahrscheinlich in nichts auflösen. Roberto Blanco hat den Song übrigens mal auf Deutsch gesungen. 

Jetzt ist die dunkle, stille Spanierin gestorben.

-->

15 April 2018

Die kulinarische Entdeckung des Jahres


Liebe italienische Gastronomen, ich sage es wirklich nur ungern, aber die besten Pizzen diesseits von Neapel gibt es nicht bei euch, sondern in einem veganen Restaurant in Ottensen: dem Froindlichst

Selbst getestet – und zwar nicht nur einmal.

Die dortige Wandbepflanzung hat übrigens auch ihren Reiz. Zumindest optisch.

09 April 2018

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (132)

Steht wie eine Eins: Das Mangolassi im Restaurant Maharaja in der Detlev-Bremer-Straße hat den gefürchteten Matt-Wagner-Strohhalmtest mit Bravour bestanden. 


02 April 2018

Frikadellen mit Baby

Es fällt mir schwer, es zuzugeben, aber manchmal sehne ich mich nach jenen seligen Zeiten zurück, als nur Deppenbindestriche meinen Alltag beeinträchtigten.

Inzwischen sind sie großflächig verdrängt worden durch etwas sehr viel Schlimmeres: das brutalstmöglich Komposita meuchelnde Deppenleerzeichen

Anscheinend handelt es sich bei diesem Phänomen um eine so dumpf- wie stumpfsinnige Fehlentlehnung aus dem Englischen, welche auf deutsche Wörter indes wirkt wie ein Handshake von Nitro und Glyzerin.

Ein einziger Sonntagsspaziergang reichte, um mir bewusst zu machen, dass längst alles zu spät ist. Es regiert allerorten der Hirnriss; er hat jede Semantik ersatzlos verdrängt. Was mir bleibt, ist nur noch die Dokumentation der Katastrophe. Aus Ordnungsliebe folgen unten einige wenige Beispiele aus der Sphäre der Gastronomie und Backstuben – aus dem Bereich der Kulinarik im weitesten Sinne also, dessen Vorreiterrolle bei dieser Entwicklung unbestreitbar ist.

Diese Behauptung finden Sie vielleicht unhaltbar, doch ich kann sie beweisen. Denn schon im Jahr 2007 (!) stellten die ersten Deppenleerzeichen ihr kleines mieses Nichts öffentlich zur Schau, wie mein historischer Eintrag „Brat Kartoffeln, aber pronto!“ dokumentiert.

Inzwischen stolpert man an jeder Ecke, auf jeder Speisekarte, in jedem Kiosk mit Verzehrmöglichkeit auf diese Minisprengsätze, denen Tag für Tag unzählige Worte zum Opfer fallen. Nehmen wir das Beispiel oben, verbrochen von der Brötchenhökerkette Backhuus: Es bietet „2 Butter“ an. Meint es damit Stücke? Und wenn ja, vielleicht ein halbes Pfund schwere? Das Backhuus will das an dieser Stelle noch nicht verraten, reicht dazu aber immerhin ein Croissant, damit man die 2 Butter draufschmieren kann.

Der Kumpirladen in der Nähe lässt uns die Wahl zwischen Jäger und Balkan. Wer sich nach heftigem Kopfkratzen für den einen oder anderen entschieden hat, erhält zur Belohnung Sauce. Aber welche? Der Kumpirladen möchte sich da lieber nicht festlegen.



Sehr nützlich dagegen das Angebot des Restaurants Tiffany am Neuen Wall: Es serviert „Frische Nordsee“. Als Hamburger müsste man andernfalls – gäbe es das Tiffany nicht – rund 80 Kilometer weit fahren, um in den Genuss frischer Nordsee zu kommen. Das spart also ganz konkret Sprit.



Geradezu kriminell agiert hingegen das Kleinhuis, ein sich zunächst harmlos gebendes Restaurant an der Esplanade. In Wahrheit aber frönt es unverhohlen dem Kannibalismus – und setzt Frikadellen mit Baby auf die Speisekarte. Müsste hier nicht unverzüglich die Mordkommission eingreifen?



Mit der werde auch ich es wohl bald zu tun bekommen – und dann auf Unzu Rechnungs Fähigkeit plädieren. Aus Grün den.


-->

-->