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03 Januar 2014

Nahe null


Trotz aller Bemühungen, an denen ich Sie in der Vergangenheit regen Anteil nehmen ließ, verfügen wir immer noch über Restbestände an Büchern. Manchmal verschlechtert sich die Lage sogar – vor allem, wenn ich Weihnachten bei meinem Eltern verbringe und den Fehler begehe, auf den Speicher hinaufzusteigen. 

Dort lagern weiterhin mehrere Zentner Druckwerke aus der ersten Hälfte meines Lebens, doch meinen Eltern wäre es lieber, wenn dieser Zustand sich allmählich und endgültig änderte. Also kehrten wir vom Weihnachtsbesuch mit einer Tasche Bücher zurück, deren Onlineauktionseignung ich in Hamburg zu überprüfen gedachte. 

Darunter befand sich auch ein altes Buch mit hessischen Volksliedern, voll mit erbaulichen Moralballaden, die am Ende meist betonen, wie hilfreich unbedingtes Gottvertrauen sich gemeinhin aufs weitere Leben auswirkt. Das Buch ist eine Erstauflage von 1894, gut erhalten, mit immer noch stabil verklebten Buchdeckeln, ohne lose Seiten und bei Amazon mit beeindruckenden 40 Euro im Angebot. 

Flugs stellte ich mein Exemplar zum gleichen Preis wie das billigste Konkurrenzangebot dazu und harrte der Dinge. Fast ebenso flugs wurde ich um einen Cent unterboten. Ich zog umstandslos gleich. Der Konkurrent ging erneut einen Cent drunter, ich blieb milde gestimmt und zog wieder gleich; schließlich hatte ich kein Interesse an einem ruinösen Dumpingwettbewerb. 

So ging das eine ganze Weile hin und her, bis mir dämmerte, dass die jeweils prompte Reaktion meines Duellanten nur botgesteuert möglich sein konnte. Anscheinend hatte er ein hirnrissiges Tool im Einsatz, das automatisch das niedrigste Angebot um einen Cent unterbot – ohne zu bedenken, was unvermeidlicherweise geschähe, wenn sich auch irgendein anderer jenes Instruments bediente: Der Preis sänke – sofern kein heimlich festgelegter Mindestbetrag die fatale Entwicklung stoppte – binnen kurzem gen null.

Also beschloss ich den dumpfen Bot zu überrumpeln und senkte den Preis meiner erbaulichen hessischen Volkslieder schlagartig auf zwei Cent. Diese Aktion war freilich nicht ohne Risiko, denn jeder volkskundlich Interessierte musste sich augenblicklich alle zehn Finger nach diesem Schnäppchen lecken und zuschlagen. Inklusive Versandkosten erwürbe er die Rarität für 3,02 Euro, und das ist nun wirklich zu wenig für den Lobpreis unbedingten Gottvertrauens aus dem späten 19. Jahrhundert. 

Doch es klappte: Der rumpeldumme Bietautomat des Konkurrenten brauchte nur fünf Minuten, um sein Angebot auf einen Cent runterzuprügeln. Natürlich kaufte ich sein Buch sofort. 

Seither dämmert mein Exemplar friedvoll und unbehelligt einem interessierten Käufer entgegen. Die 39 Euro, die er dafür zahlen müsste, wären für Genreliebhaber immer noch ein echtes Schnäppchen. 

Übrigens nahm ich an, dass der von mir und seinem eigenen Bot ausgetrickste Konkurrent mich anmailen und die Unauffindbarkeit seines Exemplars heucheln würde, um ein Storno zu erwirken. Doch nichts da: Heute hat er’s schon verschickt. Angeblich. 

Bald werde ich, der eigentlich weltweit größte Bücherabschaffer von ganz St. Pauli, also doppelt so viele Exemplare dieses historischen Meisterstücks zu Hause verwahren dürfen. Und wahrscheinlich werde ich keins der beiden je wieder los. 

Ich meine: Wer interessiert sich schon für hessische Volkslieder von 1894? Also ich nicht.


05 Mai 2012

Ein IQ von 38

Ich bin ein Idiot. Mindestens.

Obwohl ich mich normalerweise vorm Erwerb immer rückversichere, wie teuer ein Produkt oder eine Dienstleistung ist, habe ich das heute nicht getan. Es ging ja nur um ein paar lächerliche Kopien im Copyoffice in der Clemens-Schultz-Straße, und ich kam nicht mal auf die Idee, den Preis dafür zu erfragen, sondern überreichte der jungen Frau einfach den USB-Stick mit dem 19-seitigen PDF-Dokument.

Sie sollte es zweimal farbig ausdrucken. Das dauerte keine zwei Minuten. Ich packte die Seiten ein und stellte mich arglos an die Kasse. Die junge Frau schlug in der Preisliste nach und sagte: „Macht 38 Cent.“

Das war auch ungefähr das, was ich mir vorgestellt hatte. Na gut, es kam mir spontan schon ein bisschen wenig vor. 3,80 € zum Beispiel wären durchaus ebenfalls plausibel gewesen. Ich kramte jedenfalls nach Kleingeld, als ihr Kollege herbeistürzte.

„Nein“, rief er, „38 Euro!“

Der Satz hallte in mir nach, als hätte er mir mitgeteilt, der Papst habe sich soeben erfolgreich um einen Job als Koberer vorm Lady Lynn in der Großen Freiheit beworben. „Wie bitte …?“, machte ich daher – und muss dabei ausgesehen haben wie ein verdutzter Karpfen, dem man gerade erklärt hat, was hinter der Bezeichnung „Weihnachtskarpfen“ steckt.

„Stimmt“, sekundierte nun die junge Frau und zeigte beweiskräftig auf den entsprechenden Posten in der Preisliste. Dort stand in der Tat: „Farbkopien pro Stück: 1 Euro“.

Ich starrte stumm auf das surrealistische Blatt. 38 Euro. Dafür hätte ich mir bei Amazon den Canon-PIXMA-iP2700-Tintenstrahldrucker kaufen können, inklusive einem Set Farbpatronen. Oder den Kyocera-Mita-FS-1030D-Laserdrucker, dessen Toner für 3600 Seiten reicht (na gut: nicht in Farbe).

Ich war wie betäubt, wusste in diesem Betäubtsein aber augenblicklich und mit höchstmöglicher Klarheit, welcher Idiot vollumfänglich für dieses Desaster verantwortlich war.

Und ich meine nicht das Copyoffice in der Clemens-Schultz-Straße.