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28 Mai 2025

Und wieder brannte das Regenbogenhaus


Hinter diesem zahnlosen Maul von einem Fenster starb vorgestern Abend ein Mensch. Im Dezember 2022 hatte dieses uns gegenüberliegende Haus bereits gebrannt, damals saßen verzweifelte Menschen in den Fenstern und riefen um Hilfe, hinter ihnen die Flammen. Es gab sieben Verletzte, aber niemand kam um. 

Vorgestern brannte es wieder, diesmal in der Etage darunter. Auf der Vorderseite, wo das Haus in Regenbogenfarben getüncht ist, rettete die Feuerwehr Bewohner mit Leitern. Hier, auf der Rückseite der Reeperbahn, erstickte sie mit Wasser die Flammen in jenem Zimmer, in das man heute durch ein zahnloses Maul von einem Fenster hineinsehen kann. Und in dem ein Mann starb.

Nach dem Brand von damals musste das Haus eingerüstet werden. Die Renovierung der Fassaden und der ausgebrannten Etage dauerte über ein Jahr. Jetzt wird das alles von vorne losgehen.

Über den Toten liest man nichts, auch nicht in der Mopo


11 Dezember 2022

Die Rückseite der Reeperbahn brennt

Um Viertel vor eins heute Morgen höre ich, wie eine Frau „Hilfe!“ schreit. Ich eile zum Balkon – und sehe das Haus gegenüber brennen. Menschen sitzen in den Fenstern der vierten Etage und schreien, hinter ihnen Flammen oder dichter schwarzer Rauch, der in den frostigen Kiezhimmel steigt.

Ich wähle die 112. Nicht ein einziges Freizeichen ist zu hören, sofort ist jemand dran. Ich schildere die Lage, die Hilferufe von gegenüber werden live in die Notrufzentrale übertragen. Im Hintergrund klackern Finger über eine Tastatur; noch während wir reden, geht der Einsatz los.

„Wie lange dauert das?“, schreit es von drüben, „Wann kommen die?“. Rufe in Todesangst, auch wütend, vorwurfsvoll, panisch.
„In einer Minute!“, rufe ich zurück, obwohl ich es nicht genau weiß.

Ein Mann, der die Hitze hinter sich nicht mehr aushält, hat sich außen ans Fensterbrett gehängt und lässt sich fallen. Zwei Etagen tief stürzt er und prallt aufs Vordach in Höhe des Erdgeschosses. Er kriecht an den Rand und bleibt dort hocken, ein schweigender Schattenriss vorm Flackern der Flammen, die bald darauf hoch aus dem Fenster schlagen, durch das er eben erst gestürzt ist.

Nach ungefähr fünf unendlichen Minuten ist die Feuerwehr da. Mit einem Rammbock durchbrechen Uniformierte in Signalwesten die Tür zum Innenhof und ziehen einen Schlauch hinein. An den Fenstern im brennenden Haus sitzen um ihr Leben fürchtende Menschen. Sie leuchten mit Taschenlampen ins Dunkel, um auf sich aufmerksam zu machen.

Es dauert ewig, bis das erste Wasser fließt. Es dauert noch länger, bis die ersten Leitern stehen. Hinter einem Mann wüten bereits die Flammen bis zur Decke, als er es endlich schafft hinauszuklettern. Aus der Nachbarwohnung quillt schwarzer Rauch, dort holt die Feuerwehr eine Frau heraus, die einige Minuten später, von einem Sanitäter gestützt und barfuß, in Sicherheit gebracht wird.

Die Rückseite der Reeperbahn hat gebrannt, und ich bin bis obenhin voll mit Adrenalin. Es wird, wie sich herausstellt, Stunden dauern, bis es vom Melatonin verdrängt wird. Wie erst muss es denjenigen ergehen, die heute Nacht eine halbe Ewigkeit nicht wussten, ob die Retter rechtzeitig da sein würden? Wird ein Trauma sie quälen für den Rest ihres Lebens?

Sieben Verletzte gab es, steht heute in der Zeitung. Keine Toten.



22 August 2011

Die Jo-Jos der Avantgarde



Eine Frau in mittleren Jahren verteilt die Zeitschrift „Spartakist“, es riecht nach Bratwurst und gebrannten Mandeln. Rastafaris verkaufen tropische Cocktails, vor der Roten Flora gibt es „Soli-Bier“ für einszwanzig, am Kuchenstand läuft Punk. Schwangere Mütter mit bereits geschlüpftem Nachwuchs im Tragetuch blättern in Kisten mit angeschmuddelten Platten der Dead Kennedys, und trotz der Hitze würden viele hier eher auf Dixieklos verzichten als auf ihr Palästinensertuch:


Hach, ich liebe das Schanzenfest.

Es erinnert mich an alte Studienzeiten in Marburg. Man fühlt sich links und gut, das ganze Schulterblatt ist gesperrt, Tausende schieben sich übers Pflaster, vorbei an Transparenten und Ständen mit veganem Hack, und ich mit meinem Rad mitten in der Masse, während eine Frau rechts von mir ihrem Begleiter zuraunt: „Warum müssen diese Leute auch ihr Fahrrad mitbringen …“


Tagsüber ist das Schanzenfest ein wunderbarer Ort voller Sonne, Familien und aufrecht ums Weltwohl Besorgter, doch wenn es dunkel wird, brennen seit einigen Jahren rituell die Barrikaden.

Als ich allerdings einen Flohmarktstandbesitzer rufen hörte: „Leude, seid Teil der Avantgarde, kauft Jo-Jos!“, da wusste ich, dass es abends nicht so schlimm werden würde wie sonst. Und genauso kam es auch: ein bisschen wurde gezündelt und gekloppt, fünf Polizisten mussten zum Arzt – Pipifax gegenüber 2010.

Wer genau da jährlich an jedem Schanzenfestabend jeweils mit Ansage rummarodiert, ist mir allerdings inzwischen noch unklarer als in den Jahren zuvor. Anlass zu dieser Verunsicherung gibt dieses YouTube-Video.

Dort ist nämlich ein Mann zu sehen, der die pyromanischen Kinderspiele allem Anschein nach dazu nutzt, um den richtigen Winkel des Hitlergrußes zu üben, und zwar mit dem linken Arm (ab 00:55). Doch keiner aus der Menge beweist ihm, dass man auch mit dem zusammengeknüllten „Spartakist“ sehr gut ein Maul stopfen kann.

Wo seid ihr, liebe Selbstreinigungskräfte, wenn man euch mal braucht?


23 August 2010

Eine blitzartige Erkenntnis



Wenn man von einer Kreuzfahrt zurückkehrt und feststellen muss, dass
während unserer Abwesenheit …

a) dank eines statistisch praktisch ausgeschlossenen Blitzes das Haus brannte,
b) die Feuerwehr stundenlang löschen musste,
c) unsere Mitbewohner evakuiert wurden und
d) das Ganze sogar im Fernsehen übertragen wurde, dann muss man sagen:

Das ist ein weiteres starkes Argument für eine Kreuzfahrt.

Zumal Festplattenrekorder und Antennenbuchse den Blitz auch dann nicht überstanden hätten, wenn wir zu Hause geblieben wären.