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04 Juli 2010

Getting high on Low



So grobschlächtig und -gestrickt die englische Boulevardpresse auch ist: Mich als Kalauerfan (Was hat man nach schlaflosen Sabbelnächten im Web? Einen Chatlag …) erfreut sie doch immer wieder.

Die Sun, so was wie die englische BILD-Zeitung, glänzte heute nach dem grandiosen deutschen Kantersieg gegen Argentinien mit der wieder mal clever erfundenen und – wie es sich gehört – unübersetzbaren Doppelbedeutung „Not even Klose“.

Die Argentinier waren also nicht mal nah dran am Sieg, und zwar wegen Miro – gut gelöst, Sun.

Ein bisschen schade ist es natürlich, dass sie keine Umlaute können, die Briten. „Jogi Low“ klingt dadurch despektierlicher, als es wahrscheinlich gemeint ist. Wortspiele mit „Low“ sind der Sun aber bisher noch nicht eingefallen; dazu müsste das deutsche Team wohl erst mal verlieren. Andererseits wäre ein die hiesigen Fangefühle trefflich beschreibendes „Getting high on Low“ schon jetzt überaus angebracht.

Es gibt übrigens auch sehr alberne Kalauer. Wie z. B. konnte man ca. 1970 Platten mit Hippiemusik guten Gewissens beschreiben? Ganz klar: als Fixvorlagen …
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02 Juli 2010

Es lebe die Lager-Mentalität!



Wir befinden uns im Jahr 2010 n. Chr. Das ganze Hamburger Fanfestgelände (Foto) ist von den Dänen besetzt. Das ganze Fanfest? Nein, ein von einem unbeugsamen Mann betriebener Stand hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten …

Und jetzt noch mal von vorn: Das Fanfest ist komplett durchmonopolisiert, was punktuell von besonderer Tragik ist. Ich spreche vom Bier. Ausgeschenkt wird nämlich nur Carlsberg.

Die dänische Brauerei wirbt seit Jahrzehnten mit dem unfreiwillig selbstentlarvenden Slogan „Probably the best beer in the world“. Denn wie wir alle wissen, gestattet das Wörtchen „probably“ einen ziemlich großen Interpretationsspielraum. Wenn man den Slogan zum Beispiel experimentell um einigen Ballast erleichtert und auf „probably beer“ zurechtkürzt, käme man der Wahrheit schon sehr nahe.

Jedenfalls gibt es fanfestweit nur Carlsberg, selbst an Verkaufsständen, die von oben bis unten mit Astra-Logos beklebt sind (ja, ich weiß: Astra gehört zu Carlsberg. Und trotzdem.). Selbst der todtraurige Englandpavillon darf weder Lager noch Ale ausschenken, sondern nur mit schmerzlichem Lächeln Cider. Oder eben Carlsberg.

So geht es jedem Stand. Jedem? Nein: Der Franke, dieser durchtriebene Fuchs, hat mit einem untrüglichen Gespür, welches sich nur dank einer Sozialisation mit Gerstensaftschwerpunkt erwerben ließ, den einzigen Stand auf dem ganzen Heiligengeistfeld aufgetan, der klammheimlich ein anderes Bier ausschenkt.

Ich verrate hier auf gar keinen Fall, welcher das ist, ja, ich verschweige sogar, ob es sich um einen großen oder kleinen Länderpavillon handelt; schließlich muss dieser Claim geschützt werden vor den Nachstellungen der Fifaflitzpiepen und Carlsbergkapos. Seine genauen Koordinaten dürfen nicht in falsche Hände geraten. Herrschaftswissen, Herrschaftszeiten!

Jedenfalls vertickt der Inhaber dieses subversiven Standes unter der Hand ein sehr süffiges Lagerbier, welches natürlich nicht auf seiner Karte steht. Der Franke muss in seiner grobschlächtigen Art, der bisweilen wirklich so etwas wie Leutseligkeit zu entströmen vermag, derart vertrauenserweckend gewirkt haben, dass der Standinhaber ihm in einem Anfall von Zutraulichkeit sein gefährliches Geheimnis verriet – und den Franken qua Ausschank gleichsam vom Mitwisser zum Mittäter machte.

Für sein Lager nimmt der Mann sogar einen Euro weniger als Carlsberg für seine „probably“-Plörre. Klar, die Dänen müssen ihre abgedrückten Lizenzmillionen, mit denen sie sich das Fanfestmonopol erkauft haben, wieder reinholen. Aber mitmachen muss man das trotzdem nicht, wenn man andere Quellen hat. Und die haben wir, verdammt …

Mutmaßungen, welcher tapfere Länderpavillon hier in Hamburg konspirativ wider den Weltkonzern löckt, sind natürlich willkommen – und werden möglicherweise gar mit diskreten Hinweisen belohnt.

Wenn ich übrigens ab heute Nacht spurlos verschwunden sein werde, dann sucht mich in einem dänischen Gulag. Aber sucht mich!

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30 Juni 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (30): Fanfest, Heiligengeistfeld



Wenn ich das grottigste Spiel der WM wählen sollte, fiele mein Urteil sofort auf die gestrige Achtelfinalpartie Parguay–Japan, die ich nur mit kaltem Wasser und ausgiebiger FAZ-Lektüre (und zwar der Ausgabe von gestern!) überstehen konnte.

Mir gegenüber saß ein Paraguayer in vollem Ornat, den ob der dargebotenen Leistungen bleierne Müdigkeit übermannte, obwohl das Poldibild über ihm ständig adrenalinhaltige Wellen durch den Deutschlandpavillon sandte.

Später trafen vier Kumpels des Schläfers ein und weckten ihn. Sie waren durchweg genauso gekleidet, also jeweils mit puffroten Hosen und weißen Stiefeln. Nur dank der Gruppendynamik schliefen sie nicht gemeinsam ein, doch da hatte ich mein Bild schon längst im Kasten. Verzeih mir also, Paraguayo – aber dafür seid ihr wenigstens weiter.

Viel Spaß dann gegen Spanien.


28 Juni 2010

Glory Days



Rauschhafte WM-Tage; sie erinnern an Bruce Springsteens „Glory Days“.

In zwei Wochen schon werden sie wieder vorbei sein, und ich werde mich wieder fragen, wie und wohin sie so schnell verschwinden konnten, diese gloriosen Tage des Fieberns, Freuens und Bangens – und des Essens exotischer Sachen im Fanpark auf dem Heiligengeistfeld, wo jedes Teilnehmerland seinen Ess- und Trinkpavillon hat.

Heute etwa aß ich in Südafrika (Foto) erstmals im Leben Impala und Gnu – und muss sagen: So richtig verstehen kann ich die Löwen in der Kalahari nicht. Andererseits essen die das roh und nicht als Steak, vielleicht kommt das besser.

Es ist übrigens ein verdammt cooles Gefühl, an der Spitze der Nahrungskette zu stehen. Wobei: In Wahrheit stehen ja ganz andere dort, und zwar die Bakterien.

Doch daran darf man keinen Gedanken verschwenden – vor allem nicht an gloriosen Tagen wie diesen.

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19 Juni 2010

Fundstücke (84)



Diese haushohe Werbefläche, die uns seit einigen Wochen anschreit, wenn wir den Balkon betreten, passt heute plötzlich noch besser als gestern.

Hinter Michael: der Michel,
schemenhaft, stoisch und ganz und gar kickabhold.


18 Juni 2010

Schland ist gar nicht schlimm



Kaum geht die WM los, schwenken die Fans Flaggen in den deutschen Landesfarben und fahren sie an Autofenstern spazieren. Und kaum passiert das, kriegen manche Linke einen automatischen Beißreflex, der Plakate wie das abgebildete hervorbringt (Dank an Miele, der mir das Foto mailte).

Sie zeigen damit allerdings nur, wie verknöchert sie inzwischen sind. Sie sind selbst längst – auch wenn sie jung sind – zu Ewiggestrigen geworden, die gar nicht mehr merken, wie gegenstandslos ihr Eifer längst ist, wie grandios er ins Leere läuft.

Das war natürlich mal anders. Wer in den 50er und 60er Jahren die Fahne schwenkte, tat das meist zur Bemäntelung seiner braunen Vergangenheit – weil er die schwarz-weiß-rote Nazifahne nun mal nicht mehr schwenken durfte. Zurecht wandte sich die APO damals gegen das neue Staatssymbol, weil das, was ihm voranging und sich nun schwarz-rot-gold bemäntelte, noch lange nicht verarbeitet und überwunden war.

Doch was damals der Verschleierung der eigenen Vergangenheit diente, ist im Lauf der vergangenen drei, vier Jahrzehnte – oh Wunder – zum Symbol der längsten Phase parlamentarischer Demokratie in der deutschen Geschichte geworden. Wer heutzutage Schwarz-Rot-Gold schwenkt, huldigt damit – sofern er es überhaupt politisch meint – höchstens den Adenauers, Erhards, Schmidts und Merkels, ob er sie nun gewählt hat oder nicht.

Er zeigt damit demokratische Gesinnung – also das, was den Neonazis so immens zuwider ist. Deshalb sieht man auf Demos der Rechten auch niemals Schwarz-Rot-Gold, sondern immer nur Schwarz-Weiß-Rot, natürlich ohne Hakenkreuz, man will ja nicht in den demokratischen Knast …

Wenn die verknöcherte Linke sich nun aufregt über das Herzeigen eines demokratischen Symbols, zeigt sie damit nur, wie wenig sie die Entwicklung des Parlamentarismus in Deutschland begriffen hat und wie sehr sie noch in den Denkmustern der APO steckengeblieben ist.

Natürlich nichts gegen die APO: Sie war unabdingbar für die Austragung des Generationskonfliktes, der durch die personale Kontinuität nach Ende des Hitlerregimes unausweichlich wurde. Ihre Relevanz in den 60ern und 70ern ist unbestritten. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Und gerade deshalb ist es geradezu tragisch, wie jene, die sich einst zurecht als fortschrittlich betrachteten, plötzlich zu Ewiggestrigen werden; zu Linken, deren politisches Lebenselixier offensichtlich die Schimäre eines Nationalismus ist, die sie weiter aufrechterhalten müssen, um selbst nicht unterzugehen.



Diese Ewiggestrigen brauchen die Nazis – oder zumindest etwas, das sie für naziähnlich halten; und sie brauchen bedingungslos die Illusion, Schwarz-Rot-Gold sei automatisch naziähnlich. Sie brauchen diese Lebenslüge, um ihre eigene Existenz weiter rechtfertigen zu können.

Deshalb ist die Realität ihr größter Feind. Die Realität, die da lautet:

a) Die schwarz-rot-goldene Fahne steht für Demokratie, nicht für Nationalismus.
b) Jene, die momentan die Fahne schwenken, meinen nicht mal einen demokratischen Nationalstaat, sie meinen eine Fußballmannschaft.

Diese Mannschaft ist übrigens längst geprägt von einer bunten Palette von Einwandererkindern, für deren Integration und Deutungshoheit die APO in den 60ern leidenschaftlich auf die Barrikaden gegangen wäre. Fast die Hälfte des aktuellen Kaders besteht nämlich aus Spielern, von denen mindestens ein Elternteil nicht aus Deutschland stammt, sondern aus:

Polen (Klose, Podolski, Trochowski), Türkei (Özil, Taşçı), Spanien (Gomez), Brasilien (Cacau), Tunesien (Khedira), Ghana (Boateng), Bosnien und Herzegowina (Marin) oder Nigeria (Aogo).


Den organischen Zusammenhang von schwarz-rot-goldener Fahne, parlamentarischer Demokratie und multikultureller Integration wollen die Ewiggestrigen allerdings nicht begreifen. Auch nicht, dass jene, die momentan Flaggen schwenken, längst eine angenehm ironische Distanz zu diesem Symbol haben.

Sogar die despektierliche Kurzform „Schland“ für Deutschland ist längst okkupiert, ironisiert und so mit einem nachsichtigen Lächeln eingemeindet worden. Und würde ein echter Nationalist seinem Dackel (oder was immer das ist) dieses lächerliche schwarz-rot-goldene Halsband umschnallen?



Deshalb eine Bitte an die Pawlow’schen Hunde: Kämpft gern gegen die Nazis – aber bitte nicht gegen jene, die das Symbol parlamentarischer Demokratie zur Unterstützung eines Fußballteams „missbrauchen“, welches auch noch auf bestmögliche Weise Aggressionen sublimiert, die früher nur auf dem Schlachtfeld abzubauen waren.

Ich habe heute beim Fanfest übrigens eingedenk des oben abgebildeten Plakats („unverkrampfte Deutsche stinken“) mal an ein paar einschlägig vorbelasteten Fahnenträgern geschnuppert, also vor allem an Spaniern, Argentiniern, Griechen, Japanern, Italienern und natürlich Deutschen.

Und siehe da: Sie müffelten alle ähnlich. Nämlich nach Bier, Schweiß oder Tränen – doch nie nach brauner Soße.

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15 Juni 2010

Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli (29): Fanfest, Heiligengeistfeld



Man könnte meinen, es ginge um ein Autofestival, übertragen vom NDR.

Doch wenn man genau hinschaut, wenn man die Automodelle links und rechts der Bühne wegblendet und die Markenlogos erst recht, dann dämmert einem irgendwann, dass all das übertüncht werden soll, doch
auf durchschaubarste Weise.

Sponsoring funktioniert im besten Fall wie jener Parasit, der sich im Hirn der Schnecke einnistet und irgendwann so groß wird, dass er ihren Willen umprogrammieren kann. Dann tut die Schnecke nur noch das, was das Überleben des Parasiten sichert – und stirbt dabei.

Das Spiel endete übrigens 1:1, aber ich habe nicht mal mitgekriegt, dass Italien den Torwart ausgewechselt hat.


12 Juni 2010

(K)Ein teurer Spaß



Ich kann es wirklich nur empfehlen: nach Hause zu kommen und zu erzählen, die Vuvuzelatröte, die man stolz in der Hand hält, sei ein unwiderstehliches Schnäppchen gewesen („Nur acht Euro!“).

Ein solches Vorgehen erzeugt erstaunliche Effekte. So konsterniert habe ich nämlich Ms. Columbo selten gucken sehen. Und auch die unweigerlich folgende, mit Empörung kontaminierte Fassungslosigkeit („ACHT Euro????“) ist es allemal wert, diesen Spaß in die Wege geleitet zu haben.

In Wahrheit verschenkt Edeka diese Dinger natürlich. Wofür man den Laden teeren und federn müsste.

PS: Das Foto zeigt das Auge im Herzen des Vuvuzelasturms.

PPS: Ähm, was mach ich eigentlich jetzt mit dem Ding? Gelber Sack?

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Die Ruhe vor dem Anpfiff

Freitagmittag auf dem Heiligengeistfeld war das größte Fanfest der Republik noch nicht viel mehr als Wille und Vorstellung. Grund genug, die Ruhe vor dem Sturm zu dokumentieren, fotografisch.



Mittags herrschte zwischen Rollstuhlfahrern und Sicherheitsleuten noch ein Verhältnis von 1:1. Dass später auch das Eröffnungsspiel so ausgehen sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen.



Der Dönerstand versucht an eine vom Besitzer wohl als typisch verstandene anatolische Machokultur anzuknüpfen. Irgendetwas sagt mir allerdings, dass er damit signifikant weniger Frauen an seine Bude locken wird.



Der Deutschlandpavillon hat sich etwas unglaublich Originelles ausgedacht: eine schwarz-rot-gelbe Sitzgruppe. Die verschüchterte weiße Tischsimulation in der Mitte muss sich fühlen wie der Gazastreifen.



Der von Vorschriften eh geknechtete Kiez begrüßt herzlich einige neue Verbote – darunter Menschen, denen die rechte Hand abbröckelt (u. l.) sowie trichterförmige Tröten. Und womit? Ganz genau.

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