Jetzt, wo sie wieder mal um die Weltmeisterschaft im Schach ringen, fällt mir ein, dass ich diesem Spiel auch einmal verfallen war. Vor allem während des Studiums lieferte es mir willkommene Ausreden, um nicht lernen zu müssen. Stattdessen komponierte ich Schachprobleme, also künstliche Stellungen, in denen der einzige existierende Weg zum Matt in einer vorgegebenen Maximalzahl von Zügen gefunden werden muss.
Mein damaliger WG-Mitbewohner musste es oftmals ertragen, mich fiebrig an seiner Tür kratzen zu hören, in der Hand den neusten Zweizüger, den er bitte zu lösen bzw. auf Fehler abzuklopfen habe. Wie in den meisten Disziplinen, in denen ich mich zeitlebens betätigte, erreichte ich beim Komponieren von Schachaufgaben ein höchstens mittelmäßiges Niveau, wohingegen die Begeisterung, mit der ich mich diesem Sujet widmete, bisweilen ins Weltmeisterliche lappte.
Jedenfalls musste ich irgendwann erkennen, dass meine Zwei- und Dreizüger allesamt in der Regionalliga anzusiedeln waren – bis auf einen. Ich weiß nicht, woher mir dieser kleine Geniestreich zugeflogen war; vielleicht war die Hausarbeit, die es an jenem Tag wegzuprokastinieren galt, besonders lästig, und das führte Motivation und Geistesblitz womöglich auf ausnehmend effiziente Weise zusammen. Was weiß ich.
Am Ende der Komposition ging mir schlagartig auf, dass dieser Dreizüger alle meine vorherigen Versuche bei weitem übertraf. Sein Aufbau, die Ästhetik seines Ablaufs, die Wege der Figuren auf dem Brett: All das hatte eine Schönheit, die man einfach in der Regionalliga nicht findet.
Damals gab es in der Zeitschrift Stern noch eine entsprechende Rubrik. Wöchentlich wurde ein Schachproblem veröffentlicht, und befeuert von meiner Heureka-Euphorie hatte ich die Chuzpe, meinen Dreizüger – von dem ich ahnte, dass er den Gipfel und Endpunkt meines Schaffens darstellte, also jenen einen Ausrutscher nach oben, der nicht mehr zu egalisieren, geschweige denn zu übertreffen war – an den Stern zu schicken.
Leiter der Rubrik Schachprobleme war zu jener Zeit der große Schachkomponist Hans Klüver, und man kann sich mein Entzücken vorstellen, als ich eine postalische Antwort von ihm erhielt. Allerdings handelt es sich dabei erst mal nicht um eine Abdruckbestätigung, sondern um eine Rückfrage.
Klüver hatte eine kleine Unsauberkeit in der Komposition entdeckt, wodurch ein zweiter Weg zum Matt in drei Zügen möglich wurde, und das darf natürlich keinesfalls sein. Es war allerdings nicht sonderlich schwer, dieses Schlupfloch zu schließen. Ich schickte Klüver die modifizierte Version – und was soll ich sagen: Er druckte sie!
Am 21. Juli 1988 erschien mein Dreizüger im Stern, der damals, fünf Jahre nach den „Hitler-Tagebüchern“, zwar auch keine Fantastilliarde Hefte pro Woche mehr verkaufte, aber schon noch ein Dickschiff der deutschen Medienlandschaft war. Ich fühlte mich wie die Nummer eins der Singlecharts.
Gleichwohl blieb ich ein One-Hit-Wonder, ohne damit zu hadern. Dieser Dreizüger war gewissermaßen mein „Vom Winde verweht“. Margaret Mitchell hat ja auch nichts weiter mehr zustande gebracht – oder zumindest nichts mehr, von dem sie glaubte, es könne mithalten mit jenem einen Roman, der ihr auf so wundersame Weise geglückt war.
Auch ich erkannte, dass mir ein solcher Streich nie mehr gelingen würde. Deshalb vermochte ich zufrieden und gelassen auf dem Höhepunkt meines Ruhms zurückzutreten. Ich tat also genau das, was Otto Rehhagel 16 Jahre später nach dem Gewinn der Europameisterschaft mit Griechenland versäumen sollte. Hätte der Otto anno 88 besser mal Stern gelesen!
Na ja, wie auch immer: Hier ist er jedenfalls, der Dreizüger von damals.
Lösungsvorschläge bitte in den Kommentaren. Wie gesagt: Es gibt nur einen einzigen Weg, wie Weiß den Gegner in drei Zügen matt setzen kann. Wer einen zweiten finden sollte, wird mich in Melancholie und Irrsinn stürzen und zum No-Hit-Wonder degradieren, das nur zur Info. Und als Anreiz.
PS: Ich hoffe inständig, dass ich das alles hier nicht schon mal verbloggt habe. Wenn ja, dann vergessen Sie bitte diesen Eintrag rückstandslos. Burn after reading! (Und bitte den desavouierenden Link mailen, danke.)
Wie Sie mir eben schon auf Twitter erklärt haben (vielen Dank dafür), führt mein Vorschlag c2c7 zu einem Remis, da schwarz keine Zugmöglichkeit mehr hat. Und da sehen Sie dann auch, warum für mich selbst Regionalliga weit über meinen Möglichkeiten liegt. Ich war immer der Meinung, wenn man den Gegner so festgenagelt hat, hätte man auch gewonnen.
AntwortenLöschenEigentlich würde ich nun gerne mit dieser Illusion weiterleben.
LS
Tun Sie das – aber schicken Sie vorher Ihren 7-jährigen Sohn vorbei!
AntwortenLöschenAlso, ich denke, es ist Da8-a5 (da sich sonst Lg8 nicht mehr bewegen kann->Remis), Lg8xa2 (aber eigentlich egal wohin, nur nicht d5), Tc2-c8+, La2-g8, Da5-e5#.
AntwortenLöschenDas Schachgebot des Läufers auf d5 ist genau die Widerlegung Ihres Vorschlags: Dadurch ist das Matt in drei Zügen nicht mehr möglich – und somit die Aufgabe nicht gelöst. Setzen Sie sich noch mal ran …?
AntwortenLöschen1988 + 6 = 1994!
AntwortenLöschenMatt in drei Zügen - hängt das nicht vom Standort ab? Meistens reichen sogar zwei. bahn.de hilft da ungemein.
AntwortenLöschenJa, das kann ich bestätigen.
LöschenAutsch, ja … Danke, korrigiert.
AntwortenLöschenAlso, wie wär's mit Kb7-b8, Lg8-d5, Da8-a7, dann wird es aber mehrdeutig, wenn Ld5-f7, dann Tc2-c8, mit Folge Lf7-g8, wenn Ld5-g8, dann Da7-g7#, nein, dann lieber Da8-a7, Lg8-d5+ oder anderes, Kb7-b8, Ld5-f7, Mensch, geht auch nicht ... Dann nehm' ich doch Kb7-b8, Lg8-d5, Tc2-c8, L..., ach geht auch nicht, ach, ich glaub', ich nehm schwarz ... ;-)
AntwortenLöschenIch glaube, Sie nehmen die Sache nicht richtig ernst.
LöschenTa2-a3, unabhängig wie sich der Bauer auf a3 entscheidet, gibt es immer ein Matt in drei Zügen, wenn auch unterschiedliche. Oder?
AntwortenLöschenIch meine natürlich Turm a2-b2...so.
LöschenWenn der Turm auf b2 zieht, geht der Bauer auf a2 – und schlägt im nächsten Zug den Läufer. Das verhindert das Matt … ;) Und wenn der Läufer vorher den Bauern schlägt, steht Schwarz wieder Patt. Sie müssen zweifellos noch mal ran.
AntwortenLöschenGut, nehmen wir an der Bauer geht auf a2. Dann geht die weiße Dame auf f8, der schwarze Bauer schlägt den Läufer auf b1 und wandelt in eine Dame um; dann geht die weiße Dame von f8 nach g7: Schachmatt. Oder?
AntwortenLöschenNicht ganz: Nach der Umwandlung des schwarzen Bauern steht plötzlich der weiße König im Schach und muss weg – schon ist ein Matt in drei Zügen wieder perdu …
AntwortenLöschenWie gesagt: Das hier ist KEINE Regionalliga! ;)
LöschenNein, da ist ja noch ein Turm auf b2 (a2-b2) im Weg, Monsieur.
LöschenJajajajajajaja. So'n Mist, aber dies ist auch mein erstes Schachproblem. Hmmmpf.
AntwortenLöschenDxa3 - Le6
AntwortenLöschenTc8 - Lxc8
Df8
Nicht?
Der schwarze Läufer würde auch auf d5 gehen, um weiß Schach zu gebieten.
LöschenAuch wieder wahr.
LöschenWarum sollte der Läufer auf e6 gehen, und warum geht er später nicht auf g8 zurück?
AntwortenLöschenIrgendwo muss er ja hin und alles andere würde die achte Reihe offen lassen. Aber warum er nicht wieder zurück geht, ist natürlich ein guter Punkt ^^
AntwortenLöschenHach, ist das schön …
AntwortenLöschenSie ergötzen sich an unserer Unerfahrenheit.
LöschenGar nicht! Ich freue mich nur, dass diese Aufgabe noch immer eine verzwickte ist.
AntwortenLöschenSo, ich habe auch ein Schachproblem für Sie: http://xkcd.com/1287/
LöschenNun lenken Sie mal nicht ab, ja?
AntwortenLöschenAlso, mit meinem normalen Schachverstand kann ich es nicht lösen - Kreisliga!
AntwortenLöschenVielleicht geht's gemeinsam.
Erster Zug weiß muss sein Kb7-b8 oder Da8xg8 oder Da8-a7...a3, sonst is' patt. Weiß jemand weiter?
Matt in vier geht mehrfach, aber in drei ....
Theoretisch wäre es auch noch möglich, dem Bauern auf a3 ein Feld anzubieten, entweder mit Ta1 oder Tb2 ... Aber ob und wie uns das weiterbringen könnte, weiß ich nicht.
AntwortenLöschenIm Moment neige ich zu Dxg8+ - Kxg8. Ohne dass ich sagen könnte, wie es dann weitergeht.
Ich habe hierfür einen wahrhaft wunderbaren Weg gefunden, doch ist die Zeit zu knapp, um ihn zu niederzuschreiben.
AntwortenLöschenMeine Güte bin ich nervös, ein „zu“ zuzuviel.
LöschenNa ja, wenn die Zeit sogar für ein "zu" zuviel (UND für den Kommentar, dass ein "zu" zuviel ist) reicht, wird sie wohl auch reichen, um den "wunderbaren Weg" aufzuschreiben.
LöschenFaouzi - ich wollte mit dieser Behauptung Herrn Wagners Problem mit Fermats letztem Satz in Verbindung bringen...
LöschenSorgen Sie sich nicht, Herr Waldmann, ich habe den Witz verstanden und ihn gut gefunden ;)
LöschenDanke.
LöschenAlso, Faouzi, die Idee von 16:48 ist, so glaube ich, die richtige: Ta2-a1, a3-a2, Tc2-c8, a2xb1D, Tc8-g8#.
AntwortenLöschenZweimal um die Ecke und dann durch die Brust ins Auge ...
Nein, denn durch die Umwandlung des Bauern auf b1 zu einer Dame steht weiß im Schach (König b7)
AntwortenLöschenDie umgewandelte Dame setzt aber Weiß ins Schach ...
AntwortenLöschencTb 2 - a3 x b2
AntwortenLöschenaTa 1 - b2 x a1
D x a1 - BLACK HAWK DOWN!!!
Bravo.
LöschenBingo! ramses101 hat den einzigen Weg gefunden. Zwei Turmopfer, dann ein langer Weg der Dame, um aus der größtmöglichen Distanz überhaupt matt zu setzen: Das war die Idee.
AntwortenLöschenBedanke mich bei allen fürs Tüfteln – und erlaube mir, ramses101 bei nächstbester Gelegenheit einen auszugeben.
Ich habe zu danken. Allerdings musste ich die Stellung tatsächlich nachbauen.
AntwortenLöschenFreihändig wäre ich ewig an dem schwarzen Läufer hängen geblieben.
Die Unsauberkeit, die Klüver entdeckt hatte, hing übrigens mit einem Turmzug auf f2 zusammen, ohne das jetzt näher ausführen zu wollen. Deshalb musste ich einen Bauern als Barriere dort platzieren. Das ist auch Grundbedingung von Schachaufgaben: Jede einzelne Figur hat eine ganz bestimmte essentielle Funktion, ohne die die komplette Aufgabe scheitern würde.
AntwortenLöschenIn der Richtung waren wir ja auch unterwegs, dann hätte nämlich das Damenopfer
AntwortenLöschenSinn ergeben. Aber der doofe Bauer ...
1. Da8 x g8 † / Kh8 x g8
AntwortenLöschen2. Tc2 - c7 / Kg8 - f8 (auf Kg8 - h8 würde Tc7 - Tc8 †† folgen)
3. Ta2 x a3 / Kf8 - g8 (oder e8)
4. Ta3 - a8 ††
Ok, vier Züge...
In vier Zügen ist es nun wirklich simpel. Aber das war ja nicht die (ungleich schwerere) Aufgabenstellung …
AntwortenLöschenIch hab's, sag es aber nicht :-)
AntwortenLöschen(1) Dame A5
Wie hoch war den das Honorar?
AntwortenLöschenUnvergleichlich hoch – nämlich rein ideell.
LöschenAlternativ:
AntwortenLöschen(1) Dame a6/a5/a4/a3 (der schwarze Läufer wird frei)
(2) Turm c2 zu C8 (der schwarze Läufer muss zurück)
(3) Dame auf die a1 / h8 Diagonale und matt is datt schwatte Etwas
Wie wäre es mit
AntwortenLöschen1. Da8 - a5 / Lg8 - f7 (o.ä.)
2. Tc2 - c8 † / Lf7 - g8
3. Da5 - e5 ††
Auf den Läufer bin ich am Anfang auch reingefallen. Der würde ja eben nicht auf f7 (o.ä.) gehen, sondern auf d5 gehen und so entweder ein Patt erzwingen oder einen vierten Zug nötig machen.
AntwortenLöschenStimmt!
AntwortenLöschenramses101 hat die einzige Lösung gefunden, alle anderen Versuche in drei Zügen sind zum Scheitern verurteilt. Gerade die Entfesselung des schwazren Läufers wird immer wieder zum Schachgebot führen, was Weiß das dreizügige Matt zuverlässig verdirbt.
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