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19 Juni 2023

Kalauer (19–20)


In Freiburg stolperte ich innerhalb kurzer Zeit über gleich zwei kalauernde Fahrradläden, denen anscheinend die jahrelange Führungsfunktion der Friseurläden auf diesem Gebiet keine Ruhe ließ.

Zeichnet sich hier der Megatrend der Zukunft ab? Wann wird der erste Laden namens „Kommt Zeit, kommt Rad“ – also dem abgedroschensten Drahteselkalauer ever – aufploppen?

Sie werden es als Erste erfahren.


27 Dezember 2021

Kalauer (16–18)



Still und heimlich mausert sich das nur scheinbar provinzielle hessische Herborn zur Kalauerhauptstadt Deutschlands. Hier drei Beweise, die mir heute unterkamen, ohne dass ich danach gesucht hätte.

Diese Zufallsfunde sprechen für weitere Vorkommen, die es alsbald zu entdecken gilt. Wir bleiben dran.

17 Juni 2021

Kalauer (7–15)

Vier Jahre lang machte diese Rubrik Pause, was aber nicht an mangelndem Basismaterial lag, sondern an den weltmeisterlichen Prokrastinationsskills des Blogbetreibers.

Hier nun ein paar weitere Preziosen, gewachsen auf dem Mist engagierter Unternehmer unter Leadership (natürlich) von Friseuren. Den visuellen Konsum dieser Dokumente möchte ich allerdings nur geistig und mental gefestigten Personen empfehlen.










Entdeckt zumeist in Hamburg, aber durchaus auch in Erfurt.

01 April 2019

Sensation: HSV wird Erstligist für immer!

Das ist der Knaller des Tages, des Jahres, des Jahrhunderts: Der Hamburger Sportverein wird, egal ob er aufsteigt oder nicht, ab kommender Saison in der Ersten Liga antreten – und das sogar für immer! Was dahintersteckt, verrät DFL-Präsident Reinhard Rauball in einem Exklusivinterview.

Herr Rauball, der HSV soll dauerhaft Erste Liga spielen dürfen, ohne jemals absteigen zu können – ein Novum in der DFB-Geschichte. Wer hatte diese verrückte Idee?
Uwe Seeler. Es war ein Herzenswunsch von ihm. Und wenn ein Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft so etwas äußert, hat das natürlich mehr Gewicht, als wenn so was von jemand wie – sagen wir – Lothar Matthäus kommt. Oh …
Ist diese sensationelle Neuerung nicht unfair den anderen Vereinen gegenüber?
Das ist nicht die Frage. Alle Erstligavereine haben sich dafür ausgesprochen. Einstimmig.
Auch Werder Bremen …?
In der Tat. Von den Zweitligisten war auch der FC St. Pauli dafür. Auch wenn da wohl eher ein bisschen Mitleid mitschwang.
Aber warum wollen die denn alle, dass der HSV auf ewig erste Liga spielt?
Zum einen, weil er auf regulärem Weg keine Lizenz mehr bekäme. Nach Sichtung der eingereichten Unterlagen mussten einige von uns medizinisch notversorgt werden, wegen Lachkrämpfen. Aber das Wahnsinnsentertainment, dass der HSV uns allen seit Jahren bietet, braucht nun mal die ganz große Bühne. Das ist unstrittig. Also haben wir nach einem neuen Weg gesucht. Da kam Uwe Seelers Vorschlag wie gerufen. Es gibt ja auch wirklich objektive Gründe, die dafür sprechen: Schließlich macht der HSV den Heimvereinen die Stadien rippelrappelvoll. Seine Fans fahren buchstäblich überall hin, wo der HSV rumgurkt. Und ich spreche von Abertausenden! HSV-Präsident Hoffmann nennt sie bei unseren Sitzungen nach ein, zwei Bier gern kichernd „rosa Hüpfer“, weil sie wirklich alles mit sich machen lassen. Nur ein Beispiel: Die juckeln immer und immer wieder in vollgekotzten Sonderzügen nach München, um sich dort die übliche Packung abzuholen, und feiern dann die ganze Nacht durch, weil es nicht zweistellig geworden ist. So sind die HSV-Fans! Mich als Fußballurgestein bewegt so was, es rührt mich sogar zu Tränen. Davon sollte sich Wolfsburg mal eine Scheibe abschneiden. Oder Leverkusen.
Na ja, wenn die „rosa Hüpfer“ wirklich so gestrickt wären, wie Sie sagen, würden die doch auch mit 7.000 Leuten beim SV West-Eimsbüttel IV in der Kreisliga B6 einfallen. Warum also unbedingt erste Liga?
Nur wegen der üppigen Fernsehgelder. Anders ist der Betrieb des HSV leider nicht mehr aufrechtzuerhalten. Und das kann keiner wollen – siehe oben.
Wird Hoffmann die TV-Erlöse nicht bunkern müssen, um irgendwann die neue Fananleihe ablösen zu können? Da geht es immerhin um 17,5 Millionen Euro.
Unsinn! Diese Anleihe hat der HSV äußerst clever als unendliches Schneeballsystem angelegt. Für die Rückzahlung wird er nie auch nur einen Cent aufwenden müssen. Auch am Sankt-Nimmerleins-Tag kann der HSV dank seiner rosa Hüpfer noch irgendeine Fananleihe durch irgendeine neue in beliebiger Höhe ablösen. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen.
Die Fernsehgelder finanzieren dann also eher die Spielergehälter, nehme ich an.
Haha, von wegen … Sobald der Verein ewiges Mitglied der ersten Liga ist, braucht er doch keine teuren Spieler mehr. Er kann ja eh nicht mehr absteigen. Das Geld ist frei für andere Dinge verwendbar. Abfindungen zum Beispiel, Vorstandsgehälter, solche Sachen.
Moment: Droht mit Billigkickern wie Ito und Wintzheimer dann nicht in jeder Saison der letzte Platz …?
Ja, na und? Den Hüpfern ist das doch pimpe! Kennen Sie nicht deren Credo? Es lautet: „Nur der HSV“! Vom Tabellenplatz ist da überhaupt keine Rede.
Das klingt alles ziemlich durchdacht, was die DFL da beschlossen hat. Gab es eigentlich Widerstand aus der Zweiten Liga?
Und ob! Die HSV-Fans würden schließlich auch Heidenheim die Hütte füllen. Aber wenn alle Erstligisten an einem Strang ziehen, hat das Unterhaus natürlich das Nachsehen. Und mal ernsthaft: Wer würde sich einen Verein wie den HSV nicht für ewig sichern wollen, wenn er die Chance dazu hätte?
Herr Rauball, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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09 Februar 2019

Grauenvoll witzig: Ernst Kahl zum 70.

Dass Ernst Kahl, dieser geniale Struwwel-, Schlau- und Kindskopf, am 11. Februar schon 70 wird, klingt nicht nur surreal, sondern sollte auch unbedingt mit einem bundesweiten Feiertag begangen werden. Steinmeier, wie isses? Die unwiderlegbare Begründung dafür folgt unten in meinem Porträt über den Künstler als mitteljunger Mann, das zwar schon 1997 entstand, aber vor allem dank seines Protagonisten in Würde gereift ist. 

Die Caricatura in Frankfurt hat die Feiertagsidee beherzt aufgegriffen und sie völlig zurecht gleich auf ein ganzes Vierteljahr ausgelegt. So lange nämlich läuft die Ausstellung, die dem Giganten Ernst Kahl gewidmet ist, und wer im Umkreis von 600 Kilometern drumherum wohnt und sie nicht aufsucht, der wird sich dereinst vor seinem Schöpfer für dieses Versäumnis verantworten müssen. 

Nun aber zu meiner feuchtfröhlichen Ernst-Kahl-Homestory – eine aufrichtigere  Gratulation habe ich nicht in petto. Und vor allem keine wortreichere.



Komik ist Notwehr


Was kann Ernst Kahl eigentlich nicht? Gerade ist ein Kunstband erschienen, der ihn als Klon aus Busch, Magritte, Caspar David Friedrich und Hitchcock ausweist. Aber Kahl ist auch Musiker, Drehbuchautor, Humorist und Kolumnist. Was bleibt, wenn man all das wegrechnet? Ein Hausbesuch soll Klarheit bringen.


Wer zu Ernst Kahl will, muss in einen Hamburger Hinterhof. Der Gang dorthin ist dunkel – dass bloß der australische Chardonnay, den man vorsorglich dabei hat, nirgends aneckt! Denn Kahls Stimme am Telefon hob sich merklich, als man das geistige Mitbringsel erwähnte. „Flasche Wein? Eigentlich hatte ich heute Abend zwar einen Termin mit einer balinesischen Tempel- und Nackttänzerin, aber für einen australischen Chardonnay lasse ich alles stehn.“

Bei Kahl sieht es nach Bombenterror oder brünstigem Hauskater aus. Der legere Hausherr im gerippten Pulli ist damit sehr zufrieden. „Ich habe gerade ein wenig aufgeräumt“, sagt er nicht unstolz. Jeans liegen auf der Heizung, in den Ecken Gitarren. Herum hockt protzig ein Schlagzeug. Wir sind in Kahls Wohnzimmer, das auf eine kunstlose Art nicht eingerichtet ist. Kahl ist völlig unspießig, aber nicht aus Ideologie. Er findet einfach nichts dabei, wenn Stühle dastehen wie vom Spediteur vergessen. Wenn Boden und Tisch mit Blättern unterschiedlicher Wichtigkeit bestreut sind. Wenn die Wände alle kahl sind und nicht voller Kahls.

Sollte seine junge, frische Freundin hier mal einziehen, was sie sich durchaus vorstellen kann und Kahl auch schon ein bisschen, dann will sie zuerst Struktur ins Chaos bringen. Das wäre dann die erste Struktur, mit der er leben könnte. Vielleicht. Hier haust offenbar ein Bohémien, vielleicht auch ein Chaot oder ein Bettler oder einer, der alles zusammen ist – aber doch keiner, dem der Filmproduzent Bernd Eichinger für eine Woche Drehbuchschreiben mal eben 10 000 Mark überweist, obwohl das Ding dann doch nicht verfilmt wird.

Ja, der Herr Kahl: ein verwuselter Wohner, aber ein genauer, manischer und verlässlich kreativer Kunstarbeiter. Drei Wochen lang hat er gerade gepinselt wie ein Galeerensklave, weil in Bochum eine Strindberg-Premiere seines Freundes Detlev Buck droht und im Schauspielhaus pünktlich echte Kahls hängen sollen. Alte Bilder malte er dafür groß nach. „Winzige Boshaftigkeiten auf große Formate – und plötzlich kriegen die was Klassisches“, wundert er sich. Winzige Boshaftigkeiten? Kahl meint Bilder wie „Mondscheinidyll“. Drauf ein Gör mit blutverschmiertem Mund, daneben ein Kampfhund mit durchbissener Kehle. „Das ist ganz merkwürdig“, sagt er ernst. „Niemand würde sich trauen, so ein Motiv ganz groß zu malen.“ Niemand außer Kahl.

Wissen die Bochumer eigentlich, welche Kulissenschocker da auf sie zukommen? Kahl grinst genüßlich und tut, was er unablässig mit seiner weitläufigen Bude tut: Er qualmt sie voll. „Ich glaube nicht. Fürs Theater ist es wahrscheinlich schon ein Hammer. Es hat eine … banale Hintergründigkeit. Dadurch, dass ich lakonisch und banal die absoluten Grausamkeiten beschreibe, haben sie etwas Alltägliches. Nicht wie Helnwein, der schockieren will mit richtigen Schmerzbildern. Meine sind ohne Blut, ohne Grauen, aber witzig. Viele werden sagen: Das ist doch keine Kunst. Aber diesen Kampf nehme ich gerne auf. Es wird Zeit, dass das Absurde und Komische Eingang in die Kunst finden. Beim Lachen hört die Kunst auf, und das ist ein Witz.“

Nach der wochenlangen Malorgie, zu der er sich gar die Matratze ins Atelier holte, kann Kahl kaum noch stehen. Er stakst einher wie ein Storch. Alle zwei Tage ein Bild, davor die Produktion des voluminösen Bandes „Kahls Künste“, zwischendurch Songs schreiben, sie mit Kumpel Hardy Kayser aufnehmen im kleinen Heimstudio, Konzerte geben, das Drehbuch für Wigald Bonings ersten Kinofilm „Die drei Mädels von der Tankstelle“ schreiben (Start: 12. Juni): Jetzt ist er schlapp, der Kahl.

Ein Wunder, dass er noch zum Aufräumen gekommen ist. Ein Wunder auch, dass das Telefon den ganzen Abend nicht klingelt. Aber Kahl ist ein Voodoopriester auf intuitivem Feldzug gegen funktionierende Technik. Wenn er kommt, versagen CD-Player, Platten gehen kaputt. Nacheinander werden sich heute abend vier Batterien weigern, das Aufnahmegerät zu betreiben. „Die Technik“, sagt der computerlose Kahl befriedigt, „mag mich nicht. Und ich mag die Technik nicht.“

Er ist jetzt 47 und berühmt. Seine Bio im Zeitraffer: in Kiel geboren, Kinderlähmung mit vier, zwei Lehren geschmissen, mit 17 von zu Hause abgehauen, Kunststudium in Hamburg an- und abgebrochen, Bildersammlung in der S-Bahn vergessen, Hilfslehrer auf der Hallig Hooge, nach vielen, auch amourösen, Wirren zurück nach Hamburg.

„Bin vom Leben“, grinst Kahl, „mit rauer Zunge beleckt worden.“ Zu den karrieregefährdenden Defekten der frühen Jahre gehörte nicht nur eine solide Grundrenitenz gegen „Strukturen“, sondern auch eine handfeste Paranoia. Die wurde er irgendwann wieder los, seinen Schiss vor Prüfungen dagegen nie. Bis heute examinierte noch keine Kommission dieser Welt den Kahl. Damals, auf der Kunsthochschule, haben sie ihn dank der mitgeführten Mappe genommen. Rechtzeitig vorm Abschluss schlich er sich.

So einer hat auch keinen Führerschein. Wenn man ihn fragt, warum, erzählt er immer, er sei mal mit dem Auto in eine Fußgängergruppe gerast. Drei Tote, aber nicht seine Schuld – Getriebeschaden halt. Dann genießt er die Betretenheit und grinst sich heimlich eins – Kahlscher Humor. Aufgeklärt wird die Schauermär natürlich nie.

Nicht nur wegen seiner Prüfungsangst wird Kahl kaum noch zum Führerschein kommen; er ist einfach ausgelastet bis zum Nichtmehraufräumenkönnen. Bei dem, was er so alles macht, wird einem ganz schwindlig, und dabei ist der Wein gerade erst entkorkt.

Kahl malt und zeichnet, mal wie ein alter Meister, mal kunstvoll ungelenk wie ein Pennäler; Kahl schreibt, singt, macht dies und das und irgendwie alles richtig. Ist die Zeit der Universalgenies nicht vorbei? War nicht circa Goethe der letzte, der dichtete, dokterte und kritzelte? Kahl macht das auch, nur komischer, respektloser. Der Clash der Hoch- und Tiefkulturen – wenn Kahl kommt, rasselt es richtig. Er, der ein Traktat mal ironisch „Die kleine Kunst des geraden Blicks“ taufte, ist nämlich ein Kreuz-und-quer- und Drunter-und-drüber-Gucker.

So verblüffend leicht er auch zwischen Vermeer und Disney, zwischen Karl Kraus und Heinz Erhard changiert, so wenig achtet er den Ernst der Lage. Nach allem, was so rauszulesen und -lachen ist aus seinem Werk, ist Kahl ein Nihilist.

Man stößt auf Mönche, die Tote begatten, und auf Kinder, die Lehrer enthaupten. Keine Werte, nur Werke? Ein Gott nach Kahlschem Gusto muss ein Freak sein. „Gott?“ japst Kahl. „Unvorstellbar für mich. Ich arbeite gerne mit Klischees, die es über Religion gibt, um zu irritieren. Aber so überstark, dass sie schon wieder komisch sind.“ Als Knabe sang er im Chor, doch kurz nach der Konfirmation sagte er Tschüs zur Kirche. Der Pastor versuchte noch, ihm ins Gewissen zu reden. Nützte nichts: Kahl hatte gar keins.

Ihm scheint nichts heilig zu sein. „Ein völlig falscher Eindruck“, wehrt er ab. „So vieles ist mir heilig – ich versinke in Ehrfurcht davor. Nehmen wir die Punks mit ihrer Hoffnungslosigkeit und zugleich ihrer ganzen Liebe. Die sind mir heilig: die Parias unserer Gesellschaft.“

Ernst Kahl ist das, was Kris Kristofferson mal über Johnny Cash sagte: „a walking contradiction“. Nichts an ihm ist stimmig. Kahl hat keine Glatze, und Ernst ist witzig. Und sein Spaß fängt da an, wo er gemeinhin aufhört. Dabei will er gar kein Wadenbeißer mit Ansage sein wie Wiglaf Droste. Nur sich lustig machen über „Strukturen“, wie er alles nennt, was einengt, niederdrückt oder uns Blödsinn nachplappern lässt.

Das kostete ihn 1989 den Job beim Politmagazin Konkret. Wegen Rassismus. Was hatte er getan? Den linken Kuscheltierblick auf Ausländer veralbert, indem er eine Galerie malte mit Ausländern, die wählen dürfen sollen und solchen, die nicht; und letztere waren dann alles Verbrecher und phsyiognomisch Missratene. Da durchfuhr ein „Huch!“ die Redaktion, und ihren Rat kann Kahl bis heute auswendig hersagen: „Auf die Deutschen kannst du einhauen, wie du willst“, beschied man barsch, „aber nicht auf die Ausländer!“

Die Satirezeitschrift Titanic füllte die publizistische Lücke, Kahl dagegen keine Konkret-Seiten mehr. Inzwischen hat er auch mit den Titanic-Leuten Probleme: „Das sind alles Oberschüler. Kein Platz für einen einfachen Scheißwitz, der nicht intellektuell sein will.“

Einen wie den, den Kahl mal malte: Hängt ein Spiegelei am Himmel, und drunter steht – „Ei in the sky“. Ein echter Kahlauer. Oder den: Liegt eine verreckende Vettel im Sterbebett, Gevatter Hein steht schon am Bettpfosten, und sie begrüßt ihn in letzter Lüsternheit mit: „Tod, wo ist dein Stachel?“

Zeit, mit Kahl über Kunst zu reden. Er zeigt auf einen Pflasterstein in der Ecke, auf dem eine Steinkugel liegt. Nicht irgendeine, ein Mahlstein aus der Steinzeit. „Ist das Kunst?“ fragt er rhetorisch. „Ich könnte es auch auf einer Ausstellung für sich selber sprechen lassen.“

Heute nacht noch, nach dem Chardonnay, will er irgendwo im Viertel ein komisch geformtes Holzstück auflesen, das ihm mittags beim Spaziergang auffiel. „Ein Stamm mit ner Gabel“, erinnert er sich. „Sieht aus wie eine früheisenzeitliche Götterstatue, die sie in Schleswig manchmal aus dem Moor holen. Das wird hier irgendwann stehen.“ Aber Kunst? Jedenfalls Kahl-genehm. Genau wie das Morbide, Böse und Banale, wie Perfides und Peinliches, Plattes und Naives, die Zote, das Hochkünstlerische und der Kalauer. Bei ihm koexistiert all das durcheinander. Deshalb eckt er oft an, nicht nur bei Snobs.

Kahl ist ein Toleranzgrenzentrüffelschwein. Wie erleichternd, dass selbst so einer seine Vorurteile hat. „War heute beim Griechen essen. Da lief so eine Blubberhiphopscheiße, so ‘n Kommerzquatsch. Ich bin richtig explodiert.“ Dem Kahl kann man nur mit Stones kommen und Animals. Der Grenzverletzer und Genrevermischer, der noch jedes Idyll per Pinselstrich gekillt hat: Hier ist er dogmatisch. Hier gilt das Wahre, Schöne, Gute, nicht der Hip von heute. Seine eigenen Songs sind niedliche Pseudo-Kinderlieder („Die rüstige Frau Reimann/sieht aus wie Billy Wyman/Marie, die alte Fotz/geht weg als Charlie Watts“). Sie haben Plinkergitarren und hopsigen Takt. Und zwischen zwei Endreimen flieht bisweilen ein Einsamer zur tiefgefrorenen Lieblingsleiche.

„Es kommt immer darauf an, wie man sich einem Thema nähert“, findet der Geist, der sich solches ausdenkt. „Unbeholfen etwas Gemeines erzählen, kommt konspirativer daher.“ Das versteht nicht jeder. Kahl ist vielen ein Rätsel. Wie und was er malt und schreibt: Das beflügelt die Fantasie über den Urheber. Dabei ist er keiner, der Drogen braucht, um ein schlangenjagendes Karnickel zu visionieren. Nein, mit koksgetrübtem Blick wäre die sich dahinter perspektivisch perfekt verlierende Landschaft nicht zu schauen und nicht zu malen. Für so etwas musst du wach sein. Und eine Hand haben, die nicht zittert.

Max Goldt, das hat Droste ihm geflüstert, hält Kahl für einen bitterbösen Menschen. Das versteht er kein bisschen. Vielleicht hat Goldt zu lange vorm Gemälde „Abendfrieden“ gestanden, wo eine Familie unter einem Galgen rastet, an dem noch ein Gehenkter baumelt. Und helle, wie Kahlsche Bilderkinder sind, haben Brüder- und Schwesterlein der Leiche ein Brett zwischen die Füße gebunden, damit sie als Schaukel taugt.

Kahl travestiert das Erhabene durch das Gemeine, meint eine Exegetin. Macht ihn das bitterböse? „Nein, wirklich nicht“, sagt Kahl, „für mich ist das Lebenshilfe, Dinge absurd zu betrachten. Komik ist Notwehr.“ Gegen Strukturen natürlich.

Alle Kunst und Komik schöpft er aus sich selber, denn er konsumiert die Kinkerlitzchen der Konkurrenz nicht. Wie bei so wenig Input soviel herausfließen kann, ist das größte Rätsel. Durchs Dauerknutschen mit Kahl will die Muse wohl ins „Guinness Buch der Rekorde“. Und sie steckt ihm wirklich komische Sachen. Einem Kasseler documenta-Funktionär schlug Kahl vor, den Bahnhofsvorplatz umzugestalten, dies jedoch von Pygmäen tun zu lassen. „Fragt der Typ nach der Aussage“, feixt Kahl. „Und ich sage: Scheiß auf die Aussage! Ich find‘s einfach klasse!“

Nein, Kahl ist kein Intellektueller. Wer mit ihm über die Bedeutung des Kreises im Spätwerk Kandinskys reden will, kriegt einen Korb und Chardonnay nachgeschenkt. Kahl weiß ja nicht, was Kunst ist. Er weiß nur, was dabei herauskommt, wenn er etwas klasse findet.

Und das reicht wahrscheinlich für die Unsterblichkeit.

(Erstmals erschienen 1997 in kulturnews)


alle Bilder: Ernst Kahl

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01 September 2017

Kalauer (4–6)


Seit dem fulminanten Start der Serie ist diesbezüglich nichts mehr passiert auf der Rückseite der Reeperbahn, doch das ändert sich genau JETZT.

Hier also einige weitere kalauernde Geschäfts- und Firmennamen, mit denen das Hamburger Unternehmertum seinen Umsatz steigern möchte.



28 Januar 2017

Kalauer (1–3)


 
Kalauer erleben seit einiger Zeit einen Boom. Parallel zur bestürzenden Analphabetisierung der Schreibsprache in den sozialen Medien entwickelt sich auf der anderen Seite des Spektrums die Lust am Sprachspiel, an der hintersinnigen Albernheit, am lustvollen Flachsinn mit doppelter, gelegentlich auch dreifacher Bedeutung.

Unter denen, die beruflich mit dem Schreiben zu tun haben, haben sich Kalauer flächendeckend durchgesetzt, ob im RTL-Edeltrashformat „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ (ein hustender Kandidat wird als „Bronchichi“ veräppelt) oder in den Überschriften der Onlinemedien („Gestickt eingefädelt“). Auch Mittelstand und Einzelhandel frönen längst dem Trend zum Wortwitz, und sei er noch so flach. 

Den Anfang machten vor einigen Jahren die Friseure (die Abbildung oben rechts zeigt ein klassisches Beispiel), inzwischen sind Bäckereien genauso am Start wie Foodtrucks und natürlich Hinz und Kunzt.  
 
Als jemand, der sich bekanntermaßen eine chronische Kalauerdiarrhö eingefangen hat (übrigens praktisch der einzige Durchfall, der mit Lustgewinn verbunden ist), kann ich diese Entwicklung natürlich nur von Herzen gutheißen – und plane sie künftig auch hier im Blog nach Kräften zu fördern und zu unterstützen.

Daher werde ich ab sofort an dieser Stelle regelmäßig Kalauersichtungen in freier Wildbahn fotografisch dokumentieren, um die Nachwelt nach Kräften beim Kopfschütteln zu unterstützen. Denn das ist gesund für die Nackenmuskeln.

Außerdem plane ich gemeinsam mit einem Gesinnungsgenossen ein mit hoher Wahrscheinlichkeit erschütterndes Druckwerk, welches die größte Konglomeration von Kalauern enthalten soll, seit Markgraf Gero das Gebiet der Lusitzi unterwarf. Und das war zirka 963.

Machen Sie sich also auf Unfassbares gefasst.

PS: Alle Fotomotive habe ich in Hamburg entdeckt.

11 Mai 2010

Warum Jonathan Jäger nie Nationalspieler wird



Gewidmet der verehrten Frau Nihilistin


Neulich vertrat eine ansonsten nicht sonderlich mit Fußballfachwissen gesegnete junge Frau mir gegenüber die These, Kicker mit Tiernamen hätten größere Chancen, in die Nationalmannschaft berufen zu werden als andere.

Eine verblüffende These, über die ich noch nie nachgedacht hatte. Beim ersten Check fielen mir allerdings sofort aktuelle Belege ein, Leute wie Adler, Butt oder Schweinsteiger.

„Hummels“, ergänzte die Frau. Das ist zwar nur ein Perspektivspieler, aber verdammt: Sie hat Recht. Selbst im zunächt unverdächtigen Namen Jérôme Boateng versteckt sich bei näherem Hinsehen eine Riesenschlange.

Bei anderen ist es kein Wunder, dass sie nicht spielen, denn knapp daneben ist auch vorbei, nicht wahr, die Herren Hunt (Bremen) und Pander (Schalke)? Das gilt leider, leider auch für einen erst 20-jährigen Mittelfeldmann meines FC St. Pauli, nämlich Dennis Daube.

Der Frankfurter Dauerläufer Patrick Ochs hingegen dürfte
ein Mann mit Perspektive sein, während Hendrik Hahne (Hannover 96), Christian Fuchs (Bochum) und Andreas Wolf (Nürnberg) zwar nominal zu den schönsten Hoffnungen Anlass gäben, doch das Gesamtumfeld einfach nicht stimmt.

Im Lichte dieser Betrachtungen ist natürlich auch völlig klar, warum ein begabter Fußballer wie der Freiburger Jonathan Jäger unter einem Trainer Löw (!!!) niemals eine Chance kriegen wird.

Übrigens wird mir jetzt gerade bewusst, dass Messi doch nicht der beste Spieler der Welt ist. Sondern selbstverständlich …

… ROBBEN!


(Hausfassade entdeckt an der Langen Reihe in St. Georg)


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30 April 2010

Auf der Bundesbankfiliale (Honeckers Heiermann)



Matt
: „Ich habe hier auch noch 5 Ostmark. Was kann ich damit machen?“

Bundesbankmann: „In ein Fotoalbum kleben?“

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21 Oktober 2008

Von Winzern, Wünschen und betrunkenen Kindern

Wurde gerade eingeladen zu einer Veranstaltung namens „Winzerstreicheln auf Weingut Wellanschitz“. Aber da geh ich nicht hin, keinesfalls.

In der Sendung „Nano“ auf 3Sat informierte man uns heute Abend über die Tatsache, das Leben als Diabetiker sei „kein Zuckerschlecken“. Das ist zweifellos völlig korrekt – und letztlich doch nicht so „Hohlspiegel“-würdig wie die Forderung der „heute“-Moderatorin wenig später, man müsse „Gas geben für den Klimaschutz“.

Sprache ist Glückssache und oft auch sehr beglückend. Die kleine Stieftochter eines Freundes mutmaßte neulich, der Muezzin benutze zur Verstärkung seines Rufes ein „Mekkafon“. Landet bestimmt bald im Duden, die Schreibweise.

Sein Stieftöchterchen hatte übrigens einen Spitzentag und noch was anderes aufgelesen, das leicht verbogen war: „Betrunkene Kinder sagen die Wahrheit“ – ja, und die ist sogar gleich doppelt abgesichert.

Übrigens sähe ich gelegentlich gern mal einem Diabetker mit Umtopffolienturban beim Winzerstreicheln zu, während ein betrunkenes Kind zwischen zwei wahrheitsgemäßen Rufen durchs Mekkafon am Zucker schleckt und hintenrum Gas gibt für den Klimaschutz.

Doch dieser Wunsch geht wahrscheinlich mal wieder genausowenig in Erfüllung wie der Lottogewinn, danke auch.


(Warenbezeichnungsschild entdeckt bei Tchibo.)


06 Oktober 2008

Das Wort zum Montag

Mit großem Bedauern vernahm ich just Charlotte Roches Absage an eine Fortsetzung ihres Erfolgsromans „Feuchtgebiete“.

Für den gegenteiligen Fall nämlich hatte ich bereits seit längerer Zeit einen Killertitel für die entsprechende Buchkritik parat, den ich schwuppdiwupp aus dem Köcher ziehen wollte.

Dieser nunmehr obsolete Titel vereinigte aufs Trefflichste meine notorische Kalaueritis mit einer profunden Bibelkenntnis, die noch aus Jugendtagen herrührt. Nun aber, da Frau Roche keine Fortsetzung schreiben will, ist das alles perdu, und ich werde dafür niemals Ruhm und Ehre ernten.

Deshalb kann ich den Titel der nie verfassten Rezension auch in die Tonne treten – aber erst nach dem Verbloggen. Er hätte geheißen: „Das zweite Buch Möse“.

Wehe, sie schreibt jetzt doch noch „Feuchtgebiete 2“!

Foto: Wikipedia


13 Juni 2008

Kein Curling auf Tuvalu



Nun gut, jetzt kommt es am kommenden Montag also wirklich zum entscheidenden Duell zwischen Deutschland und Österreich.


Wer nicht bis dahin auf den Spielausgang warten möchte: Erste Hinweise ergeben sich aus einem höchst aufschlussreichen Interview, das ich unlängst mit dem furiosen deutsch-österreichischen Komikerduo Stermann & Grissemann führte. Hier ein kleiner Ausschnitt:

U_mag
: Wie können Jogis Löwen Österreichs Pandabären schlagen, mit welcher Killertaktik?
Grissemann: Das wird auch ohne Taktik klappen, garantiert.
Stermann: Österreich gibt sich sehr viel Mühe, ein netter Gastgeber zu sein. Wieso sollte die deutsche Mannschaft also gegen Österreich gewinnen - um erneut das Bild des „hässlichen Deutschen“ abzugeben? Nein. Nach der WM, wo Deutschland der Welt ein neues, positives Gesicht gezeigt hat, muss es jetzt auch auf dem Platz Taten folgen lassen. Ausscheiden nach der Vorrunde muss es heißen, sonst waren alle schönen Worte während der WM nur schöne Worte.
U_mag: Vielleicht kommen wir eh gegen die überlegene Physis der Österreicher nicht an; immerhin können sie die ganze Saison über ihre geografischen Vorteile ausspielen – Stichwort: Höhentraining. Warum geht ihnen trotzdem immer direkt nach der ersten Halbzeit die Luft aus?
Grissemann: Das liegt wohl an der grundsätzlich zerbrechlichen Physis. Der Österreicher ist Künstler, kein Sportler: blass, vornübergebeugt und asthmatisch. Siehe André Heller.
Stermann: Höhentraining? Wovon reden Sie? Wir sind der Keller Europas, hat sich das nicht bis zu Ihnen nach Hamburg rumgesprochen ...? Viele, gerade Jugendliche, wachsen in Kellern auf, in denen man kaum aufrecht stehen kann! Und in den Bergen leben kaum mehr Österreicher, sondern nur noch ostdeutsche Gastarbeiter, die als Kellner und Liftwarte zu teuer gewordene Rumänen abgelöst haben. Deshalb wird es in ein paar Jahren auch wieder gute deutsche Skifahrer geben. The circle of life.
U_mag: Sollte man das Fußballspielen in den Alpen nicht generell verbieten? Immerhin spielt man auf Tuvalu auch kein Curling.
Grissemann: Gute Idee! Ich bin immer für Verbote.
Stermann: In den Bergen gibt es ja sehr wenige Fußballplätze. Dafür aber hat die Seitenwahl zu Beginn eines Spiels eine viel größere Bedeutung: Soll man in der ersten Hälfte bergauf oder bergab spielen?
U_mag: Ein solches Verbot hätte einen weiteren Vorteil: Man könnte es aufs voralpine München ausweiten und wäre schlagartig auch den FC Bayern los.
Stermann: Verbote ändern nichts. Durch Verbote kommen die Menschen überhaupt erst auf den Geschmack. Bevor es die Zehn Gebote gab, hätte niemand im Traum daran gedacht, sich die Nachbarin unter sexuellen Gesichtspunkten anzuschauen oder Gott zu malen. Aber kaum waren die Zehn Gebote da: nix wie rüber und zur Nachbarin unter die Decke. Würde man den FC Bayern verbieten, zehn neue FC Bayerns kämen.
U_mag: Herr Stermann, angenommen, Sie (als Deutscher) dürften einen Tag die Österreicher trainieren: Mit welchen Ad-hoc-Maßnahmen wäre der größte Schaden anzurichten?
Stermann: Ich habe zu meinem 40. Geburtstag von der Republik Österreich das Geschenk bekommen, ein Jahr lang die Nationalmannschaft trainieren zu dürfen. Es war eine schöne Zeit. Ich habe das Spiel ohne Ball forciert. Wir sind viel gereist, haben diskutiert, sind ins Kino gegangen und haben mit Erwin Wurm zusammen Kunstaktionen gemacht. Alle Spieler von damals sind heute an der Universität für Angewandte Kunst als Dozenten tätig oder haben Professuren an der Kunstakademie. Bildung und ein Hang zur Schöngeisterei hat noch niemandem geschadet. Gut, wir haben in der Zeit alle Spiele hoch verloren. Aber wie! Wunderschön … Als ich Teamchef der ÖFB-Elf war, sprachen wir nie über Elfmeter, aber viel über Hexameter. Wir sprachen auch nicht über Ecken, sondern über Rhomben. Einen Elfmeter „verwandeln“ – über diese Formulierung haben wir viel diskutiert. Wir haben dann mit Illusionisten zusammen Elfmeter
„verwandelt“: in Hühner, Wurst oder Riesenschnitzel. Das war durchaus politisch gemeint.

Und so ging das noch eine ganze Weile weiter. Wer die zur Hochform auflaufenden Komiker in voller Länge erleben möchte, ist hier an der richtigen Stelle.


Foto: Udo Leitner

03 Juni 2008

Das Bier der Erkenntnis

Der Komiker Vince Ebert grenzt in einem sehr verdienstvollen Sketch ein für alle Mal Wissenschaft, Religion und Esoterik voneinander ab – und zwar mit verblüffend einleuchtender Hilfe von Gerstensaft.

Das geht sinngemäß so:


Der Wissenschaftler vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und schaut nach. Der Theologe dagegen vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und basta. Der Esoteriker schließlich vermutet, im Kühlschrank sei Bier, er schaut nach, findet nichts – und behauptet trotzdem weiterhin, im Kühlschrank sei Bier.

Dazu passt das heutige Foto fast wie der Deckel unters Glas, entdeckt an der Fassade von „Angie’s Bierkeller“ in der Kastanienallee.

16 Februar 2008

„Herr Du Mont!“



Um mein Verhältnis zur Hamburger FDP komprimiert auf den Punkt zu bringen, wäre mir noch vor kurzem ein herzhaftes „Fock you!“ locker über die Zunge gegangen. Doch dann sah ich gestern im Kino diesen Wahlwerbespot mit Sky du Mont.

Er endet auf so erschütternde Weise unfreiwillig komisch, dass ich gar kurzzeitig erwog, am nächsten Sonntag aus purem Mitleid FDP zu wählen – wäre dieses Mitleid nicht noch überboten worden von einem unignorierbaren Schwall Fremdscham.

Fock und Sky bilden zweifellos das skurrilste Pärchen seit Plisch und Plum, Dick und Doof und vor allem Pat und Patachon.

Im Kino war das Gelächter natürlich groß. Könnte man den beiden keine eigene Comedyshow geben, ganz unabhängig von Wahlen? Darin dürfte Hinnerk Fock natürlich immer nur eine einzige Dialogzeile haben, und zwar „Herr du Mont!“

Immer nur „Herr du Mont!“, mit festgetackertem Grinsen. Der Brüller.

29 Januar 2008

Tannenzapfenzupfen (8)

(Foto via FHS Holztechnik)


Manchmal reicht ein einziger Satz, um zu wissen: Dieses Buch wird niemals mein Freund, zumindest nicht in der deutschen Übersetzung. Glücklicherweise stand dieser eine entscheidende Satz schon in der Pressemitteilung zu Snoop Doggs autobiografischem Roman „Love don’t live here no more“. Ein Service, der einem viel Zeit spart.

Der Satz heißt: „Auf den Straßen hingen wir mit den Baby-Bitches aus der Hood ab, die für uns ihre T-Shirts lüfteten und ihre Titties zeigten.“

Wahrscheinlich sind solche Übersetzungen mitverantwortlich dafür, dass der deutsche HipHop (vor allem der aus Berlin) oft so merkbefreit peinlich ist.


Vielen Texten aus den Tiefen der Promoabteilungen geht es aber kaum besser. „Die zweite Compilation dieser Ausgabe wird compiled von Sofia Coppola“, meinte mir unlängst jemand mitteilen zu müssen. Doch nicht immer wird man mit Denglisch gequält. Fast noch peinigender: von Kompetenz ungetrübter Sprachehrgeiz.

„Die Band gründete sich, um sich selbst zu gründen. Und um zu ergründen, ob die Gründe die Band zu gründen, begründet werden können. Aus diesem Grund gründete sich die Band, die eigentlich keine Band sondern eine Bande ist.“

Eins von den zwei Kommas, die diesem Geschwurbel fehlen, hat der nächste Satz zuviel, doch er erreicht wenigstens semantisch eine gewisse Reflektionsebene. „Newsletter zu schreiben“
, räsoniert da ein Promoter, „macht immer noch soviel Spass, wie ein Stacheldrahtsalat zum Frühstück.“

Beim Newsletterlesen geht’s mir ganz ähnlich.

Was bisher geschah: 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1



29 August 2007

Tannenzapfenzupfen (7)

(Foto via FHS Holztechnik)

Heute gibt es eine weitere Folge mit gruseliger Promoprosa und Pidginpoesie am Rande der Körperverletzung. Alles Blaugefärbte wurde Pressetexten zu neuen CDs entnommen und so belassen, wie der Promoter es schuf. (Woher der Rubrikenname „Tannenzapfenzupfen“ kommt, steht
hier
.)


1. „In der zur Zeit sehr kalten Jahreszeit Heizen heizen bei Punch It! die derzeit angenagtesten DJs ein.“(Ja, da steht wirklich „angenagtesten“. Und zweimal „heizen“. Ich kann doch auch nichts dafür.)

2.
„Schon allein der Name Tuomo Prättälä zergeht auf der Zunge wie schmackhaftes Kalakukko und schmiegt sich sanft in die Ohrmuschel wie ein finnischer Schneehase.“(Ja, der ist wirklich hübsch. Weiß jemand, was Kalakukko ist?)

3.
„Und als sie ihr erstes Lied zur elektrischen Gitarre anstimmt, öffnen sich Herz, Ohren und Augen in selten erlebter Klarheit. Uns gegenseitig am Ärmel zupfend, versuchen wir durch einen Wirbelsturm aus elektrischem Krach, maßlos schönem Gesang und nackter Emotion einander wissen zu lassen, dass wir hier gerade etwas Unglaubliches erleben dürfen. Da steht diese sehr junge Frau ganz bei sich selbst und ihren Liedern seiend. Wir schauen von kalten Fiebern geschüttelt zu ihr auf, mit geöffneten Seelen der nächsten Flutwelle aus unmaskiertem Gefühl und halsbrecherischer Virtuosität harrend.“ (Ein schönes Beispiel für Überehrgeiz, der vor Ernst und Bedeutung nur so zittert – und aus umso größerer Höhe in ein Jauchefass voll Lächerlichkeit platscht. Verdientermaßen natürlich.)

4.
„Erdmöbel waren schon in einer Menge Schubladen.“ (… dabei ist diese Bestattungsmethode eher im Mittelmeerraum verbreitet. Aber wenn’s der Promoter sagt. Wer’s nicht weiß: Erdmöbel nennt sich eine sehr gute Deutschpopband aus Köln.)

5. „Das Büro ist vom 23.9.–12.10. nicht besetzt. Mails werden nicht regelmässig gelesen, aber beantwortet.“(Das würde ich auch sehr gerne können.)

Was bisher geschah

6, 5, 4, 3, 2, 1


22 März 2007

Ich glaub, es hackt

Eine der schönsten Preziosen im SZ-Magazin ist die Anagrammrubrik „Gemischtes Doppel“. Dort werden Worte bebildert, die bei vertauschten Silbenanlauten einen neuen Sinn ergeben, wenn auch oft einen recht absurden.

Beispiel: Ein Bild zeigt ein Stück Gras, darunter steht „Rasenheizung“; das Nachbarwort dreht die Silben um zu „Hasenreizung“, und man sieht einen genervten Mümmelmann, der durchs Käfiggitter mit einem Stock gepiesackt wird.

Das war selbstkreiert, nur um das Prinzip zu verdeutlichen, denn ich habe gerade kein SZ-Magazin zur Hand, und online enthält uns das Blatt die illustrierten Anagramme leider vor.

Egal, mir fallen eh ständig selber welche auf und ein: Gerade wird wie von selbst aus einer „Hackfresse“ (links) schwuppdiwupp ein „Frackhesse“ (rechts).

Und wenn mir jetzt irgendein beckmessernder Armanischlaumeier mit dem Einwand kommt, das, was Roland Koch da trägt, sei gar kein Frack, dann halte ich ihm entgegen: Mir doch egal! – und verwandle aus Trotz Beißschienen in Scheißbienen.
So.

13 März 2007

Se Lieder of se Bändt

Der Ampelpfahl vorm Bahnhof Altona, an dem ich mich allmorgendlich während der üblichen Rotphase faul abstütze, um nicht vom Fahrrad steigen zu müssen, war schon oft ein Quell der Freude.

Das abgebildete Gesuch aber, schützend eingeschlagen in eine Dokumentenhülle aus Plastik, bot einen besonders aparten Anlass für jene spezielle Mischung aus Entzücken und Erschrecken, welche nur Ampel- und ähnliche Pfähle zu bieten in der Lage sind. Und irgendwie scheint mir dieses Gesuch das ganze Elend des Deutschrock auf den Punkt zu bringen, unfreiwillig zwar, aber doch umso nachhaltiger.

Sie, 31 und schrill, will also auf die Bühne, und zwar mit einer Bändt, die in
möglichst vielerlei Hinsicht körperlich verunstaltet sein sollte; musikalische Kriterien scheinen der Schrillen hingegen weniger wichtig zu sein.

Nun, ich bin ein Liebhaber des Rock und gestehe hiermit öffentlich: Ich habe das Blatt an mich genommen.

Und zwar nicht nur wegen der dabei kostenlos abfallenden Dokumentenhülle.

10 März 2007

Birnen zu Eierbechern! (2)

Zwei Dinge im Zusammenhang mit dem Eintrag von vorgestern sind geradezu erschütternd. Zum einen der abgebildete echte Haushaltstipp, der in der aktuellen Ausgabe der „Frau von Heute“ auf der gleichen Seite steht wie mein gefälschter.

Wenn so etwas als ernsthafter Vorschlag unzensiert abgedruckt wird, brauchen wir uns um Fakes nicht mehr zu bemühen. Mit saurer Milch Kacheln putzen! Und danach nur noch mit Nasenklammer durch die Wohnung stromern, oder was?

Ja, das hat mich erschüttert. Und der Anruf bei meiner Mutter auch. Ich erzählte ihr fairerweise von meinem kleinen Scherz in ihrem Namen (Düngen mit Salatabtropfwasser, haha!), zumal sie ja die bald eingehenden zehn Euro Honorar richtig einstufen soll, und was antwortete sie? „Na hör mal, das mache ich schon immer so!“ Ich bin zerschmettert.

Nach diesen beiden Erschütterungen halte ich es jetzt auch für denkbar, bei der „Frau von Heute“ mit Boschs hintersinnigem Vorschlag aus den Kommentaren zum letzten Beitrag durchzukommen:

„Spinat schmeckt übrigens wesentlich besser, wenn man ihn kurz vor dem Servieren durch frittierte Pommes ersetzt.“