22 März 2020

Mit ohne Autos


Den Ernst der Lage erkennt man auf St. Pauli an zwei Dingen: 

1. keine Huren auf der Straße
2. freie Parkplätze

Auf diesem Foto sehen sie unten einen leeren Streifen. Es ist eine Parkbucht unter unserem Balkon in der Seilerstraße. Mit ohne Autos. Am Samstagabend.

Mehr muss man nicht wissen.



21 März 2020

Unter Corona (2): Des Virus nützliche Idioten

Was nützt einem in diesen Zeiten schon der brav eingehaltene Zweimeterabstand zu entgegenkommenden Spaziergängern, wenn keuchende, schwitzende, tropfende Jogger regelmäßig diese Lücke nutzen, um hindurchzulaufen? Heute Vormittag in Planten un Blomen (Foto) passierte uns das mehrfach. 

Außerdem rannte eine Läuferin mit Kopfhörern derart nah an mir vorbei, dass es beinahe zur Kollision gekommen wäre. Aber wahrscheinlich dachte sie, dass Anrempeln ja gar kein Übertragungsweg sein kann, weil der Virologe Drosten das in seinem Podcast noch nie erwähnt hat (sofern sie je von Drosten oder diesem komischen Virus, das heißt wie ein Bier, gehört hat). Und für das Trio russischer Jungs, das uns wenig später frohgemut palavernd überholte, war Social Distancing auch eher ein sehr fremdes Fremdwort.

Warum ich das alles erwähne: weil es erklären soll, warum ich die Wirksamkeit der offiziellen Appelle und Aufrufe, die uns davon abhalten sollen, zu Virenschleudern zu werden, eher skeptisch betrachte. Die Scheißegalhaltung vieler Mitbürger wird uns nicht nur mehr Infizierte, mehr Schwerkranke und letztlich mehr Todesopfer einbrocken, sie wird uns in Bälde auch einige bürgerliche Freiheiten kosten – und leider auch viele gute Argumente dagegen. Oder hat wenigstens die FDP noch ein paar überzeugende in petto? Ich zweifle.

Ab Montag dürften demzufolge verschärfte Ausgangsbeschränkungen in Kraft treten, die auch unsere tägliche Runde durch Planten un Blomen – den ausgedehnten Park, der vom Millerntorplatz auf St. Pauli bis zum Messegelände mitten durch die Stadt mäandert – ernsthaft gefährden könnte.

Zum Glück ist unsere Wohnung vom einen bis zum anderen Ende fünfzehn Meter lang. Wir müssten sie nur vierhundertmal ablaufen, und schon hätten wir einen ausgefallenen Spaziergang durch Planten un Blomen kompensiert. Und das sogar bei besserer Musik!



18 März 2020

Fundstücke (243)


Gut, St. Paulianer wählen zwar keine Rechten, aber ansonsten sind wir wohl auch nur ganz normale Durchschnittsdeutsche. Entdeckt bei Edeka, Paul-Roosen-Straße.

16 März 2020

Unter Corona (1): Von okay auf null


Am Samstag waren wir morgens noch mal im Fitnessclub und abends mit Freunden im Portugiesenviertel essen, am Sonntagvormittag huschten wir noch mal ins Kino („Bombshell“) und lustwandelten danach durch Planten un Blomen, wo unbeeindruckt Krokusse blühen und der Bärlauch die ersten zarten Spitzen reckt – und ab sofort ist das alles, das öffentliche Machen und Tun, auf unabsehbare Zeit vorbei. 

Hier auf dem Kiez sind die Nächte gespenstisch still geworden, es ist schlimmer als an Karfreitag, an der Davidstraße steht nicht eine Hure mehr. Und über den Dächern der Reeperbahn schimmern Dutzende Sterne mehr als sonst, weil der heruntergedimmte Hafen weniger Lichtsmog gen Himmel schickt. Unser aller CO2-Bilanz wird gezwungenermaßen fantastisch ausfallen dieses Jahr.

Weniger fantastisch hingegen sind die Aussichten vieler Selbstständiger, und davon haben wir einige im Freundes- und Bekanntenkreis. Katha zum Beispiel ist freie Fitnesstrainerin. Die Verfügung des Hamburger Senats, ab sofort stadtweit alle Fitnessclubs dichtzumachen, ist so logisch wie notwendig, nur bricht für Katha damit von einem Tag auf den anderen das komplette Einkommen weg. Von okay auf null. Wie lange sie nun von ihren Reserven leben muss und wie lange die reichen werden, weiß niemand. 

Und die selbstständige Profifotografin Anne, bisher gut ausgelastet nicht nur mit Porträt- und Hochzeitsfotografie, sah in den vergangenen Tagen von jetzt auf gleich sämtliche Aufträge der nächsten Wochen wegbrechen. Was tun zur Überbrückung? Auf ihrer Webseite ihren Bilderkatalog zum Kauf anbieten, um in der nächsten Zeit halbwegs über die Runden zu kommen. 

Annes Selfie, das diesen Blogeintrag illustriert, gehört natürlich auch zum dort angebotenen Portfolio – und soll zum einen zeigen, mit welcher Künstlerin es potenzielle Bildkäufer überhaupt zu tun haben, und zum anderen, was die Frau fotografisch und gestalterisch und als Model so drauf hat. Wer sich auf ihrer Seite umschauen und sich über die Modalitäten ihres Katalogverkaufs informieren möchte, klicke gern auf diesen Link.

Und ansonsten gilt auch unter Corona das, was der Slampoet Rainer Maria Rilke schon 1902 so ähnlich in Verse goss: „Wer jetzt kein Netflix hat, braucht es umso mehr.“ 

Foto: Anne Hufnagl 


06 März 2020

Vielleicht Salzsäure?

Heute kam ein Mann mit zwei Bierhumpen aus der erst neulich erwähnten Kiezkneipe Tippel II, als ich dort gerade die Straße überquerte. Beide Gläser waren halb gefüllt mit einer farblosen Flüssigkeit, augenscheinlich Wasser. Was will er damit, und wo will er hin?, fragte ich mich im Vorübergehen. 

Die Antwort gab er prompt. Der Mann ging nämlich stracks zum roten Hängemülleimer und kippte das, was immer auch die Humpen halb füllte, dort hinein. 

Unter den bizarren Verhaltensweisen, die uns im Lauf der Jahrzehnte auf dem Kiez begegnet sind, gehört diese aus dem Stand und fortan zu den bizarrsten. Was hätte dagegen gesprochen, beide Gläser in die Botanik am Wegesrand zu entleeren, zumal es eh von oben tröpfelte? Warum stattdessen in den Mülleimer? Handelte es sich bei der glasklaren Flüssigkeit vielleicht gar nicht um Wasser, sondern um etwas, mit dem keinesfalls ein Busch oder Bäumchen gegossen werden darf – vielleicht um so was wie … Salzsäure?

Aus dieser Überlegung ergäben sich allerdings dermaßen viele und durchaus verstörende Folgefragen, dass ich Sie damit gerne an dieser Stelle alleine lassen möchte.