31 August 2007

Ich sehe gelb

Zum Glück gibt es den Spiegel. Ohne seine aktuelle Titelgeschichte „Die gelben Spione“ wäre mir das Ausmaß der chinesischen Gefahr niemals bewusst geworden.

Genauer gesagt haben wir den Kampf gegen die asiatische Invasion längst achtkantig verloren. Denn laut Spiegel-Statistik (Foto) gibt es in Deutschland schon jetzt – festhalten! – über 75 Millionen Chinesen! Und jeder ein Spion!

Empörend, dass dem Spiegel-Kritiker Oliver Gehrs diese schockierende Tatsache in seiner aktuellen Videoblogkolumne „Blattschuss“ nicht die kleinste Bemerkung wert war.

Ich glaube, ich wandere aus – nach China. Dort müssten sie nach diesem gewaltigen Exodus der Spione ja genug Platz haben.

Vielleicht könnten wir auch einfach die Länder tauschen.

30 August 2007

Von Tölen, Tauben und Toten

Neulich stieß ich in der Zeitung auf eine Liste bußgeldpflichtiger Vergehen in Hamburg. Einige waren für uns Kiezbewohner von besonderem Interesse. So fällt, wie ich erfuhr, beim öffentlichen Urinieren ein Zwangsobolus von mindestens 40 Euro an, die Obergrenze liegt bei 150. 

Legte sich also die Polizei ein Kiezwochenende lang auf die Lauer und bäte die Inhaber undichter Fortpflanzungsorgane zur Kasse, die Finanzierung der Elbphilharmonie wäre schlagartig gesichert, aber so was von. Wovon die Bußgeldhöhe genau abhängt, ließ die Zeitung offen. Fragte man mich, ich würde fürs Pinkeln in die Seilerstraße mit einem Betrag am oberen Ende der Marge liebäugeln. 

Weiter im Text: Das achtlose Liegenlassen von Verdauungsprodukten der eigenen Kläfftöle schlägt mit recht moderaten 25 bis 100 Euro zu Buche. Doppelt so teuer hingegen kann das Wegwerfen eines Fernsehers werden, obwohl das Gerät deutlich weniger stinkt. Der Unsitte des Fernseherwegwerfens begegnet man rund um die Reeperbahn übrigens durchaus nicht selten. Ja, wären es wenigstens funktionsfähige Plasmageräte mit mindestens 106 Zentimetern Bildschirmdiagonale! Aber nein. 

Übrigens wird ein solcher recht kunstvoll zerstörter Stuhl, wie ich ihn in der Schmuckstraße visuell dingfest machen konnte, preislich nicht anders behandelt als ein Fernseher. Auffällig beim Vergleich der aufgelisteten Untaten ist die manchmal unerklärlich krass differierende Bußgeldhöhe. Zum Beispiel beträgt die Strafe fürs Ausgraben einer Leiche maximal 500 Euro – und somit nur ein Zehntel des Betrags fürs Taubenfüttern. 

Man könnte übrigens gerade diese beiden Vergehen ganz gut miteinander kombinieren.

29 August 2007

Tannenzapfenzupfen (7)

(Foto via FHS Holztechnik)

Heute gibt es eine weitere Folge mit gruseliger Promoprosa und Pidginpoesie am Rande der Körperverletzung. Alles Blaugefärbte wurde Pressetexten zu neuen CDs entnommen und so belassen, wie der Promoter es schuf. (Woher der Rubrikenname „Tannenzapfenzupfen“ kommt, steht
hier
.)


1. „In der zur Zeit sehr kalten Jahreszeit Heizen heizen bei Punch It! die derzeit angenagtesten DJs ein.“(Ja, da steht wirklich „angenagtesten“. Und zweimal „heizen“. Ich kann doch auch nichts dafür.)

2.
„Schon allein der Name Tuomo Prättälä zergeht auf der Zunge wie schmackhaftes Kalakukko und schmiegt sich sanft in die Ohrmuschel wie ein finnischer Schneehase.“(Ja, der ist wirklich hübsch. Weiß jemand, was Kalakukko ist?)

3.
„Und als sie ihr erstes Lied zur elektrischen Gitarre anstimmt, öffnen sich Herz, Ohren und Augen in selten erlebter Klarheit. Uns gegenseitig am Ärmel zupfend, versuchen wir durch einen Wirbelsturm aus elektrischem Krach, maßlos schönem Gesang und nackter Emotion einander wissen zu lassen, dass wir hier gerade etwas Unglaubliches erleben dürfen. Da steht diese sehr junge Frau ganz bei sich selbst und ihren Liedern seiend. Wir schauen von kalten Fiebern geschüttelt zu ihr auf, mit geöffneten Seelen der nächsten Flutwelle aus unmaskiertem Gefühl und halsbrecherischer Virtuosität harrend.“ (Ein schönes Beispiel für Überehrgeiz, der vor Ernst und Bedeutung nur so zittert – und aus umso größerer Höhe in ein Jauchefass voll Lächerlichkeit platscht. Verdientermaßen natürlich.)

4.
„Erdmöbel waren schon in einer Menge Schubladen.“ (… dabei ist diese Bestattungsmethode eher im Mittelmeerraum verbreitet. Aber wenn’s der Promoter sagt. Wer’s nicht weiß: Erdmöbel nennt sich eine sehr gute Deutschpopband aus Köln.)

5. „Das Büro ist vom 23.9.–12.10. nicht besetzt. Mails werden nicht regelmässig gelesen, aber beantwortet.“(Das würde ich auch sehr gerne können.)

Was bisher geschah

6, 5, 4, 3, 2, 1


27 August 2007

Die Sitzkrise

Gestern Abend im Kino wurde es mal wieder düpierend deutlich: Ich bin ein hyperaktiver Lümmler, Ms. Columbo hingegen eine gerade Stillsitzerin. Keine Ahnung, wie sie das macht. Sie setzt sich hin, und gut ist. Zwei Stunden lang.

Ich dagegen brauche schon mal vier Minuten, um überhaupt eine halbwegs akzeptable Sitzhaltung zu finden. Trotzdem geht es nach ein paar zehn Sekunden schon los mit den Korrekturen, Schwerpunktverlagerungen und Positionskämpfen.

Beine übereinander, links über rechts. Dann rechts über links. Abwechselnd einen bestrumpften Fuß aufsetzen auf die Lehne vor mir (sofern dort niemand sitzt natürlich), manchmal auch beide, aber nur kurz. Den einen Fuß unter den anderen Oberschenkel, eine Minute später vice versa.

Linker Ellbogen auf die Lehne, rechtes Bein strecken, linkes anwinkeln. Und über Kreuz und umgekehrt und durcheinander. In der Dunkelheit des Kinosaals gibt es übelst viele Kombimöglichkeiten für vier Extremitäten, da macht sich die Welt der Stillsitzer ja gar keine Vorstellung von. Und ich dekliniere sie samt und sonders durch an einem einzigen verdammten Kinoabend, selbst bei Filmen ohne Überlänge.

Da, wo ich herkomme, nennt man das übrigens „juckeln“.

Wenn der Streifen schließlich vorbei ist, stellt sich Ms. Columbo erstaunlicherweise doch nicht als eingefroren heraus (was ich stets insgeheim befürchte), sondern vermag federnd aufzustehen und den Saal zügig zu verlassen.

Ließe sich unser beider Kinositzverhalten in gejoggte Kilometer umrechnen, käme ich auf ungefähr zwölf, sie auf nullkommanull. Komisch, dass wir uns hinterher doch über den Film unterhalten können – ganz so, als wäre ich nicht die ganze Zeit mit völlig anderen Dingen als Hingucken beschäftigt gewesen.

Gegensätze zicken sich an

Noch immer herrscht auf der Welt nicht immer umfassende Harmonie. Auch auf St. Pauli begegnete mir heute früh gegen 11 nicht überall eitel Sonnenschein.

Bei Penny zum Beispiel war – wie auch vorgestern bei Spar – der Getränkeautomat unpässlich. Die davor stehenden Herren in durchweg legerer Optik reagierten auf diesen Umstand keineswegs begeistert.

„Das iss der Hammä hiä!“, formulierte einer von ihnen deutliche Kritik an der Penny-Geschäftsführung. Seine äußere Aufmachung vertuschte geschickt die Tatsache, dass es der Menschheit bereits vor längerer Zeit gelungen war, Hilfsmittel wie Rasierer oder Friseurscheren zu erfinden.

Auch Waschmaschinen waren in der Welt dieses aufgewühlten Herrn nasen- und augenscheinlich ein rares Gut. Unter anderem deshalb dürfte er es künftig nicht leicht haben, einen Job als Vorstandsvorsitzender zu finden.

Auf der Rückfahrt traf ich am Hamburger Berg auf ein Paar, welches in nicht näher bestimmbarer Beziehung zueinander stand; es war aber auf jeden Fall eine von Gefühlen dominierte.

„Du Lutschä!“, charakterisierte die nur leicht bekleidete Frau ihren Gesprächspartner, und mir schienen darin schon beinah Anzeichen von Missbilligung mitzuschwingen. Auch er kam wohl zu einem ähnlichen Schluss und versuchte ihre Einschätzung zeitnah zu korrigieren.

„Dann steck ihn dir doch rein!“, riet er ihr gut zu, „dann kriegst du endlich mal wieder einen rein!“ Möglicherweise wollte er der Diskutantin damit gewisse Insiderkenntnisse ihrer privatesten Lebensumstände andeuten, woraus man wohl eine gute Bekanntschaft der beiden rückschließen darf.

Vielleicht standen sie gar in einer romantischen Beziehung; der vertrauliche Ton ihres Gesprächs legte das zumindest nahe. Und wie man weiß, ist es wichtig für das Leben als Paar, abweichende Standpunkte von Zeit zu Zeit offen und ehrlich zu thematisieren.

Diese beiden taten am Hamburger Berg also durchaus das Richtige: Sie arbeiteten engagiert an möglichst umfassender Weltharmonie. Als mir das bewusst wurde, fühlte ich mich selbst gleich viel harmonischer.

Es wirkt also schon.

26 August 2007

Keine Moralapostel, o nein

Wie die Landeier stehen wir kurz vor Abfahrt des Zuges nach Lüneburg vorm Fahrkartenautomaten – und geben schließlich aus Verzweiflung und Zeitnot entnervt auf.

Wir verstehen einfach nicht, was genau das Gerät von uns will. Und immer, wenn wir es zu wissen glauben, will es doch etwas anderes, was wir allerdings nicht dechiffrieren können. Dabei haben wir beide studiert!

Na gut, dann lösen wir die Fahrkarten eben im Zug beim Schaffner, ist doch egal. Doch während der halbstündigen Fahrt kontrolliert uns kein Mensch, wir steigen unbehelligt in Lüneburg aus nach kostenloser Fahrt.

Und nun die Frage an alle Mahatma Gandhis, Martin Luther Kings und Dietrich Bonhoeffers unter uns: Hätten wir fairerweise in Lüneburg doch noch Hin- und Rückfahrt lösen sollen?

Immerhin haben wir ja eine kostenpflichtige Dienstleistung in Anspruch genommen, und die sollte ordnungsgemäß entlohnt werden; das Sklavenhalterzeitalter ist schließlich längst überwunden. Wenn ich einen Flohmarktstand betreibe, erwarte ich ja auch, dass niemand ihn plündert, nur weil ich mal kurz auf Toilette muss.


Trotz alledem erwiesen wir uns als moralisch verwahrlost und buchten nur Rückfahrttickets.

Später auf der Geburtstagsparty erzählte uns ein Freund, es wäre unmöglich gewesen, im besagten Zug nachzulösen. Man hätte uns mit je 40 Euro zur Kasse gebeten, wegen Schwarzfahrens.

Ms. Columbo feixt noch breiter als vorher. Ich auch. Aber ich habe das Gefühl, Mahatma Gandhi hätte uns nicht adoptiert.

24 August 2007

Die Riesenpechsträhne

Heute begegnete ich einem nowitzkiartigen Zweimetermann, den eine dreistufige Pechsträhne im Klammergriff hatte. Genauer gesagt: Ich habe drei Stufen davon mitgekriegt. Vielleicht ging sie ja noch weiter, ich weiß es nicht.

Kommen wir zur Stufe eins. Als ich an der Kasse beim Gemüsehändler Thorsten stehe, hören wir von draußen plötzlich ein vielflaschiges Klirren. Unsere Köpfe rucken herum, und gegenüber, am Eingang vom Sparmarkt, sehe ich besagten Riesen ratlos vor seinem umgekippten Wägelchen stehen, einer Art Pritsche auf vier Rädern mit Zugseil vornedran. Jedenfalls hat das anscheinend selbstkonstruierte Gefährt eine Kiste mit leeren Flaschen verantwortungslos der Schwerkraft überlassen.

Die meisten Buddeln haben das schadlos überstanden, doch eine für den Riesen ärgerliche Anzahl ging bei diesem Missgeschick den Gang alles Irdischen. Nun muss er den Eingang von Scherben säubern, und das dauert.

Nach Erledigung meiner Geschäfte mit Thorsten muss ich selbst noch zum Sparmarkt. Als ich den Laden betrete, hat die Pechsträhne des Riesen gerade die zweite Stufe erreicht. Mit seinem Wägelchen und der Kiste mit den heilgebliebenen Flaschen hängt er nämlich zwischen den zwei automatischen Sperrgittern des Eingangs fest. Die hinter ihm hat sich schon geschlossen, die vor ihm aber verweigerte sich dem eigentlich logischen Öffnen; vielleicht lag es am klobigen Pritschenwagen, der sein Passiertempo entscheidend minderte.

„Könnten Sie vielleicht die Schranke öffnen?“, bittet er mich mit bereits deutlichen Anzeichen vokaler Erschöpfung. Ich wedele vor der Fotozelle herum, doch es tut sich nichts. Noch ein Versuch. Noch einer – und endlich öffnet sich ihm samt Ballast der Weg in den Laden.

Ich folge ihm und suche die vorangegangene Ms. Columbo, schaue hier, schaue da, und irgendwann schaue ich auch noch mal zurück zum Eingang, wo Spar die Getränkerücknahmeautomaten aufgestellt hat – und sehe den Riesen wieder.

Als er heute seine Wohnung verlassen hatte, wollte er einfach nur diesem Automaten sein Leergut übergeben. Doch jetzt – nach dem Schwund vorm Laden und den Problemen beim Betreten desselben – hat das noch immer nicht geklappt; er steht erstaunlich ruhig in einer statischen Pfandflaschenrückgabeschlange, die angeführt wird von einer ratlosen Sparverkäuferin.

Die weißbekittelte Frau drückt ratlos alle möglichen Knöpfe am Automaten und steckt dem Gerät immer wieder eine Flasche in den Schlund, die es aber mit gleichsam hämischer Unermüdlichkeit wieder ausspuckt.

Kein Zweifel: Der Riese steckt tief drin in Phase 3 seiner heutigen Pechsträhne. Letztlich weiß ich natürlich nicht, wie sein Tag weiterging – nur dass Ms. Columbo und ich schließlich an der Spar-Kasse vor ihm stehen und er noch immer eine Ruhe ausstrahlt, die nur zwei mögliche Ursachen haben kann: buddhistische oder vulkanische.

Mir ist es lieber, die richtige heute nicht mehr herausgefunden zu haben. Für eine der beiden gibt es ja Boulevardzeitungen.

23 August 2007

Ich Raschelhufer

Heute Morgen kam ich zum Rad und fand es ums Rücklicht dezimiert vor. Auch die Birne fehlte.

Dafür hielt immerhin die vordere Lampe noch die Stellung. Auch Lenker, Räder, Kette, Schaltung und Bremse waren nicht auf nennenswertes Interesse gestoßen. Jetzt bin mir nicht ganz sicher, ob ich dem aufkeimenden Gefühl der Dankbarkeit wirklich nachgeben sollte.

Zum Glück gab es heute auch heitere Momente. Verantwortlich war etwa jene Spammail, die mich mit folgenden Worten zu ködern versuchte: „Energy fur ihren Schwanz, kaufen!“ Oder Sibylle Bergs turnusmäßiger Rundbrief, der stets mit einer derart niedlichen Anrede eingeleitet wird, dass ich mich aktiv dran erinnern muss, wirklich mitgemeint zu sein.

Heute besäuselte Frau Berg u. a. mich mit „liebe kleine raschelhufer“. Wenn man so angesprochen wird, ist ein eingebüßtes Rücklicht samt Birne spürbar leichter zu verschmerzen.

Ja, ich musste sogar feststellen: Wenn man mich „lieber kleiner raschelhufer“ nennt, kommt mir ein Dieb überhaupt nicht mehr wie ein Dieb vor, sondern eher wie ein Stibitzer oder noch was Putzigeres.

Als Ms. Columbo und ich abends am Fischmarkt entlangspazierten, strömten bereits wieder Menschen ans Elbufer, die sich dem Auslaufen der Queen Mary 2 entgegenfreuten. Ich wandte dem Schiff den Rücken zu und fotografierte die Straßenlampe vorm Abendhimmel, und noch ehe das Auslauffeuerwerk losging, waren wir schon wieder zu Hause.

Man stumpft einfach ganz schön ab mit der Zeit.

Vom Franken reingelegt

Noch während wir zum Lunch dorthin unterwegs sind, will der Franke plötzlich partout nicht mehr ins Bistro des Monsun-Theaters (das Foto zeigt ihn bei seinem letzten Besuch ebenda).

Die Nudeln seien zu weich (was stimmt), die Portionen zu klein (was falsch ist), und außerdem fehle gewöhnlich ein interessantes totes Tier auf der Mittagskarte (was nur ihn interessiert).

Der grobschlächtige Vielesser hadert, motzt und salbadert, er zetert und ramentert, doch ich bin unerbittlich. Heute soll, muss, wird es das Monsun-Bistro sein, basta!

Schließlich will der Bonuspass den nächsten Stempel; nach dem zehnten Essen kriegt man eins umsonst. Plötzlich aber, mitten im monsunfeindlichen Wortschwall, sagt der Franke leise „bitte“ – und ich bin augenblicks platt, entwaffnet, niedergeschmettert, wehrlos.

Denn mit diesem kleinen Wörtchen „bitte“ legt der Franke Unfassliches nahe: nämlich irgendwie ein wenn schon nicht integrierter, so doch assoziierter Bestandteil eines sozialen Gefüges zu sein, gleichsam ein Mensch unter Menschen (na gut: zumindest ein Franke unter Menschen).

Dieses „bitte“ signalisiert geradezu so etwas wie eine humanoide Anwandlung, der Franke verfügt vielleicht sogar über zumindest rudimentäre Vorstufen sozialer Umgangsformen. Und das plättet mich.

Also trotte ich willenlos hinter ihm her, und zwar nicht ins Monsun, sondern ins Babylon, das ein kregler Ägypter führt, der uns stets mit glucksender, manchmal von keckerndem Lachen flankierter Fröhlichkeit empfängt.

Ja, der Franke hat wirklich „bitte“ gesagt, das muss ich erst mal verdauen. Und im Babylon bestellt er eine vegetarische Pizza.

22 August 2007

Nachlieferung

Was genau verantwortlich war für diesen großflächigen Fleck vorm Nachbarhaus, ich weiß es nicht.

Aber ich weiß eins: Er befindet sich exakt dort, wo damals die aus dem vierten Stock gesprungene Nachbarin aufschlug, als wir gerade das Haus verließen.

Warum nun zehn Jahre später gleichsam die Bebilderung zu diesem grauenhaften Tag nachgeliefert wird (und von wem), vermag ich nicht zu sagen.

Aber mich gruselt’s.

20 August 2007

Das Espressorätsel

Früher bestellte ich den Espresso immer lungo, also mit Wasser verlängert. Seit einiger Zeit arbeite ich an einer Geschmacksverfeinerung und bin im Zuge dessen auf doppio umgestiegen: gleiche Stärke, aber doppelte Menge.

Heute Abend nun gesteht mir Ms. Columbo, sie sei davon überzeugt, beide meiner speziellen Vorlieben beeinflussten seit Jahren die Qualität ihres Espressos, und zwar keineswegs zum Guten.

„Wenn du einen Lungo oder Doppio bestellst“, klagt sie, „kriege ich automatisch immer einen Verlängerten.“ Und das möge sie nicht.

Sie habe diesen Effekt über lange Zeit stillschweigend beobachtet, erläutert sie, und heute Abend sei es nun so weit, mich mit diesem inzwischen empirisch fundierten Forschungsergebnis zu konfrontieren.

Meine Zweifel an dieser Theorie erweisen sich augenblicks als noch größer als mein Amüsement, und wir beschließen die Probe aufs Exempel. In der Pizzeria am Großneumarkt, wo wir im milden Abendsonnenschein draußen sitzen können und uns fühlen wie im Romurlaub, ordert sie einen normalen Espresso, ich einen doppelten.

Woran wir überhaupt erkennen könnten, frage ich vorsorglich, ob ihr Einzelespresso wirklich über Gebühr verlängert worden sei. Sie wisse sehr wohl, welche Menge man gemeinhin beim Italiener serviert bekomme, antwortet sie mit charmanter Schnippischkeit. Dann warten wir. Es ist aufregend.

Zwischendurch frage ich zunächst mich und dann sie, wie man überhaupt einen italienischen Ober herbeirufe. In Frankreich käme man mit einem entschlossenen „Garçon!“ ja durchaus weiter, doch hier und jetzt – vielleicht „Signore“? Nein, erläutert Ms. Columbo als kompetente Halbsardin, es hieße schlicht „scusi“, „Entschuldigung“.

Und da kommt er auch schon, der Signore Scusi. Mit einem Doppio und einem – Cappuccino … Eine Fehllieferung. Der Cappuccino geht zurück, ein Einzelespresso muss nachbestellt werden. Und das verwässert natürlich die Versuchsanordnung völlig.

„Der Effekt“, merkt Ms. Columbo spitzfindig an, „tritt natürlich nur dann auf, wenn wir eine gemeinsame Bestellung aufgeben.“ Was zu beweisen gewesen wäre. Wir werden dranbleiben.

Ober heißt auf Italienisch übrigens „cameriere“.

19 August 2007

Meditieren auf der Reeperbahn

Mehrfach jährlich herrscht hier auf dem Kiez die sonische Hölle. Zum Beispiel beim Schlagermove („Fiesta Mexicana“-grölende Kampftrinker in Schlaghosen), dem Christopher-Street-Day (Tunten in Tüll und Karnevalsklamotten) oder den Harley Days (rollende Bierbäuche mit applizierten Graubärten).

Müsste ich mich entscheiden, welchen dieser empörenderweise sogar polizeiunterstützten Terrorakte ich zum Teufel wünschen sollte, so fiele mir das leicht: alle drei.

Außerdem gibt es hier noch ein Radrennen, die CyClassics. Auch das führt zu Lärmentwicklung. Denn tausende von Menschen stehen gewöhnlich an der Strecke und nerven akustisch die schutzlosen Fahrer.

Doch dank der Tour de France war heute alles anders. Zwar rauschte das Fahrerfeld zig-mal über die Reeperbahn, nur stand da kaum jemand rum. Radelnde Chemiedepots? Braucht wohl keiner mehr.

Weil aber natürlich trotzdem alles für den Autoverkehr gesperrt war, herrschte heute auf dem Kiez plötzlich eine himmlische Ruhe. Dafür danke ich Leuten wie Ullrich, Fuentes und Sinkewitz von Herzen. Bitte immer weiterspritzen, ja?

Natürlich nutzte ich auch die unverhoffte Chance, mich mal mitten auf die verwaiste Reeperbahn zu stellen und diese sonst tagtäglich so gequälte Straße einmal im verträumten Dämmerzustand zu fotografieren.

Ein bisschen war’s wie meditieren. Ommm.

Und sie bewegt sich doch!



Die vor einigen Wochen von mir ins Spiel gebrachte Aktion „Anna muss bloggen!“ ist ein voller Erfolg – denn Anna bloggt!

Sherlock Matt hat die ebenso scheue wie enigmatische Saarländerin in den Weiten des Webs aufgespürt. Nun möchte ich alle Doc Watsons da draußen – vor allem Olaf – ermuntern, es mir gleich zu tun.

Einfach so ausplaudern werde ich ihre URL natürlich nicht. Andererseits: „Jeder Mensch ist käuflich, es ist nur eine Frage des Preises“, schrieb mal ein bedeutender Philosoph im 25. Kommentar zu diesem Text, und wenn das richtige Angebot rüberkommt – wer weiß.

Tipp für den Anfang: Sie nutzt Wordpress, und ihren Blogkopf ziert das abgebildete stimmungsvolle Foto. Wer als erster ihre Blogadresse in einem Kommentar erwähnt, erhält natürlich einen der weltberühmten CD-Sampler aus original Reeperbahnrückseitenproduktion.

Das könnte vielleicht auch ein Outinganreiz für Anna selber sein …

18 August 2007

Die Pissnelke



In Winterklamotten gehen wir in dieser kalten Augustnacht rüber ins Millerntorstadion, angezogen von den cineastischen Verheißungen des 60er-Jahre-Trashfilms „Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“.

Wir sehen Erstaunliches. Nämlich den jungen Fritz Wepper, wie er sich mit einer nackten Frau in den Laken wälzt. Wir sehen Leute, die LSD konsumieren, wir sehen bloße Brüste, und das in einem deutschen Film von 1967!

Gegen halb 11 geht drüben auf dem Dom das Feuerwerk los. Der Verständlichkeit der Filmdialoge nützt das natürlich wenig, doch das macht nichts – denn dafür fällt ein atmosphärischer Clip dabei ab, den man nirgendwo sonst auf der Welt drehen könnte.

Als ich mich auf dem Heimweg unserem Haus nähere, höre ich plötzlich eine Frau „Nicht schauen!“ kreischen. Der Imperativ dringt mir nur halb ins Bewusstsein; er wird auf die übliche Weise automatisch herausgefiltert.

Denn unter unserem Balkon geschieht allwochenendlich sowieso viel zu viel Seltsames und letztlich Harmloses, als dass man sich über Gebühr darum kümmern sollte.

Als ich fast an der Haustür bin, kreischt es indes wieder und sehr viel lauter „Nicht schauen!“. Ebenso hätte mich irgendjemand auffordern können: „Denk bitte jetzt gerade mal nicht an die Kleine Hufeisennase“, und an was hätte ich zwanghaft gedacht? Genau.
Natürlich schaue ich also jetzt hin und sehe eine ungefähr 19-Jährige, wie sie aufgebrezelt, großäugig und breit grinsend dahockt mit heruntergelassenen Hosen und auf den Gehweg pisst. Daneben steht ihre Freundin und überwacht die Situation.

„NICHT schauen!“, schreit die Pissnelke, und ihre Riesenohrringe wackeln im Wind. Ich schaue weg, schließe wortlos die Haustür auf und betrete die Wohnung.

Natürlich hätte ich sie aufs öffentliche Klo drüben auf der Reeperbahn hinweisen können, doch wozu? Es gibt schließlich Ziele, die viel eher zu erreichen sind, als Wildpinkler auf dem Kiez zur Rückkehr in die menschliche Zivilisation zu bewegen – zum Beispiel Weltfrieden.


16 August 2007

Zwischen Strand und Spritzenplatz

Ms. Columbo lacht sich halb kaputt über die Fortbewegungsart unbeholfener Seeelefanten auf 3Sat. In der Tat: Wenn die Viecher loskrauchen, sieht das wirklich aus, als wallten Wellen durch eine Presswurst voller Fettgeschwabbel.

„Wer denkt sich so was bloß aus!“, gluckst Ms. Columbo, „das allein ist doch schon eine Widerlegung der Schöpfungstheorie!“ Stimmt, jeder Kreationist müsste vom Glauben abfallen beim Betrachten eines x-beliebigen Seeelefantenfilms.

Apropos Wellen: Während einer unserer üblichen spitzfindigen Sprachdiskussionen kommen wir auf „La Ola“, bekannt als „Die La-Ola-Welle“. Da „La Ola“ aber übersetzt einfach „die Welle“ heißt, ist der Ausdruck „die La-Ola-Welle“ nichts weiter als eine ziemlich bescheuerte Verdopplung: „Die die Welle Welle“.

Warum reden wir so? Warum müssen Seeelefanten übern Strand walken, als wallten Wellen durch eine Presswurst voller Fettgeschwabbel?

Und warum hat mein Arzt seine Praxis ausgerechnet am Spritzenplatz und treibt auch noch seine typografischen Späßchen damit?

Clever und dreist



Gut, dieser stattliche Mensch war heute Abend vielleicht nicht der typischste aller Stones-Fans. Aber er war einer der cleversten.

Ich zum Beispiel hatte nicht mal mit dem Gedanken gespielt, unterm Hemd eine Abstellfläche fürs Bier in die Arena zu schmuggeln.

Die Rolling Stones höchstselbst waren
hingegen noch dreister: Sie schleppten gleich ein ganzes Parkhaus (ca. aus den Spätsechzigern) mit ins Stadion und versuchten es als Bühnenaufbau zu tarnen.

Hat nicht funktioniert.

14 August 2007

Tag der Stecher

Zunächst rauschte nachmittags eine Wespe volley in meinen USB-Ventilator. Keine Millisekunde später zappelte sie verdattert und verteidigungsunfähig auf der Schreibtischplatte.

Ich erwog sie mithilfe des WOM-Magazins zu erlösen, doch ihr progressives Zucken schien eine leichte Erholung anzudeuten. Also schob ich sie auf ein Blatt und schubste sie aus dem Fenster. Taumelnd und flugunfähig sank sie hinab in den Abgrund. Was aus ihr wurde, werde ich nie erfahren.

Im Gegensatz zu den Moskitos, deren Schicksal ich abends sehr genau mitbestimmen konnte. Über Jahre hinweg habe ich mich professionalisiert. Was mit einer Fliegenklatsche begann, führte über eine hand- und schlaggerecht gerollte Zeitschrift zu strombetriebener Technik: Moskitos jage ich inzwischen nur noch mit dem Staubsauger.

Eine effektive und saubere Methode – großer Radius und keine Flecken auf der Tapete. Das Teleskoprohr wird ausgefahren, die Bürste abgezogen und halali.

Es gehörte allerdings keineswegs zum Plan, mit dem Staubsaugerschlauch mehrere Flaschen Alkoholika vom Kachelofen zu fegen. Taumelnd und flugunfähig rauschten sie hinab in den Abgrund, doch merkwürdigerweise zerbrachen sie nicht, als sie aufs Parkett krachten.

Der Tresterbrand (Kallfelz, Mosel) schäumte lediglich entrüstet auf, und die Roséflasche (Sella & Mosca, Sardinien) entledigte sich protestierend ihres Korkens, so dass eine blutähnliche Weinlache den Boden aufhübschte. Und alles nur wegen ein paar winziger Lebewesen, die so leicht sind wie Luft.

Immerhin saugte ich nach den Aufräumarbeiten insgesamt drei von ihnen ins Beutelnirvana und installierte danach zur Sicherheit noch das unbezahlbare Moskitonetz im Schlafzimmer.

Das ging erstaunlich pannenlos vonstatten, obwohl ich doch mit einem Hammer hantieren musste. Wahrscheinlich ist Ms. Columbo ziemlich stolz auf mich. Ich auf mich auf alle Fälle.

Foto: Micropolitan.org

Haarige Sache



Beim Konzert von Devendra Banhart im Knust muss ich frustriert feststellen: Dieser dünne Amerikaner ist praktisch unfotografierbar. Dabei wendet er eine grundsätzlich andere Taktik an als einst Graf Dracula, der als Abbild – ob im Spiegel oder auf Fotos – einfach unsichtbar blieb.

Nein, Herr Banhart kehrt dir entweder den bestürzend schmalen Rücken zu, was fototechnisch unbefriedigend bleibt, oder du knipst ihn seitlich oder von vorne und hast trotzdem nur Bart und Haare drauf.

Ich erinnere mich, mir einst aus purer Neugierde mal den viele Jahre alten Vollbart abrasiert zu haben, nur um zu erfahren, wie ich überhaupt aussehe.

Devendra Banhart scheint dieses Bedürfnis noch nicht zu verspüren, nicht mal im Ansatz. Der Mann ist völlig zugewachsen. In botanischen Kategorien ausgedrückt wäre er der brasilianische Regenwald und ich die Wüste Gobi.

Doch ob haarig oder nicht: Wer so wie er Townes’ „Colorado girl“ covert, kann kein schlechter Mensch sein, im Gegenteil.

12 August 2007

Auf der Dorfdisco

Nach fünfstündiger Bahnfahrt, während der mir nahe Northeim das Himmelsbild gelang, verbringen wir ein Wochenende in meinem hessischen Heimatdorf am Fuße des Westerwaldes. So vertraut, so fremd.

Die Verwandtschaft zum Beispiel hat die Angewohnheit, so fröhlich wie lautstark durcheinanderzuplappern. Eine von A angefangene Geschichte wird von B begeistert zu Ende erzählt, was A aber nicht dazu bewegt, den Staffelstab einfach loszulassen.

Nein, munter spinnt er die Geschichte ebenfalls fort, und die so entstehende kommunikative Kakophonie ergibt erstaunlicherweise am Ende doch eine recht runde Story.

Abends Oldiedisco in der einzigen Kneipe des Dorfes. Man erkennt mich, nötigt mir Bier auf, tätschelt mir die Glatze, lobt lallend Hamburg, artikuliert gesteigerten Besuchswillen.

Oft nicke und lächle ich einfach freundlich, weil ich im brachialen Lärm der Oldiedisco eh nichts verstehe und klar ist, dass eine Nachfrage kaum mehr Klarheit ins semantische Dunkel brächte.

Heute, am Tag danach, habe ich allerdings den Verdacht, durch unbewusstes Abnicken mehreren reisefreudigen Dorfdiscobesuchern persönliche Kieztouren und weitere Betreuungsangebote in Aussicht gestellt zu haben.

Übrigens ist nicht nur eine generelle Kakophonie typisch für meine Familie, sondern auch eine beeindruckende Gestaltungshöhe im Ethisch-Moralischen. „De Marga erzeehld Geschichde“, informiert man mich mit latenter Empörung über den geistigen Dämmerzustand einer Heiminsassin, „dej sei gor ned wuhr!“

Selbst eigentlich entlastende Demenz vermag also einen gottesfürchtigen Protestanten nicht davon abzuhalten, auf die generelle Sündhaftigkeit des Lügens hinzuweisen.

Zum Ausgleich sehe ich auf der Rückfahrt am Marburger Bahnhof eine junge Frau, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Back from Hell“ trägt. Und direkt hinter ihr gehen zwei Nonnen.

10 August 2007

Kostbare Sekunden

Einer der schönsten Momente heute war der, als der Rührarm unserer Brotbackmaschine plötzlich im gleichen Takt lief wie der im Hintergrund laufende Song „Amelia“ von Michael Hall.

Eine kleine unverhoffte Harmonie im ansonsten konsequent asynchronen Alltagsgeschehen. Allerdings hielt sie nur wenige Sekunden vor.

Es waren die kostbarsten.

Von Gefriertüten und Eiderenten

Dieser Artikel auf Spiegel online über das Glück auf einer kleinen norwegischen Insel ist fast zu kuschelig, um wahr zu sein. Doch er glänzt mit einem wunderbaren deppenbindestrichlosen Wort. Es heißt „Eiderentendaunenschulden“.

Das Wort ist nicht einfach erfunden, sondern sorgsam eingebetteter Bestandteil einer Geschichte, die fast zu kuschelig ist, um wahr zu sein.

Überraschenderweise muss man das Wort kuschelig neuerdings auch auf den sprichwörtlich rustikalen Franken anwenden. Der mit allen Weihwassern gewaschene Grobmotoriker hegt und pflegt zu Hause eine umfangreiche Sammlung von DVDs, und genau eine einzige davon hat er unlängst aus Gründen des besseren Staub- und Erosionsschutzes eingeschlagen – und zwar in eine Gefriertüte.

Für Außenstehende klingt das wahrscheinlich nicht sonderlich liebevoll; es hätte gewiss für mehr öffentlichen Applaus gesorgt, wenn der Franke eine Schmuckschatulle verwendet hätte.

Doch für uns, die wir das Pech haben, tagtäglich mit seinem landsmannschaftlich typischen Rumgepoltere und seiner unterfränkischen Stoffeligkeit konfrontiert zu werden, steckt in der übergestülpten Gefriertüte eine rührende Symbolik.

Irgendwo nämlich, tief versteckt unterm Unterfrankenpanzer, scheint doch so etwas wie ein Herz zu pochen, wenn auch sehr, sehr leise.

Die interessanteste Frage aber ist die, welcher Film denn nun in den Genuss seiner schier zärtlichen Anwandlung kam. Uns erwartet eine überraschende Antwort.

Denn weder handelt es dabei um eine Scheibe seines geliebten Harald Schmidt, noch wurde einem David-Lynch-Film die Gefriertütenehre zuteil. Nicht einmal seine „Twin Peaks“-DVDs erfreuen sich der Spezialunterbringung.

Nein: Es ist die „Sissi“-Box!

Kramer und ich starren ihn an, als übte er gerade im Baströckchen einen Balztanz für den nächsten Christopher-Street-Day. „Weil das Cover aus Samt ist!“, ruft der Franke in einem lächerlichen Versuch, sich zu verteidigen. „Alles andere kann man abwischen!“

Er hat ausgerechnet die „Sissi“-Box in eine Gefriertüte gesteckt. Das ist unglaublich kuschelig. Und hätte der Franke bei irgendjemand Eiderentendaunenschulden, ich würde sie bezahlen, eventuell.


Das Foto der Eiderentenfedern schoss Ian Walker.

09 August 2007

Das Plattenrätsel



Eine Wand seines Musikzimmers tapeziert Andreas immer wieder neu mit wechselnden Plattencovers, die stets eine Gemeinsamkeit aufweisen, zum Beispiel Obstmotive, Leute mit Hut oder Bands, die uns den Rücken zuwenden – alles ist denkbar.

Neuerdings hängt bei ihm das abgebildete Ensemble, welches ich direkt vorm Platziertwerden ablichten konnte. Ich tumber Tor stand indes ratlos davor und kam einfach nicht auf das gemeinsame Kriterium, welches all diese Cover als homogene Gruppe definiert.

Doch bestimmt ist nicht jeder so begriffsstutzig wie ich, und deshalb lobe ich mal wieder einen selbstkompilierten CD-Sampler aus für jenen Schlaumeier, der mir als erstes per Mail mitteilt, aus welchem Grund wohl Andreas ausgerechnet auf dieses Plattencoverensemble gekommen ist.

Er hat’s mir schließlich verraten – und natürlich fiel es mir sofort wie Schuppen aus den Haaren. Aber hinterher ist man ja immer schlauer.

Andreas selbst, seine Verwandten und Leute mit unmittelbarem Zugang zu seinen Kontaktdaten sind natürlich von der Verlosung ausgeschlossen. Und nicht schummeln – das gibt schlechtes Karma!

Blogprobleme

Blogger.com hat momentan technische Probleme, man kann keine Fotos hochladen. Und ohne Fotos kein Beitrag.
Das wird sich aber bestimmt sehr bald wieder ändern.

07 August 2007

Ich dünge den Stadtpark

Grundsätzlich ist es natürlich kein Problem, ein Magnum Mandel zu möfeln, während man in der Abendsonne das überraschende Duett von M. Ward mit Norah Jones genießt. Doch dann erzählt Ward etwas von einem Stück, das man jetzt spielen werde, und zwar habe es ein amerikanischer Songpoet verfasst, der wahrscheinlich öfter durch Deutschland als durch seine Heimat getourt sei. 

Noch scheint es so, als habe diese Ansage rein gar nichts zu tun mit meinem Magnum Mandel. Noch. Jedenfalls werde ich nicht nur extrem hellhörig, nein, bei mir schrillen sogar alle Alarmglocken, und vor meinem inneren Auge blinken große Warntafeln mit der Aufschrift „Townes Van Zandt! Townes Van Zandt!“ 

Nur er kann gemeint sein, und wer meine Verehrung des Texaners kennt, ahnt vielleicht, welche Drüsen gerade unter Hochdruck anfangen zu pumpen, nämlich die für Adrenalin zuständigen. Fahrig taste ich nach der Kamera in meiner Hosentasche, denn wenn M. Ward und Norah Jones jetzt wirklich gemeinsam einen Townes-Van-Zandt-Song singen sollten, ohne dass ich diesen kostbaren Moment konservieren würde, so müsste ich mich selbst ohrfeigen. Nicht nur dabei allerdings wäre ein Magnum Mandel eher hinderlich. Nein, auch beim Aktivieren der Kamera entpuppt sich das Halbgefrorene am Stil als wenig nützlich. 

Rechtshändig drücke ich an meiner widerwilligen Kamera herum, während mir links der erste Vanilletropfen den Daumenansatz kühlt. Beim sofortigen Abbeißen der suppenden Stelle fallen zudem die ersten größeren Schokoladenplättchen zu Boden. Übrigens passiert mir das immer beim Magnummandelmöfeln, selbst wenn ich beide Hände frei zur Verfügung habe. Entweder ein Konstruktionsfehler oder Matt’sche Tollpatschigkeit, ich weiß es nicht. 

Was ich jedoch weiß: Ich würde meine Karriere aufgrund mangelnder Steigerungsmöglichkeiten sofort beenden, sobald ich es schaffte, ein Magnum Mandel verlustfrei zu inkorporieren. Hier und jetzt ist daran aber nicht zu denken, im Gegenteil. Während das Eis weiter tropft und bröckelt, ist die blöde Kamera endlich soweit. Und schon erklingen die ersten Takte von „Loretta“, Townes’ Song über eine Bardame. Ja, in der Tat: M. Ward und Norah Jones covern Zandt. 

Ein unwirklicher Moment, ein magischer Moment. Denn sie tun es gut, die beiden, schleppend und zart, er mit dieser angerauten Rock’n’Roll-Stimme, die immer ein wenig klingt, als sänge er durch ein Megafon; sie mit diesem melancholischen Kleinmädchentimbre, es ist ein Genuss. Ich filme schleckend, sabbernd und bröckelnd mit, zwar aus viel zu großer Ferne, aber immerhin – und nach gut drei Minuten drücke ich statt auf den Stop- auf den Ausschaltknopf.  

Datei. Nicht. Gespeichert. 

Dafür habe ich den Stadtparkboden mit erheblich mehr Schokoladenplättchen gedüngt als üblich. Ich. Könnte. Heulen.  

(Townes-Foto von Claus-Marco Dieterich, Marburg 1993)

 

06 August 2007

Vom Knüppeln in verschiedenen Varianten

Auf dem heiligen Rasen des Millerntorstadions, wo am Wochenende mein FC St. Pauli noch sensationell Bayer Leverkusen wegknüppelte, steht jetzt eine große Leinwand. Freiluftkino – und das in einer warmen Sommernacht!

Auf dem Programm: Klaus Lemkes ebenso dilettantischer wie charmanter Hamburgklassiker „Rocker“ von 1971. Das Tollste am Film ist neben der unfreiwilligen Komik der derbe Kiezsprech jener Zeit.

„Komm mit raus, Torte!“, pflaumt da ein vom Feminismus noch völlig unbeleckter Koteletten- und Schnäuzerträger seine Ex an. Und ein Ganove namens Ulli fragt seinen kleinen Bruder: „Hast du schon mal ne Alte geknüppelt?“ Hat er nicht.


Parallel zur Filmspule dreht sich drüben auf dem Dom majestätisch das Riesenrad, von der Achterbahn und der Überschlagsschaukel (Foto) wehen die Lustschreie der Teenies herüber, und wir versuchen auf den Schalensitzen der Haupttribüne eine halbwegs bequeme Position zu finden.

Tags darauf schauen wir uns eine Dokumentation über eine Seychelleninsel an. Ein 150 Jahre alter Schildkrötenbulle kommt vor, der gerade eine gepanzerte Dame besteigt.

„Ich würde auch gern mit 150 noch ne Alte knüppeln können“, sage ich versonnen zu Ms. Columbo. Die Torte grinst süffisant, und ich nippe entschlossen optimistisch an meinem Single Scotch Malt (Laphroaig, 10-jährig).

Kein Lamm, nirgends

Der Angestellte der Tankstelle am Spielbudenplatz will mir auf den 12er-Kasten Warsteiner kein Pfand geben. Diese Konfiguration, wird mir kühl beschieden, hätte man nicht im Angebot, ergo erfolge auch keine Rücknahme. Nur die Flaschen könne ich dalassen.

Das versuche ich auch, doch der zuständige Automat ruckelt und piept zwar eifrig, folgt aber seiner einzigen Bestimmung hienieden nicht: Flaschen zu schlucken und dafür einen Bon auszuspucken. Streik also nicht nur bei der Bahn.

Frustriert packe ich den Kasten draußen auf den Gepäckträger des Fahrrads und schlendere über den Flohmarkt – in der Hoffnung, die Kiste geklaut zu bekommen und somit diese Last ohne weitere Mühe, aber auch ohne Erlös los zu sein. Doch heute streiken selbst die Diebe.

Später versuche ich, Lammfilets zu kaufen, weil Ms. Columbo vom Fischmarkt aus irgendwelchen Gründen Bohnen heimbrachte. Und was kann man zu Bohnen schon essen außer Lamm? Also muss ich los.

Doch die Frustrationsserie reißt nicht ab. Bei Penny: kein Lamm. Bei Lidl: dito. Da wohnen wir schon in einem Viertel mit gefühlt mehr als 50 Prozent kleinasiatischer Bevölkerung, der doch wohl eine deutliche Lammaffinität unterstellt werden darf – und der hiesige Einzelhandel setzt dennoch voll auf Huhn und Schwein.

Vorm Lidl-Markt schläft übrigens ein besoffener Teenager im Stehen und hat sich zur Unterstützung seines vegetativen Nervensystems, das neben der Atmung auch seine aufrechte Haltung sichern soll, an einen Pfosten gelehnt.

Während er also dalehnt und sanft schwankend schläft, dreht er sich in Höhe der Körpermitte eine Zigarette. Ganz erstaunlich.

Heute Abend gab es dann übrigens weder Lamm noch Bohnen, sondern Käse und Salat. Auch lecker.

04 August 2007

Schrei nach Liebe

Wahrscheinlich hattet auch ihr heute diesen infamen Prospekt des Deutschen Atomforums im Briefkasten, der meinen Tag kontaminierte.

Darin jammert die Atomindustrie uns einen vor: Sie fühlt sich missverstanden, zu Unrecht ungeliebt. Außerdem listet sie fünf Gründe auf, weshalb sie der wahre Klimaschützer sei.

Nur eins kam in diesem rührenden Schrei nach Liebe schamhafterweise nicht vor: Plutonium.

Deshalb hier kurz eine Ergänzung, damit der Prospekt auch vollständig ist: Die ungeliebten Klimaschützer produzieren tagtäglich das tödlichste Gift der Welt, ohne auch nur den Schimmer einer Ahnung zu haben, wo es am Ende hin soll.

Sie produzieren das tödlichste Gift der Welt und halsen es einfach unseren Nachfahren auf, und zwar für die nächsten 24 000 Jahre – also fast zehnmal so lange, wie die gesamte bisherige Geschichte der menschlichen Zivilisation andauert.

Mal ehrlich, ihr armen ungeliebten Klimaschützer: Dann. lieber. Klimawandel.

Amputate in Plastikfolie

Unsere Nachbarn haben heute im Erdgeschoss einen schicken Laden für chinesische Möbel eröffnet. Er heißt „38 Geister“, was ein sehr geheimnisvoller Name ist – und hoffentlich den Flaneuren ausreichend vermittelt, worum es hier überhaupt geht.

Bei der Eröffnungsparty stieß ich nicht nur auf exotische Schränke und patinöse Plakate aus Post-Pu-Yi-Zeiten, sondern unvorbereitet auch auf eingeschweißte Hühnerfüße.

„Die gibt’s dort an jedem Imbiss“, winkte einer der Inhaber lässig ab. Dank des luftdichten Verschlusses sollen die wenig appetitlichen Amputate recht lange haltbar sein. Mich erinnern sie übrigens an Menschenhände.

Doch sie sind natürlich kleiner, und deshalb dürfte man beim Hühnerfußfuttern kaum richtig satt werden, wie mir auch das Betasten durch die Folie hindurch zu bestätigen schien. Reizvoll sind sie wohl nur für jene, die von einem Leben als Nager träumen oder eine Party in Schwung bringen wollen.

Ob es an chinesischen Imbissständen auch eingeschweißte Hundenasen oder Kuhschwanzquasten gibt? Das habe ich leider vergessen zu fragen.

Doch ich komme ja öfter vorbei. Geradezu täglich.


03 August 2007

Von Humor- und anderen Bomben



Im schwäbische Kneipenrestaurant Brachmanns Galeron in der Hein-Hoyer-Straße sind wir die ersten Gäste.

Als wir eintreten, läuft dissonanter Avantgardepop mit extremem Nervpotenzial, der bestimmte Lebenssituationen durchaus adäquat illustrieren könnte (zum Beispiel eine Kniespiegelung), doch keinesfalls ein Abendessen mit Ms. Columbo.

„Sind Sie wirklich sicher“, frage ich den Ober, „dass diese Musik appetitanregend wirkt?“ Er grinst säuerlich. Sie hätten diese Platte, führt er ernst aus, „nur zum Aufbauen“ aufgelegt, wobei mir nicht ganz klar ist, was er mit Aufbauen meint.

Ist ja auch nicht wichtig, solange er die Musik wechselt. Das tut er, und ein schöner Abend schließt sich an, einer mit Lachs auf Linsen, Rösti mit Rauke, Hefebrand nach Grauburgunder.

Am Ende möchte ich mit Karte zahlen. „Tut mir Leid“, sagt der Avantgardepop-Ober, „nur bar.“

„Na gut“, antworte ich, „können wir dann Teller waschen?“ Sein säuerliches Grinsen ist am Tisch bereits bekannt. Eine echte Humorbombe, der Mann.

Eine Bombe spielt übrigens auch eine wichtige Rolle in diesem kleinen bösen Clip von heute. Und wer das jetzt empörend mühsam zusammengebogen findet, der hat völlig Recht.

02 August 2007

Audienz beim Fußballgott

Natürlich, objektiv gesehen ist das völlig gaga, schon klar. Doch für mich hat es etwas unbeschreiblich Erhebendes, im gleichen Stadion ein- und auszuatmen wie Alessandro Del Piero

Nur wenige Meter von mir entfernt schreitet der Fußballgott zur Eckfahne, und ich bin verzückt, auch wenn der Ball im Strafraum versandet. Hach, der Atem der Fußballgeschichte! Am Ende verliert Del Piero mit Juventus Turin 0:1 beim HSV in einem bedeutungslosen Testspiel, das ich mir jedoch legendär zu reden versuche. Denn wir sehen nirgends Fernsehkameras, diese Partie findet unter Ausschluss der medialen Öffentlichkeit statt, und das hat man ja heutzutage nicht mal mehr auf dem Kiez

Mir wird ganz pathetisch beim Gedanken daran. „Dieses Spiel“, raune ich dem Franken zittrig zu, „wird ausschließlich in unserer Erinnerung weiterexistieren!“ „Und auf tausenden Digicams“, lässt der tumbe Aurakiller ungerührt die Luft aus meinem Pathos und filmt den nächsten Freistoß. 

Verdammt, er hat Recht. Also knipse ich Del Piero, wie er sich den Ball zur Ecke zurechtlegt. Ein Moment, den mir niemand mehr nehmen kann.  

PS: Hier gibt es drei Minuten lang Del-Piero-Tore.

01 August 2007

Sinkewitz’ gelöschte Lüge



Wieso eigentlich kaufen die Chinesen plötzlich unsere ganze Milch? Ich dachte immer, sie könnten sie gar nicht verdauen.

Nein, mit Logik kommt man manchmal einfach nicht weiter. Zum Beispiel gibt es Radrennfahrer, die schmieren sich abends ein Testosterongel auf den Arm, obwohl sie wissen, dass der Missbrauch der Paste pipileicht auffliegt.

Wie Patrik Sinkewitz, der heute endlich alles zugegeben hat. Am 18. Juli klang das noch einen Tuck anders, wie mein vorsorgliches Bildschirmfoto seiner Webseite dokumentiert.

Seitdem habe ich auf zweierlei gewartet: auf Sinkewitz’ Einknicken und das Verschwinden seines Dementis. Heute geschah beides. Er gab alles zu, und unterm 18. Juli steht auf einmal etwas ganz anderes.

Pinocchio Sinkewitz hat die dreiste Lüge flugs gegen ein dopingbereinigtes Bulletin ausgetauscht; jetzt betreibt der Mann auch noch Geschichtsklitterung. Ts, ts.

Übrigens verdamme ich das Lügen nicht grundsätzlich; schließlich soll das jedem von uns rund 200-mal pro Tag unterlaufen, meistens unmerklich. Doch man sollte lieber keine Lüge wagen, deren Entdeckung einen dazu zwingt, monatelang mit hochrotem Kopf rumzulaufen.

Sinkewitz tat fatalerweise genau das, und er dachte, jetzt lösch ich den peinlichen Quatsch einfach und behebe damit das Problem. War aber nix.

Uns Normallügnern droht gemeinhin nur dank eines Sonnenbrands ein hochroter Kopf, doch den zu erwerben fällt in diesem grausamen Juli immens schwer. Dafür bietet der pflichtvergessene Monat wenigstens weiterhin den Vorteil eines actionreichen Himmels.

Über den Kiez ziehen zurzeit gewaltige Wolkenwattebäusche, die geformt sind wie Walhaimünder oder wie Riesenmäuseköpfe mit liegenden Nixenkörpern. Manche sehen sogar aus wie der Drache Fuchur, und einer erinnerte mich geradezu an ein plattes Fahrrad.

Wobei der letzte Vergleich erstunken und erlogen ist. Aber sonst stimmt alles, ehrlich.