Früher bestellte ich den Espresso immer lungo, also mit Wasser verlängert. Seit einiger Zeit arbeite ich an einer Geschmacksverfeinerung und bin im Zuge dessen auf doppio umgestiegen: gleiche Stärke, aber doppelte Menge.
Heute Abend nun gesteht mir Ms. Columbo, sie sei davon überzeugt, beide meiner speziellen Vorlieben beeinflussten seit Jahren die Qualität ihres Espressos, und zwar keineswegs zum Guten.
„Wenn du einen Lungo oder Doppio bestellst“, klagt sie, „kriege ich automatisch immer einen Verlängerten.“ Und das möge sie nicht.
Sie habe diesen Effekt über lange Zeit stillschweigend beobachtet, erläutert sie, und heute Abend sei es nun so weit, mich mit diesem inzwischen empirisch fundierten Forschungsergebnis zu konfrontieren.
Meine Zweifel an dieser Theorie erweisen sich augenblicks als noch größer als mein Amüsement, und wir beschließen die Probe aufs Exempel. In der Pizzeria am Großneumarkt, wo wir im milden Abendsonnenschein draußen sitzen können und uns fühlen wie im Romurlaub, ordert sie einen normalen Espresso, ich einen doppelten.
Woran wir überhaupt erkennen könnten, frage ich vorsorglich, ob ihr Einzelespresso wirklich über Gebühr verlängert worden sei. Sie wisse sehr wohl, welche Menge man gemeinhin beim Italiener serviert bekomme, antwortet sie mit charmanter Schnippischkeit. Dann warten wir. Es ist aufregend.
Zwischendurch frage ich zunächst mich und dann sie, wie man überhaupt einen italienischen Ober herbeirufe. In Frankreich käme man mit einem entschlossenen „Garçon!“ ja durchaus weiter, doch hier und jetzt – vielleicht „Signore“? Nein, erläutert Ms. Columbo als kompetente Halbsardin, es hieße schlicht „scusi“, „Entschuldigung“.
Und da kommt er auch schon, der Signore Scusi. Mit einem Doppio und einem – Cappuccino … Eine Fehllieferung. Der Cappuccino geht zurück, ein Einzelespresso muss nachbestellt werden. Und das verwässert natürlich die Versuchsanordnung völlig.
„Der Effekt“, merkt Ms. Columbo spitzfindig an, „tritt natürlich nur dann auf, wenn wir eine gemeinsame Bestellung aufgeben.“ Was zu beweisen gewesen wäre. Wir werden dranbleiben.
Ober heißt auf Italienisch übrigens „cameriere“.
Herr Matt,
AntwortenLöschenist es das Aires am Großneumarkt gewesen (zugleich: am Abend müßten die eigentlich im Schatten sitzen und andere Espressotassen haben die auch - es ist vermutlich ein Italiener auf der Seite gegenüber) ?
Scusi, ich glaube, Ms. C. hat recht. Mir ist das auch schon einmal aufgefallen, daß immer dann, wenn ungerade Zahlen bzw. Mengeneinheiten von Espresso (3 x 1 oder ein doppio [= 2] und ein einfacher) bestellt werden, einer dabei ist, der dünne schmeckt und fast ohne Schaum ankommt.
Liegt das an den Maschinen, die immer nur zwei zur Zeit produzieren können ? Und woher um alles in der Welt kommt dann der dünne Dritte ?
Wird das ausgelutschte Espressogemahlene etwa noch einmal heimlich durchgedampft ?
Richtig geschmacklos wird es übrigens dann, wenn statt Espresso normaler Kaffee verwendet wird.
Ich bin sehr gespannt, was die Ergebnisse weiterer Versuchsreihen angeht.
Es handelt sich um das Locanda am Ende der Wexstraße. Beide Espressi waren übrigens ohne Fehl und Tadel.
AntwortenLöschenIch befürchte, Ms. Columbo hat Recht. Es gelten in der gnadenlosen Espressobranche die ehernen Gesetze:
AntwortenLöschen- Aus drei mach zwei.
- Den Letzten beißen die Hunde.
- Spülwasser wegschütten ist Verschwendung.
Problemlösung: Ms Columbo bestellt zuerst ein Wasser o. Ä. und ändert dann blitzschnell ihre Bestellung um.
Ja, das wäre einen Versuch wert. Erst wird der doppio bestellt, dann wartet der Gast das DangDang- Metallfilterabundausklopfgeräusch ab und dann: "Oh - ich habe es mir überlegt, ich nehme doch einen Espresso - scusi." Oder das Gehämmer kommt danach. Wenn nicht, dann ohoh...
AntwortenLöschenIm Kontrast dazu zehn Mal Doppio und einfach zugleich bestellen.
Eine Variante für die Testreihe.
Das ganze zehn Mal bei 14 verschiedenen Italienern. Und das Ergebnis natürlich gleich in den mitgeführten Lap eingeben für die Statistik, damit nichts verloren geht. Das ist Lebensart modern.
Oder einfach nur pingelig. Wahrscheinlich wird ein gefühltes Ergebnis ausreichen.
Für knapp 400,00 EUR wüßten wir es dann.
400 Euro für etwas, was man sowieso schon weiß?
AntwortenLöschenHmmmmmmmm....
Frau Anna,
AntwortenLöschendas schmeckt den Versuchspersonen und steigerte das Bruttosozialprodukt.
Könnte jedoch zugleich Wahlkampfhilfe sein für - oh nein, nicht schon wieder... Ich ahne die Schlagzeilen und das Geseiere des Chefvolkswirtes der Deutschen Bank. Es wird Sondersendungen von Bloomberg geben:
Espressoumsatz steigt, greift das Konzept der Inneren Sicherheit ? Der Bundesbürger fühlt sich wieder sicher und entspannt, es wird mehr Espresso getrunken. Ein untrügliches Zeichen für Erfolge in der Bekämpfung des Terrorismus. Aktienwerte von Lavazza steigen ins Unermeßliche. Italien beansprucht Sonderstellung in der EU, Ministerpräsident - ääh, wer ist das da gerade eigentlich ? - reist zu Sondersitzung nach Brüssel.
Ad infinitum ad emesis.
Herr Matt, Sie haben da bestimmt Einfluß, könnte Ms. C. als Sardin (ich erspare mir jetzt ein sich aufdrängendes Wortspiel mit Öl und Dose...) da vielleicht intervenieren ? Zusammen mit Herrn Scusi. Das wären doch schon zwei Unterschriften.
Meine Güte, was einem so Donnerstags morgens einfällt um