17 Juli 2006

Nur ich und der Teufel

Nach der Taufe, an der ich Berliner Freunden zuliebe teilgenommen habe, staut es sich vor der linken Kirchentür. Ich beschließe, durch die mittlere Tür hinauszutreten. Warum auch nicht? Schließlich bin ich so auch hereingekommen.

Ich bin schon halb hindurch, als ein panisch herbeistürzender Pfarrer die Flügeltür von außen gegen meinen Widerstand zu- und mich damit ins Kircheninnere zurückdrückt.

„Nein, nein!“, ruft er dabei mit flackerndem Blick, „hier dürfen Sie nicht hinaus!“ Aber die Tür sei doch offen, warum man denn nicht …

„Durch die mittlere Tür“, ruft er, „gehe nur ich – und der Teufel!“

Ehrlich gesagt entwaffnet mich dieses so inbrünstig hervorgestoßene Dogma augenblicklich. Auch mein Esprit erstirbt schlagartig. So verpasse ich die tolle Chance, in einer kleinen Rollenanmaßung sardonisch grinsend zu erwidern: „Nur Sie und der Teufel? Na, dann können Sie mich ja durchlassen! …“

Wir stehen uns also gegenüber, er draußen, ich drinnen, getrennt durch diese plötzlich mit immenser Bedeutung aufgeladene Tür, und er beginnt, die merkwürdige Sitte, mittlere Kirchentüren für den erwähnten Personenkreis zu reservieren, historisch herzuleiten. Bis zum Jahr siebenhundertnochwas reiche das alles zurück, erklärt er, und seine kräftigen Hände umfassen noch immer unnachgiebig beide Flügeltürgriffe.

Wer wäre ich, mit diesem offenbar erprobten Brauch zu brechen, jetzt, nach fast 1300 Jahren? Nein, ich gebe mich geschlagen und nehme die linke Tür.

Aberglauben halten die Evangelen übrigens für etwas sehr, sehr Böses.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Türen
1. „Mary shut the garden door" von Donald Fagen
2. „Open the door" von Betty Carter
3. alles von den Doors

12 Kommentare:

  1. Wie gut, daß die Kirche in Carmel keine mittlere Tür hatte. Bei meiner Laune hätte ich es drauf ankommen lassen...

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  2. Ich weiß nicht, ob Sie den tapferen und nicht gerade Model-schlanken Pfarrer im Kampf um die Tür hätten überwinden können. Er schien auch mit deutlich mehr Leidenschaft auf seiner Position zu beharren, und wie man aus dem Fußball weiß, ist die psychische Verfassung entscheidend beim Mobilisieren der letzten Reserven.

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  3. Wie sagten schon einst die Ramones: "You should never have opened that door"!

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  4. Hab ich ja auch nicht. Obwohl mich schon interessiert hätte, was passiert wäre …

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  5. Mein ganzer Glaube ist aber das paßt ja zu mir.

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  6. mann, einige evangelische pfarrer scheinen doch etwas speziell zu sein...
    ich bin zumindest schon durch einige mittlere kirchentüren gegangen, ohne probleme gehabt zu haben.

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  7. vielleicht war aber der pfarrer nur ein maskierter höllengnom, der sie exakt auf die linke türe steuern wollte, durch arglist?

    sehen sie flammen in ihrer umgebung lieber herr matt?

    ...

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  8. @ Opa, ich muss Sie, glaube ich, um eine Erläuterung Ihres Kommentares bitten.

    @ Anonymous, so wie ich den Kollegen in Berlin verstanden habe, hätten diese Pfarrer solch ein Sakrileg niemals zulassen dürfen. Jetzt haben sie wahrscheinlich selber ein Problem.

    @ ad, zumindest brennt mir just die Sonne auf den Pelz. Wenn das die Hölle ist: Her damit, dauerhaft!

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  9. Ich halte mich (katholisch getauft, ausgetreten, jedoch nicht wegen der Steuer) eigentlich für einen rationalen Menschen.

    Trotzdem würde ich nie in ein Flugzeug steigen ohne meinen kitschigen Buddha aus Porzellan (USD 2,50).
    Und jeden Samstag Nachmittag, wenn vorne gerade keiner rumsülzt, zünde ich im Bischofsdom in St. Georg ein paar Teelichter an für ein paar Menschen, die mir wichtig sind und denen es nicht gut geht.

    Was ist das anderes als Aberglaube?

    Hinzu kommt, daß von den wenigen tiefreligiösen Menschen, die ich kenne, bis auf einen Fundamentalisten keiner ein Arschloch war. Nein, es sind/waren gute Freunde.

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  10. Lieber Opa, die Wikipedia-Definition von Aberglauben („Aberglaube entsteht auch durch die falsche Zuordnung von Ursache und Wirkung.“) haben Sie als exakt richtig bestätigt.

    Übrigens kenne auch ich kaum tiefreligiöse Arschlöcher; praktisch allen würde ich bedenkenlos meine Geldbörse anvertrauen. Und das würde ich nicht von jedem Häretiker behaupten wollen.

    Für mich indes gilt der alte, ewig wahre Spruch der Neuen Frankfurter Schule ganz besonders: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“

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  11. Dann war da noch Nils Bohr, erklärter Rationalist, der ein Hufeisen über seiner Tür angebracht hatte. Von seinen erstaunten Freunden darauf angesprochen, meinte er: "Natürlich glaube ich nicht an daran. Aber mir wurde versichert, dass es trotzdem funktioniert."

    Paint it black!

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  12. Jaja, der gute Niels Bohr, immer für einen Spruch gut. Und wir wissen ja: Dänen lügen nicht! ;-)

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