18 November 2007

No sex, we’re british

Nachts auf dem Kiez, nicht weit vom Spielbudenplatz (Foto): Während um uns herum das Leben tobt, sitzen wir zu dritt in der beschaulichen Weinbar Traubenzauber und kriegen die Bedienung dazu, den ekligen 80er-Jahre-Pop durch Rat-Pack-Songs zu ersetzen. Sie leistet kaum Widerstand.

Als sie weg ist, kommt die Frage auf, welche Männer wir sexy fänden, wenn wir schwul wären. German Psycho erkürt (natürlich) Christian Bale zu seinem persönlichen Sexgott, zur Not akzeptiere er auch Brad Pitt.

C. pickt sich Jack Nicholson raus. Ich erbitte eine Lebensphaseneingrenzung und schlage die „Easy Rider“-Ära vor, was C. erleichtert bejaht.

Nur mir fantasielosem Hetero fällt kein Kerl ein, kein einziger. Was bedeutet das bloß, tiefenpsychologisch gesehen? Bin ich etwa – Gott bewahre – homophob?

Ohne Ergebnis wechseln wir gegen eins in den English Pub am Hans-Albers-Platz, wo plötzlich eine Prostituierte auftaucht. Sie verkörpert den orientalischen Typ mit ihren streng hinterm Kopf zusammengebundenen schwarzen Haaren, dem dunklen Teint und einer Nase, mit der man die Vorsilbe „Stups“ keineswegs assoziiert.

Durchs sorgfältig zerschnittene Blau ihrer hautengen Jeans schimmern weiße Fäden. Ihre Gürteltasche – Pflichtaccessoire aller Huren auf St. Pauli – scheint prall gefüllt. Kein Zweifel, sie will hier im English Pub klammheimlich und illegal ihr Revier erweitern.

Bald verschwindet sie mit einem jungen Türken aufs Klo. Doch die beiden haben die gewiss nicht knappe Rechnung ohne die Bedienung gemacht, die mit ihren blonden Zöpfen irgendwie zünftig und sehr entschlossen aussieht. „Heidi Stahl“ nenne ich sie insgeheim, obwohl das ein Spitzname ist, den German Psycho soeben für eine andere blonde Wuchtbrumme erfunden hat.

Heidi Stahl jedenfalls holt die beiden Geschäftspartner vom Örtchen, ihre Schimpfkanonade übertönt sogar die Musikbox. Dann schmeißt sie die Hure raus. Die wehrt sich nur der Form halber, sie weiß genau, was Sache ist und was ihr blüht, wenn sie sich mit Heidi Stahl anlegt.

Als sie sich trollt, trägt sie ihre bachtliche Nase grundlos hoch, was ihr beim Abgang zumindest den schwachen Anflug einer Siegeraura gibt.

Der frustrierte Junge hat die ganze Zeit wortlos dabeigestanden. Trotz seines offenkundigen Triebstaus lässt er keinen Kampfgeist erkennen, keinen unbedingten Willen zum Sex. Er geht ihr nicht einmal nach. Was ist nur los mit der Jugend von heute?

Amüsiert stehen wir am Tisch und kippen ein Newcastle. Es hat erstaunlich viel Schaum für ein englisches Bier, das muss ich schon sagen.

10 Kommentare:

  1. Es spielten sich durchaus noch ein paar lustige Szenen ab, nachdem Sie so früh verschwunden waren, aber besonders lange haben wir auch nicht mehr durchgehalten.

    Dafür bekam ich gerade einen Anruf meiner Eltern: Sie hätten gestern eine Dokumentation über so „Blogs” gesehen. Zum Glück nicht die Doku, in der ich vorlese... Puuuh.

    AntwortenLöschen
  2. "Heidi Stahl" - sehr schön. In meinem Kneipenumfeld sahen wir des öfteren mal eine Stahlhelmine, muss wohl eine Verwandte gewesen sein... ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Warum erlebe ich nie so etwas Spannendes? Warum? Warum nur???

    AntwortenLöschen
  4. Hmmm … Aachen? ;-)

    AntwortenLöschen
  5. Unerhört - jetzt treiben sich schon die Heten auf den Klappen herum?

    AntwortenLöschen
  6. Ähm, was sind denn „Klappen“ bitte, Herr Seebär?

    AntwortenLöschen
  7. Danke, Matt, sehr tröstlich, dass Sie es auf meine Stadt schieben. Manchmal habe ich ja auch so Anflüge, dass es an mir liegen könnte.

    AntwortenLöschen
  8. Vielleicht hilft Ihnen da Wikipedia weiter:

    So wurden Klappen einer breiteren Öffentlichkeit 1998 durch die Verhaftung von George Michael auf einer Klappe in Los Angeles bekannt.

    AntwortenLöschen
  9. Ach so … Es ist immer wieder erhellend, einen Kommentator mit so umfassenden Erfahrungen zu seinem Leserstamm zu zählen. Und das meine ich nicht einmal ironisch.

    AntwortenLöschen
  10. Wissen beruht auch - aber nicht ausschließlich - auf Erfahrung. Manchmal ist es allerdings besser, die Klappe zu halten ;-)

    (Sie erinnern sich bestimmt an das 3€ Angebot, das Opa vor dem Nuttenturm erhielt)

    AntwortenLöschen