„Spiritual Body Healing“, Sakralenergien, Chakradingens: Ich stand eindeutig vorm Hades der Esoterik. Wer schon länger in diesem Blog herumstöbert, kennt meine Haltung zu Humbug jeder Couleur. Insofern möchte ich Sie ermuntern, mir höchste Anerkennung zu zollen für den nächsten Schritt, den ich tat: Ich drückte trotz alledem die Türklinke und betrat diese Massagepraxis.
Nach dem Empfang durch einen muskulösen Herrn fernöstlicher Provenienz betrat ich die Toilette und gewahrte eine merkwürdige Rohrkonstruktion, die vom Wasserhahn des Waschbeckens zu einer Apparatur führte. Ein daran gehefteter Zettel informierte mich darüber, dass diese für eine „Informationslöschung auf null“ beim Wasser sorge.
Schwer stützte ich mich einen Moment auf die Keramik. Ja, ich war wirklich im Hades der Esoterik. Würde es mir gelingen, wieder unbeschadet zu den Gestaden der Wirklichkeit zurückzukehren?
Jedenfalls reduzierte ich angesichts der Wasserinformationslöschung auf null meine Erwartung an die bevorstehende Massage ebenfalls auf genau dieses Maß. Wahrscheinlich würde mir der Mann, ungeachtet seiner definierten Muskulatur, einfach nur eine Stunde lang die Chakren streicheln, Energieströme beflüstern und somit Dinge zu heilen versuchen, die a) nicht existierten und b) wenn doch, gar nicht kaputt waren.
Enorm erwartungsarm legte ich mich auf den Massagetisch und schaute, innerlich resigniert seufzend, einer von Klingklangmuzak umdudelten Wohlfühlstunde entgegen. Doch dann legte der Mann los. Und wie. Mehrfach musste ich in den folgenden sechzig Minuten Schmerzensschreie unterdrücken und vermochte sein sporadisches „Okay so?“ nur mit einem mühsam geächzten, Tapferkeit simulierenden „Ja, geht, kein Problem“ zu beantworten.
Am Ende waren meine Chakren Granulat. Er hatte meine Muskulatur aufgebrochen wie der Jäger das Wild. Und als er mich fragte, wie ich es gefunden habe, gestand ich ihm, eher auf Wellness eingestellt gewesen zu sein als auf eine amtliche Sportmassage.
„Nein, nein“, lachte er und schüttelte den Kopf. „Das war ganz klassisch. Bei einer Sportmassage wäre ich viel tiefer reingegangen.“
PS: In Ermangelung eines Beweisfotos gibt es hier eine Alsterimpression zu sehen – immerhin liegt die Praxis in der Nähe dieses Gewässers.