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29 März 2012
Von Tabletten, Teufeln und Toiletten
Eigentlich war der Plan, an diesem speziellen Tag eine Zugreise anzutreten, prekär genug.
Nach oraler Zufuhr von vier Loperamid-ratiopharm akut hoffte ich, die fünf Stunden bis nach Hamburg halbwegs schadlos zu überstehen. Auch sollten die Tabletten der unverscheuchbaren Vorstellung, unterwegs könnten im entscheidenden Moment (und davon würde es einige geben) zufällig alle Toiletten gleichzeitig belegt sein, ihren Schrecken nehmen.
Die bedenkliche Instabilität meines Metabolismus (man darf NIEMALS im Landesinnern Fisch vom Buffet essen, verdammt, und eigentlich weiß ich das auch!) hätte also schon gereicht, um diese Zugfahrt unschön zu kontaminieren. Doch dann traf sich auf dem Sitz vor mir auch noch ein Zufallspaar, das bald ein gemeinsames Interesse entdeckt hatte: seinen christlichen Glauben.
Ein Junge und ein Mädchen, beide um die 18. Schon nach kurzem Beschnuppern erörterten sie die Frage, ob der Teufel existiere. Man kam gemeinsam zu dem Schluss: ja. Die praktischen Probleme – wie schafft man es als Teufel, überall gleichzeitig zu sein, muss man sich die Zähne putzen, kann man in seiner Position Dermatitis kriegen usw. – ließen sie dabei außen vor.
Sodann ging es um uns, die Menschen. Wir seien ja perfekt von Gott erschaffen worden, behauptete sie. Na, nicht ganz, wandte er ein, und erinnerte an die blöden Zwischenfälle im Paradies. Aber Engel – immerhin –, die seien perfekt, schließlich täten sie immer, was Gott von ihnen verlangte.
Während ich innerlich nicht Gott, sondern Loperamid-ratiopharm akut lobpries, erzählte sie von ihrem aktuellen Wohnsitz, einer Kinder- und Jugendpsychiatrie in ****. Dort war sie gelandet, weil sie – trotz ihrer gottgegebenen Perfektion – dazu neigte, sich mit spitzen Gegenständen die Arme aufzuschlitzen. „Ah so“, machte er. Dann landeten sie bei den wirklich wichtigen Dingen – und dem Satz, der den Nachmittag rettete.
Während irgendwo hinter Göttingen die perfekte Sonne, die uns irgendwann verschlucken wird und sämtliche Religionen gleich mit, im Wald versank, sagte sie: „Ich glaube ja nicht, dass man wegen kleiner Sünden in die Hölle muss. Denn dann wäre ja der Himmel leer … Und die Hölle voll.“
Die Unfähigkeit dieser beiden Fasterwachsenen, das Diskussionsniveau von Konfirmanden hinter sich zu lassen, war erschütternd. Sie war auch ein Beleg dafür, wie verheerend Religion auf den menschlichen Verstand einwirken kann. Doch die verdrehte Logik dieser jungen fehlgeleiteten Frau amüsierte mich immens und half mir auf ähnlich segensreiche Weise über den Nachmittag wie vier Loperamid-ratiopharm akut.
Der Satz war genauso sinnvoll, als hätte sie gesagt: Ich glaube nicht, dass es morgen regnet, denn sonst besäße ich ja einen Schirm. Ihr Nachbar war trotzdem beeindruckt. Er schien mir sogar ein wenig erleichtert. Und erst beim Abschied in Celle fragte er sie nach ihrem Namen.
Als die Wirkung der Tabletten nachließ, war ich übrigens schon wieder zu Hause. Gottlob.
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Sie hätten den beiden ein paar Loperamid-ratiopharm akut verabreichen sollen, vielleicht hilft das ja auch bei geistigem Dünnschiss :D
AntwortenLöschenAch du... was für eine Zugfahrt! Konnten Sie nicht den Platz wechseln? Oder helfen angesprochene Tabletten tatsächlich beim Anhören so eines Gespräches nicht wahnsinnig zu werden?
AntwortenLöschenJeder SEO-Texter würde vor Neid erblassen. Dreimal einen Produktnamen in einem Text untergebracht, der sich trotzdem noch gut liest.
AntwortenLöschenIch werde von denen bezahlt.
AntwortenLöschenNa, das waren ja die richtigen zwei Denkakrobaten! Au weia, was es für Idioten gibt, einfach nur noch peinlich!
AntwortenLöschenVoll doof: Zwei Teenager, die nicht so schlau sind wie ich, unterhalten sich öffentlich über ihren Glauben! Haaa-haaa!
AntwortenLöschenWeiß nicht, lieber Herr Wagner... Hab hier schon souveränere Beiträge von Ihnen gelesen...
Das ist mir bewusst.
AntwortenLöschenIch möchte zu Protokoll geben, dass ich ein Fan bin. Ich lese Ihre Beiträge sehr gerne, Herr Wagner! Nur halt diesen nicht. Schönes Wochenende!
AntwortenLöschenAlso, Herr Wagner, ich fühle ja sowas mit Ihnen. Mein Weg führte unter sehr ähnlichen Begleitumständen von Braunschweig nach Hause, allerdings blieben mir die genannten Fahrgäste zum Glück erspart. Anstrengend war es allemal.
AntwortenLöschenMan lernt Muskeln und Konzentration kennen, die man beherrschen kann, man glaubt es als Unbeteiligter nicht. Keine weiteren Details, keine Angst. Aber Mitgefühl.