15 Mai 2009

Puff, günstig

Aus dem Hintereingang einer Spielhölle in der Seilerstraße taumeln mir zwei angetrunkene Geschäftsleute von Ende 20 vor die Füße, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der eine ein beleibter, gedrungener Afrikaner à la Forest Whitaker, dessen zu enges Hemd unschön über den Gürtel quillt; der andere eine spitterige blasse Gestalt mit hochgegeltem Haar, dunklem Anzug und einem Schlips schmaler als ein Lineal.

Die globalisierte Ausgabe von Pat und Patachon im Rotlichtviertel.

Der Dünne spricht mich an, in osteuropäisch gefärbtem Deutsch. „Wir suchen Puff, günstig“, vertraut er mir ohne Umschweife an. Ich signalisiere ihm sanft eine gewisse Unbedarftheit auf diesem Gebiet, ohne meine wohnsitzbedingte grundsätzliche Informiertheit zu verhehlen; völlig vergrätzen möchte ich die beiden ja nicht, schließlich bin ich dafür mitverantwortlich, dass Hamburg – hier: der Kiez – sich von seiner besten Seite zeigt.

Also beschreibe ich den pipileichten Weg zur Reeperbahn: Da vorne links, und schon steht man auf dem Boulevard der Lüste. Dort, sage ich, würden sie sicher fündig.

„Reeperbahn!“, juchzt der Dünne, „genau! Genau! So 30 Euro?“ Mein Grinsen verrutscht ein wenig ins Windschiefe. „Wie gesagt: So genau kenne ich mich nicht aus“, sage ich, „aber das scheint mir etwas wenig.“

Jetzt mischt sich der Afrikaner schüchtern ein. Er trägt kein Jackett, weil ihm offensichtlich heiß ist, doch den Würgegriff seiner Krawatte hat er keinen Millimeter gelockert.

„Wir sind nicht von hier“, entschuldigt er sich. Das ahnte ich freilich schon, belobige sein Bekenntnis gleichwohl durch aufmunterndes Lächeln. Er wirkt erleichtert.

„Gans’n Tag offen?“, lallt der Dünne weiterhin hochinteressiert. Eine Wegbeschreibung zur Herbertstraße scheint mir angesichts ihrer herabgesetzten Aufnahmefähigkeit unangebracht, deshalb bestätige ich das kurz und knapp.

Sie bedanken sich im Chor und wanken froh von dannen. Plötzlich dreht sich der Schmalhans noch mal um:

„Suche aber frisch, ne?“

Ich muss wirklich eine beängstigende Kompetenz ausstrahlen. Ein entsprechender Selbsttest vorm Spiegel heute Abend hat aber nichts Auffälliges ergeben.


6 Kommentare:

  1. Scheint wohl doch was an Dir dran zu sein.

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  2. Sehr schöne Szene. In meiner Heimatstadt wären die beiden bei solch einem Auftritt vermutlich bereits als Fischfutter (so es denn Fische im Main gibt) oder gleich als Messerblock geendet.

    In meiner Funktion als Wortjäger frage ich mich (bzw. Sie) allerdings, was denn "spitterig" zu bedeuten hat? Googlen/Googeln ergibt ganze 73 Treffer, das sind zwar mehr als bei "Yanga Rogeshwar", aber trotzdem immer noch viel zu wenig für ein real existierendes Adjektiv(?)...

    Um lexikalische Aufklärung wird gebeten.

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  3. Ich glaube, es könnte "spiddelig" gemeint sein, was ja auch zur Beschreibung paßt:

    http://www.ruhrgebietssprache.de/lexikon/spiddelig.html

    So ruhrgebietsbesonders ist es m. E. auch nicht, ich kenne es von klein auf aus Hamburg.
    Und kann mir gut vorstellen, daß es phonetische Abwandlungen gibt in anderen Regionen, die dann auch folgerichtig anders geschrieben werden.

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  4. Olaf, Sie liegen bestimmt richtig. Damals in Hessen sagte man jedenfalls „spitterig“ bzw. „spidderig“ und meinte damit einen dünnen Hecht. Und genau das meine ich auch jetzt noch.

    Googletechnisch ist es jedenfalls toll, nur 73 Kollegen zu haben.

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  5. herabgesetzte aufnahmefähigkeit- echtes kompetentens zeugnisschreibvokabular, suppi ey alder....
    bei den beiden herren hätten umwege nicht unbedingt die ortskenntnis erhöht- bei dir was das sicher schon öfter der fall...schönes WE

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  6. Das ist sogar definitiv so, weil ich einer der weltweit erfolgreichsten Verirrer bin, was stets sehr lehrreich ist.

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