07 August 2021

Die gemütlichsten Ecken St. Paulis (167)


Immer wenn ich durch den Alten Elbtunnel laufe, 
bin ich mir der 24 Meter hohen Wassersäule über meinem Kopf bewusst. 

Manchmal ein wenig zu sehr.


06 August 2021

Der Charaktertest

Im letzten Beitrag mit dem Titel „Und wieder ist ein Ständer weg“ informierte ich Sie und die staunende Welt über den erneuten Verlust meines Fahrradständers, den wohl jemand mit seit Jahren nicht stillbaren Kastrationsfantasien zu verantworten hat – gerade auf St. Pauli eine sehr kontraproduktive Störung.

Statt mir nun einen neuen Ständer zu besorgen, der alsbald wieder abgesägt würde, wie ein Blick in meine unbestechliche Glaskugel verriet, entschied ich mich zu einer Bastelstunde. Im Mittelpunkt: ein alter hölzerner Kochlöffel und eine Rolle Isolierband. Eine halbe Stunde später sah die Lage so aus wie auf dem Foto.

Allerdings spielte die Physik nicht mit. Zum einen war der Löffel etwas kurz, zum andern war er mit dem Bordmittel Isolierband nicht derart fixierbar, dass er davon abgehalten werden konnte, immer wieder zeitlupenhaft wegzuknicken. Meine Konstruktion war also nicht mal annähernd in der Lage, die selbstverständliche, mühelose Funktionalität des abgesägten Ständers auch nur vage zu imitieren. Immerhin kann ich mich seither wenigstens in der Gewissheit sonnen, weltweit der wohl einzige Radbesitzer von ganz St. Pauli zu sein, dessen Gefährt über einen ausklappbaren Kochlöffel verfügt.

Das Ganze bleibt also zunächst einmal unbehoben, deshalb widmen wir uns lieber Ms. Columbos Fahrrad, dessen Benutzung sie schon seit Langem aus Gründen, die hier nicht weiter von Belang sind, verschmäht. Seit Jahren fristet es in Ermangelung eines wettersicheren Unterstandes ein tristes Dasein auf unserem Balkon, mit allen Nachteilen, die Ero- und Korrosion so mit sich bringen.

Schon vorher war das Rad in einem Zustand, der mit „renovierungsbedürftig“ nur beschönigend beschrieben wäre. Eine der beiden Handbremsen ließ sich überhaupt nicht mehr zu einer Bewegung überreden, die andere zwar schon, indes zeigte sie keinerlei Wirkung. Die Lampen gingen weder vorn noch hinten, den Reifen gebrach es an Luft, das ganze Ding war ein einziges großes Elend. Und dann kamen auch noch die langen, einsamen Jahre auf dem Balkon hinzu, die Unbill wechselnder Jahreszeiten mit Regen, Frost und Hitzebrut, die den stetig herabrieselnden Großstadtdreck in gemeinschaftlicher Anstrengung zu einer bockelharten Schicht verbuken, deren Entfernung man nur noch einem Sandstrahler zutraute.

Die Frage war also: Was tun mit dieser Radruine? Sie weiter auf dem Balkon Platz beanspruchen zu lassen, während sie sehr, sehr langsam den Gang alles Irdischen ging, schien nicht mehr tragbar. Doch um sie zum Beispiel in den Stand eines Ersatzrades für mich zu versetzen, hätte ich gewiss 200 Euro – und damit weit mehr als den Restwert – in die Hand nehmen und sie zu einem die Hände über dem Kopf zusammenschlagenden Fachmann schleppen müssen – nur um das Rad nach Instandsetzung erneut auf dem Balkon den fatalen Folgen von Ero- und Korrosion auszusetzen. Und für 200 Euro habe ich ehrlich gesagt auf dem Flohmarkt schon Gebrauchträder gekauft, die sich drei Jahre lang weitgehend beschwerdefrei fahren ließen (ehe sie mir wieder geklaut wurden).

Nein, eine Rundumreparatur schied aus. In Absprache mit der Eigentümerin entschloss ich mich stattdessen zu einem Charaktertest der Nachbarschaft: Ich stellte das Fahrrad unten auf den Gehweg zu all den anderen dort versammelten Artgenossen – allerdings ohne es am Geländer festzuketten.

Was würde geschehen? Wie lange bliebe es wohl ungeklaut dort stehen in all seiner Verletzlichkeit? Würde jemand bei diesem Haufen Schrott überhaupt noch zugreifen? Und wenn ja, wie viel Zeit würde vergehen, bis sich ein GEWISSENLOSES RIESENARSCHLOCH OHNE WÜRDE, ERZIEHUNG UND RESTMORAL seiner bemächtigte?

Nun, es waren knapp 24 Stunden.

Ich finde, damit hat der Kiez den Charaktertest klar bestanden. 
Denn es hätten ja auch nur zwei Stunden sein können.

PS: Mein Kochlöffel ist übrigens immer noch dran. Weiß auch nicht, was da los ist. 



12 Juli 2021

Und wieder ist ein Ständer weg

Seit Jahren schnürt jemand durch St. Pauli und schneidet Fahrradständer ab. Natürlich ist es keineswegs sicher, dass es sich immer um dieselbe Person handelt, doch ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese selten anzutreffende Geistesstörung auf so kleinem Raum gleich zweimal vorkommt.

Nehmen wir also an, es handele sich um ein und dieselbe Person. Was wissen wir über sie? Sie sägt Fahrradständer ab, sodass sie unbrauchbar werden. Manchmal lässt sie das abgeschnittene Ende achtlos liegen, manchmal nimmt sie es mit. Handelt es sich bei dieser Störung um Penisneid im Freud’schen Sinne, der sich in einem Akt stellvertretender Kastration Linderung verschafft?

In diesem Fall hätten wir es möglicherweise mit einer Frau zu tun. Einer gefährlichen Frau. Denn vielleicht genügt ihr irgendwann kein Fahrradständer mehr. Sofern sie über einen Lebensgefährten verfügt, wünsche ich ihm alles erdenklich Gute. Und ein abschließbares Einzelschlafzimmer.

Mir hat diese Person bereits schätzungsweise viermal den Fahrradständer abgeschnitten. Ich hätte eine Strichliste führen sollen, dann könnte ich jetzt Genaueres sagen. In meinem letzten längeren Eintrag zu diesem lästigen Thema hatte ich um anonyme Informationen über die Motivlage gebeten, doch hat sich leider bisher niemand dazu bemüßigt gefühlt. 

Eine ebenfalls im erwähnten Blogtext von 2018 vorgestellte These halte ich übrigens für unplausibel. Dort hieß es, Ständerabsäger nutzten die abgesägten Reste zum Aufhebeln der Schlösser, um danach mit dem ganzen Rad vondannen fahren zu können. Aber mal im Ernst: Wenn ich losziehe, um Fahrradschlösser zu knacken, dann nehme ich mir doch entsprechendes Werkzeug mit, welches seine Praxistauglichkeit bereits im realen Einsatz nachgewiesen hat. Ein frisch abgeschnittener Alustummel wird damit doch nicht mithalten können und gewiss jede konstruktive Mitarbeit verweigern.

Wie auch immer: Motivationslage und Geschlecht der handelnden Person bleiben vorerst weiter im Dunkeln. Vielleicht lässt sie sich ja diesmal zu einem erhellenden Statement in den Kommentaren herab. Es interessiert mich wirklich!




28 Juni 2021

Die Frage ist nicht ob, sondern wann


Die Fassade gegenüber ist frisch gestrichen worden, gestern haben sie das Gerüst abgebaut. Heißt: Graffitischmiererei in drei, zwei, eins …

Mehr in aller Bälde.


24 Juni 2021

Als wären sie nie da gewesen

Unten im Treppenhaus, direkt hinter der Eingangstür, hat es sich ein Paar gemütlich gemacht, das hier definitiv keinen Mietvertrag besitzt. Es versperrt mir, der ich das Haus verlassen will, den Weg. Nach der Größe der herumliegenden Rucksäcke zu schließen, haben die beiden ihren halben Hausrat dabei; eher ist es sogar ihr ganzer. Auch zwei Fahrräder gehören dazu.

Eins davon ist ein Herrenrad. Es wirkt selbst auf einen Laien wie mich recht hochwertig. Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass sein Besitzer schlüssig und rechtskonform herleiten könnte, wie er dessen habhaft wurde. Die Frau verbirgt sich halb unter einer Hoodiekapuze, tut geschäftig und brabbelt wirr vor sich hin, während er ansprechbar wirkt.

„Bitte gehen Sie“, sage ich zu den beiden, die nach meinem Auftauchen – wohl aus langjähriger Vertreibungserfahrung klug geworden – bereits eigeninitiativ damit begonnen haben, ihr Lager abzubrechen. „Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?“

Der Mann trägt Radlerhosen und Haar- und Bartfrisuren, die schon lange nicht mehr von einem Profi in Augenschein genommen wurden – und Letzterer würde sich bei einem entsprechend vorgetragenen Anliegen wahrscheinlich auch weigern, ohne Gefahrenzulage tätig zu werden.

„Die Tür stand auf“, antwortet der Mann, ohne mich anzuschauen.
„Ich warte, bis Sie weg sind“, sage ich.

Es dauert lange Minuten, ehe alles weitgehend still und stumm verstaut ist. Auch ein Ladegerät will aus der frei zugänglichen Steckdose, die dummerweise über dem Stromkasten angebracht ist, entfernt werden. (Notiz an mich selbst: Hausverwaltung um ein Steckdosenschloss bitten.)

Ich bin den beiden nicht böse, auch sie wollen schließlich über die Runden kommen. Aber einfach über ihr Treppenhauslager hinwegsteigen und sie in Ruhe lassen, das kommt mir auch nicht richtig vor. Nach einer Weile ist das Lager geräumt. Ich verlasse hinter ihnen das Haus und überprüfe von außen, ob die Haustür sich aufdrücken lässt. Tut sie nicht.

Später sehe ich vom Balkon aus, wie die Hoodiefrau gegenüber unter einem Gerüst sitzt und sich anscheinend Substanzen zuführt, ich vermute intravenös. Er geht ab und zu rüber, lässt sich anbrabbeln, und irgenwann, als ich mal wieder vom Balkon aus die Lage checke, sind die beiden verschwunden.

Den Hausflur hinterließen sie übrigens rückstandlos sauber. Als wären sie nie da gewesen.

PS: Das irgendwie passende Foto zeigt den Bauzaun an der Taubenstraße.




22 Juni 2021

Die Tauben eskalieren wieder

Heute auf dem Balkon wurde ich, obzwar von guten Mächten – nämlich unserem Sonnenschirm (Foto) – wunderbar geborgen, Opfer eines im Flug in Einzelteile zerfallenen Guanogeschosses. Dessen Farbe (grünweiß) und Konsistenz (schleimig) lenkten meinen Verdacht schnell auf eine Vertreterin der Taubenvögel. Obwohl ich nicht genau weiß, warum, wäre mir eine Möwe lieber gewesen.

Aber egal: Ich wurde getroffen, und zwar am rechten Brillenbügel sowie am Unterarm, und der fetteste Batzen dieser ordentlichen Portion Taubenkacke landete mitten auf dem Monitor meines MacBook Pro von 2018. Eine Fotodokumentation erspare ich Ihnen; schließlich sollen sie nicht auf unschöne Weise an einen der größten cineastischen Fehler Ihres Lebens erinnert werden, nämlich den Besuch von Faith Akins Film „Der Goldene Handschuh“ – oh, Verzeihung. Ich sage nur so viel: Dieser grünweiße Schleim war flüssig genug, um pfützenartig aufzuplatzen, jedoch auch ausreichend kohäsiv, um nicht gravitationsbedingt in Fluss zu geraten.

Dass er mich und mein MacBook Pro überhaupt traf, obwohl wir beide eigentlich wunderbar geborgen unterm Sonnenschirm saßen, lässt einen wichtigen forensischen Rückschluss zu. So kann der tatverdächtige Vogel keinesfalls aus einer Ruheposition heraus aktiv geworden sein. Es saß also nicht irgendwo über uns herum und führte gemütlich ab. Nein, im Flug muss er seine Last losgeworden sein, wodurch diese eine schräge Falllinie einnahm. Die Schutzfunktion unseres Sonnenschirms ist indes nur für Geschosse TÜV-lizenziert, die in einem akkuraten 90-Grad-Winkel herniederprasseln.

So sah mich St. Pauli heute Vormittag fluchend auf einem Retinadisplay herumrubbeln. Die letzten Spuren der Attacke entdeckte Ms. Columbo noch nachmittags, und zwar oberhalb meines rechten Ohrs, inzwischen geruchsneutral eingetrocknet.

Nach mehr als zwölf Jahren der relativ friedlichen Koexistenz im Anschluss an die legendären Taubenkriege von St. Pauli interpretiere ich diesen Zwischenfall nun als erstmalige Erhöhung der Eskalationsstufe. Jetzt muss über Reaktionsoptionen nachgedacht werden. Ich meine: Was täte Joe Biden, wenn ein nordkoreanischer Torpedo das Heck des Flugzeugträgers USS Theodore streifte?

Eine Frage, die sich vor allem die hiesigen Vertreter der Taubenvögel stellen sollten. Aber egal, was passieren wird: Ich habe nicht angefangen.




17 Juni 2021

Kalauer (7–15)

Vier Jahre lang machte diese Rubrik Pause, was aber nicht an mangelndem Basismaterial lag, sondern an den weltmeisterlichen Prokrastinationsskills des Blogbetreibers.

Hier nun ein paar weitere Preziosen, gewachsen auf dem Mist engagierter Unternehmer unter Leadership (natürlich) von Friseuren. Den visuellen Konsum dieser Dokumente möchte ich allerdings nur geistig und mental gefestigten Personen empfehlen.










Entdeckt zumeist in Hamburg, aber durchaus auch in Erfurt.

15 Juni 2021

Fundstücke (253)

Da fragt man sich doch unwillkürlich, wie viel denn „Sex für 39 Euro“ zu überteuerten Preisen kosten würde. Na ja, jedenfalls geht es wieder los auf der Reeperbahn und drum herum, wenn auch unter Auflagen.

Entdeckt am Eingang des Geiz-Clubs an der Reeperbahn.

13 Juni 2021

Unter Corona (14): Die Rückkehr des Bösen

Seit Monaten pinkelte, kotzte und kackte uns niemand mehr in den Hauseingang, und samstagsmorgens, wenn ich zum Brötchenholen aufbrach, musste ich von dort auch keine Junkies mehr verscheuchen. Ehrlich gesagt: Nicht alles war schlecht am Lockdown. So sorgte er zum Beispiel auch für einen spürbaren Krakeelerschwund.

Natürlich, diese jeglicher Außenwirkungskontrolle abholden Herumbrüller waren auch vor Corona auf St. Pauli nicht endemisch, doch sie empfanden unser Viertel als natürliches Habitat und prägten durchaus das hiesige Biotop. Vor allem durch die kiezspezifisch beständige Zufuhr von Alkoholika vermochten die Krakeeler St. Pauli akustisch mit großem Erfolg in Beschlag zu nehmen. Demzufolge war ihr Besatz im Viertel vor Corona enorm.

Doch nachdem hier alles schließen musste, sank der Krakeeleranteil signifikant. Dem verbliebenen Restbestand erwuchs allerdings ein Killerfeature, welches den zahlenmäßigen Schwund mehr als auszugleichen in der Lage war. War die von ihnen ausgehende Belästigung bisher ausschließlich sonischer Natur, so wurden diese Leute im Zuge der Krise nun auch zu hoch effizienten Aerosolemittenten. Zwar war das auch vorher schon der Fall, aber auch ziemlich egal, da ihre eruptiven Speichelwölkchen coronafrei waren. Nun hatte dieses Phänomen seine Unschuld verloren. Wir hielten in den Monaten der Einschränkungen also noch mehr Abstand zu den Restvorkommen dieser Spezies als eh schon.

Jetzt, seit den Lockerungen, ist im Grunde alles wie vorher: Enthemmte Teilnehmerinnen von Junggesellinnenabschieden torkeln wieder Lieder kreischend durch die Straßen, ohne sich im Geringsten um Ton- und Textsicherheit zu scheren, Horden junger Betrunkener versuchen sich selbst auf Kurzdistanz so zu verständigen, als wären ihren Saufkumpanen die Hörgeräte abgestürzt, und die Rückkehr der Harleyhirnis führt uns vor Ohren, welch erstaunlich unterstützende Wirkung 120 Dezibel auf unsere Mordlust haben.

Doch nicht nur der Lärmpegel nähert sich hier wieder seiner Vor-Corona-Infernalität. Vor unserer Haustür liegt auch sonntagsmorgens wieder das übliche Junkiebesteck (Foto), und beim Kiezbäcker hörte man wieder Dialoge wie folgenden (absolut authentisch, ich schwör): „Digger, machst du mir ’n Brötchen mit Pute klar? Und ’ne Capri-Sonne? Und 'n Eistee, Digger!"

Lockdown, wo bist du, wenn man dich mal braucht?




12 Mai 2021

Pareidolien (130–140)

Den letzten Eintrag zu dieser Serie leitete ich mit der Bemerkung ein, sie – diese Serie – liege trotz ihres durchaus erfreulichen Zuspruchs schon seit anderthalb Ewigkeiten entsetzlich brach, und das gilt auch diesmal. Denn seit drei Jahren gab es an dieser Stelle keine einzige neue Pareidolie.

Um das nonchalant zu übertünchen, schrieb ich beim letzen Mal, kämen nun gleich sechs auf einmal. Diesmal sind es sogar elf.

Aber natürlich reicht keine davon heran an die grandiose Sammlung der unvergleichlichen Wiener Pareidolie-Tante.




12 April 2021

Fundstücke (252)

In der S-Bahn-Station Reeperbahn sind die Wände neuerdings schön bunt. 

Doch wer sich nach einer wilden Kieznacht (Scherz) zu orientieren versucht, wird Mühe haben festzustellen, wo er überhaupt hingeraten ist, so schüchtern versteckt sich das Wörtchen „Reeperbahn“ im psychedelischen Wanddekogewusel.

Immerhin ein Zeitvertreib, bis die nächste Bahn kommt.



06 April 2021

Neues aus St. Pauli (vor allem Kulturelles)

1. Die Kiezfirma Film Fatal, deren höchst unterhaltsame Webserie „Freelancers“ hier im Dezember über den grünen Klee gelobt wurde, hat was Neues in der Mache: den einstündigen Spielfilm „Theater Reeperbahn“ über eine obdachlose Schauspielerin auf St. Pauli. Das Werk ist schon abgedreht, braucht für den letzten Schliff aber noch ein wenig Kohle, beschaffbar der Einfachheit halber über die Crowdfunding-Plattform Startnext. Hier ein paar offizielle Zeilen zum Inhalt:

„Die obdachlose und alkoholkranke Schauspielerin Ewa (Elga Schütz) wünscht sich nichts mehr, als wieder auf der Bühne zu stehen. Tagsüber sammelt sie Pfandflaschen, nachts schleicht sie sich in ihr ehemaliges Theater, um dort in Erinnerungen an ihre alten Bühnentage zu schwelgen. Doch die neue Direktorin (Laura Ehrich) schöpft Verdacht und ist ihr auf den Fersen. Als Ewa den filmverrückten Matz (Nils van der Horst) trifft, sieht es so aus, als könnte sich ihr Leben doch noch mal ändern. THEATER REEPERBAHN ist ein Film über die oft fragile Lebenssituation von Künstlern und Kulturschaffenden in Deutschland, die besonders krisenanfällig sind, wie auch die Coronapandemie sehr deutlich gemacht hat. Für Arthouse-Lover, Schwarz-Weiß-Verehrer und St.-Pauli-Film-Fans.“
Je nach Unterstützungsbetrag landet man zum Dank sogar im Abspann des Films – die höchst seltene Chance also für jedermann und -frau, auf denkbar einfachste Weise selbst in die Geschichte des Kinos einzugehen, ohne den entbehrungsreichen Weg eines Brad Pitt absolvieren zu müssen. (Foto: Film Fatal)

2.
Mein Blogtext zum Penny-Laden auf der Reeperbahn hat es ins Stadtteilblatt Der St. Paulianer geschafft und damit gewissermaßen ins richtige Leben. In die Zeitschrift kann man natürlich wiederum online reinschauen, und zwar hier.

3. Heute sah ich – sollte ich sagen: endlich? – mal wieder ein Kondom, das auf dem Gehweg am Spielbudenplatz nach Erfüllung seiner Pflicht erschöpft herumlag. Mir wurde fast ein wenig nostalgisch zumute.


Update 06.04.2021, 20.30 Uhr: Die Abspannplätze im Film „Theater Reeperbahn“ sind inzwischen ausgebucht. Unterstützen kann man das Projekt aber natürlich weiter.




23 März 2021

Aus die Maus!


Es gibt Neuigkeiten zu unserem vielfach geschilderten Mäuseproblem, und zwar erfreuliche bzw. betrübliche; das hängt ganz von der Perspektive ab. Der letzte Stand war der, dass wir Lebendfallen aufgestellt hatten, welche unsere Nager interessiert beschnupperten, aber mehr auch nicht. Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle widerwillig bewundernd die Intelligenz unserer fallenvermeidenden Mitbewohner gelobt. Im Lichte der jüngsten Ereignisse möchte ich zwar nicht gänzlich davon abrücken und stufe sie – die Mäuseintelligenz – noch immer höher ein als jene der Ministerpräsidentenkonferenz, doch es ist etwas geschehen, was ins Gesamturteil einfließen muss. 

Zunächst ging allerdings unsere Wildkamera kaputt, sodass visuelle Nachweise der fortdauernden Anwesenheit unserer Mäuse nicht mehr möglich waren. Auch Spuren wie köttelgestützte Reviermarkierungen tauchten nicht auf. Das Problem war wahrscheinlich noch da, doch die alte Strategie „Aus den Augen, aus dem Sinn“ bewährte sich auch in diesem Fall: Wir begannen die Mäuse zu vergessen. Das Schlagfallenarsenal hatte ich längst abgebaut, nur hier und da stand noch ein verschmähtes Köderdöschen herum, und irgendwann sammelte ich auch die meisten Lebendfallen wieder ein. 

Doch gestern stieß ich unter der Küchenanrichte auf eine gut versteckte und deshalb vergessene Doppelfalle. Diese Konstruktion zeichnet sich durch zwei gegenüberliegende Schlagfallen aus, die von einem halbrunden Plastikdach überwölbt und so in einen für Mäuse gewöhnlich reizvollen Tunnel verwandelt werden. Solche Dinger standen monatelang an allen Ecken und Enden unserer Wohnung herum, mit lecker Erdnussflips beködert und dennoch von allen anwesenden Nagern nur beäugt, doch nie betreten.

Als ich also gestern die vergessene Tunnelfalle hervorzog, um auch sie wie alle anderen in der Abstellkammer einzulagern, fiel mein Blick auf etwas Längliches, das aus einem Ende hervorragte: ein Mäuseschwanz! Da war doch wahrhaftig etwas geschehen, mit dem ich nach all unseren frustrierenden Erfahrungen nie mehr gerechnet hätte: Eine Maus war in die Falle gegangen! Doch unglaublicherweise bot sich gegenüber, am anderen Ende der Tunnelfalle, das gleiche Bild: ein herausschauender Mäuseschwanz und auch dort das dranhängende Tier, erschlagen vom Fallenbügel. 

Jetzt verstehen Sie, warum ich das Ergebnis des Mäuse-IQ-Tests relativieren muss. Ich meine: Wenn es an einem Ende der Falle bereits eine erwischt hat, sollte ihre Kollegin, die irgendwann danach am anderen Ende auftaucht – sofern sie wirklich intelligenter ist als die Ministerpräsidentenkonferenz, wovon ich weiterhin unter keinen Umständen abrücken möchte –, wenigstens so clever sein und sich trollen, anstatt den gleichen Fehler zu begehen.

Warum das dennoch geschah und wann genau, das werden wir nie erfahren. Jedenfalls endete somit doch noch alles erfreulich bzw. betrüblich. Das hängt ganz von der Perspektive ab.




25 Februar 2021

Die gemütlichsten Ecken St. Paulis (164)


Auch bei den Chemtrails, mit denen der Impfstoff in die Bevölkerung eingebracht wird, gibt es anscheinend bestürzende Lieferengpässe. Anders ist der einsame Strahl da oben nicht zu erklären.


Entdeckt überm Hafen von Park Fiction aus.

23 Februar 2021

Wie ich mal Albert Einstein bestätigte

Gestern bei Penny an der Reeperbahn versuchte ich wie üblich kontaktlos zu zahlen und hielt meine Karte vors Lesegerät. Es piepte empört. Die Kassiererin schaute irgendwo ins Nirgendwo und sagte: „Falsche Karte.“

Jetzt sah ich es auch: Auf dem Display stand in Großbuchstaben „FALSCHE KARTE“. Aber an meiner Karte, sehr verehrtes Penny-Kartenlesegerät, ist ganz und gar nichts falsch! Es ist meine sturmerprobte Haspa-Girocard. Sie tut immer klag- und seit längerer Zeit gar kontaktlos ihren Dienst.

Die Kassiererin schaute weiter desinteressiert und überließ mir das weitere Vorgehen. Mir fiel Albert Einsteins Definition von Wahnsinn ein: „immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“. Also hielt ich die Karte noch einmal vor die magisch-magnetische RFID-Fläche, und siehe da, diesmal klappte es. Aus der falschen Karte war unversehens die richtige geworden. Einstein war bestätigt. Mein Wahnsinn ebenfalls. 

„Treuepunkte?“, murmelte die ins Nirgendwo blickende Kassiererin hinter ihrer Maske. „Nein“, sagte ich und ergänzte im Bestreben, sie und die ganze Situation ein wenig aufzuheitern, „ich bin nur meiner Frau treu.“ Sie schaute nicht mal hoch. „Kassenzettel?“ „Ja, bitte.“ 

Wie wir aus einem unlängst hier veröffentlichten und reich bebilderten Blogtext wissen, hat sich der besagte Penny-Laden auf der Reeperbahn vor Kurzem äußerst rotlichtkompatibel aufgehübscht. Aber was nützt es, uns per Neonleuchte mit einem kobernden „Komm knabbern“ zu umsäuseln, wenn es dem Personal an jedweder Milieukompatibilität gebricht? 

Denn mal ehrlich: Mit Schmallippigkeit, Desinteresse und einem Blick ins Nirgendwo hat in der Davidstraße noch keine Bordsteinschwalbe je einen Wurm aufgepickt. Es sei denn einen, der genau auf so was steht. 

Ich gehöre nicht dazu.


11 Februar 2021

Fundstücke (251)

Es war bestimmt nicht ganz einfach, für diesen Doppelwhopper die Zulassung zu bekommen. 
Aber ich habe mir das Nummernschild angeschaut: Es sah völlig in Ordnung aus.


Entdeckt am Grünen Jäger, St. Pauli.


08 Februar 2021

So sind sie, die Bullen, und nicht anders

St. Paulianer halten sich selbst gerne für ein wenig besser als den Rest der Stadt. Für politischer, reflektierter, empathischer, toleranter. Vielleicht stimmt das tendenziell sogar. Vor peinlichen Pauschalurteilen mancher Stadtteilbevölkerer schützt uns das trotzdem nicht.

Als neulich in der Bernhard-Nocht-Straße – sie liegt direkt oberhalb der für die jüngere Stadtgeschichte so berühmten wie berüchtigten Hafenstraße – ein Haus abgerissen wurde, kam eine unbefleckte Fassade zum Vorschein, die somit zum alsbaldigen Beflecken einlud. Kurz darauf landete der auf dem Foto dokumentierte Satz auf der Wand, für den ich mich als St. Paulianer nicht wenig fremdschäme.

Denn intellektuell bewegt sich diese Behauptung leider auf dem tiefergelegten Niveau von „Männer sind Vergewaltiger“, „Frauen können nicht einparken“ oder „Schwarze schnackseln gern“.

Aber nehmen wir einmal für einen Moment lang an, es wäre wirklich so: Welche Bedingungen müssten gelten, damit dieser Satz wahr wäre und bliebe? Die einzige Chance bestünde wohl darin, bereits bei der Bewerberauswahl zur Polizeiausbildung sicherzustellen, dass all jene systematisch ausgesiebt würden, die keine Rassisten sind.

Beim Einstellungsgespräch wäre also eine entsprechende Abfrage unabdingbar. Nach dem Motto: Eine Frage noch, ganz, ganz wichtig: Sind Sie Rassist? Ach, echt nicht? Tja, dann können wir Sie leider nicht gebrauchen, denn Sie haben es vielleicht übersehen, aber Bullen sind Rassisten.

Schon ein einziger Polizeischüler, der nichtrassistisch ist und trotzdem eingestellt worden wäre, würde die hier dokumentierte Fassadenbefleckung glorios widerlegen. Schon ein einziger Schwarzer, der weniger gern schnackselt, würde das Pauschalurteil der hautfarbenabhängigen Promiskuität ad absurdum führen. Eine einzige Frau, die einparken kann … Und so weiter.

Natürlich gibt es Bullen, die Rassisten sind. Genauso wie es linke Antisemiten gibt. Oder auf dem Kiez beheimatete Wandbeflecker, die sich intellektuell auf dem Niveau von Mario Barth bewegen – was zwar bedauernswert ist, aber nicht schlimm wäre, solange sie nicht dummerweise den Drang verspürten, die ganze Welt an ihrem Defekt teilhaben zu lassen.

Na ja, gut, dass dort in der Bernhard-Nocht-Straße bald ein neues Haus hochgezogen wird.