Unlängst wurde ich von dem verdienstvoll in der Literaturgeschichte stöbernden @germanpsycho auf einen Text von Kurt Tucholsky hingewiesen.
Der, also Tucholsky, war bereits 1927 nach einem St.-Pauli-Besuch zu dem Schluss gekommen: Rund um die Reeperbahn (oben ein Foto von heute) wird ganz schön rumgentrifiziert. Und nicht in jeder Hinsicht zum Nachteil des Viertels:
So leid es mir tut: Sankt Pauli ist sehr brav und fast gut bürgerlich geworden. Der stöhnende Trubel der Inflation ist dahin; und es gibt keine ›Sailors‹ mehr, die vier Monate auf dem Meer mit dem Schiffszwieback und den Ratten und dem Kapitän allein waren, und vier salzige Monate lang keine Frau mehr gesehen hatten; und es gibt nicht mehr diese tobenden Nächte und nicht die bunten Verbrechen ...
Nun, Tucho wusste natürlich noch nichts vom Schlagermove, sonst wäre sein Urteil anders ausgefallen.
Was es 1927 ebenfalls schon gab, waren die Koberer, die Passanten in die Etablissements locken sollten und wollten. Ihre Sprüche unterschieden sich damals allerdings deutlich von den heutigen.
Während unsereins bisweilen konfrontiert wird mit unwiderstehlichen Verheißungen wie „Ihr könnt gar nicht so schnell wichsen, wie die sich ausziehen!“, versuchte man Tucho vor 90 Jahren mit einem anderen Killerargument zu bezirzen:
Da, an der Ecke, wollte uns der Portier hineinlocken – die Damen seien alle in Schwimmhosen, versicherte er.
Wie es bei den Damen obenrum aussah, erwähnte der „Portier“ leider nicht. Und da die Aussicht auf Schwimmhosen bei Tucholsky nicht verfing, bekam er auf St. Pauli keine einzige dieser Damen zu sehen, weshalb er sich zu weiteren Bekleidungsdetails auch nicht äußert.
Erfolgreicher war er aber in der Nähe des Gänsemarktes, jedoch nicht mehr in jener Nacht; längst nämlich war auch diese Gegend, wie Tucholsky bedauert, des nachts brav und bieder geworden.
Doch er erinnert sich noch an einen Anbaggerspruch, mit dem ihn dort am Gänsemarkt einst eine Frau ins Separee bitten wollte, wahrscheinlich zu einem philosophischen Gespräch.
Der Spruch sollte, wie ich hiermit finde und ultimativ verlange, sofort auf dem Kiez – vor allem in der David- und Herbertstraße – wiederbelebt werden:
»Na Kleiner! Komm! Dich kenn ich doch noch aus Honolulu!«
Und wäre sie wirklich jemals dort gewesen, dann hätte diese Dame – darauf setze ich alle meine Dollhouse-Dollar – Schwimmhosen getragen.
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