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27 Juni 2011
Von Punk und Plauzen
„Mike Ness“, konstatiert der Einheitskanzler beim ersten Bier des Abends, „hat inzwischen genau so eine Plauze wie ich.“
Kein gutes Vorzeichen für ein Punkrockkonzert mit Ness’ Band Social Distortion, auf das ich mich schon seit Monaten freue und zu dem ich den Einheitskanzler als Begleitschutz engagiert habe. Doch es wird wieder mal so ein Abend, an dem ich die Welt nicht mehr verstehe, was inzwischen beunruhigend oft vorkommt.
Noch während der Vorband nämlich erklärt mir der eigentlich stockkonservative Einheitskanzler, er möge Billy Bragg. In Worten: Billy Bragg.
Klar, Herr Bragg ist nachgewiesenermaßen großartig, aber auch ein unbeirrbarer, störrischer Kommunist, und den darf ein Stahlhelmzyniker wie der Einheitskanzler niemals mögen, sonst ist heute Abend mal wieder so ein Abend, an dem ich die Welt nicht mehr verstehe.
Gleichwohl beharrt der Mann aufs Braggmögen, während er zur Bekräftigung ein Bier ums andere ordert. Selbst mein sinngemäßer Einwand, Bragg passe zu seinem Weltbild wie Senf zu Gummibärchen (eine Kombination, die Dr. K. übrigens liebt), vermag den tätowierten Vierschröter nicht zu beirren.
Eine der drei Grazien, die im Docks hinter der Theke stehen, perfektioniert diesen eh schon verstörenden Abend dann mühelos. Sie arbeitet schon seit Freitag hier, immer spielen Social Distortion mit Frank Turner als Vorband. Frank Turner, sagt sie, sei unglaublich geil, sie plane sogar dessen eigene Headlinertournee im Dezember definitiv aufzusuchen, dabei möge sie eigentlich nur R’n’B.
Frank Turner, meine Damen und Herren, spielt Folkpunk, aber so was von, da wäre sogar Billy Bragg hin und weg, und warum mag jetzt eine im Docks bedienende R’n’B-Schnepfe im Sommerkleidchen Frank Turner?
Manchmal verstehe ich einfach die Welt nicht mehr.
Mike Ness hat übrigens überhaupt nicht so eine Plauze wie der Einheitskanzler, aber vielleicht habe ich mich auch nur verguckt.
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lieber matt, sie vergessen dabei: ich war auch mal jung. und auch wenn ich nicht genau weiss, wer emmittent dieses bonmots ist, so unterschreibe ich es dennoch bedingungslos. "wer in der jugend kein kommunist war, hatte kein herz; und wer es im alter noch ist, der hat kein hirn..." (sinngemäss zitiert). ausserdem, wenn man die triefende selbstironie billy braggs mal beiseite lässt, dann ist eine refrainzeile wie: "i dont want to change the world, i'm not looking for a new england, i'm just looking for another girl" einfach prima. denn die musik und die liebe überschreiten seit jeher alle politischen stacheldrähte. amen!
AntwortenLöschenp.s. ich fand es übrigens sehr geil gestern, woran herr turner einen großen anteil hatte, der offenbar auch am mischpult ausgewiesene fans hatte - der sound war bei ihm jedenfalls kristallklar und der gesang gut zu verstehen.
Stimmt, das ist mir auch aufgefallen. Normalerweise hat die Vorband ja immer den deutlich mieseren Sound.
AntwortenLöschenDas Bonmot ist natürlich noch immer zitabel. Allerdings glaube ich Ihnen trotzdem nicht, dass Sie mal Kommunist waren. Ich werde demnächst einfach mal Ihr Detailwissen über den historischen Materialismus auf die Probe stellen … ;)
Ja, der Herr Turner ist großartig, allerdings habe ich gestern abend um 23 Uhr nur enttäuschte Gesichter mit Social Distortion-Shirts gesehen...
AntwortenLöschenIch danke Ihnen vielmals für den Tipp mit Frank Turner. Bisher kannte ich ihn nicht, nach dem ersten Probehören scheint es sich allerdings zu lohnen ihn kennen zu lernen.
AntwortenLöschenwerter matt, da mir jedwede orthodoxie suspekt war und ist, blieb eigentlich nur der gang zu den grünen (jedenfalls damals!), wo ich an der uni sogar aktiv in der ähem "kollektivleitung" tätig war - bis mir irgendwann der immanente widerspruch dieses begriffes gegenwärtig wurde. nach der wirtschaftstheoretischen ausbildung war dann auch der marxismus nicht mehr erstrebenswert (wofür marx allerdings gar nichts kann, denn dass es einmal anti-trusts geben würde, die die akkumulation des kapitals und damit die selbstabschaffung des dazugehörigen *ismus verhinderten, das konnte der olle karl ja nicht wissen). beim rcds war ich allerdings nie ;-). seit dieser zeit bin ich auch - wie sie richtigerweise feststellen - zyniker (wobei ich den stahlhelm - hugenbergscher prägung - dankend ablehne). vierschrötig ist übrigens ein schönes wort, das ich meinem wortschatz gerne hinzufüge...
AntwortenLöschenOkayokay, ich blase den Test ab …
AntwortenLöschenIhr Umgang mit liebevollem Spott gefällt mir übrigens.
Wann heiraten Sie beide eigentlich?
AntwortenLöschenDas ist übrigens eine jener Fragen, die man in den 90er Jahren noch nicht verstanden hätte.
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