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14 Februar 2011
So weit ist es in Deutschland schon gekommen
Vor der Postfiliale steht ein falsch geparkter Pinneberger Nissan Micra mit eingeworfener Heckscheibe. Der dazu missbrauchte Pflasterstein liegt noch auf der Rückbank.
Vorn auf der Ablage macht sich ein Exemplar der BILD-Zeitung breit, auf dem Beifahrersitz ein roter Mantel. Man muss sich Sorgen machen.
Plötzlich tapst ein älterer kleiner Herr mit Hut heran. Sein Gesicht ist grau und geprägt von faltigen Hautlappen. Ihn umschlottert ein Trenchcoat, der erstaunlich treffsicher seiner Gesichtsfarbe entspricht. Der Mann stellt eine leere Limonadenflasche auf dem Dach ab und kramt nach dem Autoschlüssel.
„Ist das Ihr Wagen?“, frage ich. „Das ist meine Strafe“, sagt er mit dem Anflug eines bitteren Lächelns und schließt die Fahrertür auf. Ich schaue wohl irritiert, denn er sieht sich zu einer Erklärung veranlasst.
„Das waren Jugendliche, denen ich die Wahrheit gesagt habe über die Sexualität von Männern“, salbadert er mit leiser, fast tonloser Stimme und schiebt nach kurzem Zögern „und Frauen“ nach. „Man darf ja in diesem Land“, ergänzt er, „nicht mehr die Wahrheit sagen, sonst wird man bestraft.“
Himmel hilf, ein Schwätzer. Ich hätte ihn gar nicht erst ansprechen sollen. Und ich werde ihn keinesfalls fragen, was denn die Wahrheit sei über die Sexualität von Männern (und Frauen), obwohl das ja ein Rätsel ist, welches noch keine befriedigende Erklärung gefunden hat im Lauf der letzten 200.000 Jahre.
Ob ich eine Werkstatt wüsste, wo er seine Autobatterie wieder aufladen könne, fragt er. Ich empfehle ihm die Tankstelle am Spielbudenplatz, keine 100 Meter entfernt. „Ach, die Esso“, winkt er ab. „Dort hat neulich ein Ausländer einen Deutschen rausgeworfen. Soweit sind wir in Deutschland schon gekommen, dass ein Ausländer einen Deutschen rauswerfen kann“, klagt er mit seinem leisen Stimmchen.
Mit einem barschen „So ein Quatsch“ lasse ich ihn stehen. Ich hätte ihn wirklich gar nicht erst ansprechen sollen. Wer in Deutschland einen Satz beginnt mit „Soweit sind wir in Deutschland schon gekommen, dass …“, der bewirbt sich damit jedenfalls inniglich um das Recht, kostenlos die Heckscheibe seines Nissan Micra eingeworfen zu bekommen.
Zumal seine Vaterlandsliebe so tief wohl doch nicht ist – sonst hätte er sich ein deutsches Auto zugelegt, nicht wahr.
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Ob die Meinung des Herrn zur Sexualität von Männern (und Frauen) wohl konträr ging zu der Klischee-Vorstellung von selbiger anhand seiner Meinung zur Einwanderungsfrage?
AntwortenLöschenWir werden es wohl nie erfahren.
Und das ist wohl auch nicht so wichtig.
AntwortenLöschenGenau. So ein Quatsch. Es gibt auch gar keine überdurchschnittliche Kriminalitätsrate von Ausländern und in Kreuzberg gibt es auch keine Missstände an Schulen. Alles Quatsch. Und wer was anderes behauptet, dem gehört mit einem Sarazzin-Buch die Heckscheibe eingeschlagen.
AntwortenLöschenAch Gottchen, noch so einer … Wissen Sie, wenn dieser Schwätzer in irgendeiner Form relevant gewesen wäre, hätte man erst einmal klären müssen, ob a) die Geschichte überhaupt stimmt und b) ob es sich wirklich um einen „Ausländer“ gehandelt hat. Menschen wie der Schwätzer bestehen zur Klärung dieser Frage wahrscheinlich weniger auf die Aussage eines Personalausweises als auf einen Bluttest. Sie habe ich auch im Verdacht, wenn ich ehrlich bin.
AntwortenLöschenEben diesen offentsichtlich in seiner eigenen Welt lebenden Mensch traf ich am Samstag vormittag auch. Er urinierte vor die Postfiliale und meinte mich währenddessen darüber informieren zu müssen, dass er das Recht dazu habe, weil man ja schließlich sein Auto kaputt gemacht habe.
AntwortenLöschenJetzt macht das natürlich Sinn.
Wissen Sie, ich habe Mitleid mit dem Mann. Ich mein, so wie Sie ihn beschrieben haben, scheint das einfach jemand zu sein, der in der modernen Welt nicht mehr mitkommt. Was ja nun für ältere Menschen immer schwieriger wird (aber wem sag ich das!), da sich unsere Gesellschaft doch recht schnell verändert.
AntwortenLöschenUnd nun sucht er eben nach einfachen Erklärungen, so wie das eben viele verzweifelte Menschen tun. In seinem Fall sind das dann eben „die Ausländer”. Ich würde nun nicht sofort „Nazi” schreien, denn der Kerl ist ja offensichtlich einfach nur ein armer, steckengebliebener Kerl, der letztlich niemandem etwas tut. Außer seinem Auto.
Was natürlich das mit der Kriminalitätsrate von „Ausländern” (sind eigentlich Österreicher auch gemeint? Ich frage für einen...) zu tun hat, entzieht sich meinem Verständnis. Da muß man schon einen zielgerichteten Reflex haben, um sofort darauf zu kommen. Und das scheint mir deutlich schlimmer als ein verwirrter, alter Mann.
Sie haben – wie so oft – völlig Recht.
AntwortenLöschenÜbrigens bin ich auch Ausländer (Hesse). Und, noch fataler: mit einer Ausländerin verheiratet (Sardin). Ich hoffe, man entzieht mir jetzt nicht das Visum.
Da Mann/Frau erst Ur-Berliner ist wenn schon 3 Vor-Generationen in dieser Stadt geboren wurden, ahnen Sie sicher wie leer Berlin ohne Ausländer wäre ... ich denke, HH geht es da sehr ähnlich.
AntwortenLöschenFrau-Irgendwas-ist-immer, die laut oben genannter Definition auch in Berlin Ausländerin ist, obwohl hier geboren
Also, dieser zielgerichtete Reflex, wie Sie es ausdrücken, Herr GP, ist aus meiner Sicht der negative Auswuchs des heutigen Zeitgeistes. Es ist nicht mehr verpönt, ja es ist sogar hipp, menschliche Ziele als Feindbilder für Entwicklungen zu suchen, die man sich rational nicht erklären kann.
AntwortenLöschenUm das eigene Weltbild zu untermauern, postuliert man dann Fakten, herausgeschleudert auf's Stichwort. Fakten, die gar keine sind, weil total aus der Luft gegriffen.
Als Einzelfälle lächerlich und/oder unterhaltsam, wie hier beschrieben. Das gefährliche, das ich daran sehe, ist, dass sich diese Einzelfälle in letzter Zeit häufen und einen Nährboden für weitere Parolen bilden.
Mir ist aber grüner Boden lieber als brauner.
Ach, ich weiß nicht, Blogspargel, ob das wirklich ein genereller Trend ist, oder ob einfach nur mehr Spinner heutzutage gehört / gelesen werden.
AntwortenLöschenSie haben absolut recht mit Ihrer Betrachtung, daß häufig einfach aufs Stichwort hin Fakten herausgeschleudert werden. Dabei ist es aber meines Erachtens unwichtig, ob diese zutreffen oder nicht: Da sie mit der Diskussion nichts zu tun haben, sondern herausgeschleudert werden, einfach um (wie im konkreten Fall) etwas gegen „die Ausländer” zu sagen, könnte der Inhalt sogar korrekt sein, es wäre dennoch ein reflexhafter, hassgetriebener Versuch, irgendwie eine ausländerfeindliches Bild zu zeichnen.
Daß Ihnen brauner Boden nicht so recht ist, zeigt mir aber, daß Sie von Landwirtschaft keine Ahnung haben ;)
(wie ich übrigens auch nicht, aber das würde jetzt die Pointe ein wenig... ja? Schon, oder? Mist)
Stimmt doch: Die allermeisten Verbrechen wurden von Ausländern begangen!
AntwortenLöschenInsbesondere in Sachen Mord (Österreicher) und Untreue (Schweizer) sind es allerdings immer wieder Einzelpersonen, welche die Statistik nach unten reißen. Aber dies darf uns nicht beirren!
ich fühle mich nun doch dazu veranlasst, zu betonen, dass mich die oben formulierte Frage alles andere als brennend interessiert, sondern nur ein flott formulierter Gedanke war, der mir durch die Hirnwindungen fleuchte.
AntwortenLöschenich bin dem Mann nicht begegnet, ich kann seine Relevanz also nur erahnen.
Stimmt doch: Die allermeisten Verbrechen wurden von Ausländern begangen!
AntwortenLöschenJepp... Schlichtweg schon aus der Sichtweise heraus, das jeder Mensch Ausländer ist sobald er Urlaub macht oder aus sonstigen Gründen ins nahe Ausland muss. Bei uns am Niederrhein wäre das Niederlande (Venlo) zur Drogenbeschaffung. Nur als Beispiel.
Nachtrag: Wenn es sich bei dem älteren Herrn allerdings um einen Perversling handeln sollte, der einer Gruppe von Jugendlichen (im Beisein von weiblichen Gruppenmitgliedern) sexuell zu nah gekommen sein sollte, dann hat er mit ner zerbrochenen Scheibe noch Glück gehabt. In meiner Jugend wurden solche Individuen zusammengeschlagen.
AntwortenLöschenNatürlich gibt es geistig verwirrte Mitmenschen aber die Kriminalstatistik spricht eine deutliche Sprache.
AntwortenLöschenAusländer-Kriminalität Kriminalstatistik (PKS) 2006
Ausländer-Kriminalität nach Deliktgruppen (Tatverdächtigenanteile):
In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) tauchen Ausländer als „nichtdeutsche Tatverdächtige“ auf.
22 Prozent besaß laut Kriminalstatistik 2006 „nicht die deutsche Staatsangehörigkeit“.
Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung 8,8 Prozent
•Mord/Totschlag: 28 Prozent
•Vergewaltigung/sexuelle Nötigung: 29,6 Prozent
•Raub: 28,9 Prozent
•Schwerer Diebstahl: 22,4 Prozent
•Einfacher Diebstahl:20 Prozent
•Rauschgift: 23,4 Prozent
•Betrug: 19,2 Prozent
•Urkundenfälschung: 40,9 Prozent.
Straftaten von Ausländern die eingebürgert worden sind werden in dieser Statistik nicht aufgeführt.
Das allein sagt aber noch nicht viel aus. Man muss das schichten- und bildungsspezifisch auffächern – und wird möglicherweise entdecken, dass es generell eine höhere Kriminalitätsrate in bildungsfernen Schichten gibt, wo möglicherweise Nichtdeutsche (warum auch immer, das ist eine neue Fragestellung) einen höheren Anteil haben.
AntwortenLöschenDas Thema ist zu komplex, um es anhand der Äußerungen eines Schwätzers aufblättern zu können. Ich zitiere da gern meinen Vorredner GP: „Da sie mit der Diskussion nichts zu tun haben, sondern herausgeschleudert werden, einfach um (wie im konkreten Fall) etwas gegen „die Ausländer” zu sagen, könnte der Inhalt sogar korrekt sein, es wäre dennoch ein reflexhafter, hassgetriebener Versuch, irgendwie eine ausländerfeindliches Bild zu zeichnen.“
Gerade die Betrachtung von Straftaten allgemein bringt ja auch wenig.
AntwortenLöschenSo haben beispielsweise Ausländer einen Anteil von 100% an allen Asylbetrugsfällen.
Ausweislich aller Statistiken werden weit über 60% aller Straftaten (klar, ausnehmlich der "Asylbetrugfälle", ja, Witz verstanden) von Inländern begangen - werden "wir" nun alle ausgewiesen? Gibt es ein "Recht auf Straftaten im eigenen Land"?
AntwortenLöschenBläh. Natürlich nicht.
Die Attitüde zahlreicher Zeitgenossen, so auch die des vom Blogger beschriebenen, ist eine allgemeine, vulgo "ubiquitäre", und die (mir) macht schwerst Sorgen:
Es wird vermutet, dass "das Land" besser dran sei ohne "die Ausländer". Diese Attitüde kommt mir bald jeden Tag unter, ich könnte bald jeden Tag speien.
Solches Geschwafel wird leider immer mehr.
In der historischen Perspektive ist "unser Land" (und andere, ähnliche Länder auch) sowieso nur ein Treppenwitz der Geschichte und bald verschwunden - das muss aus Sicht des Historikers und Soziologen so sein, accept it. Rom war mal, nur wir halten das noch für relevant. Aus "asiatischer Perspektive", und diese Perspektive haben schlapp drei bis vier Milliarden Menschen (übrigens sehr, sehr unterschiedlicher Menschen sehr, sehr unterschiedlicher Kultur - dagegen sind Fischköppe und Bayern ineinander verliebte eineiige Zwillinge) sind wir nur ein Furz. Und zwar ein sehr ausländischer, und ein sowieso bald sehr verdufteter. Der schlecht riecht.
So, ich wollte das schon lange mal schreiben. Danke fürs Lesen.
Anonym 22:00, bei solch tiefgreifenden Aussagen verstehe ich, warum Herr Matt soviel Wert auf Namen legt. Denn bei dem, was sie geschrieben haben würde ich Ihnen gerne namentlich danken. Schlichtweg dafür, das Sie denken. Und zwar über den berühmten Tellerrand hinweg. So tue ich das nun ohne Namen.. Danke, oh Namenloser.
AntwortenLöschenTom
Da schließe ich mich an. Bis auf die Tatsache, dass ich für mich in Anspruch nehme, nicht schlecht zu riechen. Aber das nur am Rande.
AntwortenLöschenUnfassbar! BILD-Zeitung!
AntwortenLöschen@Tom 16:22: Du magst ja recht haben. Trotzdem ist dir schwer der Ironiedetektor verrutscht.
AntwortenLöschenWarum gibt's denn hier nur die extrem dämlichen Alternativen zwischen "Soweit sind wir schon" und "wir sind doch gar nichts"? Meine Güte. Asien, na prima. Da leben also schon viel länger Menschen, dennoch gibt es da bei weitem nicht für die selbe Dauer zusammenhängende Zivilisationen. Da ging mal ein Reich unter, das andere ging auf und so weiter. Ist doch Mumpitz, das da mit reinzuwürgen, da kommen die anderen ja gleich mit "aber das heilige römische Reich deutscher Nationen" und haben das tausendjährige Reich ja schon lange geschafft, weil ja schon so lange irgendwer irgendwie in den Grenzen des heutigen Deutschlands gelebt hat.
AntwortenLöschenNa prima. Wo bleibt eigentlich das Normale?
Das Normale bleibt hier, das brauch ich noch ...
AntwortenLöschenIch würde nur gern folgenden Satz des Originalbeitrags widerlegen: "Wer in Deutschland einen Satz beginnt mit „Soweit sind wir in Deutschland schon gekommen, dass …“, der bewirbt sich damit jedenfalls inniglich um das Recht, kostenlos die Heckscheibe seines Nissan Micra eingeworfen zu bekommen."
Ich halte z.B. "Soweit sind wir in Deutschland schon gekommen, dass wir immerhin schon jenseits von Würzburg sind." für eine völlig legitime Aussage.
Oder nicht? Dann bitte, Steine auf die Heckscheibe meines Micras.
Ach Moment ... ich habe ja gar keinen :-)
Wer es wagt, Würzburg zu verlassen, bewirbt sich inniglich um das Recht, kostenlos die Heckscheibe seines Wagens eingeworfen zu bekommen, unabhängig vom Modell.
AntwortenLöschenSchreiben Sie sich das hinter den Rückspiegel, Sie Frankenbanause!