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08 Februar 2011
Der rätselhafte Sticker
Hier auf dem Kiez nimmt man oftmals die Eigenschaften jener an, deren Pendant man eigentlich zu sein glaubt.
Neulich in der Haspafiliale an der Reeperbahn zum Beispiel sollte ich etwas unterschreiben. Der Haspamitarbeiter machte mich mit den Worten „Das müssen Sie noch unterschreiben“ auf diesen Umstand aufmerksam.
Ich schaute etwas ratlos auf das Dokument. „Wo denn?“, fragte ich. Und der Haspamann mit seinem Anzug, seiner Krawatte und der sorgfältigen Scheitelakkuratesse auf dem Schädel antwortete nur mühsam beherrscht: „Wo man halt unterschreibt.“
Da sieht man mal, wie die raue Herzlichkeit unseres Viertels auch vor traditionell förmlichen Bankangestellten nicht Halt macht. Nein, sie sickert Tröpfchen für Tröpfchen auch in die Herzen jener ein, die sich eigentlich in einer anderen Sphäre wähnen.
Manche betreiben die Mimikry möglicherweise auch ganz bewusst – wie jener Anonymus, der den oben abgebildeten Aufkleber an die Fassade eines Hauses klebte, das einst, in den 80ern, zu den hart umkämpften besetzten Häusern der Hafenstraße gehörte.
Damals riefen Besetzer und Sympathisanten der Polizei den Schlachtruf „Hafenstraße bleibt!“ entgegen. (Sie hatten übrigens Recht: Die Hafenstraße ist noch immer genau an der gleichen Stelle wie damals.) Und heute parodiert jemand mit sticheliger Häme diesen Klassiker, indem er ihn zu „Hafen city bleibt!“ verballhornt.
Bei der HafenCity (übrigens nur echt mit Binnenmajuskel!) handelt es sich, wie man in – sagen wir – Kornwestheim vielleicht nicht ganz so genau weiß, um die größte Baustelle Europas. Dort entstehen überwiegend Luxusbüros und -wohnungen für Menschen, die auch mal 10.000 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen können, um vor Gästen mit einem unverbaubaren Wasserblick prunken zu können.
Dieses Megaprojekt nun per Sticker mit den damaligen Bruchbuden der Hafenstraße in Verbindung zu bringen, hat durchaus einen gewissen Pfiff. Aber wer steckt dahinter? Eine klandestine Yuppiebruderschaft, die sich nun beömmelt über ihre zynische Persiflage des linken Aktivistenjargons? Oder die Hafenstraßenbewohner selbst, die uns damit die Absurdität eines künstlich geschaffenen Luxusrefugiums mitten im Hafen vor Augen führen wollen?
Beides ist denkbar, beides möglich. Der Sticker jedenfalls wird bislang toleriert unter all den sich harmonisch in den Sound der Hafenstraße einfügenden Konkurrenzslogans. Das spricht eigentlich dafür, dass ihn doch jene erfunden haben, die so tun wollen, als seien sie die anderen, die jene persiflieren.
Vielleicht ist es aber auch genau andersrum.
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Da kann ich ja wieder nur schauen, wie so ein Koboldmaki eben schauen kann. (Haben Sie denn unterschrieben wo man halt unterschreibt? Oder mehr so links oben schräg?)
AntwortenLöschenNein, ich war brav und duldsam und schaffte es schließlich doch, mich auf diesem Zettel im Sinne des Haspamanns zu orientieren.
AntwortenLöschenDann musste sich der gute Mann immerhin nicht unbotmäßig aufregen. Das ist ja auch schonmal was. Für einen Hanseaten.
AntwortenLöschenIroniepest
AntwortenLöschenPfiffig nur deswegen, weil er gleichzeit den "Asche zu Asche" Sticker danebengeklebt hat.
AntwortenLöschenNein, das war Rainer von Vielen oder einer seiner Sympathisanten.
AntwortenLöschender Aufkleber enstammt einem Projekt von balticraw.org anlässlich des Subvision-Kunstfestivals, das 2009 in der Hafencity stattfand.
AntwortenLöschengibts auch als Tragetasche..
Kann man denn heute noch die Bewohner der Hafencity und der Hafenstraße unterscheiden. Den unverbaubaren Elbblick haben und wollen doch bei oder?
AntwortenLöschenRichard
Übrigens nehme ich an, dass man sogar in Kornwestheim weiß, dass die Hafencity die größte Baustelle Europas ist. Selbst wenn man dort rein gar nichts weiß und auch gar nichts davon wissen will, was auf der anderen Seite des Ackers so passiert, diese absolute Nullinfo (wonach bemisst sich die Größe einer Baustelle? Nach Fläche? Nach Erdaushub? Nach Immobilienpreisen?) wurde einem selbst dort so lange eingeprügelt, dass man sie nie mehr vergessen wird.
AntwortenLöschentoypiano, danke für die Aufklärung!
AntwortenLöschenRichard, am monatlichen Nettoeinkommen wird man sie bis in alle Ewigkeit unterscheiden können, da bin ich mir sehr sicher.
Zahnwart: Nach Fläche, so weit ich weiß.
Der Sticker kommt von einer Gentrifidingenskampagne des Senats und die Hafencity mag die grösste Baustelle Europas sein, aber hinter den sieben Bergen bei den sieben Gleisen wird gerade der Gotthard Tunnel aus dem Berg gesprengt. Ist dann wohl die grösste Baustelle der Welt.
AntwortenLöschenHatte ich das nicht bei Ihnen gelesen? Dass auf dem letzten Schanzenfest die Forderung „HafenCity als Arschlochreservat erhalten!“ den meisten Zuspruch der Besucher hatte. Oder war das in der taz?
AntwortenLöschenNein, das muss die taz gewesen sein.
AntwortenLöschenDer Sticker wird von der Subvision 2009 stammen. Den Spruch in weiß auf schwarz gab es dort auf vielen Medien, siehe auch: http://www.hafencityspeakerscorner.de/forum/wb3/tipps-wohnen-in-der-hafencity/fix-was-los-in-der-hafencity-und-drumherum/701-subvision-hafencity-bleibt/?highlight=SubVision
AntwortenLöschenDamn. Ich muß was überlesen haben. Was ist ein Binnenmajuskel???
AntwortenLöschenZum Beispiel das große C in „HafenCity“ – also ein Großbuchstabe innerhalb eines Wortes, dort eingefügt unter brutaler Vergewaltigung der deutschen Rechtschreibung.
AntwortenLöschendoch schon spießig geworden? @Binnenmajuskel vergewaltigung
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