09 Februar 2010

Dräns west

Wenn wir uns in der U3 der Haltestelle Sternschanze nähern, ertönt stets die Bandansage einer sonoren Herrenstimme, die sich liebevoll um englischsprachige Passagiere kümmert.

Natürlich: Das hier ist ja auch Hamburg, das Tor zur Welt. Die sonore Herrenstimme sagt:

„Plies tschäinsch hier for echsebischen holl änd dräns west.“

Sehr lange Zeit habe ich mich gefragt, was die Stimme wohl mit „Trance West“ meinen könnte. Klar, ich kenne Trance als einen modernen Tanzstil, aber was hat das mit der Messe um die Ecke zu tun? Und warum muss es ausgerechnet die westliche Variante des Trance sein? Seine kulturellen Ursprünge scheinen mir doch eher im Osten zu liegen oder in Afrika.

Nein, das ergab alles keinen Sinn. Oder meinte der sonore Herr vielleicht so etwas wie einen „Transvest“iten? Immerhin liegt die Sternschanze in unmittelbarer Kieznähe; so abwegig wäre letztere Variante also nicht. Doch um mich semantisch restlos zu überzeugen, hätte der Satz irgendwie anders gestrickt sein müssen.

Monate-, möglicherweise jahrelang blieb der Sternschanzensatz für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Ich fühlte mich ein wenig wie jener Mensch, der aus dem Refrain von Bob Dylans größtem Hit immer ein rührendes Freundschaftsbekenntnis für Ameisen herausgehört hatte („… the ants are my friends …“)

Jedenfalls hörte ich immer nur „änd dräns west“, mein Hirn ließ sich davon nicht mehr abbringen. Und Ms. Columbo ging es beruhigenderweise ganz genauso.

Doch dann eines Tages (der noch gar nicht fern ist) legte jemand einen Synapsenschalter um, und plötzlich war die Sache glasklar. Die sonore Herrenstimme sprach von „entrance west“ – Westeingang! Alles fügte sich, der Satz ergab einen Sinn, die Welt fiel zurück in ihre Angeln, Naturgesetze galten wieder.

Seither fahre ich viel unneurotischer U-Bahn – was sich aber bald wieder ändern könnte, denn ich stelle gerade fest, dass sich die Mopo bereits des Dräns-west-Problems angenommen hatte.

Diesen Eintrag lösche ich trotzdem nicht mehr, so.


8 Kommentare:

  1. Sehr schön zu wissen, daß nicht nur mein Gehirn dieses Wortgefetzel nicht verstehen wollte. Mir kam die Erleuchtung auch erst sehr spät...

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  2. mir ging es ähnlich bei den landungsbrücken, die aussprache bei "youth hostel" kommt etwas unklar rüber ;)

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  3. An irgendeiner Haltestelle der U1 müsste es auch Trance Eastgeben ;)

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  4. Mann bin ich froh, das ich nicht die einzige bin, die sich darüber Gedanken macht. Endlich weiß ich es!
    Nicht ganz so kryptisch aber sehr unterhaltsam finde ich auch immer das sehr enthusiastische "Tschüss! bis zum nächsten Mal", wenn man von Sternschanze Richtung Endhaltestelle Altona fährt. Man fühlt sich dann richtig nett begleitet, ganz anders als am Schalter...

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  5. Bin ich froh, dass ich nicht die einzige bin, deren Gehirn und Ohren gemeinsame Sache machen und basteln.
    So kommt seit Monaten ein englisches Lied im Radio, dessen Refrain sich für mich wie "Haidenai!"anhört, das schwäbische Wort für unglaublich.
    Bis heute weiß ich nicht, was eigentlich gemeint ist.

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  6. Herrlich - köstlich - inkrädibbel.
    Herzlich gelacht. Bislang hat mein Unterbewußtsein diese bemühte fremdsprachliche Ansage immer korrekt registriert.
    JETZT werde ich immer "dräns west" hören und lachen m ü s s e n . Also wenn man mich in der U-Bahn trifft = nicht wundern.

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  7. "Dräns west“... in Ihrer Transkription könnte diese Aussage durchaus auch ein Fall dialektaler Sprachfärbung sein. "Bitte wechseln Sie hier zur Exhibitionshalle [Ein bisschen hohle Echse? Ach lassen wir das!] und drehen Sie sich nach Westen."

    Der öffentliche Aufruf zur Orientierung nach Westen hätte in früheren Zeiten schon etwas Politisches gehabt.

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  8. Haha, genau das ist mir neulich auch endlich mal aufgefallen.

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