29 Juni 2007

Polnischer Nachtrag: Der nasse Slip

Wir hatten uns ein paar Fahrkarten gekauft und in die Tram gesetzt, wie wir es oft tun in unbekannten Städten.

Einfach losfahren und irgendwann, irgendwo aussteigen, wo es hübsch ist. Später wieder ein- und umsteigen, ins Blaue hinein die Fremde erkunden, und alles für ein paar Zloty (die „Swoti“ ausgesprochen werden, aber das nur nebenbei).

So waren wir kreuz und quer durchs öffentliche Verkehrsnetz von Danzig mäandert und irgendwie in Brzezno gelandet, einem kleinen Vorort direkt am Meer, dessen Seebrücke auf dem Foto zu sehen ist.

Brösen, wie das Städtchen früher auf deutsch hieß, ist nicht so überdeutlich auf Touristen abgestimmt wie Zoppot. Nein, hier gehen traditionell die Arbeiterfamilien baden, hier verleiht niemand Strandkörbe.

Der Sand ist feinkörnig und weißgelb, man sinkt sanft ein beim Gehen, und an jenem Tag lag die Ostsee bereitwillig flach da und glitzerte in der Sonne wie eine einzige Verlockung. Unwiderstehlich.

Einziges Problem: Badesachen hatten wir keine dabei, und von FKK halten die Polen ungefähr so viel wie von Schwulen und Lesben, nämlich wenig. „Dann gehe ich eben in Unterhosen rein“, informierte ich Ms. Columbo und schritt sofort zur Tat.

Eine halbe Stunde lang erfreute ich mich meines aquatischen Daseins. Allmählich aber schob sich mir das Problem des Landgangs ins Bewusstsein.

Mein Slip nämlich flatterte mir schon im trockenen Zustand nicht gerade um den Hintern (und um alles andere, was so ein Slip zu umhüllen hat). Die Aussicht, damit aus dem Wasser zu steigen und einen Strand voller polnischer Familien mit sehr vielen Kindern zu betreten, bereitete mir zunehmend Unbehagen.

Und das war berechtigt. Denn der wassersatte Slip tat an der Luft genau das, was man von ihm erwarten durfte: Er schmiegte sich mir derart eng an die Haut, als wäre er aufgesprüht. Dabei arbeitete er sämtliche drunter liegenden Körpermerkmale aufs Deutlichste heraus.

Mich beschlich sogar das Gefühl, seine einst weiße Farbe habe sich völlig verflüchtigt und einer weitgehenden Transparenz Platz gemacht, der polnische Familien mit sehr vielen Kindern nicht gerade mit uferloser Toleranz zu begegnen bereit wären.

Manchmal träumt man ja davon, aus heiterem Himmel öffentlich untenrum nackt dazustehen, und das sind keine schönen Träume, wirklich nicht. Doch das hier war kein Traum.

Ich zuppelte ein wenig am Slip herum in der Hoffnung, die dadurch einströmende Luft möge eine Art Blase unterm Stoff bilden, so dass darunter
alles einigermaßen im Vagen verschwände. Doch mit einem kurzen präzisen Schmatzen sog sich die Unterhose wieder fest – wie die Abgussform einer hyperrealistischen Skulptur, die in Polen nur ohne Jugendfreigabe ausgestellt werden dürfte, wenn überhaupt.

Mir fiel meine Mütze ein, mit der ich aus Sonnenschutzgründen schwimmen gegangen war. Ich nahm sie ab und hielt sie wie zufällig vor die problematische Region. Und so stapfte ich verkrampft durch den weißgelben Sand hoch zu Ms. Columbo, die mich mit spöttischem Grinsen empfing.

Die Situation war damit allerdings noch nicht überwunden. Ohne Handtuch war ich dazu verdammt, mich vom Brösener Wind trocknen zu lassen, ehe ich dazu übergehen konnte, mich wieder polengemäß korrekt zu kleiden. Und das zog sich hin.

Der Slip selbst hingegen, dessen besonders problematische Vorderseite ich noch immer mühsam mit der Mütze verdeckte, schien sich jeder Verdunstungsaktivität hämisch zu verweigern. Das würde Stunden dauern.

Eine schnellere Lösung musste her. Unterwegs hatten wir an einem Kiosk die einzige deutsche Tageszeitung gekauft, und sie erwies sich nun als Rettung. Ms. Columbo versuchte meine Körpermitte mithilfe der ausgebreiteten Blätter (ich glaube, es war der Sportteil) möglichst umfänglich zu verdecken, ich zog mir dahinter fahrig den verzweifelt klammernden textilen Wasserspeicher runter und die richtige Hose an.

Und so war doch wahrhaftig die Hamburger Tageszeitung Die Welt mal zu irgendetwas nütze.

12 Kommentare:

  1. War es so schlimm? Da MUSS ein Beweisfoto her. Unbedingt.

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  2. Was soll ich sagen? Als 18jähriger habe ich mir mal eine weiße Badehose gekauft, bevor es in den Urlaub mit einem Freund ging. Ich dachte, weiße Badehose auf brauner Haut und die Italienerinnen würden mir zu Füßen liegen. Da als 18jähriger chronisch klamm, griff ich natürlich nicht auf das teuerste Modell zurück und so konnte man nicht nur erahnen, was da unter der Badehose verdeckt sein sollte. Man konnte es praktisch sehen, wenn man aus dem Wasser kam. Genützt hat es nichts. Die Italienerinnen hatten offensichtlich einen anderen Geschmack.

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  3. "FKK" und "Polen" ergeben bei Google 385000 Fundstellen. Haben Sie das geahnt?

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  4. Warum haben Sie nicht eine der Umkleidekabinen
    genutzt die dort auf der Seebrücke stehen?

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  5. Frau Hausmeisterin, Sie sind mir ja eine! Dieses Foto existiert zum Glück nur in meinem Kopf – und in dem von Ms. Columbo natürlich.

    Stefan, ich kann das verstehen. Spätestens seit letzter Woche.

    Ja, Herr wuestenfloh, so pi mal Daumen schon. Es gibt in der Tat ein paar ausgewiesene FKK-Strände in Polen. Die werden allerdings ähnlich behandelt wie Fixerstuben in Hamburg.

    oldman, ich war schon halb in der grünen drin, als ich merkte: Die ist ja total vermüllt! Und das galt auch für die anderen.

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  6. "wie die Abgussform einer hyperrealistischen Skulptur"

    sehr schöne umschreibung wenn ich das mal so sagen darf ;)

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  7. Tolle Geschichte, die Verzweiflung Matts ist in jedem einzelnen Buchstaben spürbar und fast hätte er den Kampf gegen die hämische Unterhose verloren, wenn ihn nicht Ms. Columbo mal wieder gerettet hätte!
    Zum Glück war es der kernige Sportteil und keine dubios- zweideutigen Kontaktanzeigen!
    :-)

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  8. Für diesen Zweck wäre sogar eine Bildzeitung adäquat gewesen. Vielleicht die Seite 1, also die, auf der das Häschen abgebildet ist.

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  9. Entscheidender in diesem Fall war das Format. Die Mopo wäre absolut ungeeignet gewesen. (Ohne dass ich damit irgendeine Aussage über meine Anatomie treffen möchte, OKAY?)

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  10. Das Format ist immer entscheidend, da soll man sich bloß nix vormachen lassen, von wegen das Format ist nicht so wichtig...
    :-)

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  11. Na da haben Sie aber Glück gehabt das es nicht die Bravo mit einem Titelbild von Tokio Hotel war. Die hätte man Ihnen vom Leib gerissen ... um nicht zu sagen geklaut.

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  12. Das ist eine sehr schöne Geschichte ,die bei Frau einiges an Vorstellungsvermögen in Gange setzt.;-))

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