Neulich gab ich mein sehr sympathisches und im Wesentlichen treues Fahrrad in Reparatur, weil der Hinterreifen platt, die Vorderlampe abgebrochen und das Rücklicht defekt war. Im Ottenser Fahrradladen beäugt man die Schäden und nimmt ohne Murren die Mängelliste auf.
Am Abholtag gehe ich wohlgemut hin, doch dieses Gefühl verfliegt rasch. Denn der Chef des Ladens sagt: „Das Rücklicht ist ja jetzt neu, aber das fällt Ihnen bestimmt bald wieder ab.“ Ah so, wundere ich mich, warum denn das? „Weil das Schutzblech an zwei Stellen gebrochen ist und nur noch von einem kleinen Steg gehalten wird.“ Aha, sage ich, und warum haben Sie das nicht gleich mal eben mitrepariert? „Weil wir dafür keinen Auftrag hatten. Wir dachten, Sie wüssten das, und es wäre Ihnen egal.“
Ah so, sage ich, jetzt neugierig geworden, und warum haben Sie mich nicht vor fünf Tagen, als ich das Fahrrad abgegeben habe, einfach mal drauf aufmerksam gemacht und sich erkundigt, ob Sie nicht vielleicht die Ehre haben dürften, auch diese Kleinigkeit gleich mitzuerledigen? „Das haben wir erst in der Werkstatt gesehen.“ Na gut, mag sein, wende ich ein, aber Sie hätten mich doch anrufen können und nachfragen – nur so als Anregung. „Wir dachten eben“, sagt der Fachmann, „Sie wüssten das, und es wäre Ihnen egal.“
Diese Stelle im Kreis der Diskussion kenne ich bereits. Doch dieses Musterbeispiel deutschen Unternehmertums hat noch einen Nachsatz im Köcher: „Außerdem“, sagt er nämlich, „ist das doch eh nur ein Fahrrad, um von A nach B zu kommen.“
„Eh nur ein Fahrrad, um von A nach B zu kommen.“ Meine Güte: Wofür ist dieses Ding mit den zwei Rädern und dem Lenker denn sonst da – zum Staubsaugen? Wahrscheinlich möchte der Mann ausschließlich HiTech-Maschinen mit Titanrahmen, beheiztem Sattel und serienmäßigem GPS an den Mann bringen, für 3000 Euro das Stück. Aber, guter Mann, auch ein solches Gerät kann nicht staubsaugen. Es bringt dich einfach nur von A nach B.
Nach der ersten Sprachlosigkeit muss ich mich nun mit dem unschönen Gedanken anfreunden, dass die gepeinigten Leute vom Fahrradladen offenbar bereits dreimal mein Erscheinen mit entsetztem innerlichem Aufstöhnen begleitet haben: Oh nein, da ist er wieder, dieser Typ mit seinem Fahrrad für von A nach B! Mist, er hat uns gesehen, wir können nicht mehr tun, als hätten wir schon zu …
Insofern muss ich Ihnen geradezu dankbar sein für ihr Übermaß an Höflichkeit, mir erst beim drittenmal dezente Hinweise auf meine Unerwünschtheit gegeben zu haben. Da ich jedoch ebenfalls ein höflicher Mensch bin, respektiere ich das hinfort natürlich.
Das heutige Foto zeigt mein sehr sympathisches, im Wesentlichen treues Rad an der S-Bahn-Station Sternschanze in Gegenwart eines Eisenträgers, der das Stationsdach stützt. Das Hinterrad habe ich übrigens doch noch vom Fahrradladen wechseln lassen; für einen sofortigen Vereinswechsel war ich einfach zu faul.
Große Musik, die heute durch den iPod floss: „Walk on the wild side“ von Tok Tok Tok, „He was the king“ von Neil Young und „Play an old guitar“ von The Band Of Blacky Ranchette.
Bitte, bitte sag mir, dass es sich bei dem von Dir beschriebenen Ottenser Fahrradladen nicht um "Rad & Tat" handelt, den einzigen Fahrradladen in Hamburg, in dem ich bislang nicht der ekelerregenden Mischung aus Arroganz und Messianismus ausgesetzt war, die offensichtlich eine Berufskrankheit der in diesem Gewerbe Beschäftigten darstellt. Andersrum: Wenn es doch einer der anderen Läden in Ottensen war, dann versuch's mal mit Rad & Tat (Im Felde 2)!
AntwortenLöschenNein, ich kann dich beruhigen, es handelt sich um einen anderen Laden, und zwar in der Nähe der Fabrik.
AntwortenLöschenDein Tipp wird natürlich demnächst ausprobiert, vielen Dank!
Alles klar, in dem Laden wurden mein damaliges Fahrrad und ich schon vor etwa 15 Jahren mit Geringschätzigkeit behandelt.
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