27 Januar 2008

Kirschenlogik bei Edeka

Im Zuge der skurrilen Zigarrettenaffäre um unseren Hamburger Altkanzler fiel mir heute etwas ganz Erstaunliches auf: Ab 1974 hieß das deutsche Kanzlerpaar fast ein Vierteljahrhundert lang immer Helmut und Hannelore.

Den Rucksackhippie, der mir nachmittags am Schulterblatt (Foto) chemisch bedingt vors Fahrrad taumelte, hätte diese verblüffende und öffentlich überhaupt noch nicht diskutierte Erkenntnis aber bestimmt keinen Deut interessiert, selbst wenn ich sie ihm erläutert hätte.

Er reckte die Faust und brüllte der Roten Flora entgegen: „Es lebe die anarchosyndikalistische Republik Deutschland!“ Ich umkurvte ihn mühsam, was er nicht mal merkte, so konzentriert widmete er sich seinem Taumeln, Brüllen und Fäusteln.

Schon morgens war ich bei Edeka einer skurrilen Person begegnet. Sie war vor mir an der Kasse, eine kleine Knuddelkugel südländischer Herkunft, vielleicht 50, aber geschminkt auf zehn Jahre jünger. Und überrascht vom immensen Kirschenpreis: acht Euro das Kilo.

Die nicht gerade saisonalen Früchte kamen nämlich aus Chile. „Wann ik stärbe“, idealisierte sie ihre Fehlentscheidung, „dann die acht E’uro bleibe hiä. Abä Kirschä nämme ik mit – sin in meine Bauch, wenn ik stärbe!“

Eine bestechende Logik, die ich mit einem anerkennenden Lächeln belohnte. Und das half ihr auch sichtlich über die Acht-Euro-Kirschen hinweg.

26 Januar 2008

Die Rettung des Kapitalismus auf einem Bierdeckel

Heute fiel mir übrigens ein, wie man auf einen Schlag sämtliche wirtschaftlichen Probleme unseres Landes ein für alle mal lösen könnte, inklusive Alterssicherung.

Und zwar so: Man verpflichtet einfach per Gesetz jeden Bürger, sein Einkommen komplett wieder auszugeben, Monat für Monat. Bis auf den letzten Cent.

Dafür erhält er ab dem 60. Lebensjahr eine monatliche Rente von 2000 Euro; wenn er mehr will, kann er einen Teil seines erzwungenen Komplettkonsums ja auch riestern, kein Problem.

Die Einkommenssteuer wird selbstverständlich ersatzlos abgeschafft. Dafür schießt die Mehrwertsteuer auf – sagen wir – 40 Prozent.

Die Effekte wären fantastisch: Durch die erzwungene Konsumexplosion jubelten die Unternehmen, schafften Arbeitsplätze ohne Ende, und parallel quölle der Staatshaushalt über vor lauter Mehrwertsteuer, von der natürlich neben dem ganzen Infrastrukturblabla auch die 2000 Euro Prokopfrente bezahlt werden müssten.

An den Details muss man natürlich noch feilen, aber das kann ja Friedrich Merz machen; der braucht eh ein Comeback.

So, und jetzt, nach der Rettung des Kapitalismus auf einem Bierdeckel, gehe ich schlafen.


25 Januar 2008

Nomen est omen, aber nur zufällig

Einer wie Jérôme Kerviel, der 4,9 Milliarden Euro verschwinden ließ, sollte eigentlich nicht mittellos auf der Flucht sein, sondern wenigstens ein, zwei Milliönchen in der Tasche haben. Für schlechte Zeiten.

Es muss sich sehr merkwürdig anfühlen, jetzt, in diesem Moment, irgendwo auf der Welt klein und einsam in einer Hotelbar zu sitzen, mit Sonnenbrille auf der Nase und einem Mojito davor, und sich zu vergegenwärtigen, das fünffache Bruttoinlandsprodukt von Simbabwe in den Sand gesetzt zu haben.

Wahrscheinlich folgte Kerviel allzu bedenkenlos Will Oldhams nonchalantem Rat: „Bitte lieber um Vergebung als um Erlaubnis.“ Eine Verhaltensweise, die man aber nur dosiert einsetzen sollte – und in einer Kneipe der Hamburger Hell’s Angels schon mal gar nicht.

Der volltrunkene Volltrottel, der gestern dort hineinwankte und den Wunsch äußerte, „einmal Verbrecher zu sehen“, brachte damit die Anwesenden dazu, spätestens jetzt welche zu werden, und zwar zu seinen Ungunsten.

Trotzdem kamen er und Jerome Kerviel glimpflicher davon als der Fußballspieler Bekim Kastrati, dessen Schicksal eine lateinische Redensart aufs Bitterste zu bestätigen scheint. Scheint! Denn diese Redensart war, ist und bleibt natürlich abergläubischer Humbug.

Sonst dürfte sich
ja eine wie Kerstin Schlapper-Rammelmann überhaupt nicht mehr aus dem Haus trauen.

Foto: die Zeitung mit den vier Buchstaben

23 Januar 2008

Warum in Hessen, wo am Sonntag gewählt wird, die Todesstrafe nicht abgeschafft werden kann

Von: mattwagner
Betreff: Todesstrafe in Hessen
Datum: 13. Januar 2008 21:18 MEZ
An: Roland.Koch@
******.de

Sehr geehrter Herr Koch,

laut Artikel 21 der hessischen Verfassung droht das Land bei besonders schweren Verbrechen noch immer mit der Todesstrafe. Können Sie mir sagen, ob Sie sich im Falle einer Wiederwahl für die Abschaffung einsetzen werden und wenn ja, in welchem Zeitraum?

Sofern dies nicht auf Ihrer Prioritätenliste stehen sollte, wüsste ich gerne, warum nicht.
Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Wagner


Von: Roland.Koch@******.de
Betreff: Ihre Mail vom 13. Januar 2008
Datum: 23. Januar 2008 17:11:15 MEZ
An: mattwagner


Sehr geehrter Herr Wagner,

(… ) In Art. 21 Abs 1 Satz 2 der Hessischen Verfassung heißt es, dass jemand bei besonders schweren Verbrechen zum Tode verurteilt werden kann. Die Todesstrafe wird in Art. 109 Abs. 1 Satz 3 der Hessischen Verfassung ein weiteres Mal erwähnt.

Zum Verständnis dieser Regelungen der Hessischen Verfassung muss berücksichtigt werden, dass die Hessische Verfassung die erste Verfassung eines deutschen Landes war, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und noch in Kraft ist. Als sie am 1. Dezember 1946 in einer Volksabstimmung angenommen wurde, war die Todesstrafe im damals geltenden Strafgesetzbuch bei besonders schweren Verbrechen noch vorgesehen. Nach dem Krieg ist sie in Deutschland in mehr als 100 Fällen auch verhängt, in Hessen allerdings nie vollstreckt worden. Erst das Grundgesetz hat sie durch seinen Art. 102 im Jahre 1949 abgeschafft. Seitdem gibt es sie auch in Hessen nicht mehr.

Da das Grundgesetz die Todesstrafe verbietet, darf kein Bundesland sie wieder einführen. Dass die Todesstrafe im Text unserer Landesverfassung noch enthalten ist, hat also keine praktische Bedeutung mehr.

Um den Wortlaut der Verfassung gleichwohl zu ändern, wäre allerdings (…) eine Volksabstimmung nötig. Nach Art. 123 erfordert eine Verfassungsänderung zunächst ein mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtags beschlossenes Gesetz, dem anschließend das Volk mit der Mehrheit der Abstimmenden zustimmt.

In diesem Fall könnte die Bevölkerung aber nur darüber abstimmen, ob die Todesstrafe weiter im Verfassungstext stehen soll, obwohl es darauf wegen des Verbots der Todesstrafe im Grundgesetz nicht ankommt. Eine solche Volksabstimmung, die sich isoliert auf die Frage der Todesstrafe bezieht, haben bisher alle politischen Parteien in Hessen nicht für sinnvoll gehalten.

Der hierfür primär zuständige hessische Gesetzgeber hat sich in der zu Ende gehenden Legislaturperiode eingehend mit der Frage des grundsätzlichen Veränderungs- und Ergänzungsbedarfs der Hessischen Verfassung beschäftigt.
(…) Die angestrebte Einvernehmlichkeit für einen Gesetzentwurf zur Änderung der Hessischen Verfassung, der selbstverständlich auch die Aufhebung der Passagen zur Todesstrafe beinhalten würde, konnte jedoch nicht erzielt werden.

Der Bedeutung einer Reform der Hessischen Verfassung würde es nicht gerecht werden, wenn seitens Landesregierung durch die Einbringung eines Gesetzesentwurfs in den Hessischen Landtag eine beabsichtigte Verfassungsänderung vorgegeben würde. Es bleibt vielmehr auch in der künftigen Legislaturperiode Aufgabe aller im Hessischen Landtag vertretenen demokratischen Parteien, einen für alle Seiten tragfähigen Konsens zu finden, was aus meiner Sicht zu begrüßen wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Roland Koch


Foto: Wikipedia

Kärtchen, wechsel dich!

Eine feine Sache, so ein Schleswig-Holstein-Ticket. Für 29 Euro fährst du durchs ganze Bundesland und kannst auch noch vier Leute mitnehmen.

Ms. Columbo und ich sind aber nur zwei. Deshalb stelle ich mich in Flensburg (Foto) an den Automaten, um die Nächstbesten gegen einen kleinen Obolus an unserer Fahrkarte zu beteiligen – eine Win-Win-Situation. Doch niemand kommt.

Dafür spricht mich auf dem Weg zum Bahnsteig ein stämmiger Mittdreißiger an und fragt, ob wir mit dem Schleswig-Holstein-Ticket nach Hamburg führen. Erfreut bestätige ich. „Ich muss bis Schleswig“, sagt er, „aber ich habe kein Geld.“

Na gut, wir nehmen ihn trotzdem an Bord. Schadet nichts, nützt aber auch nichts. Als der Schaffner kommt, reicht er uns einen Kugelschreiber und bittet um den Eintrag der Namen. So verstehe ich ihn jedenfalls und reiche die Karte samt Kuli zunächst unserem fremden Mitfahrer, der kurz verständnislos kuckt, doch dann klaglos JENS WINKLER hinschreibt, in Großbuchstaben.

Die Namen von Ms. Columbo und mir möchte der Bahnmann danach gar nicht mehr, einer reicht ihm. WINKLER ist damit binnen Sekunden vom Schnorrer zum Haupteigentümer der Karte aufgestiegen. Bei einer weiteren Kontrolle wäre er derjenige, an dem unser aller Reiseschicksal hinge, doch fährt er nur bis Schleswig.

Unterwegs greift er die Titelschlagzeile der Frankfurter Rundschau auf, die Ms. Columbo gerade liest, und sinniert darüber, ob man in der jetzigen Lage sein Vermögen nicht lieber in Gold statt in Aktien investieren solle. „Ich dachte, er hätte kein Geld“, muffelt Ms. Columbo später, nachdem WINKLER sich in Schleswig umstandslos verabschiedet hat.

Die restlichen anderthalb Stunden vergehen angespannt, doch ohne weitere Kontrolle, zum Glück. Kurz vorm Hauptbahnhof betritt ein junger Mann unser Abteil und fragt, ob wir ein Schleswig-Holstein-Ticket über hätten. Nein, das benötigten wir noch für die U-Bahn bis St. Pauli.

„Die Fahrten zahle ich Ihnen“, bietet er an, nachdem er sich vergewissert hat, dass mit „JENS WINKLER“ ein Männername auf der Karte steht. „Ich gebe Ihnen die dreizwanzig.“ Das entspricht exakt dem Betrag, den wir jetzt am Automaten zahlen müssen. Doch immerhin sind wir damit die Gefahr, die von JENS WINKLER ausgeht, endgültig los; jeder HVV-Kontrolleur hätte uns aus WINKLERs physischer Abwesenheit einen Strick drehen können.

„Aha, in Schleswig ist der Herr also ausgestiegen, hm? Und warum steht dann nicht IHR Name auf der Karte, Herr Wagner, wo Sie doch die längere Fahrt hatten, hm? Mitkommen. Personalausweise.“


Ja, so hätte es kommen können, doch so kann es jetzt nicht mehr kommen. Denn ein anderer besitzt das JENS-WINKLER-Schleswig-Holstein-Ticket, mit allen Risiken, die das bedeutet.

Statt froh und dankbar für den günstigen Ausgang der Geschichte zu sein, verspüren wir aber am Hauptbahnhof das kriminielle Bedürfnis, wenigstens eine winzige Amortisation der bisher unverändert 29 Euro gekosteten Länderkarte zu erzielen. Wir kaufen also zwei Kurzstreckentickets für 1,30 das Stück – im Wissen, dass ihre Gültigkeit nicht ganz bis nach St. Pauli reicht.

Ein Risiko von zweimal 40 Euro Strafe für einen maximalen Erlös von 60 Cent.
Super Deal. Doch wahren Meistern geht es eben nicht um mathematisch messbare Beute, sondern um Ruhm und Ehre.

Und siehe da: Alles geht gut. Wir haben die Kosten fürs Schleswig-Holstein-Ticket damit von 29 auf 28,40 Euro gedrückt. Nach diesem Coup können wir demnächst auch größere Dinger drehen.

Zum Beispiel so etwas wie Rififi.

21 Januar 2008

Unter Dänen



Die kleine dänische Bucht in Gråsten, wo wir einen Kurzurlaub verbringen, erinnert ein wenig an Bodega Bay.

Gestern morgen schrien uns die Möwen gar auf eine Art aus dem Schlaf, die jenem elektronischen Sound ähnelte, den Oskar Sala für Hitchcocks Horrorvögel am Trautonium zurechtgebastelt hatte.

Das Wetter hier ist rau, die Hütte warm, das Raclette zischt, der Grappa fließt, und Mülleimer heißen „Miljøstation“.

Was kann es Erholsameres geben?

20 Januar 2008

Marions Kochbuch revisited

In der heutigen WamS bereitet Steffen Fründt anhand meines Falles den Abmahnwahn von „Marions Kochbuch“ auf.

Damit hat die unschöne Sache endgültig die Sphäre der Mainstreammedien erreicht. Ob das für die Schädiger oder Geschädigten nützlicher ist (und wer überhaupt wer ist), ist noch nicht raus.

In meinem Fall sieht es zurzeit so aus: Statt 747 Euro habe ich nach Rücksprache mit der sehr empfehlenswerten Anwaltskanzlei Kremer nur ein gutes Drittel davon bezahlt.


Jetzt
stehe ich kampfeslustig tänzelnd in meiner Ringecke.

Kleine Gefechte unter Fremden

In der Kneipe schräg gegenüber der Davidwache bin ich mit GP verabredet. „Dort gibt es eine Raucherlounge“, hatte er frohlockt.

Als er den Kellner nach der genauen Lage des Raumes fragt, offeriert der allerdings sofort einen Aschenbecher. „Das ist verboten“, teste ich pflichtgemäß des Kellners Gesetzestreue. „Ja, aber bis März wird das nicht bestraft“, trägt er lächelnd Eulen nach Athen, denn natürlich weiß ich das längst. Und ich mag kleine unverhoffte, zwischen Ernst und Spott changierende Wortgefechte mit wildfremden Menschen.

Let’s roll: Ob er nicht wisse, dass dieses lachhafte Moratorium bis März nichts weiter sei als ein billiger Wahlkampftrick von Bürgermeister Ole von Beust, der keine Lust habe, bei der just Ende Februar anstehenden Landtagswahl auch noch die Stimmen der Raucher zu verlieren, aber danach umso ungerührter zuschlagen werde? Ob er, der Kellner, etwa darauf reinzufallen gedenke? Ja, ob er gar von Beust wählen wolle???

All diese Fragen knattere ich ihm fröhlich vor, und er lächelt sie lässig weg und sagt, nein, den gedenke er nicht zu wählen. „Ich werde Sie anzeigen!“, grinse ich. „Dann werde ich Sie rauswerfen!“, grinst er zurück. „Ich gehe sofort rüber zur Davidwache!“, plustere ich mich auf. So haben wir unseren Spaß.

Der Kellner holt den nächsten Chardonnay, der vollendete Gentleman GP hingegen hat inzwischen den Aschenbecher auf einem leeren Nachbartisch abgestellt und bläst den Rauch ins Irgendwo, jedenfalls weg von mir.

Wenig später beugt sich ein älterer Herr herüber. Ermuntert von GPs offensichtlich ungeahndetem Gesetzesbruch, doch noch immer sichtbar unsicher, bittet er um leihweise Überlassung des Aschenbechers. GP reicht ihn rüber.

„Tut gut, sich mal wieder so richtig illegal zu fühlen, nicht wahr?“, frage ich den Nachbarraucher gespielt komplizenhaft. „Äh, genau“, antwortet er. „Sie sind ein Revoluzzer“, ziehe ich die Schraube weiter an, „wie Che Guevara!“. Er schaut verwirrt, seine Begleiterin ebenfalls.

Kein Zweifel: Es wird höchste Zeit für den nächsten Chardonnay.

19 Januar 2008

Hinter der Heizung

Ich versuche, ein zerkrumpeltes Blatt in den Papierkorb zu werfen. Doch ich bin nicht Nowitzki, es landet hinter der Nachtspeicherheizung. Ms. Columbo zieht vorwurfsvoll die Augenbraue hoch.

Ich linse in den Spalt zwischen Wand und Heizkörper. Dort liegt das Blatt, aber auch andere Dinge. Zum Beispiel ein Block mit gelben Klebezetteln. Mir gehört er nicht.

„Du hast auch schon was hinter die Heizung geworfen“, versuche ich Gleichstand zu erzielen. „Aber nicht mit Absicht!“, kontert sie. „Habe ich doch auch nicht“, sage ich. „Na gut: Dann eben nicht aus Nachlässigkeit“, muss ich mir anhören.

„Du hattest also hehrere Motive, etwas hinter die Heizung zu werfen?“, frage ich rhetorisch. Ms. Columbo muss lachen. Eins ist jedenfalls sicher: Unabhängig von der ethisch-moralischen Situation liegen Dinge hinter der Heizung, die dort nicht hingehören. Sie zwingen mich, dort in lächerlicher Körperhaltung mit einem Schrubberstiel herumzustochern.


Manchmal ist Zivilisation durchaus ein wenig demütigend.

18 Januar 2008

Ein Ort der Scham und Schande

Bereits seit Oktober 2006 haben wir theoretisch die Möglichkeit, den Mailverkehr über unseren Telefonanbieter Alice/Hansenet (Foto) abzuwickeln. Das taten wir aber nie; wir sind schließlich anderweitig gut versorgt.

Heute aber dachte ich wie aus heiterem Himmel, ich schaue mal rein und überlege, ob ich nicht vielleicht doch via Alice mailen sollte.

Noch niemals war, wie gesagt, von diesem Anschluss eine Elektropost versandt worden, nur zwei Testmails hatte ich anno 2006 hingeschickt. Praktisch niemand auf der ganzen weiten Welt und darüber hinaus kennt also diese Mailadresse.


Ich kenne sie ja selber nicht.

Umso frappierender war der Zustand, in dem sich mir heute dieses Mailfach präsentierte. Es war geflutet mit Spam. Mir flimmerten die Augen vor lauter Betreffs wie „Hello“, „Re:“, „Uqtvyujsoiqfgoiv“, „Hi“ oder „Your Account is Suspended For Security Reasons“.

Irgendwo mittendrin – auffindbar nur nach alphabetischer Sortierung – dümpelten meine zwei alten Testmails herum und piepsten ersterbend um Hilfe. Ich löschte rettete sie und beschloss, nie mehr zurückzukehren an diesen Ort, der jungfräulich hätte sein sollen und doch einer der Scham und Schande war.

Dann ritt ich in den Sonnenuntergang.

16 Januar 2008

Wichtige Fragen (4)

Ist es nicht sehr sarkastisch, aber auch ziemlich platt vom Schicksal, dem bisher so unfassbar unverwüstlichen Medienmogul Leo Kirch nur wenige Wochen, nachdem er sich erneut des deutschen Fußballs bemächtigte, einen Fuß zu rauben?

Dem kann der gesunde Menschenverstand doch nur mit Unverständnis begegnen.

Pleiten, Pech und Bürsten (2)

Die Aufsteckbürstenaffäre geht in die letzte Runde.

Heute erhielt ich ein mehrseitiges Schreiben der in Bremen ansässigen Rechtsanwälte von Procter & Gamble. Bei den auf Ebay ersteigerten Bürsten aus China, eröffnete man mir ohne Umschweife, handele es sich definitiv um Fälschungen.

Wenn ich nicht schriftlich innerhalb einer eng gesetzten Frist, am besten augenblicks, die unverzügliche Vernichtung der bereits seit Wochen zollseits konfiszierten Bürsten beantrage, brächten sie den Fall vor Gericht.

Das freiwillige Vernichtenlassen der Mundhygieneartikel sei also für mich sehr viel kostengünstiger, weshalb sie mir dringlich dazu rieten. Das hatte ich kommen sehen und bereits am 7. Januar in nicht unharschen Worten beim in Berlin gemeldeten Verkäufer dieses Szenario durchdiskutieren wollen.

Er antwortete auch.

Von: Kemal P.
Betreff: Re: 16 x Aufsteckbürsten Oral B FELXISOFT EB NEU OVP
Datum: 10. Januar 2008 02:40:24 MEZ
An: MattWagner


Ok alles klar, Nein das ist Definitiv keine fälschung ist schon merkwürdig aber ok kein problem. sollten die vom Zollamt probleme machen erstatte ich Ihnen gerne Ihr geld zurück.
mfg

Der Wahrheitsgehalt dieser handzahmen Mail von Herrn P. erwies sich dank der neusten Entwicklungen als ähnlich ausgeprägt wie die Echtheit seiner Oral-B-Aufsteckbürsten. Sie erforderte somit heute eine Antwort.

Von: MattWagner
Betreff: Re: 16 x Aufsteckbürsten Oral B FELXISOFT EB NEU OVP
Datum: 15. Januar 2008 22:10:52 MEZ
An: Kemal P.


Hallo, Herr P.,

es handelt sich bei den Aufsteckbürsten, die Sie mir verkauft haben, doch um Fälschungen. Das teilte mir heute das Anwaltsbüro B. in Bremen mit. Allerdings kann ich von einem Betrüger wohl kaum erwarten, dass er ausgerechnet auf dem Gebiet der Lüge mehr Taktgefühl walten lässt.

Wie auch immer: Ich wurde von Procter & Gamble gezwungen, die Vernichtung der Aufsteckbürsten zu beantragen. Damit ist der Fall eingetreten, für den Sie mir eine Rückerstattung angeboten haben. Bitte überweisen Sie also den Betrag von 21,80 Euro auf mein Paypalkonto; die Adresse kennen Sie ja. Ich nehme an, Sie werden das umgehend erledigen. Bei Paypal geht das ja innerhalb von Sekunden. Vielen Dank.

Für Ihren weiteren Lebensweg wünsche ich Ihnen alles Gute. Es kann ja im Grunde nur besser werden.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Wagner

Bisher kam noch keine Antwort.


Es ist übrigens schon ein recht merkwürdiges Gefühl, die Vernichtung einer Ware zu beantragen, die man ordnungsgemäß bezahlt, aber dank eines staatlichen Eingriffs nie genutzt hat.

Als müsste man sich selbst ohrfeigen.

Edit 27.1.2008: Der Bürstenverkäufer hat mir nach zwei weiteren Erinnerungsmails das Geld zurückerstattet.


15 Januar 2008

Ein Meilenstein für Kaffeetanten



Gut, vielleicht ist meine Erfindung nicht vergleichbar mit der des Rades. Aber fast: Vorm Einfüllen des Espressos toaste ich nämlich neuerdings Gläser oder Tassen, um das Getränk möglichst lange heiß zu halten.

Eine sehr effiziente Methode zur Erhitzung auch solcher Materialien, denen der Umgang mit Toastern nicht in die Wiege gelegt wurde. Es hilft übrigens sehr, wenn der Henkel (wie in der heutigen Fotodokumentation zu sehen) über den Rand des Gerätes hinweg ragt, sonst toastet man sich nämlich auch noch die Fingerkuppen, wenngleich indirekt.

Auch sollte man Glas oder Tasse nach der Hälfte der Zeit einmal drehen, um eine gleichmäßige Hitzeverteilung über das gesamte Gefäß zu erreichen.

Es empfiehlt sich nach Abschluss der Prozedur zunächst eine kurze taktile Prüfung des Glas- oder Tassenrandes mit den Fingern, bevor man optimistisch den Lippenkontakt sucht. Doch das ist auch schon alles, was man bei dieser neuartigen Espressotassenerhitzungsmethode beachten muss. Sie funktioniert sogar bei Teepötten und kleineren Tellern.

Das Verfahren stelle ich hiermit unter einer Creative-Commons-Lizenz der Weltöffentlichkeit zur Verfügung.

13 Januar 2008

Haubesuch in der Provinz

Merkwürdig: Auch das „Sonntag-Morgenmagazin“ im strenggläubigen Dillkreis, wo ich das Wochenende verbringe, druckt unverblümte Sexanzeigen.

Tja, wo immer ich hinfahre: St. Pauli – das Foto zeigt ein von mir persönlich verewigtes Motiv des dort legendären Tittenmalers Erwin Ross – ist schon da.

Unter den einschlägigen Angeboten im „Sonntag-Morgenmagazin“ findet sich auch eins von „Gerda“. Sie offeriert „Haubesuche“.

Hmm … Tippfehler oder Domina?


Man muss die gute Gerda wohl buchen, um es zu erfahren. Aber dazu bleibe ich nun wirklich nicht lange genug hier.

12 Januar 2008

Ausweisen, sofort!

Sah heute am Hauptbahnhof (Gleis 13 a/b), wie zwei südländisch (!) aussehende Nonnen einem alten Bettler nichts gaben.

Erster Gedanke: Sofort ausweisen! (Die Nonnen.)

Gut, ich habe dem Graubart auch nichts gegeben. Aber ich bin Deutscher! Zumindest im Sinne Roland Kochs.

Deutsche Straftäter sollten übrigens ebenfalls ausgewiesen werden. Und zwar nach Hessen.

Dass ich heute in ebendieses Bundesland gereist bin, hat mit dieser Forderung gleichwohl nichts zu tun. Und auch nichts damit, dass ich dem Bettler nichts gegeben habe.

Sondern mit was ganz anderem.

Das Bieterduell

Mir ist mal wieder eine Meisterleistung gelungen, die jedem, der dies hier in den nächsten Minuten liest, grenzenlose Bewunderung abnötigen wird. Doch der Reihe nach.

Neulich entschloss ich mich, alte Software bei Ebay zu versteigern. Auf dem neuen Rechner läuft sie eh nicht mehr, teils hat sie schon zehn Jahre auf dem Buckel. Wie man weiß, sind Softwarejahre Hundejahre, also mal sieben. 70 Jahre alte Software!

Aber vielleicht, so meine aus eigener Sammlererfahrung gespeiste Überlegung, gibt es irgendwo da draußen noch liebevolle Hätschler alter Rechnermühlen, die sich seufzend der patinösen Aura solcher Klassiker wie „Guinness Buch der Rekorde 1995” hingeben möchten.

Also wühlte ich in allen Kisten, suchte dies zusammen und das, packte schließlich 20 CDs mit Programmen und Lexika in eine Auktion, legte das Startgebot auf einen Euro fest, kalkulierte die auf Kante genähten Versandkosten mit brutto 2,35 Euro für einen gepolsterten Maxibrief und wartete wohlgemut ab.

Sieben Tage später stand das Höchstgebot fest. Zwei Leute hatten sich eine erbitterte Bieterschlacht geliefert, bis dem einen schließlich die Luft zu dünn wurde. Die unerhört dramatische Auktion endet bei exakt … einsfuffzig.

Damit wäre ich bestimmt 1995 im „Guinness Buch der Rekorde“ gelandet, hätte es damals Ebay schon gegeben. Doch ich schweife ab. Ich muss ja endlich zum Kern meiner Ausführungen kommen, nämlich dem Grund für die gleich einsetzende grenzenlose Bewunderung.

Heute also, nach Eingang der Überweisung in Höhe von brutto 3,85 Euro, verpackte ich die geronnene Arbeitskraft ganzer Entwicklergenerationen in den erwähnten Polsterumschlag und taperte zu Edis Lieblingspostfiliale in der Nachbarschaft.

Der Postmann nahm den Brief und wog ihn. „Tja“, sagte er dann, „über zwei Kilo. Geht nur als Päckchen. Macht 3,90 Euro.“

3,90 Euro. Fünf Cent mehr, als ich überwiesen bekommen habe. Eine echte Meisterleistung.

Grenzenlose Bewunderung bitte in den Kommentaren.

11 Januar 2008

Ein Appell an den deutschen Eisbären

Sagt mal, hört das denn gar nicht mehr auf mit diesen Eisbärbabys? Werden die nie mal alle?

Meines Erachtens sollten all jene Vertreter dieser respektablen Spezies, die in Zoos gepfercht sind, das Schnackseln komplett einstellen, schon aus Protest.

Doch ganz im Gegenteil. Der deutsche Eisbär geriert sich unverdrossen geil. Und deshalb sind selbst seriöse Nachrichtensendungen seit dieser Woche erneut zottelfellkontaminiert.

Wider Willen weiß ich nun, wie der Pfleger des neuen Nürnberger Eisbärbabys das neue
Nürnberger Eisbärbaby ruft, nämlich „Flocke“. Ich will so etwas nicht wissen!

An genau der Stelle meiner hier oben eingebauten Festplatte, wo nunmehr „Flocke“ abgespeichert ist, sollte besser eine sinnvollere Information zu finden sein. Zum Beispiel das Wort „Zerknalltreibling“.

Mit dieser Neuschöpfung versuchten angeblich
einst die Nazis das undeutsche Wort „Motor“ heim ins Reich zu holen. Das ist sehr, sehr witzig.

Selbst das Wissen, wann Don Alphonso gestern Abend in der zweistündigen DJV-Podiumsdiskussion zum Webjournalismus erstmals ungeduldig, vielleicht sogar schon verärgert mit dem rechten Fuß zuckte (nämlich nach 26 Minuten 38 Sekunden), hielte ich für eine sinnvollere Belegung des aber noch immer von „Flocke“ zäh verteidigten Speicherplatzes.

Also, Eisbären: Hört endlich auf mit dem ihr wisst schon! Gebt Speicherplatz frei! Lasst wenigstens 2009 als eisbärenbabyloses Jahr in die Geschichte der deutschen Zoos eingehen!


Machbar?

Foto: cl-mz, Photocase

10 Januar 2008

Das Ergebnis ist immer das gleiche

Die Kreuzung Barner Straße und Friedensallee ist verkehrstechnisch von großer Tücke, obgleich ihre HVV-Anbindung geradezu obszön grandios ist.

Diverse Buslinien durchkreuzen die Gegend, doch sind die Haltestellen etwas verstreut gelegen. An der Barner Straße kommt die 37 vorbei, hundert Meter weiter in der Friedensallee öffnet die 150 dir gern die Tür, und auf der anderen Seite des Häuserblocks in der Bahrenfelder Straße lockt die Linie 2.

Alle fahren in die richtige Richtung, nämlich zum Bahnhof Altona. Mein Ehrgeiz besteht nun in der Regel darin, den nächsten eintreffenden Bus zu erwischen, unabhängig von der Haltestelle. Dadurch erhoffe ich mir ein frühestmögliches Eintreffen zu Hause.

Dazu muss ich anmerken: Ich kann mir keine Abfahrtzeiten merken, aber das nur nebenbei. Zuerst probiere ich es stets mit dem 37er, der mich aber regelmäßig in den Wahnsinn treibt, weil er einfach nicht kommt.

Natürlich warte ich ein paar Minuten über die turnusmäßige Abfahrtzeit hinaus, bin ja kein Anfänger, doch dann keimt auch schon der erste dämonische Gedanke, der sich alsbald zur Zwangshandlung auswächst: Los, lauf rüber zur 150, flüstert der Dämon, die kommt bestimmt gleich!

Das tat ich auch schon mehrfach, nur um in der Ferne sogleich den 37er an meiner alten Haltestelle vorfahren zu sehen, während nunmehr der 150er geruhte, eine kleine Auszeit vom harten Tagwerk zu nehmen.

Einmal ging ich am Ende auch noch rüber zur Haltestelle der 2 und durfte frustriert der 150 hinterherwinken, die nur eine Minute nach meinem Verlassen der Station frohgemut eingetroffen war. Die 2 hingegen kam laut Fahrplan erst in zehn Minuten. Also lief ich gesenkten Kopfs zum Bahnhof (sieben Minuten) und traf spätestmöglich zu Hause ein.


Inzwischen bin ich aber auf buddhaeske Weise gleichmütiger geworden. Ich warte einfach auf die 37, wann immer sie kommt. Wozu habe ich 8133 Songs auf dem iPod?

Heute stehe ich dergestalt in mir ruhend an der Haltestelle, als eine leicht atemlose Mittfünfzigerin angerauscht kommt und mich fragt, ob der 37 schon durch sei. Ich verneine das, und die Dame stellt sich erleichtert zu mir.

Doch nur fünf Minuten später verliert sie schnaufend die Geduld und dampft ab zur 150. Jetzt, vorfreue ich mich diebisch, werde ich die ganze trickreich inszenierte Aufführung der hiesigen Verkehrsbetriebe also mal live an der richtigen Bushaltestelle erleben.

Denn das Abdampfen der Frau muss nach meiner Erfahrung und kosmischer Logik das sofortige Eintreffen der 37 bedingen. Sie hingegen darf das ganze Elend aus hundert Meter Entfernung hilflos fluchend mitansehen, während ich fröhlich pfeifend in den Bus steige und mir stumm gratuliere zu einer taktischen Meisterleistung.

Klasse Plan. Doch der Bus kommt nicht. Nicht nach fünf und nicht nach acht Minuten, sondern erst nach zwölf. Trotz der geflohenen Frau.

Man kann sich einfach auf nichts mehr verlassen. Nur auf den dauermelancholischen Blick der abgebildeten Statue. Ich kenne sie nur zu gut: Sie steht auf halbem Weg zwischen der 37er-Haltestelle und dem Bahnhof Altona.

08 Januar 2008

Eine Empfehlung, aber nur hypothetisch

Neulich erhielt Ms. Columbo vom Klamottenversand Lands’ End eine Weihnachtskarte. Es stehen unzählige Namen drauf, handschriftlich. Die ganze Belegschaft muss rangekarrt worden sein, wegen Ms. Columbo. Es ist fast so wie bei mir vor ein paar Tagen.

„Ich habe“, analysiert sie nachdenklich die Lage, „wohl doch ein wenig zu viel bei
Lands’ End bestellt.“ Sie betrachtet die Karte skeptisch. „Wahrscheinlich“, vermute ich, „steht sogar eine Aktskulptur von dir als Denkmal in der Lands’-End-Eingangshalle.“

Sollte ich übrigens jemals auf die Idee kommen, freiwillig eine Firma zu empfehlen – und das geht nur freiwillig, denn sich dafür bezahlen zu lassen, wäre genauso eklig wie klebrig –, dann wäre es mit Sicherheit
Lands’ End. Das liegt nicht an Ms. Columbos Karte, sondern am Schicksal meiner wind- und wasserdichten Winterjacke.

Nach rund siebenjährigem Gebrauch hatte ihr bis dato sehr robust wirkender Reißverschluss erschöpft aufgegeben.
Lands’ End wirbt ja mit lebenslanger Garantie und untermalt das gern mit dem selbstbewussten Ausruf: „Guaranteed. Period.“ Na gut, dann lasse ich mir von Lands’ End eben den Reißverschluss reparieren, dachte ich, und schickte die Jacke weg.

Wenige Tage später rief Lands’ End an. Sie reparierten leider keine Jacken, eröffnete mir eine Mitarbeiterin, auch ein Austausch des Reißverschlusses sei nicht machbar. „Aber …“, wollte ich gerade anheben und meinen Protest argumentativ um das griffige „Guaranteed. Period.“ herum aufbauen, als sie selbst „Aber …“ sagte und hinterschob: „… Sie bekommen natürlich eine neue Jacke.“

Ähm, gut, das ist … nett, stammelte ich. Wenige Tage später ging mir eine neue Jacke zu. Im Paket lag zudem ein Umschlag. Ich öffnete ihn und entdeckte einen Scheck. Über acht Euro. Ein begleitender Brief erläuterte den Grund: Das Jackenmodell sei inzwischen billiger, deshalb.

Ich hatte also eine sieben Jahre alte kaputte Jacke zurückgeschickt und verfügte jetzt über eine futschneue; außerdem war ich um acht Euro reicher, die ich am nächsten Tag in ein mittägliches Nudelgericht an der Pasta Bar im Ottenser Mercado zu investieren beschloss. Genauso kam es auch. Es schmeckte köstlich.

Wie gesagt: Sollte ich jemals freiwillig eine Firma empfehlen, dann wäre das
Lands’ End.

Aber so etwas tue ich grundsätzlich nicht hier im Blog.

Schlechter Geschmack

Auf einer Betriebsfeier testete unlängst eine bekannte Sommelière unseren Geschmackssinn. Wir mussten an zehn schwarzen Bechern schnuppern, die jeweils andere Duftnoten enthielten.

War ich während des Tests noch selbstbewusst und gegenüber dem Franken sogar arrogant („Das riechst du nicht??? Das ist Rosmarin, Franke! Rosmarin!“), so lag ich nach der Aufklärung völlig zerschmettert darnieder.

Denn was ich für Zitronengras gehalten hatte, entpuppte sich als Ingwer. Das zweifelsfrei identifizierte Lakritz verlachte mich als Soja, die Seife als Rosenwasser. Dafür kam der sofort und selbstbewusst öffentlich benannte Odeur des Marzipans (eins meiner Leibgerichte!) zu meiner totalen Verblüffung von der Haselnuss.

Der Duft, bei dem ich die Verdächtigen umstandslos auf Kirsche oder Schwarze Johannisbeere eingrenzen konnte, erwies sich als olfaktorische Folge einer Maracuja, während sich die echte Johannisbeere meiner Nase als Minze vorgestellt hatte.

Die von Wunderschnüffler Matt ohne jeden Anflug von Unsicherheit enttarnte Rote Grütze hingegen hob hämisch das Röckchen und rief: „Vanille!“

Richtig lag ich lediglich bei Kaffee und Paprika, und das war ungefähr so, als hätte ich beim Fußball kurz vor Schluss noch den Ehrentreffer erzielt – zum 1:8-Endstand.


Die bekannte Sommelière versuchte mir das Desaster mit unverbundenen Hirnregionen zu erklären, doch sie erreichte mich längst nicht mehr.

Übrigens war mein Rosmarin Pfeffer. Beim Franken habe ich danach das Thema einfach nicht mehr angesprochen.

07 Januar 2008

Neulich in der Buchhandlung

„Ich weiß nicht genau, wie der Autor heißt“, sagt die Kundin zur Verkäuferin, „aber ich hätte gern das Buch über Gott.“

„Über Gott?“, staunt die Verkäuferin Buchstützen, ohne naheliegenderweise an Manfred Lütz’ „Gott – Eine kleine Geschichte des Größten“ zu denken, das gefühlt seit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten die Büchercharts verstopft wie ein Haarbüschel den Abfluss.

Aber das fällt der Fachverkäuferin gerade nicht ein.

„Wenn ich Gott in den Computer eingebe“, sagt sie stattdessen, „dann hängt der sich auf!“

PS: Sie meinte den Computer.

Das Foto zeigt (mal wieder) das Gebäude der Heilsarmee in der Talstraße.

06 Januar 2008

Das Geheimnis des Wollerns

Meine aktuell liebste Müllmail schneit regelmäßig mit dem Betreff „Wir wissen, was Frauen wollern“ herein; und immer wieder frage ich mich, ob sie nicht eher nach dem „Wie“ des Wollerns fragen müsste.

Schließlich handelt es sich beim Wollern um eine (zumindest für mich) durchaus geheimnisvolle Tätigkeit, deren genaue Ausführung doch gerade das Interessante wäre – also das Wie.

Jedoch vermeidet es der Spambetreff sorgsam, dem Wollern selbst auf den Grund zu gehen. Vielmehr verdunkelt er es geradezu aufreizend reizvoll; und selbst der Text der Mail trägt semantisch kaum Erhellendes bei.

Wollernde Frauen – das klingt jedenfalls interessant. Auch gebeugt: Er/sie/es wollert. Wollen wir nicht mal wieder wollern? Alles denkbar, alles von dunkler, verheißungsvoller Strahlkraft.

Für den Werbeslogan des Friseurladens in Stade gilt das deutlich weniger. „Dreht sich die Säule hell und klar / schneiden wir sofort Ihr Haar“: Das ist doch zweifellos aus den letzten Kriegstagen übriggeblieben.

Die Säule übrigens drehte sich kein Stück. Ja, sie wollerte nicht mal.

05 Januar 2008

Pleiten, Pech und Bürsten

Seit Wochen schon warte ich auf die bei Ebay ersteigerten Aufsteckbürsten für die Elektrische. Der von mir per Mail immer dringlicher zu einer offeneren Informationspolitik aufgeforderte Verkäufer schob das Ausbleiben der Bürsten ein ums andere Mal auf einen imaginierten adventlichen Päckchenstau.

Meine zunehmende Unleidlichkeit dämpfte das allerdings kaum. Es drohte bereits ein ernstes Zerwürfnis, da fand ich heute eine Mitteilung des Zolls im Briefkasten, dessen angetackerter Lieferschein auf China verwies. Noch dämmerte mir nichts; schließlich sitzt der Bürstenverkäufer in Berlin.

Unter den wenigen entzifferbaren englischen Wörtern des Zollzettels fanden sich allerdings auch die beiden hochverdächtigen „tooth“ und „brush“. Ein Hinweis auf meine sehnlichst erwarteten Aufsteckbürsten. Aber warum China?

Um das Rätsel zu lösen, begab ich mich unverzüglich auf eine Expedition gen Zollamt im Hamburger Osten. Als Fortbewegungsart wählte ich die bewährte Mischform aus Fahrrad und S-Bahn.

Als ich am Berliner Tor das Rad enterte, stellte sich jedoch heraus, dass meine Gangschaltung eingefroren war, und zwar in einem sehr kleinen Gang. Den Heidenkampsweg juckelte ich also runter wie ein Duracellhase auf Ecstasy. Die Leute kuckten, als säßen sie in einer Comedyshow.

Im Zollamt legte ich meinen Chinazettel vor. Der Beamte kam zurück mit einem kleinen Paket, reichte mir ein Messer und bat mich, das Paket aufzuschneiden. Das Erste, was ich aufschnitt (wenn auch versehentlich), war allerdings meine Hand, und zwar direkt unter der Zeigefingerwurzel. Irgendwann offenbarte sich aber auch der Inhalt des Pakets. Es waren in der Tat die Aufsteckbürsten.

Der Zollbeamte schaute skeptisch. Er nahm sie an sich und verschwand Richtung Computer. Nach zehn Minuten kam er zurück. Es bestehe, erklärte er, der Verdacht auf Produktfälschung. Die Bürsten müsse er der Herstellerfirma vorlegen. Falls es Nachbauten seien, würden sie vernichtet. Falls nicht, könne ich ja noch mal vorbeikommen, um sie mir abzuholen. So etwa in 14 Tagen.

Ich nickte verständig, während ich an meiner Hand nuckelte. Dann ging ich wieder hinaus in die gangschaltungsfeindliche Januarkälte, mit Wunde und ohne Bürsten.

Insgesamt ziehe ich dennoch ein positives Fazit. Zwar musste ich eine kleine Reise antreten, machte mich dank einer eingefrorenen Gangschaltung auf dem Heidenkampsweg lächerlich, tätowierte mich an der Zeigefingerwurzel, machte mich auf dem Heidenkampsweg dank der noch immer eingefrorenen Gangschaltung ein zweites Mal lächerlich – doch ich habe sie gesehen, meine Bürsten. Mit eigenen Augen. Sie existieren.

Gar keine sooo schlechte Bilanz für eine Ebayauktion, die erst am 7. Dezember zu Ende gegangen ist.

03 Januar 2008

Kneipenbesuch mit einem Rauchverbotsverbotsbefürworter

Der gestrige Beitrag hat mir viel Schimpf eingebracht. Obzwar ich dachte, mich sachlich geäußert und den Text nur hie und da mit einer feinen Prise Ironie gewürzt zu haben, halten mich nun selbst Menschen, die ich als bisher als wunderbar schätzen gelernt habe, für „kleinlich“, „niedrig“ oder gar einen „fanatischen Nichtraucher“.

Natürlich frage ich mich, ob man wirklich fanatisch nicht rauchen kann. Glaube ich eher weniger. Ich bin höchstens geradezu fanatisch kein Serienkiller. Doch solche semantischen Feinheiten spielen längst keine Rolle mehr in dieser aufgeheizten Situation.

Die Grundbereitschaft zur Hysterie bei den Rauchverbotsgegnern hat mich jedenfalls verblüfft. Dabei sind für die bisher bekannten Fälle von Militanz nach meinem Eindruck stets Raucher verantwortlich. Wahrscheinlich werden pöbelnde und marodierende Nichtraucher von der Presse einfach totgeschwiegen, deshalb …

Was mich bei der ganzen Diskussion so erstaunt: Wenn in der Kneipe jemand grundlos verprügelt wird, würdet ihr das (hoffentlich) missbilligen; wenn einem aber jemand in der gleichen Kneipe ein todbringendes Gasgemisch in die Lunge bläst, findet ihr das nicht nur tolerierbar, sondern fordert dieses Recht geradezu empört ein.

Beides aber, das Prügeln und das Paffen, meine Damen und Herrn, ist schlicht und einfach Körperverletzung – wobei Prügel die deutlich harmlosere dieser beiden Varianten darstellen.

Zum Glück aber fand heute im Aurel nichts davon statt. Als der ausgewiesene Rauchverbotsverbotsbefürworter GP und ich dort um 18 Uhr eintrafen, war die Kneipe von samtiger Frischluft erfüllt – und erstaunlicherweise voller als beim letzten Treff.

Natürlich halte ich das keineswegs für repräsentativ, bitte nicht missverstehen. Doch der von Raucherkassandras als Katastrophenszenario heraufbeschworene sofortige Kneipenkollaps hat zumindest heute in Ottensen noch nicht eingesetzt.

GP übrigens ertrug die Tortur, seine (und meine) Lunge für eine Stunde mal nicht langzeitschädigen zu dürfen, tapfer wie ein Mann. Nicht alle Raucher sind also hysterische Memmen. Wieder was dazugelernt.

02 Januar 2008

Ich bin die Exekutive!

Neulich schlugen zwei U-Bahn-Raucher in München einen Mann halbtot, als er sie aufs Rauchverbot aufmerksam machte.

Die Hamburger Regierung empfiehlt uns Nichtrauchern das nun zur Nachahmung. Nicht das Halbtotprügeln, nein, nein, sondern das Aufmerksammachen.

Da der Senat das Rauchverbot zwar höchstselbst verhängt hat, es aber aus wahltaktischen Gründen vorerst lieber doch nicht selbst durchsetzen möchte, fordert er uns in Gestalt von Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber-Jastram auf, ab sofort couragiert die Raucher auf ihr Fehlverhalten hinweisen.

Wir sollen also für Ole & Co. die Exekutive spielen – sprich: die Rübe hinhalten. Na ja: no risk, no fun. Ich werde also demnächst zum Raucher gehen und ihm Folgendes darlegen:


„Entschuldigen Sie, hier ist das Rauchen verboten. Auch über die reine Gesetzeslage hinaus wäre es mir lieber, Sie respektierten mein Recht auf eine durchschnittliche Lebenserwartung und setzten mich keinen krebserregenen Giften aus, nur weil Sie a) Ihre Sucht nicht in den Griff kriegen und b) auch noch darauf bestehen, Sie öffentlich ausleben zu dürfen – was es Ihrer Spezies über Jahrhunderte praktisch widerstandslos ermöglichte, öffentliche Begegnungsstätten monopolartig zu bevölkern und Menschen, denen etwas an ihrer Gesundheit sowie dem olfaktorischen Niveau ihrer Kleidung liegt, von diesen geselligen Orten fernzuhalten, auf deren risikolosen Besuch sie doch ebenfalls ein Recht hätten. Also: Wie wär’s?“

Eigentlich überzeugende Argumente. Gleichwohl könnte der Raucher eingedenk der Münchner Vorbilder zu der Überzeugung kommen, seine Fäuste und Füße seien argumentativ noch stärker aufgestellt. Doch dann zückte ich einfach überlegen lächelnd meinen stärksten Trumpf – und verwiese auf die liebsorgende Gesundheitssenatorin Schnieber-Jastram, die mir das soeben demonstrierte Vorgehen nahegelegt habe.


Wenn schon, so würde ich souverän ausführen, dann sollte der aufgebrachte Raucher doch bitte ihr seine stichhaltigen Argumente darlegen. Sie sei zu den üblichen Geschäftszeiten im Rathaus anzutreffen.

Schon morgen Abend werden Ms. Columbo und ich das übrigens alles mal testen. Wir sind schon ganz aufgeregt vor Vorfreude.

(Motiv entdeckt im Kukuun, Spielbudenplatz)


01 Januar 2008

Die gemütlichsten Ecken auf St. Pauli (1)



Peder sagt, er sei Däne. Außerdem ist er mit Sicherheit: einsam.

Sein Kontaktzettel an einer Straßenlaterne an der Reeperbahn ist zerzaust von der Nacht, verheert von Silvester. „Peder er is Däne“, steht darauf, genauso wie „deutsch vohne“, was möglicherweise einen Hinweis liefern soll auf seinen derzeitigem Aufenthaltsort.

„Vünsche Mänlichen Freund bis 35“, barmt Peder und dass er „mit Ihnen alles teilen“ möchte. Rührend flattern seine Zettelfetzen im Januarwind, aber die Telefonnummer ist gut lesbar.

Eine osteuropäische Matrone trägt Plastiktüten vorbei und schaut sich den Müll der letzten Nacht an. Ihr Kind trottet hinterher; ein gelehriger kleiner Schüler, schon mit ausgebildet wachem Blick für die Unterschiede zwischen wertvoll und -los.

In der Talstraße liegen Weißbrotbrocken auf dem Asphalt, und keine einzige Taube kümmert sich darum. Auch die Vögel haben Kater.

In einer kleinen Einfahrt entdecke ich eine der
gemütlichsten Ecken (auch olfaktorisch), die ich je auf St. Pauli vorfand. Noch während ich sie fotografiere, reift der Gedanke, eine entsprechende Fotoserie zu starten.

Hier ist sie, die Folge 1.

31 Dezember 2007

Offener Brief zu Silvester (2)

Ich weiß, ich weiß: Das habe ich alles letztes Jahr schon mal gesagt. Doch damals hat es nichts genützt.

Deshalb versuche ich es noch mal. Bitte lest also diesen Beitrag, solange ihr noch Augen habt. Erneut erwarte ich für diese guten Tipps keinen Dank; eure geretteten Gliedmaßen sind mir Lohn genug, obwohl ich von ihrer Rettung nie erfahren werde.

Einen guten Rutsch also. Möge morgen früh noch alles an euch dran sein, und zwar an den richtigen Stellen.

Cheers!



Foto: anschlaege.de

30 Dezember 2007

Kunde des Jahres

Obwohl ich von Berufs wegen mit neuen Alben überschüttet werde, kaufe ich noch immer viele Platten, vor allem im Internet. Neulich zum Beispiel beim US-Versender CD Baby.

Im Anschluss erhielt ich eine Kaufbestätigung per E-Mail. Und die erstaunte mich nicht wenig. Schon der Absendername („CD Baby loves Matthias“) schmeichelte mir, doch der Text selber steigerte sich dann noch mal erheblich.

Hier die übersetzte Mail:

Von: CD Baby loves Matthias
Betreff: Matthias - Your CD Baby Order! (#295755)

Datum: 22. Dezember 2007 22:43:00 MEZ
An: MattWagner__web.de


Matthias,
danke für Ihre Bestellung bei CD Baby!

Ihre CDs wurden mit sterilisierten und dekontaminierten Handschuhen zärtlich unserem Regal entnommen und auf ein Samtkissen drapiert. Ein Team von 50 Angestellten inspizierte Ihre CDs und polierte sie, damit sie in der denkbar besten Verfassung sind, bevor sie auf den Postweg gehen.

Unser japanischer Verpackungsspezialist entzündete eine Kerze, und das Pubikum verstummte ergriffen, als er die CDs in die beste goldverkleidete Schachtel legte, die man für Geld kaufen kann.

Danach hatten wir eine wunderbare Feier, und alle Teilnehmer zogen schließlich hinunter zum Postamt, wo sich die ganze Stadt Portland versammelt hatte, um Ihrem Päckchen ein „Bon voyage!“ hinterherzuwinken – auf seinem Weg zu Ihnen, wohin heute der CD-Baby-eigene Jet abhob.

Ich hoffe, es hat Ihnen viel Freude bereitet, bei CD Baby einzukaufen. Wir glauben es fest. Ihr Bild jedenfalls hängt an unserer Bürowand mit der Aufschrift „Kunde des Jahres“.

Jetzt sind wir alle erschöpft, können Ihre Rückkehr aber trotzdem kaum erwarten. Danke, danke, danke!

Seufz …

Derek Sivers, Präsident, CD Baby


Tja. Klingt schon anders als eine Standardmail von Ebay oder der Telekom. Der Kaufwert lag übrigens bei 26,96 Dollar.

Ein ganz und gar unutopischer Tag

Heute wagte ich nur einen einzigen Ausflug vor die Tür. Er reichte, um etwas sehr Unspektakuläres festzustellen: Auf St. Pauli geht alles seinen normalen Gang – und der regt mich auf.

Irgendjemand nämlich hat mir am Fahrrad mal wieder die Lampenleitung durchgeschnitten, bei Edeka ignoriert ein Merkbefreiter die Brötchenzange und wühlt mit bloßen Händen im Gebäck, von Fenstern und Balkonen bewerfen Scherzbolde die Passanten mit Knallfröschen, und auf dem Spielbudenplatz liegt unpassenderweise gestapelter Schnee herum.

Was also bleibt einem übrig, als sich zu Hause zu verkriechen, die Bude aufzuräumen und zwischendurch Aphorismen zu schmieden?

Zum Beispiel den hier:

Glorifizierung ist die nachträgliche Utopisierung der Vergangenheit; die Utopie hingegen glorifiziert vorauseilend die Zukunft.
Klingt nicht unpassabel. Doch der tristen Kiezgegenwart aus durchgeschnittenen Drähten, Brötchenbetatschern und in Kniehöhe explodierenden Sprengkörpern nützt so ein Spruch rein gar nix.


29 Dezember 2007

Vor und in Umkleidekabinen

Wohl dank einer Geistesverwirrung habe ich mich heute in den postweihnachtlichen Einkaufswahn gestürzt.

Zur Strafe stand ich bei H&M in der beträchtlich langen Umkleideschlange. Vor mir hatte sich eine Armada von Frauen aufgereiht, obwohl wir uns in der Herrenabteilung befanden. Vermutlich waren die Schlangen in der Damenabteilung noch länger.

Andererseits taugte dieses in der Toilettensphäre häufig vorkommende Phänomen noch nie als Grund, einfach mal so aufs Herrenklo zu gehen; warum also war die Hemmschwelle geringer bei Umkleidekabinen?

All das aber ging mir in diesen zähen Minuten noch gar nicht durch den Kopf. Dafür sorgte erst eine H&M-Verkäuferin. „Mädels“, sprach sie vertraulich die vordere Hälfte der Schlange an, „das hier sind die Umkleidekabinen für Jungs.“

Betretenes Schweigen in der Damenarmada. Diese spürbare Betroffenheit hätte alle möglichen Chancen geboten. Man hätte die Schraube nur noch eine Vierteldrehung weiterdrehen müssen, und schon wären die Damen bestürzt gen richtige Etage geflohen.

Innerlich war ich längst auf der Seite der H&M-Verkäuferin und hoffte auf den entscheidenden Satz. Doch was sagte sie? Sie sagte: „Ich sag’s ja nur.“

Fatal! Die vor mir in der Schlange stehenden Damen nahmen das natürlich erleichtert als Freibrief. Sie reagierten wie ein Ochse, dem jemand ins Horn zwickt, nämlich gar nicht.

Somit verlängerte sich meine Schlangenverweildauer unnötig. Doch ich war viel zu feige höflich, um die Damen zur Schnecke zu machen. Genauso wie etwa eine Stunde später im Kaufhof, als eine Verkäuferin forsch den Vorhang der von mir belegten Kabine beiseite zog mit den Worten: „Oh, Entschuldigung, ich suche einen anderen Herrn!“

Grundsätzlich wäre das natürlich nicht schlimm gewesen, da ich just mal nicht im Slip vorm Spiegel stand. Doch leider war ich gerade dabei, Fotos anzufertigen, von denen eins der Bebilderung dieses Beitrags dient.

Wahrscheinlich hält mich die Kaufhoffrau jetzt für einen Perversen, der sich daran aufgeilt, in öffentlicher Heimlichkeit seinen Bauch zu knipsen. Ich versuchte eilends diesen Eindruck zu zerstreuen, indem ich genau die Hose kaufte, die sie mir empfohlen hatte.

Allerdings quält es mich nun nicht wenig, niemals erfahren zu können, ob diese Taktik auch gefruchtet hat.


28 Dezember 2007

Die Beinwurzsalbengewissensfrage

Ewig nicht mehr genutzte Badezimmer im elterlichen Haus bergen manch seltsamen Fund. Zumindest wenn man ewig nicht mehr genutzte Wandschränkchen öffnet.

Unvorbereitet stieß ich so auf eine Gugelhupfplatte mit Haube. Auch ein „Schokoladen-Fondue Schleckermäulchen“ (für vier bis sechs Erwachsene) geriet mir ins Blickfeld. Fasziniert betrachtete ich zudem ein Töpfchen mit der hochmerkwürdigen Inhaltsangabe „Beinwurzsalbe“. Und dann war da auch noch das „Universal-Anti-Beschlagmittel“ VAPEX.

Dessen Herstellerfirma sitzt laut Aufschrift in einer Stadt mit vierstelliger Postleitzahl – das nur zur Verdeutlichung, wie lange dieses Wandschränkchen bereits die bittere Last des Linksliegengelassenwerdens schultern muss.

Das Antibeschlagmittel jedenfalls hat – sofern es überhaupt noch über eine auftragbare Konsistenz verfügt (was ich NICHT überprüft habe!) – inzwischen wohl eher zementierende Grundeigenschaften.

Am vermutlich prähistorischsten aber war ein braunes Fläschchen mit einem Rest essigsaurer Tonerde. Die ausgebende Apotheke hatte ebenfalls ihre Adresse draufgedruckt und gab einen Landkreis an, der unter diesem Namen seit der hessischen Gebietsreform nicht mehr existiert. Und die war 1976.

Von den ganzen Sachen habe ich übrigens nichts weggeworfen, nicht mal die Beinwurzsalbe. Ohne Einzelfallprüfung gemeinsam mit den rechtmäßigen Eigentümern wäre das unethisch gewesen. Oder doch eher verantwortungsvoll?

Eine Gewissensfrage, die ich vor der Rückreise nach Hamburg nicht mehr zufriedenstellend beantworten konnte. Doch sie läuft ja nicht weg, diese Frage.

Garantiert nicht.

26 Dezember 2007

Bumm, bumm, bumm



Wenn Herr Mehdorn den Lokführern schon nicht mehr bezahlen will, so sollte er ihnen zumindest Englischkurse finanzieren. Auf der ICE-Fahrt nach Hessen wurde uns diese Notwendigkeit mal wieder schmerzlich bewusst.

Als Lautsprecherdurchsage erlebten wir zum Beispiel ein „Ereiwel on dreck nammber twölf“. Lustiger war aber noch der ältere Herr, der plötzlich mit wichtiger Miene und Fahrkarte in der Hand vor meinem Sitz stand und fragte: „Sitzen Sie auf Nummer 26?“

Ich bejahte das. „Wie weit fahren Sie denn?“, schob er interessiert nach. „Bis Kassel.“ „Ah gut“, atmete er auf, „ich habe ab Kassel reserviert. Aber bleiben Sie ruhig sitzen.“

„Natürlich“, sagte ich. „Ich habe bis Kassel reserviert.“
„Wie gesagt, gar kein Problem“, sagte er, „bleiben Sie sitzen.“

Nun, das blieb ich auch. Trotz des Kindes schräg hinter mir. Zwischen Harburg und Göttingen sang es mit bedingungsloser Konsequenz, die man sich eigentlich nur als Überlebenstechnik in pakistanischer Einzelhaft aneignen kann, unablässig eine einzige Liedzeile.

Sie lautete: „Und die Trommel und die Trommel, sie macht bumm, bumm, bumm.“

Ich war nicht wenig erleichtert, als die Fahrt vorbei war und ich endlich einen einsamen Baum fotografieren konnte, der bedingungslos konsequent das Maul hielt.

25 Dezember 2007

Undank ist der Welt Lohn

Es kommt kein Auto, also will ich schnell über die Simon-von-Utrecht-Straße huschen, trotz der roten Fußgängerampel.

Doch in diesem Moment fährt gegenüber eine junge Mutter vor; ihr etwa dreijähriges Kind sitzt vorn im Fahrradkorb und schaut interessiert hinein in die Welt. Mama flüstert ihm etwas zu, wahrscheinlich vom Unterschied zwischen Rot und grün und Leben und Tod.

Jedenfalls fühle ich mich ausgebremst und bleibe ungeduldig stehen. Wer weiß, ob nicht das künftige Seelen- und Knochenheil dieses hoffnungsfrohen Menschleins von meiner Mitgestaltung dieser einen Minute abhängt; von mir und meinem guten Beispiel.

Jetzt wird die Ampel grün. Stolz schreite ich aus, bereit, die wärmende Dankbarkeit und Verehrung wenn auch nicht des Kindes, so doch seiner Mutter huldvoll entgegenzunehmen, und zwar mitten auf der Simon-von-Utrecht-Straße, genau dort, wo wir uns in diesem Augenblick begegnen.

Und genau das geschieht … nicht. Die stoffelige Tante schiebt ihr Rad samt Blag an mir vorbei, ohne mich auch nur anzusehen. Dabei habe ich ihrem Kind das Leben gerettet.

Gute Taten zählen halt nicht mehr im 21. Jahrhundert, nicht mal an Weihnachten. Na, dann ist ja eh alles egal.

23 Dezember 2007

Roger Cicero rehabilitiert Blondinen

Beim Konzert von Roger Cicero im Mandarin Kasino, wo voluminöse Papierlampen über der Theke schweben, fällt mir eine frappierende Blondinenquote auf. Ob dick, ob dünn, ob kugeligklein oder Bohnenstange: Die meisten ciceroaffinen Frauen sind unglaublich blond.

Dabei legt der statistische Durchschnitt eigentlich eine erheblich niedrigere Anzahl nahe. Das widerlegt verspätet jene Flut an Witzen, die einst eine sich in Blondheit manifestierende genetische Beschränktheit nahelegte.

Damals zog man den gleichsam agrarischen Rückschluss, strohblond sei gleich strohdumm. Doch wer den cleveren Jazz von Cicero schätzt, das wird mir zwischen zwei Saxofonsoli klar, kann unmöglich ein Dummerchen sein.

(Edit für Ms. Columbo: Das bedeutet freilich keineswegs, dass jene, die Ciceros Jazz nicht schätzen, automatisch Dummerchen sind, selbst wenn sie braunes Haar haben. Nein, das bedeutet es nicht. Nein! Echt nicht!)


22 Dezember 2007

Ich verstehe den Kapitalismus nicht mehr

Unablässig rieseln Informationen auf uns nieder. Wir ziehen daraus ständig unsere Schlüsse, ob bewusst oder unbewusst.

Neulich zum Beispiel erfuhr ich, die Post sei zurzeit bis zum Zusammenklapp überlastet, sie kumuliere daher vor lauter Erschöpfung die Sendungen und stelle sie nur noch alle zwei Tage gesammelt zu.

Unter anderem diese Meldung war es, die mich heute bewog, meine beiden Päckchen lieber bei Hermes abzugeben. Wenn die Post am Ende ist, so meine eigentlich logische Überlegung, muss das ja nicht automatisch auch für die Konkurrenz gelten; vielleicht schafft wenigstens die das übliche Tempo.

Doch just als ich durch die schneeüberzuckerte Seilerstraße (Foto) zum Hermesshop wollte, kam der Postbote und überreichte mir vor der Haustür ein Päckchen, worauf erstaunlicherweise ein … Hermeszettel pappte.

„Warum“, fragte ich baff den Postler, „überreichen Sie mir denn ein Hermespäckchen, wo Sie doch von der Post sind?“ „Ach“, sagte er, während er mir sein elektronisches Dingens zum Unterschreiben reichte (dessen blöder sarkastischer Stift mich zum viermaligen Autogrammgeben zwang), „wir helfen aus.“

Aha …? Die Post, obzwar bis zum Kumulierungszwang überlastet, hilft also bei Hermes aus, dem größten postunabhängigen
Logistikdienstleister.

Sollte sie, die Post, diese abgezweigte Manpower nicht besser in den Abbau der eigenen Überlastung stecken? Wahrscheinlich muss sie doch nur deshalb ihre eigenen Sendungen tagelang kumulieren, weil sie auch noch die ganzen Hermespäckchen am Hals hat.

Ich informationsberieselter Rückschlusszieher dachte übrigens wirklich, die beiden seien Konkurrenten. Versteh einer den Kapitalismus.

Endlich haben wir auch mal Glück (2)




Von: MattWagner@xxx.xx
Betreff: Unglaublich - schon wieder eine Kreuzfahrt!
Datum: 17. Dezember 2007 22:45:17 MEZ
An: info@planet49.com


Liebe Leute von Planet49,

es ist wirklich geradezu unfassbar, aber ich habe schon wieder eine Kreuzfahrt von Ihnen gewonnen! Bereits am 9. Dezember ereilte mich dieses Wahnsinnsglück und ich sandte Ihnen daraufhin eine Mail, in der ich Sie um Klärung aller Modalitäten bat (Außenkabine: wichtig!!).

Leider erhielt ich bisher noch keine Antwort von Ihnen; wahrscheinlich der Vorweihnachtsstress, das ist verständlich. Doch wie sich nun herausstellt, ist das gar nicht so schlimm, denn jetzt können wir einfach beide Reisen auf einmal festklopfen!

Wir würden am liebsten ein paar Freunde mitnehmen. Die Reise ist doch gewiss übertragbar, und sicherlich ist es möglich, in Nachbarkabinen untergebracht zu werden, oder?

Wie auch immer: Bitte melden Sie sich bald. Wir müssen generell möglichst früh im Jahr die Urlaubsplanungen mit unseren Redaktionen abstimmen, da hülfe eine baldige Terminierung der beiden Kreuzfahrten immens.

Mit hellauf begeisterten Grüßen

Matthias Wagner, Hamburg


Von: info@planet49.com
Betreff: Re: [Ticket#20071218100044XX] Unglaublich - schon [...]
Datum: 18. Dezember 2007 17:58:35 MEZ
An: MattWagner@xxx.xx


Sehr geehrte Kundin,
sehr geehrter Kunde,

vielen Dank für Ihre Nachricht!

Wir sind bemüht Ihre Anfrage schnellstmöglich zu bearbeiten.
Eine Bearbeitungs-Nummer zur Verfolgung Ihrer Anfrage wurde generiert, sie lautet:

20071218100044XX

Bitte nutzen Sie bei Rückfragen immer die "Antwort-Funktion" Ihres Mailprogramms, um eine eindeutige Zuordnung im System zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüssen

Ihr Planet49 Service Team

19 Dezember 2007

Dinge zwischen Himmel und Erde

Auf die neue SIM-Karte soll demnächst meine gewohnte Handynummer portiert werden. Die Karte habe ich im alten Telefon deponiert; so weiß ich immer, wo sie ist.

Kein Mensch kennt die Nummer dieser neuen SIM-Karte. Trotzdem klingelte heute das Telefon. Dreimal. Als ich rangehen wollte, hörte es auf.

Ich sah mir die Nummer im Speicher an. Hamburger Vorwahl, aber unbekannt. Bang wählte ich sie. Besetzt. Zehn Minuten später versuchte ich es erneut. Immer noch besetzt.

Wer kennt die Nummer meiner neuen SIM-Karte, die selbst ich nicht auswendig weiß? Und woher?

Diese Frage beschäftigte mich noch immer, als ich wenig später die Simon-von-Utrecht-Straße entlangging. Als ich an der Hausnummer 21 (Foto) vorbeikam, summte plötzlich der Türöffner.


Doch niemand hatte geklingelt, kein Mensch stand vorm Haus. Nur ich ging gerade vorbei.

Schon sehr komisch, diese Weihnachtszeit.


17 Dezember 2007

Warum nicht amputieren?

Kaum fantasiere ich davon, die Kiezpolizei gesetzeskonform zu entwaffnen, fällt für zwei Tage mein Server aus. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Jedenfalls herrscht um uns herum seit neuestem Waffenverbot. Wer künftig friedlich auf der Reeperbahn Baseball spielen will, bekommt den Schläger abgenommen und 200 Euro Strafe aufgebrummt. Ebenso ergeht es jenen, die ihren Apfel mit einem Taschenmesser schälen oder die Taubenpest per Pistole oder Pfefferspray eindämmen wollen.

Etwas Entscheidendes aber ist weiterhin erlaubt: die lockeren Fäuste der testosteronprallen „Was guckst du?“-Hirnis. Eine temporäre Amputation vorm Kiezbesuch sollte obligatorisch werden; kann man ja alles im Morgengrauen wieder annähen, schließlich haben wir eine Uniklinik.

Doch Spaß beiseite: Das Waffenverbot ist toll. Niemand kann mir plausibel erklären, wozu er Knarren, Prügel oder K.O-Spray braucht, wenn er doch nur zum Picheln und Pimpern herkommt. Das geht auch ohne, meine Damen und Herren!

Zumindest nehme ich das an.

15 Dezember 2007

Das Waffenverbot wird ignoriert



Auf dem Weg zum Einkauf gerate ich am Schulterblatt in kleinere Scharmützel zwischen Polizei und versprengten Demonstranten.

Ich weiß nicht genau, wie sie provoziert wurde, doch in Rage ist die Ordnungsmacht nicht gerade. Lustlos traben die staatlich Vermummten ein bisschen hinter den privat Vermummten her, stoppen dann ab und schlurfen wieder zurück zur Phalanx der Kollegen. Alles nur Spielereien, Finten, Rituale. „Samstags frei für die Polizei!“, höhnen die Gejagten den Jägern lachend hinterher.

Im Demozug hält einer einen Papppfeil mit der Aufschrift „Sehr verdächtig!“ einem Polizisten an die Schulter und geht konsequent hinter ihm her. Der erträgt das mit allenfalls innerem Groll. Auf der Budapester Straße sitzt ein Demonstrant und stützt sich mit blanken Händen auf den eisigen Asphalt – gegen Schäuble, gegen den Überwachungsstaat.

Um ihn herum stehen unzählige Polizisten, hochgerüstet, gepanzert, vollausgestattet. Sie haben wohl einfach noch nichts gehört vom neuen Waffenverbot auf dem Kiez.

Es scheint mir allerdings nicht der richtige Zeitpunkt, sie darauf hinzuweisen.

Nur ein Wort

WEIH!
nachtsf
ei
er …

13 Dezember 2007

Von Berg und Bauern

Müsste ich einen Artikel schreiben über den TV-Smash-Hit „Bauer sucht Frau“, so betitelte ich ihn aus lauter Spaß an der Freud mit dieser Zeile: „Zurück in die Kuhzunft“.

Doch leider schreibe ich keinen Artikel darüber, und deshalb wird auch diese Überschrift niemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Schade drum.

Ans Licht zerre ich ersatzweise ein Zitat der hochverehrten Dichterin Sibylle Berg, deren Newsletter zu empfangen ich die monatliche Ehre habe, wie Stammleser wissen.

„Zürich ist unbedingt eine Reise wert“, schreibt sie. „Es ist so angenehm teuer, dass man hier kaum betrunkene Kegelreisende trifft.“ Damit liefert Frau Berg eine fantastisch treffsichere Definition des Gegenteils von unserer hiesigen Wohnumgebung.

Man muss „Kegelreisende“ nur ersetzen durch „Dombesucher“, „Freier“, „Pinneberger“. Oder „Bauern auf Frauensuche“.



Ziemlich zebraesk

Dank eines noch halb traumumflorten Griffs in den Kleiderschrank erlitt ich heute zufällig eine merkwürdige Klamottenkombination.

Mein weißes T-Shirt hatte Längs-, die gleichfarbige Haushose Querstreifen, und zwar jeweils schwarze. Wahrscheinlich fragen sich jetzt einige Stilisten, was eine derartige Hose überhaupt in meinem Kleiderschrank verloren hat.

Nun, das kann ich erklären. Tu ich aber nicht.

Jedenfalls ergab diese Kombi eine selbst für mich verwirrende Zebraoptik. Ich musste sie gleich Ms. Columbo vorführen. „Schau mal“, strahlte ich sie an, „mit diesem Outfit würde ich in der Savanne jedem Löwen entkommen. Er bekäme Augenflimmern, und weg wäre ich.“

Ms. Columbo schaute auf, und ihre Augen weiteten sich in namenlosem Schrecken. Es dauerte quälende Sekunden, bis sie ihre Fassung wiedergefunden hatte. „Nein“, sagte sie dann, „er bekäme sogar einen epileptischen Anfall.“


Wäre mir auch recht. Und allein das rechtfertigt bereits den Besitz dieser Hose.

Bei der nächsten Safari ist sie an Bord, definitiv.

12 Dezember 2007

Klingelstreich

Natürlich: Das Wesen des Vandalismus, sein Kern, sein innerstes Ich liegt in der sinnlosen Zerstörung. Danach strebt er, das befriedigt ihn.

Dennoch wäre es mir auf eine mir selbst rätselhafte Weise lieber, ich wüsste genau, warum jemand nur die Kuppel einer Klingel klaut, statt sie komplett von meinem Fahrradlenker abzuschrauben und sich hinfort selbst ihrer tadellosen Funktionsfähigkeit zu erfreuen.

Was bloß will der Vandale mit dem Blechdeckel alleine? Er wird ihn über kurz oder lang frustriert entsorgen müssen, und ich meinerseits bleibe auf dem Rest einer Klingel sitzen, die nun so viel wert ist wie ein Schuh ohne Sohle oder Kopf ohne Hirn.

Wem nützt das also? Keinem von uns beiden. Doch vielleicht liegt es ja an mir, an meinem verkrampften Bedürfnis nach Kausalität, nach Ursache und Wirkung, Sinn und Zweck, Diebstahl und Nutzen, dass mir das Wesen des Vandalismus, sein Kern, sein innerstes Ich erschreckend fremd bleibt.

Tatsache bleibt: Ich kann zurzeit nichts und niemand vom Fahrradweg klingeln. Ich muss „Achtung!“ rufen, und das ist auf eine mir selbst unverständliche Weise ein Stück weit entwürdigend.

Es bleibt wohl kein anderer Ausweg: Eine neue Klingel muss her. Oder gibt es irgendwo den Deckel gesondert zu kaufen? Wenn man ihn überhaupt so nennt.

11 Dezember 2007

Neuigkeiten zum Zusammenbrechen

Auf einem der Fernseher im Fitnessclub läuft n-tv. Aus der Ferne sehe ich: Das Laufband leuchtet rot, und das verweist auf sensationelle Neuigkeiten.

Was also mag passiert sein? Ist der Yellowstonevulkan endlich ausgebrochen? Die Kanzlerin zurückgetreten? Rollt ein Tsnunami auf Hamburg zu? Kehrt Michael Schumacher in die Formel 1 zurück? Hat Stoiber Nacktfotos im Playboy zugestimmt?

Neugierig eile ich hin. „BREAKING NEWS“ schreit mich das Laufband alarmistsch an; der Begriff „Eilmeldung“ ist n-tv wohl zu popelig. Aber das ist mir egal, solange die Sensation nur groß genug ist für ein ROTES LAUFBAND.

Und dann erfahre ich sie, die unfassbare breaking news, die Neuigkeit zum Zusammenbrechen: Das Spaceshuttle Atlantis startet NICHT. Sondern erst im Januar.

Muss manchmal echt hart sein, das Leben als Nachrichtensender.


(Natürlich werde ich den Teufel tun und nach den neusten Erfahrungen hier das Logo von n-tv oder etwas Ähnlichem abbilden – sondern lieber ein selbstgeschossenes unscharfes Foto von einem Spiegel, der im Fitnessclub hängt.)


09 Dezember 2007

Endlich haben wir auch mal Glück



Von: MattWagner|web.de
Betreff: Yippiee: Kreuzfahrt!!!
Datum: 9. Dezember 2007 21:47:29 MEZ
An: info@planet49.com


Liebe Leute von Planet 49.com,

ich freue mich wie Bolle über den Gewinn der 4-Sterne-Nil-Kreuzfahrt, den Sie mir über die Webseite www.kicktipp.de mitgeteilt haben! Das finde ich ganz und gar großartig, denn das Jahr 2007 war hart genug!

Jetzt würde ich gerne zeitnah mit Ihnen über die Details reden. Zum Beispiel hätten ich und meine Frau am liebsten eine Außenkabine. Können Sie uns sagen, ob das ohne Aufpreis möglich ist? Wenn nicht, dann schlage ich vor, wir verrechnen das einfach mit dem 50-Euro-Gutschein, den ich ja auch noch gewonnen habe.

Wichtig ist natürlich auch der Termin. Am liebsten wäre uns der Zeitraum vor oder nach Juni nächsten Jahres. Während der Europameisterschaft können wir nämlich leider nicht. Oder gibt es die Chance, die Spiele an Bord zu verfolgen, vielleicht sogar auf einem Fernseher in der Außenkabine?

Fragen über Fragen, die unser Glück natürlich nicht trüben! :))

Falls wir terminlich nicht auf einen Nenner kommen, wären wir auch mit einer Barauszahlung einverstanden. Die Kontonummer kann ich Ihnen bei Bedarf nennen, kein Problem. Um welche Höhe handelt es sich denn? Mit etwa 3000 Euro können wir doch rechnen, oder? Wahnsinn!

Prall vor Glück:
Matt


08 Dezember 2007

Der Entkalkungsversuch

Die Espressomaschine musste entkalkt werden, schon seit Monaten. Alle 600 Tassen muss man das tun, sagt die Anleitung. Wir waren schon mindestens hundert drüber.

Endlich raffte ich mich auf. Der Beutel mit dem Entkalker war bedruckt mit allerlei bedrückenden Warnhinweisen. Am Ende, als es um Kinder ging und ihre Neigung, alles in den Mund zu stecken, nahmen sie einen geradezu panischen Grundton an.

Trotzdem schnitt ich den Beutel auf. Sofort entwich ihm ein entsetzlicher Gestank, und ich beeilte mich, die Flüssigkeit in den halb mit Wasser gefüllten Tank zu schütten und das Gebräu sofort durch die Maschine zu jagen.

Danach mit klarem Wasser nachspülen, und schon würden wir uns wieder an duftendem Espresso erfreuen können – sagte die Theorie. Die Praxis wich davon ab. Denn der Maschine entstieg auch nach dem Spülen noch immer die bösartige Karikatur eines Geruchs.

Also jagte ich einen weiteren Tank mit Wasser durch den Apparat, ohne Wirkung. Noch ein Tank. Und noch einer. Und noch drei. Keine Chance: Es miefte. Einen Testespresso, an dem ich trotz allem nippte, kippte ich in den Ausguss.

Die Frau von der Hotline hatte von so etwas noch nie gehört. „Nach dem Spülen“, sagte sie, „müsste alles sein wie vorher.“ Hätte, müsste, könnte. Sie versprach einen Kontakt mit der Technik plus Rückruf. Der erfolgte sogar.

Die Technik hatte von so etwas noch nie gehört. „Nach dem Spülen“, sagte sie, „dürfte eigentlich nichts mehr riechen.“ Eigentlich. Ich solle spülen, hieß es, immer weiterspülen.

Das war vor drei Tagen. Seither habe ich gespült und gespült. Und ganz allmählich – Tank für Tank, Liter für Liter – wurde der Gestank in mikrospkopisch kleinen Schritten kleiner. Er kämpfte tapfer, doch dem Tsunami meines immer manischere Züge annehmenden Spülens musste er sich letztlich geschlagen geben.

Ich habe bei dieser Aktion mindestens 600 Tassen durch die Maschine gejagt. Eigentlich müsste ich sie wieder entkalken.

Pflock ins Herz!

Der notorische Indieschluffi C. sang heute plötzlich wie aus dem Nichts „Ich war noch niemals in New York“ vor sich hin. Und ein paar Stunden später einen Song von Nena.

Normalerweise singt er NIE, nicht mal einen Song von Bloc Party. Wir waren tief besorgt. Als er nachmittags den Raum zum Rauchen verließ, fingen wir an, über ihn zu tuscheln.

Meine wahrscheinlich mit hektischen roten Flecken auf den Wangen vorgebrachte Theorie erwies sich in der Diskussion als die plausibelste: C. wurde ausgetauscht, wie in „Die Dämonischen („Invasion of the body snatchers“)“.

Dabei war IHNEN allerdings ein Fehler unterlaufen, und jetzt summte der Indieschluffi völlig wesensfremd Udo Jürgens. Auch die Austauschfabriken im All können halt immer noch besser werden.

Egal: C. war jedenfalls ausgetauscht worden. Er war in Wahrheit nicht mehr C., aber immer noch rauchend auf der Balustrade. Was also tun? Wie sollten wir adäquat reagieren auf seine Rückkehr? Immerhin ahnte er nichts von seiner Enttarnung; das war unser Vorteil. Alle Trümpfe lagen bei uns.

Ich schlug flüsternd das probateste aller Mittel vor: Pflock ins Herz. Meine Kollegin war sofort einverstanden. Doch wer sollte es tun? Schließlich ist niemand von uns als van Helsing geboren.

Zum Glück kam plötzlich der Cleaner reingeschneit, und damit war die Sache rasch erledigt. Zumindest auf leicht variierte Weise.


PS: Das Foto zeigt C. vor dem Austausch. Natürlich habe ich ihn, klüger geworden durch jüngste Vorfälle, unkenntlich gemacht.

07 Dezember 2007

Mich hat's bös erwischt

Am 6. Mai diesen Jahres tat ich etwas, was ich gewöhnlich vermeide: Ich illustrierte einen Blogeintrag mit einem Foto, das ich über Google entdeckt hatte.

Im Text ging es u. a. um Nudeln, und wahrscheinlich war ich einfach zu faul, mich nur wegen eines Fotos an den Herd zu stellen und Nudeln zu kochen. Das hätte ich aber mal tun sollen – wäre jedenfalls billiger gewesen als

747,50 Euro
.

Soviel soll ich nämlich bezahlen, wie ich heute per Abmahnungsschreiben erfuhr. Absender: ein Hamburger Anwalt, der die notorische Webseite Marions Kochbuch vertritt (die hier natürlich nicht verlinkt wird, das will die ja nur). Von dort nämlich soll das Nudelbildchen stammen, und deshalb hält man es für angemessen, mir das Monatseinkommen eines Hartz-IV-Empfängers abzuknöpfen.

Eine kleine Recherche ergab, was man so denkt im Web über die berüchtigte Kochbuchseite: Die Betreiber sollen ihre Fotos angeblich ähnlich verlockend bereitlegen, wie man Käse in einer Mausefalle drapiert – zubeißen leicht gemacht, damit der Abmahnwahn in Gang kommen könne. Prozesse, heißt es, führe man tunlichst immer in Hamburg, weil das dortige Landesgericht gleichsam williger Vollstrecker dieser Methode sei.

Doch all das ist nur Bloggergeraune. Ich glaube nicht daran. Man kann charakterlich nicht so tief sinken, seine ganze berufliche Existenz auf eine so schäbige Basis zu stellen.

Doch wie auch immer: Ich war – um im fiktiven Bild zu bleiben – offensichtlich blöd genug, nach dem Happen zu schnappen. Jetzt muss auch ich mir einen Anwalt nehmen; er kennt Marion gut.

Je nachdem, wie das Ganze ausgeht, bekommt Ms. Columbo eben nix zu Weihnachten.