10 Januar 2008

Das Ergebnis ist immer das gleiche

Die Kreuzung Barner Straße und Friedensallee ist verkehrstechnisch von großer Tücke, obgleich ihre HVV-Anbindung geradezu obszön grandios ist.

Diverse Buslinien durchkreuzen die Gegend, doch sind die Haltestellen etwas verstreut gelegen. An der Barner Straße kommt die 37 vorbei, hundert Meter weiter in der Friedensallee öffnet die 150 dir gern die Tür, und auf der anderen Seite des Häuserblocks in der Bahrenfelder Straße lockt die Linie 2.

Alle fahren in die richtige Richtung, nämlich zum Bahnhof Altona. Mein Ehrgeiz besteht nun in der Regel darin, den nächsten eintreffenden Bus zu erwischen, unabhängig von der Haltestelle. Dadurch erhoffe ich mir ein frühestmögliches Eintreffen zu Hause.

Dazu muss ich anmerken: Ich kann mir keine Abfahrtzeiten merken, aber das nur nebenbei. Zuerst probiere ich es stets mit dem 37er, der mich aber regelmäßig in den Wahnsinn treibt, weil er einfach nicht kommt.

Natürlich warte ich ein paar Minuten über die turnusmäßige Abfahrtzeit hinaus, bin ja kein Anfänger, doch dann keimt auch schon der erste dämonische Gedanke, der sich alsbald zur Zwangshandlung auswächst: Los, lauf rüber zur 150, flüstert der Dämon, die kommt bestimmt gleich!

Das tat ich auch schon mehrfach, nur um in der Ferne sogleich den 37er an meiner alten Haltestelle vorfahren zu sehen, während nunmehr der 150er geruhte, eine kleine Auszeit vom harten Tagwerk zu nehmen.

Einmal ging ich am Ende auch noch rüber zur Haltestelle der 2 und durfte frustriert der 150 hinterherwinken, die nur eine Minute nach meinem Verlassen der Station frohgemut eingetroffen war. Die 2 hingegen kam laut Fahrplan erst in zehn Minuten. Also lief ich gesenkten Kopfs zum Bahnhof (sieben Minuten) und traf spätestmöglich zu Hause ein.


Inzwischen bin ich aber auf buddhaeske Weise gleichmütiger geworden. Ich warte einfach auf die 37, wann immer sie kommt. Wozu habe ich 8133 Songs auf dem iPod?

Heute stehe ich dergestalt in mir ruhend an der Haltestelle, als eine leicht atemlose Mittfünfzigerin angerauscht kommt und mich fragt, ob der 37 schon durch sei. Ich verneine das, und die Dame stellt sich erleichtert zu mir.

Doch nur fünf Minuten später verliert sie schnaufend die Geduld und dampft ab zur 150. Jetzt, vorfreue ich mich diebisch, werde ich die ganze trickreich inszenierte Aufführung der hiesigen Verkehrsbetriebe also mal live an der richtigen Bushaltestelle erleben.

Denn das Abdampfen der Frau muss nach meiner Erfahrung und kosmischer Logik das sofortige Eintreffen der 37 bedingen. Sie hingegen darf das ganze Elend aus hundert Meter Entfernung hilflos fluchend mitansehen, während ich fröhlich pfeifend in den Bus steige und mir stumm gratuliere zu einer taktischen Meisterleistung.

Klasse Plan. Doch der Bus kommt nicht. Nicht nach fünf und nicht nach acht Minuten, sondern erst nach zwölf. Trotz der geflohenen Frau.

Man kann sich einfach auf nichts mehr verlassen. Nur auf den dauermelancholischen Blick der abgebildeten Statue. Ich kenne sie nur zu gut: Sie steht auf halbem Weg zwischen der 37er-Haltestelle und dem Bahnhof Altona.

12 Kommentare:

  1. Herr Matt,
    Sie müssen sich an der Haltestelle fürs Warten nur eine Zigarette anstecken, dann kommt auch der Bus sofort um die Ecke. Das funktioniert immer, es ist geradezu magisch. Jedenfalls klappt das am Sievekingplatz/ Holstenwall (3, 36, 112 - und dafür wäre z. B. auch ein Zippo nützlich).

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  2. Dummweise läßt Murphy sich nicht austricksen. (Cleaning your windows doesn't make it rain).

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  3. moinmoin
    jaja - es nützt nix jemanden vorzuschicken, wenn der scharfschütze dein gesicht kennt. das schicksal kann sehr wohl unterscheiden wer wann wohin läuft! und die hamburger busfahrer offensichtlich auch. ;)

    blondyonly

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  4. Warum verschweigen Sie uns den Stinkefinger, den Ihnen die geflohene Dame aus dem abfahrenden 150er gezeigt hat?

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  5. Olaf genau DIESE Option steht mir zum Glück nicht offen. Vielleicht hat trillian einen Ersatzvorschlag?

    Opa, die Tatsache, dass die 150er-Haltestelle um die Ecke liegt, verhindert dort zuverlässig den Sichtkontakt. Außerdem hatte die Dame keinerlei Anlass, mir zu zürnen. Schließlich wusste sie nicht, was für hochmerkwürdige Gedanken mir durch den Kopf gingen.

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  6. @Olaf: Das war auch mein erster Gedanke ;-)

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  7. Herr Matt,
    machen Sie es doch wie Bill Clinton: Rauchen ohne zu inhalieren, es muß ja auch kein teurer karibischer "Tabak" ;-) sein (wäre ja auch schade drum).
    Ansonsten kenne ich noch vergleichbare Phänomene etwa dieser Art: Ein Schnäppchen, z. B. eine qualitativ wirklich gute Riesenmatratze (160 x 190 cm) für 777.00 statt 1.499.00 (damals noch DM) - Zugriff und eine Woche später die gleiche Matratze beim demselben Anbieter - nun für 677.00 DM.
    Ich bin mir sicher: Hätte ich damals noch gewartet, wäre sie n-i-c-h-t noch um 100.00 DM billiger geworden. So etwas passiert immer erst, nachdem es zu spät ist (jedenfalls bei mir).

    @ ramses: ;;-))

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  8. Warum sagen Sie das denn nicht gleich?

    Den 150er benutze ich übrigens immer von Haltestelle Bezirksamt Eimsbüttel auf der Rückfahrt vom Gynäkologen.

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  9. wahrscheinlich war es wieder die Busfahrerin von damals. ;-)

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  10. Ich bin unsicher ob der "richtigen" Richtung Altona. Je nach dem wie man gewohnt, bzw. wie man untergekommen ist. Bei mir ist es dann die Neustadt. Was ich hinterlassen wollte war aber ein "stilistisch wertvoll".

    Prollzski

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  11. Wegen sieben Minuten Fußweg zwölf Minuten warten?!

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  12. @ freckert:
    Das ist ja das grauenhafte an dieser elenden Warterei, daß der Mensch vorher nicht weiß, wie lange es hinterher dauern wird bzw. gedauert hat.
    Und je länger der Mensch wartet, umso intensiver wird der Glaube an die gefühlte Formel, je länger das Warten, umso eher wird es jetzt gleich losgehen. Was natürlich - Tücke des Objekts - nicht der Fall ist. Es folgt der übliche Entscheidungskonflikt, der sich nicht wirklich lösen läßt, dann das aufsteigende Motiv des Mordes gegen den unbekannten Verursacher dieser Malaise, dann die resignative Einsicht, daß auch das natürlich nicht hilft.
    Es ist auch kein banales Dilemma, sondern wenigstens ein Multi- wenn nicht gar ein Omnilemma.
    Da das Verwüsten von Wartehäuschen und ähnliche naheliegende Übersprungshandlungen Ärger einbringen können, stößt dem Menschen die ganze Sache - je nach Naturell - sauer auf und der Weg zum Magengeschwür o. ä. ist bereitet.
    Oder es entwickelt sich die weise Einsicht, daß das ganze eine gelungene Satire auf das ist, was es eigentlich sein sollte.

    Das Wochenende naht, viel einschlägiges Floppotential enthaltend.

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