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13 November 2010
Viva le Hirnriss
Irgendwann, während irgendeiner dieser endlos zähen und schon seit Monaten fruchtlosen Sitzungen, muss jemand gesagt haben: „Verdammt, Leute, so kommen wir wirklich nicht weiter. Dann können wir unseren Laden ja gleich VIVA LA WURST nennen!“
Alle müssen ihn angestarrt haben, als sei er das Rauchmonster aus „Lost“. Es kehrte Stille ein. Aber dann haben sie doch nicht die 112 angerufen, sondern einen Lichtreklamenhersteller.
Und wer hatte gestern Abend, als er in Sturm und Regen an der Reeperbahn arglos auf den Bus wartete, die Folgen zu tragen?
Einmal dürfen Sie raten.
12 November 2010
Von Pfeilgift, Bier und Fasswhiskey
Die ganz hohe Kunst des Kalauerns ist natürlich erst auf Lateinisch möglich. Das gilt unbedingt, vor allem und zuallervörderst auch für mich, der seine diesbezüglichen Sprachkenntnisse ausschließlich auf Basis von Asterix-Heften erworben hat.
Deshalb ziehe ich auch hochachtungsvoll meine Baseballmütze vor German Psychos genialischem „Curare humanum est“, das er nonchalant mitten im Geplauder raushaute und auf mein Geheiß sofort vertwittern musste. Mit großem Erfolg übrigens, wie die augenblicklich folgende Retweet- und Favingquote bewies.
Dieser Geniestreich passierte ihm und uns, kurz bevor die irische Retroband The Riptide Movement ihr Set im Rock’n’Roll Warehouse anpfiff. Ich kenne ja eine (mindestens) dreistellige Anzahl von Liveclubs in Hamburg, aber das Rock’n’Roll Warehouse war mir bis heute Abend völlig unbekannt. Und das mit Recht, denn es liegt an der höchstens für ihr sagenhaftes Verkehrsaufkommen und eine Lärmbelästigung auf Flughafenniveau berüchtigten Stresemannstraße, die nach Westen hinausführt aus Hamburg, um irgendwann in Straßen überzugehen, die direkt ins Nirgendwo Niedersachsens münden. Oder ist es Schleswig-Holstein?
Egal: Die Stresemannstraße ist ganz und gar kein liveclubkompatibler Ort, und doch fand dort heute Abend das Konzert der Iren von The Riptide Movement statt. Eine gemeinsame Bekannte und derzeitige Mitbewohnerin von German Psycho fungierte als Veranstalterin, und deshalb hatte er mich unversehens über unsere gemeinsame Präsenz auf der Gästeliste informiert.
„Hm, eigentlich wollte ich doch zahlen oder wie man das damals nannte, als ich es noch musste“, beschwerte ich mich. „Du weißt doch: Kaum hat man’s nicht mehr nötig, bekommt man’s geschenkt“, brachte er mich zum Schweigen.
Ersatzweise sorgten wir für kräftigen Astra-Umsatz im Rock’n’Roll Warehouse, und spätestens als The Riptide Movement den alten Folksong „Whiskey in the Jar“ exakt im Thin-Lizzy-Arrangement von 1972 nachspielten (höre und siehe Clip), war der Abend voll im Lot.
Rock erat demonstrandum.
11 November 2010
10 November 2010
Die gemütlichsten Ecken von St. Pauli Hamburg (35)
Ich weiß, wahrscheinlich bezieht sich dieser (immerhin ohne Deppenbindestrich!) hingepinselte Hinweis auf einen freizuhaltenden Bereich, z. B. für Mülltonnen – und nicht auf die Räumlichkeiten des Dentallabors selbst.
Am urgemütlichen Flair dieser Ecke an der Königstraße ändert das gleichwohl wenig. Ganz im Gegenteil.
09 November 2010
Brownies Wiederkehr
Wer bisher glaubte, hier stünde im Wesentlichen Quatsch, dem kann ich nun entgegenschleudern: NEIN! Zumindest nicht nur.
Der investigative Herr Zaphod nämlich hat eine meiner gewagtesten Behauptungen – den weltbesten Brownie gäbe es im Caffè Latte in der Wohlwillstraße auf St. Pauli – kurzerhand vor Ort überprüft und was getan?
Sie glorios verifiziert.
Dumm nur, dass mich sein Eintrag mental zwang, sofort ins Caffè Latte zu eilen und einen weiteren Brownie zu erstehen. Sollte sich diese wechselseitige Handlungsspirale etablieren, können wir beide dort bald unsere Schlafsäcke auslegen.
Auf unserem Balkon versucht sich derweil der Herbst ästhetisch einzuschmeicheln. Mit Erfolg.
08 November 2010
Womöglich quadrophren
Hm, legt man quantitative Maßstäbe an (also die jeweilige Stofffläche zugrunde), so ist der Ausstatter dieses schwer in die Jahre gekommenen Balkons wohl eher HSV- als St.-Pauli- oder Deutschlandfan. Es sei denn, man wertet den blauweißen Sichtschutz als hingergründiges Bekenntnis zu Griechenland.
Der Balkon liegt zwischen Reeperbahn und Hafen in der Hamburger Hochstraße, und Rückschlüsse auf die dortigen Wohnverhältnisse fallen wirklich nicht leicht. Entweder lebt dort ein Schizo- bzw. Trizo-, ja vielleicht sogar Quadrophrener – oder aber eine uneinige, sich gleichwohl widerwillig zusammenraufende Familie mit Migrationshintergrund.
Jedenfalls ist dieser Balkon ein weiteres herzerwärmendes Beispiel für kieztypische Toleranz und Koexistenz. Auf St. Pauli wird einem eben jede Schrulle nachgesehen – und sei es die schrulligste von allen, nämlich die Raute am Geländer.
07 November 2010
Enten sind Schweine
Natürlich kann ich mich kein Stück mehr dran erinnern, mit welchen Werbeslogans der Ehapa-Verlag damals, als ich sie noch las, Disneys „Lustige Taschenbücher“ ans Kind bringen wollte.
Aber hundertprozentig nicht mit einem Claim, der auch auf der Visitenkarte des Hauptdarstellers aus „Gaywatch – Die Riesenschwänze von Malibu“ stehen könnte.
Wahrscheinlich heißt bei Disney, dem einstmals saubersten Comicverlag der Welt, jetzt auch die Ente anders; „Donald Fuck“ böte sich an.
Wenn man allerdings – erst mal alarmiert – genauer hinschaut, gab es schon immer sublime sexuelle Anspielungen in den „Lustigen Taschenbüchern“. Ich erinnere da nur an Daniel DüsenTRIEB.
Das Plakat hier hängt übrigens nicht mal auf St. Pauli, sondern in meinemFickFitnessstudio am Rödingsmarkt. So viel zur Sexualisierung auch der Restwelt.
Aber hundertprozentig nicht mit einem Claim, der auch auf der Visitenkarte des Hauptdarstellers aus „Gaywatch – Die Riesenschwänze von Malibu“ stehen könnte.
Wahrscheinlich heißt bei Disney, dem einstmals saubersten Comicverlag der Welt, jetzt auch die Ente anders; „Donald Fuck“ böte sich an.
Wenn man allerdings – erst mal alarmiert – genauer hinschaut, gab es schon immer sublime sexuelle Anspielungen in den „Lustigen Taschenbüchern“. Ich erinnere da nur an Daniel DüsenTRIEB.
Das Plakat hier hängt übrigens nicht mal auf St. Pauli, sondern in meinem
05 November 2010
Nachwachsende Frauen
Er ist ein gemütliches Dickerchen von Mitte 50. Sein altbackener Kinnbart beginnt allmählich zu ergrauen, er hat Lachfältchen um die Augen und immer, wenn ich ihn sehe, den Anflug eines Schmunzelns um die Lippen.
Ich kenne ihn schon viele Jahre, den Filmpromoter X. Jahr für Jahr sah ich seinen Bart etwas grauer werden, seine Taille etwas breiter und ihn insgesamt etwas gemütlicher.
Alles in allem kann man sagen, dass Filmpromoter X. Bescheid weiß. Ihm macht man nichts mehr vor. Die Wasser, mit denen er noch nicht gewaschen ist, findet man höchstens in der Arktis, als See unterm ewigen Eis.
Wir beide, der Filmpromoter X. und ich, stehen stillvergnügt am Kinotresen, als eine Gruppe Schülerinnen von der Toilette kommt, schätzungsweise 12., 13. Klasse. Er schaut ihnen versonnen nach, und dann sagt er den Satz des Tages.
„Solange solche Frauen nachwachsen“, sagt er, „werden die Deutschen nicht aussterben.“
Obwohl es mir im Grunde ziemlich egal ist, ob die Deutschen aussterben werden oder nicht (zumal ich nichts dazu beitrage, dies zu verhindern), klingt dieser Satz des Filmpromoters X. irgendwie tröstlich.
Gerade an Regentagen wie diesen.
03 November 2010
Angriff der Lobhudelhuren
Heute wurden ich und vier andere Blogger, darunter Spreeblick, Ziel des angeblich ersten digitalen Flashmobs im Internet.
Eine spanische Modefirma, die auf dem deutschen Markt Fuß fassen möchte, hat sich diese wirre Aktion ausgedacht, die in großem Maße Lebenszeit und Bandbreite verschwendete.
„Ist es möglich“, textete der Modehöker auf seiner deutschsprachigen Webseite, „das Internet mit Tausenden von positiven Kommentaren zu überschwemmen? Wir hinterlassen positive Kommentare in unseren Lieblings-Blogs.“
Ziel dieser organisierten Claquerei war es, die fünf ausgewählten Blogger mit Pseudoschmeicheleien zu umgarnen und so zum Beantworten der Kommentare zu bewegen; die ersten 100 gehorsamen Schäfchen, die sich der Armseligkeit dieser Aktion unterwarfen und mit der unverdienten Ehre einer Bloggerantwort bedacht worden wären, sollten von der Modefirma ein Kleidungsstück erhalten, das sie sich vorher auf der Homepage der Firma ausgesucht hatten.
Uff. Sich für ein T-Shirt zur Lobhudelhure zu machen: Das sollte doch eigentlich nicht verfangen bei der gewitzten Webjugend von heute. Hätte man meinen können. War aber nicht so. In Massen strömten sie herbei, als würden sie am Nasenring in die Arena geführt, und simulierten auf mehr oder weniger dilettantische Weise Begeisterung.
„hahaha…dein blog ist super lustig! Der Eintrag mit dem Hundeschild vor dem Hotel ist zum Wegschmeißen. Aber auch deine scharfe Beobachtung im Mediamarkt bringt mir Tränen in die Augen. Übertrieben lustig!“, schrieb einer. Andere versuchten plumpdirekt, eine Antwort herauszukitzeln („Darf man fragen wie alt du bist?“ „Wohnst du inem schönen Stadtteil?“), andere probierten es mit – wie sie hofften – entwaffnender Ehrlichkeit („Wäre super, wenn einer von Euch auf mein Posting antworten würde. Dann könnte ich etwas von XXXXXXX gewinnen und ich wäre HAPPY :-)))))))))) DANKE“).
Einige hatten ihre sprachlichen Mittel nicht richtig im Griff und bogen die positive Grundtendenz versehentlich in Richtung Beleidigung („Es macht wirklich Spaß zu lesen, was du schreibst, da ist der Inhalt schon fast wieder egal.“).
Allen gemeinsam aber war, dass sie selbstverständlich keine Antwort von mir erhielten.
Hätte freilich irgendeiner aus dieser treudoofen, willig gleichgeschalteten Horde die cojones gehabt, hier entgegen der Anweisung der spanischen Modefirma kräftig abzuledern, mir ans Bein zu pinkeln, wild rumzupöbeln, Schimpfkanonaden abzufeuern – ja, dann hätte ich mich wahrscheinlich sogar erweichen lassen, ihm ein kostenloses Mäntelchen zu ermöglichen.
So aber lief der angeblich erste digitale Flashmob hier ins Leere. Ob die anderen vier betroffenen Blogger sich vor den holpernden Karren dieses Viralmarketings haben spannen lassen? Selber nachgucken tu ich jedenfalls nicht.
Einen der Pseudokommentare mag ich übrigens doch: „Die rückseite der repperbahn ist wie die rückseite meines rückens. hautfarben glatt aber trotzdem schön anzusehen.“
Nur dieser Kommafehler im zweiten Satz: widerwärtig.
Fundstücke (112): Essen à la East
01 November 2010
Fundstücke (111): Lose Zusammengekehrtes
1. Die neue Media-Markt-Kampagne steht ja unter dem Motto „Billiger geht so!“. Das scheint sich nicht nur auf Qualität und Preise der Produkte auszuwirken, sondern auch auf die Rechtschreibkünste der Mitarbeiter. Oder liege ich falsch, und die verkaufen dort neben WLAN-Zubehör und Waschmaschinen wirklich auch einen neuen Wacholderschnaps namens „Disgin“?
2. Dazu passt irgendwie gut dieser unlängst hereinflatternde Promotiontext zu einer CD: „Although they may call themselves DUM, Alessio Mereu and Andrea Ferlin are certainly no idiots.“
3. Was frustrierend ist? Wenn man bei Ebay nach der DVD von John Houstons finalem Filmmeisterwerk „Die Toten“ sucht und nur dutzendfach Scheiben einer Band angeboten bekommt, bei der ein gewisser Campino mitsingt.
4. Habe am Wochenende den besten Brownie meines Lebens gegessen. Außen lockte dieser teuflische Verführer mit knusprigen Klippen und Kanten, innen mit halbflüssiger schwarzschimmernder Schokolade; und dann überraschte das Suchtmittel auch noch aus dem Off mit geschickt eingebauten Walnussstücken. Eigentlich sollte ich dieses kulinarische Geheimnis sicher im Salzstock Asse verwahren, um es mit niemandem teilen zu müssen, aber da wir hier unter uns sind: Dieses Wunder von einem Brownie wird serviert im Caffe Latte in der Wohlwillstraße, das manche auch noch zu den besten deutschen Espressobars zählen.
(K)eine Begegnung mit Brian Johnson
Auf dem Heimweg vom Pizzaessen spricht uns in der Holstenstraße ein unbekannter Passant an. „Entschuldigen Sie“, sagt er, „sehe ich aus wie Brian Johnson?“
„Wie wer?“, frage ich zurück, stets um Höflichkeit bemüht, auch wenn man mich kurz vor Mitternacht mit abstrusen Fragen behelligt. „Wie Brian Johnson!“, wiederholt er. „Von AC/DC.“
Der Mann wirkt wie Mitte 30 und gehört zu den eher wohlgenährten Typen. Sein kleidsamer Mantel ist gut ausgefüllt und sein Gesicht unter der Schiebermütze gepflegt zugewachsen. „Nein“, sage ich nach diesem visuellen Schnellcheck im Dreivierteldunkel, „der trägt keinen Bart.“
Ich habe zwar beileibe keine genaue Vorstellung davon, wie Brian Johnson aussieht, doch da meines Wissens kein einziges Mitglied von AC/DC je zu facialem Wildwuchs neigte (im Gegensatz zu – sagen wir – den Kings Of Leon, Devendra Banhart oder ZZ Top), wage ich einfach mal nassforsch diesen deduktiven Schluss. (Wikipedia wird ihn später triumphal verifizieren.)
Eine Outfitübereinstimmung gibt es immerhin doch: Auch Brian Johnson trägt gern und oft eine Schiebermütze, doch diese modische Marotte kann ja wohl kaum eine ausreichende Ähnlichkeit begründen; sonst sähe ja auch Helmut Schmidt aus wie Brian Johnson, und wer weiß, ob Loki ihn dann je geheiratet hätte.
Den rundlichen Passanten scheint meine Antwort jedenfalls einigermaßen zufriedenzustellen, denn er geht ohne weitere Nachfragen seines nächtlichen Weges. Eine zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr aufzubringende Geistesgegenwart vorausgesetzt, hätte ich ihm noch mitteilen können, er sähe meines Erachtens dem Jerry Garcia von 1975 weitaus ähnlicher als jedem AC/DC-Mitglied.
Aber man kann ja nicht immer spitze sein.
„Wie wer?“, frage ich zurück, stets um Höflichkeit bemüht, auch wenn man mich kurz vor Mitternacht mit abstrusen Fragen behelligt. „Wie Brian Johnson!“, wiederholt er. „Von AC/DC.“
Der Mann wirkt wie Mitte 30 und gehört zu den eher wohlgenährten Typen. Sein kleidsamer Mantel ist gut ausgefüllt und sein Gesicht unter der Schiebermütze gepflegt zugewachsen. „Nein“, sage ich nach diesem visuellen Schnellcheck im Dreivierteldunkel, „der trägt keinen Bart.“
Ich habe zwar beileibe keine genaue Vorstellung davon, wie Brian Johnson aussieht, doch da meines Wissens kein einziges Mitglied von AC/DC je zu facialem Wildwuchs neigte (im Gegensatz zu – sagen wir – den Kings Of Leon, Devendra Banhart oder ZZ Top), wage ich einfach mal nassforsch diesen deduktiven Schluss. (Wikipedia wird ihn später triumphal verifizieren.)
Eine Outfitübereinstimmung gibt es immerhin doch: Auch Brian Johnson trägt gern und oft eine Schiebermütze, doch diese modische Marotte kann ja wohl kaum eine ausreichende Ähnlichkeit begründen; sonst sähe ja auch Helmut Schmidt aus wie Brian Johnson, und wer weiß, ob Loki ihn dann je geheiratet hätte.
Den rundlichen Passanten scheint meine Antwort jedenfalls einigermaßen zufriedenzustellen, denn er geht ohne weitere Nachfragen seines nächtlichen Weges. Eine zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr aufzubringende Geistesgegenwart vorausgesetzt, hätte ich ihm noch mitteilen können, er sähe meines Erachtens dem Jerry Garcia von 1975 weitaus ähnlicher als jedem AC/DC-Mitglied.
Aber man kann ja nicht immer spitze sein.
31 Oktober 2010
In der Hose des Hulk
Im Umkleideraum des Fitnessclubs ist mal wieder der Hulk zugange (Foto ähnlich).
Er ist oft da, und ich nenne ihn insgeheim so, weil dem Ärmsten von oben bis unten fußballgroße Muskelbeulen wachsen. Allerdings auch ein Bauch, der offenkundig nicht nur aus Muckis und Samensträngen besteht. Doch angesichts seiner furchterregenden Glatze und den auf seinem Körper verteilten feinsinnigen Tätowierungen (nackte Weiber) ist das natürlich eine zu vernachlässigende Kleinigkeit.
Auf dem Nackenwulst des Hulk könnte man übrigens problemlos einen Sauren abstellen, wenn gerade kein Tresen zur Hand wäre. Er sieht aus, als wäre er Zuhälter, Freefighter, Türsteher und Auftragskiller in einer Person (und wahrscheinlich kommt das der Wahrheit sehr, sehr nahe).
Machen wir uns nichts vor: Selbst die Hell’s Angels würden in seiner Gegenwart nur flüstern und betont harmlos unter sich gucken. Der Hulk steht also mitten in der Umkleidekabine des Fitnessclubs. Und er scheint etwas sehr Seltsames zu tun, nämlich sich mit der rechten Hand die Spalte zu kratzen.
Sie steckt jedenfalls rückseitig tief in seiner kurzen Hose (seinem einzigen Kleidungsstück) und vollführt vertikale rhythmische Bewegungen. Ein irritierender Anblick, der geradezu zu einem verstörenden wird, als der Hulk plötzlich die Hand rauszieht.
Denn sie hält ein Stück Papier, dass er interessiert mustert. Dann entsorgt er es.
Aus meiner Position konnte ich nicht erkennen, ob das Papier gewisse typische Verfärbungen aufwies. Zu gern hätte ich jedenfalls erfahren, warum dieser Trumm von Mann für eine Tätigkeit, der man gemeinhin jede Öffentlichkeit verweigert, kein blickdichtes abschließbares Örtchen aufsuchte.
Doch einen wie ihn fragt man so was natürlich nicht. Stattdessen guckt man betont harmlos unter sich.
PS: Übrigens, liebe Reeperbahntouristen, besteht momentan keinerlei Grund zur Nervosität: Gerüchte, heute Nacht würden die Huren umgestellt, entbehren jeder Grundlage.
c1b1194276894f9f8d7169d5ed490b45
Er ist oft da, und ich nenne ihn insgeheim so, weil dem Ärmsten von oben bis unten fußballgroße Muskelbeulen wachsen. Allerdings auch ein Bauch, der offenkundig nicht nur aus Muckis und Samensträngen besteht. Doch angesichts seiner furchterregenden Glatze und den auf seinem Körper verteilten feinsinnigen Tätowierungen (nackte Weiber) ist das natürlich eine zu vernachlässigende Kleinigkeit.
Auf dem Nackenwulst des Hulk könnte man übrigens problemlos einen Sauren abstellen, wenn gerade kein Tresen zur Hand wäre. Er sieht aus, als wäre er Zuhälter, Freefighter, Türsteher und Auftragskiller in einer Person (und wahrscheinlich kommt das der Wahrheit sehr, sehr nahe).
Machen wir uns nichts vor: Selbst die Hell’s Angels würden in seiner Gegenwart nur flüstern und betont harmlos unter sich gucken. Der Hulk steht also mitten in der Umkleidekabine des Fitnessclubs. Und er scheint etwas sehr Seltsames zu tun, nämlich sich mit der rechten Hand die Spalte zu kratzen.
Sie steckt jedenfalls rückseitig tief in seiner kurzen Hose (seinem einzigen Kleidungsstück) und vollführt vertikale rhythmische Bewegungen. Ein irritierender Anblick, der geradezu zu einem verstörenden wird, als der Hulk plötzlich die Hand rauszieht.
Denn sie hält ein Stück Papier, dass er interessiert mustert. Dann entsorgt er es.
Aus meiner Position konnte ich nicht erkennen, ob das Papier gewisse typische Verfärbungen aufwies. Zu gern hätte ich jedenfalls erfahren, warum dieser Trumm von Mann für eine Tätigkeit, der man gemeinhin jede Öffentlichkeit verweigert, kein blickdichtes abschließbares Örtchen aufsuchte.
Doch einen wie ihn fragt man so was natürlich nicht. Stattdessen guckt man betont harmlos unter sich.
PS: Übrigens, liebe Reeperbahntouristen, besteht momentan keinerlei Grund zur Nervosität: Gerüchte, heute Nacht würden die Huren umgestellt, entbehren jeder Grundlage.
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30 Oktober 2010
29 Oktober 2010
„Lass mich rein!“
Schön zu wissen, dass drei Gläser Weißwein (2 x Riesling, 1 x Chardonnay) und bisweilen ebenso hitzige wie von halbgesundem Achtelwissen befeuerte Diskussionen über a) James Bond, b) Gott, c) Quantenphysik und d) Hartz IV mühelos ein komplettes Abendessen ersetzen können.
Letzteres vergaß ich nämlich glatt unter dem
Kurz nachdem ich heimgekommen war, nestelte plötzlich jemand am Knauf der Wohnungstür und lallte „Lass mich rein! Lass mich rein! Mach auf! Mach auf!“, was ich natürlich nicht tat, schließlich ist das hier der Kiez, da ist eine gewisse Vorsicht nicht die abwegigste aller Maßnahmen.
Der Mensch war gleichwohl nicht abzuschütteln und weder in der Lage, sein Anliegen artikuliert vorzutragen noch seinen Namen oder den Zeitpunkt seines ordnungsgemäßen Abdampfens zu nennen, so dass ich schon wieder gezwungen war, die Freunde und Helfer von der Davidwache um die Erfüllung ihrer ureigenen Pflichten zu ersuchen.
Der verhinderte Eindringling entpuppte sich schließlich als volltrunkener Nachbar aus der feierfreudigen Juristen-WG über uns – eine Enthüllung, die mir adäquat peinlich war, aber was hätte ich sonst tun sollen: aufmachen, und plötzlich marodiert der Reeperbahnaxtmörder durch die Wohnung? Ignorieren, und am nächsten Morgen versperrt eine ausgekühlte Leiche die Wohnungsür?
Nein, die Hilfe der netten Herren von der Davidwache war erneut opportun, das sehe ich auch im Nachhinein noch so. Ohne mich wüssten die wahrscheinlich gar nichts Rechtes mehr anzufangen mit ihren Tagen und Nächten.
Von daher schon ein gutes Gefühl: nützlich zu sein.
ID: c4cca7f1b20f45d69340bc5e8ae92b81
28 Oktober 2010
Bitte noch ein bisschen Krawall!
Immer wenn ich vom Balkon aus den Notruf wähle (und das ist inzwischen schon circa ein Dutzend Mal vorgekommen), hoffe ich so paradoxerweise wie inständig, der Wahnsinn da unten hielte wenigstens so lange an, bis die Kavallerie da ist.
Schließlich muss es einen bei ihrer Ankunft sichtbaren Grund dafür geben, diese Maschinerie in Bewegung gesetzt zu haben, allein schon zu meiner Entlastung. Wären die Täter schon weg, erschiene mir mein eigener 110-Aktionismus irgendwie gesetzeswidrig.
Deshalb war ich auch neulich während einer Massenschlägerei vorm Haus durchaus betrübt darüber, dass sich noch während meines Gesprächs mit der 110 die Beteiligten zu zerstreuen begannen. „Sind die Täter noch vor Ort?“, fragte mich der (wie immer) betont kontrolliert-sachliche Mann vom Notruf, während ich in der Ferne, am anderen Ende der Seilerstraße, bereits die Blaulichter hektisch heranflackern sah.
Tja, schwer zu sagen, denn wer hier Täter war und wer Opfer, war kaum zu beurteilen. Schließlich kann auch ein Täter eins auf die Nuss kriegen und liegenbleiben, wie es unter der Leuchtreklame des Spielsalons gegenüber der Fall war. Schließlich können auch Opfer wild schreiend durch die Gegend rennen, wie es sich etwas weiter östlich gerade abspielte.
Und vielleicht ist die traditionelle Trennung zwischen Tätern und Opfern sowieso längst so gestrig wie die Illusion, man könnte die politische Landschaft im 21. Jahrhundert noch immer wohlgemut in links und rechts aufteilen.
Jedenfalls vermochte ich dem Notrufmann keine befriedigende Antwort zu geben – war aber heilfroh, dass die Kavallerie beim Eintreffen noch ein Vierergrüppchen vorfand, festhielt und scharf verhörte.
Alle vier waren Opfer, logisch, und alle vier erhoben lautstark Vorwürfe gegen Abwesende. Zum Glück: Denn damit verifizierten sie immerhin glorreich die Legitimation meines Notrufs, und allein das reichte aus, um mir anschließend einen seligen Schlummer zu bescheren.
110 – besser als Schäfchen zählen, vallah!
ID: c5a4e9101dbb4cd2ab723cc7e4066e85
Schließlich muss es einen bei ihrer Ankunft sichtbaren Grund dafür geben, diese Maschinerie in Bewegung gesetzt zu haben, allein schon zu meiner Entlastung. Wären die Täter schon weg, erschiene mir mein eigener 110-Aktionismus irgendwie gesetzeswidrig.
Deshalb war ich auch neulich während einer Massenschlägerei vorm Haus durchaus betrübt darüber, dass sich noch während meines Gesprächs mit der 110 die Beteiligten zu zerstreuen begannen. „Sind die Täter noch vor Ort?“, fragte mich der (wie immer) betont kontrolliert-sachliche Mann vom Notruf, während ich in der Ferne, am anderen Ende der Seilerstraße, bereits die Blaulichter hektisch heranflackern sah.
Tja, schwer zu sagen, denn wer hier Täter war und wer Opfer, war kaum zu beurteilen. Schließlich kann auch ein Täter eins auf die Nuss kriegen und liegenbleiben, wie es unter der Leuchtreklame des Spielsalons gegenüber der Fall war. Schließlich können auch Opfer wild schreiend durch die Gegend rennen, wie es sich etwas weiter östlich gerade abspielte.
Und vielleicht ist die traditionelle Trennung zwischen Tätern und Opfern sowieso längst so gestrig wie die Illusion, man könnte die politische Landschaft im 21. Jahrhundert noch immer wohlgemut in links und rechts aufteilen.
Jedenfalls vermochte ich dem Notrufmann keine befriedigende Antwort zu geben – war aber heilfroh, dass die Kavallerie beim Eintreffen noch ein Vierergrüppchen vorfand, festhielt und scharf verhörte.
Alle vier waren Opfer, logisch, und alle vier erhoben lautstark Vorwürfe gegen Abwesende. Zum Glück: Denn damit verifizierten sie immerhin glorreich die Legitimation meines Notrufs, und allein das reichte aus, um mir anschließend einen seligen Schlummer zu bescheren.
110 – besser als Schäfchen zählen, vallah!
ID: c5a4e9101dbb4cd2ab723cc7e4066e85
27 Oktober 2010
26 Oktober 2010
Mathe: sechs
Auf dem Flohmarkt verramscht ein Händler kistenweise Trinkgläser, darunter auch schöne massive Digestifmodelle.
Pro Stück will der Mann 50 Cent. Das ist günstig. Ich brauche vier und wage einen kleinen Aufmerksamkeitstest.
„Vier für drei Euro?“, werfe ich ihm einen Brocken hin. „Nein, zwei!“, kommt es wie aus der (vollautomatischen) Pistole geschossen.
Hätte er ja gesagt, wäre ich um ein Problem reicher gewesen. So aber gebe ich sofort auf – und ihm zwei Euro.
Grappa schmeckt übrigens sehr gut aus diesen Gläsern. Wodka auch.
25 Oktober 2010
Fundstücke (110): Lose Zusammengekehrtes
1. Das Blog mit dem selbstkritischen Namen „Quatsch mit Soße“ hat den noch selbstkritischeren Untertitel „Geistige Ergüsse, die die Welt nicht braucht“. Kein Wunder also, dass der verantwortliche Betreiber ausgerechnet mich mit vielen warmen Worten für den Wettbewerb „Faved Blogger des Jahres 2010“ nominiert. Danke, Lucky Jack! Man kann sogar abstimmen.
2. Am verwaisten Bahnhof von Sagard ist es kein Spaß, eine Stunde lang auf den Zug warten zu müssen, vor allem, wenn es still und stoisch regnet. Irgendeiner unserer Vorgänger kratzte die logische emotionale Folge dieser Situation in den Sagarder Beton (Foto). Zeit genug hatte er ja.
3. Im Hafen von Sassnitz liegen mehrere Fischkutter, die zugleich Imbisse sind. Zehn Stunden lang stehen die Verkäuferinnen auf schwankendem Grund und reichen Aal, Lachs und Butterfisch rüber ans Ufer. Und wäre einer dieser kleinen Kutter futschneu, so könnte man sagen: Wir kauften Fischbrötchen vom Frischbötchen. Wenigstens Ms. Columbo findet es lustig, wenn ich so was daherbrabble.
4. Das Komet auf St. Pauli wirbt für seine traditionelle Vinylauktion mit folgendem schönen Satz: „Wer 20 Platten ersteigert, bekommt ein Bier. Wer 20 Bier trinkt, bekommt eine Platte.“
24 Oktober 2010
Fundstücke (109): Rügener Resterampe
Ich habe auf Rügen einige neue Wörter gelernt, „anlandig“ zum Beispiel oder „Tarifwabe“. Ich begegnete dem „Fischkombinat 24“ und seinen Killerclaim, mit dem es uns zu sich locken wollte: „Fisch fetzt!“.
Überhaupt, Werbung: eine schwierige Sache im Osten. In Stagard hat sich ein Friseurladen als Reklame ein Frauenporträt an die Fassade pinseln lassen, in dessen Antlitz sich die Spuren der Behandlung tief eingegraben haben. Die Frau sieht aus wie eine scream queen aus einem Horrorfilm der 60er.
Da zuckt man schon mal heftig zusammen. Aber noch heftiger während der Busfahrt, als oben an der Anzeigetafel als nächste Station „Auschwitz“ aufleuchtet. Aber es ist bei näherem Hinsehen doch nur „Ruschvitz“.
Nun geht es wieder zurück nach St. Pauli. Zumindest, wenn wir unfallfrei hier wegkommen – denn ein Taxi, eröffnet man uns bedauernd, hätten wir zwei Tage vorher anmelden müssen.
Überhaupt, Werbung: eine schwierige Sache im Osten. In Stagard hat sich ein Friseurladen als Reklame ein Frauenporträt an die Fassade pinseln lassen, in dessen Antlitz sich die Spuren der Behandlung tief eingegraben haben. Die Frau sieht aus wie eine scream queen aus einem Horrorfilm der 60er.
Da zuckt man schon mal heftig zusammen. Aber noch heftiger während der Busfahrt, als oben an der Anzeigetafel als nächste Station „Auschwitz“ aufleuchtet. Aber es ist bei näherem Hinsehen doch nur „Ruschvitz“.
Nun geht es wieder zurück nach St. Pauli. Zumindest, wenn wir unfallfrei hier wegkommen – denn ein Taxi, eröffnet man uns bedauernd, hätten wir zwei Tage vorher anmelden müssen.
23 Oktober 2010
Gar nicht prüde
Dieses heute auf Rügen entdeckte Schild erlaubt mehrere Deutungen. Zum Beispiel die, dass das komplette Team des Aquamaris-Hotels aus Hunden besteht.
Gut, diese Säugetiere sind intelligent, aber m. E. nicht geeignet, den ordnungsgemäßen Betrieb eines Hotels sicherzustellen. Schon aus kommunikativen Gründen.
Sofern es sich beim Aquamaris-Team hingegen nicht um Hunde handelt, sondern um Ossis, also Menschen, wird die ganze Sache noch befremdlicher. Denn all seine Mitglieder möchten offensichtlich angeleint werden – und sagen das sogar öffentlich.
Zwar war der hiesige Menschenschlag, wie wir alle aus alten Super-8-Filmen wissen, schon zu DDR-Zeiten gar nicht prüde. Dennoch finde ich dieses stolze Bekenntnis zum Masochismus richtig mutig.
Warum das Schild dann allerdings mit Hundebildern dekoriert wurde, weiß wohl nur der Grafikgott.
22 Oktober 2010
Gepriesen sei Grube!
Taxifahren ist für mich die reinste Folter.
Wie großartig die Landschaft auch sein mag, an der wir vorüberfahren (und sei es – wie heute – der Greifswalder Bodden), ich muss die ganze Zeit wie paralysiert aufs Taxameter starren und dabei ununterbrochen denken: ogottogottogott …
Und womit? Mit Recht, denn die Fahrt vom Bahnhof zum 16 Kilometer entfernten Hotel auf der pittoresk abgelegenen Halbinsel kostete 29 Euro – drei mehr als die gesamte viereinhalbstündige Tour von Hamburg durch Mecklenburg-Vorpommern bis nach Rügen.
Ja, ich mag Grubes Bahn. Und ich würde mich auf den Südflügel des Stuttgarter Bahnhofs stellen und das wiederholen.
Sogar mit MEGAFON!
21 Oktober 2010
Fundstücke (108): Eine echte Liegengeschichte
Manche Leute glauben ja, es sei völlig in Ordnung, wenn sie ihren Müll einfach auf die Straße stellen, sofern sie nur ein Schild draufpappen, welches den Müll zu etwas vermeintlich Nützlichem umdeklariert.
Diese pavianarschrote Klappliege oder Sitzbank oder was weiß ich in der Hein-Hoyer-Straße gehört zur geschilderten Kategorie. Drauf klebte ein weißer Zettel mit dem Text: „Zu verschenken! (auch prima als Gästebett!)“, und schon fühlte sich der Entsorger exkulpiert.
Doch selbst die obdachlosen Polen in der Simon-von-Utrecht-Straße rührten das Ding nicht an – und bestimmt nicht nur deshalb nicht, weil auf dem Sockel unten links das genaue Gegenteil stand: „Bitte stehen lassen!“
Eine Weile trotzte die Klappliege Wind, Wetter, Betrunkenen und Inkontinenten, doch jetzt ist sie weg.
Wer immer sie gerade als Gästebett nutzt: Mein Beileid hat er.
Diese pavianarschrote Klappliege oder Sitzbank oder was weiß ich in der Hein-Hoyer-Straße gehört zur geschilderten Kategorie. Drauf klebte ein weißer Zettel mit dem Text: „Zu verschenken! (auch prima als Gästebett!)“, und schon fühlte sich der Entsorger exkulpiert.
Doch selbst die obdachlosen Polen in der Simon-von-Utrecht-Straße rührten das Ding nicht an – und bestimmt nicht nur deshalb nicht, weil auf dem Sockel unten links das genaue Gegenteil stand: „Bitte stehen lassen!“
Eine Weile trotzte die Klappliege Wind, Wetter, Betrunkenen und Inkontinenten, doch jetzt ist sie weg.
Wer immer sie gerade als Gästebett nutzt: Mein Beileid hat er.
20 Oktober 2010
Ein Stapel Illusionen
Auf der Suche nach der Champions-League-Konferenz strande ich im Lehmitz auf der Reeperbahn, wo mich sofort ein etwa 40-jähriger Parkatyp mit lichtem Haar, Bartflaum und sanften Augen in Beschlag nimmt.
„Ich bin Psychotiker“, gibt er zur grundsätzlichen Verbesserung der Gesprächsatmosphäre bekannt, während er abwechselnd an Kippe und Astra nuckelt. „Psyche heißt nämlich Seele, verstehen Sie?“ Nun ja, höchstens halb.
Er will alles von mir wissen, Sternzeichen, chinesisches Sternzeichen, was und wo ich arbeite, Geburtsjahr, ob ich schon mal LSD genommen hätte. Ach nein? Und Pilze? Nein.
Er hat sich blöderweise zwischen mir und der Leinwand platziert, was den Fußballkonsum zusätzlich erschwert. Denn im Lehmitz läuft auch keineswegs der Kommentar über die Boxen, sondern lauthals Wishbone Ash. Natürlich: eine bahnbrechende Band für den Bluesrock, die mehrstimmigen Harmonien, die zwei Leadgitarren, alles neu, alles großartig, völlig klar. Zumindest 1972 – und nicht unbedingt während einer Livekonferenz der Champions League 2010.
Immer wieder luge ich über den Kopf des Psychotikers, um die ganzen Eigentore des CFR Cluj zugunsten des FC Bayern mitzukriegen, doch er erwehrt sich meines halbherzig demonstrierten Desinteresses mit sanfter Beharrlichkeit.
„Kennste den Spruch von George Lukas: ,Möge die Macht mit dir sein’?“, fragt er. Ronaldo versemmelt gerade für Real Madrid einen Freistoß. „Ja, ein Klassiker“, murmle ich und schiele hoch zur Leinwand. „Willst du den dritten Weltkrieg subventionieren?“, fragt er. „Was hat das mit George Lukas zu tun?“, antworte ich. „Mit dieser Frage“, sagt er mit bedeutunsschwangerem Psychotikerblick, „lass ich dich jetzt mal alleine.“
Eine super, super Idee. Leider hält sie nicht lange vor. „Jedem Menschen seine Realität besteht ausm Stapel von Illusionen“, präsentiert er mir, bewaffnet mit einem neuen Astra, nur wenig später seine Lieblingsweisheit.
Vielleicht ist das gar nicht mal so blöd, aber ich habe keine Lust, ernsthaft darüber nachzudenken, während Mourinho gerade Özil auswechselt. Inzwischen laufen Hendrix-Coverversionen.
„Beschäftige dich mit der Wellentheorie von McCannon!“, rät er mir inzwischen mit der Dringlichkeit eines Missionars und mich längst nassforsch duzend, schließlich kennen wir uns ja bereits sehr gut.
„Ja, google ich mal“, sage ich, und dann schießt Cluj das fünfte Tor, endlich mal wieder auf eigene Rechnung. Bei Google finde ich aber keinen Eintrag zur McCannon’schen Wellentheorie, deshalb werde ich das Thema vorläufig fallen lassen.
Und morgen Abend suche ich mir einen anderen Champions-League-Laden auf der Reeperbahn, das ist mal sicher. Aber so was von.
(ID: c6fe60d6a2c3418383f22d9747e0de6d)
„Ich bin Psychotiker“, gibt er zur grundsätzlichen Verbesserung der Gesprächsatmosphäre bekannt, während er abwechselnd an Kippe und Astra nuckelt. „Psyche heißt nämlich Seele, verstehen Sie?“ Nun ja, höchstens halb.
Er will alles von mir wissen, Sternzeichen, chinesisches Sternzeichen, was und wo ich arbeite, Geburtsjahr, ob ich schon mal LSD genommen hätte. Ach nein? Und Pilze? Nein.
Er hat sich blöderweise zwischen mir und der Leinwand platziert, was den Fußballkonsum zusätzlich erschwert. Denn im Lehmitz läuft auch keineswegs der Kommentar über die Boxen, sondern lauthals Wishbone Ash. Natürlich: eine bahnbrechende Band für den Bluesrock, die mehrstimmigen Harmonien, die zwei Leadgitarren, alles neu, alles großartig, völlig klar. Zumindest 1972 – und nicht unbedingt während einer Livekonferenz der Champions League 2010.
Immer wieder luge ich über den Kopf des Psychotikers, um die ganzen Eigentore des CFR Cluj zugunsten des FC Bayern mitzukriegen, doch er erwehrt sich meines halbherzig demonstrierten Desinteresses mit sanfter Beharrlichkeit.
„Kennste den Spruch von George Lukas: ,Möge die Macht mit dir sein’?“, fragt er. Ronaldo versemmelt gerade für Real Madrid einen Freistoß. „Ja, ein Klassiker“, murmle ich und schiele hoch zur Leinwand. „Willst du den dritten Weltkrieg subventionieren?“, fragt er. „Was hat das mit George Lukas zu tun?“, antworte ich. „Mit dieser Frage“, sagt er mit bedeutunsschwangerem Psychotikerblick, „lass ich dich jetzt mal alleine.“
Eine super, super Idee. Leider hält sie nicht lange vor. „Jedem Menschen seine Realität besteht ausm Stapel von Illusionen“, präsentiert er mir, bewaffnet mit einem neuen Astra, nur wenig später seine Lieblingsweisheit.
Vielleicht ist das gar nicht mal so blöd, aber ich habe keine Lust, ernsthaft darüber nachzudenken, während Mourinho gerade Özil auswechselt. Inzwischen laufen Hendrix-Coverversionen.
„Beschäftige dich mit der Wellentheorie von McCannon!“, rät er mir inzwischen mit der Dringlichkeit eines Missionars und mich längst nassforsch duzend, schließlich kennen wir uns ja bereits sehr gut.
„Ja, google ich mal“, sage ich, und dann schießt Cluj das fünfte Tor, endlich mal wieder auf eigene Rechnung. Bei Google finde ich aber keinen Eintrag zur McCannon’schen Wellentheorie, deshalb werde ich das Thema vorläufig fallen lassen.
Und morgen Abend suche ich mir einen anderen Champions-League-Laden auf der Reeperbahn, das ist mal sicher. Aber so was von.
(ID: c6fe60d6a2c3418383f22d9747e0de6d)
19 Oktober 2010
Hain, ich weiß, wo du wohnst!
Eigentlich bin ich überhaupt kein Vereinstyp, bin nirgends drin, nur in der Gewerkschaft – und seit einigen Jahren in der Fußballabteilung des FC St. Pauli 1910.
Die Gründe dafür, damals Mitglied zu werden, lagen nicht nur in der stillen Hoffnung, so mein Karma beim Ergattern einer Dauerkarte zu verbessern (wenn nicht in diesem, dann wenigstens im nächsten Leben – und darauf wird es wohl hinauslaufen), sondern auch in der festen Verwurzelung des Vereins in meinem Viertel.
Das Stadion des FC liegt unweit unserer Wohnung mitten auf St. Pauli, es ist umgeben von Miet- und Bürohäusern, von Schwimmbad, Schule, Kneipen und dem Heiligengeistfeld, wo dreimal im Jahr ein Rummel namens Dom stattfindet, was bei Heimspielen zu einem wunderbaren Durch- und Miteinander der verschiedensten Besucherströme führt.
Doch nicht nur das Stadion fühlt sich sauwohl im Viertel und denkt nicht mal im Traum daran, wegzuziehen, auch die Spieler des FC St. Pauli wohnen in der Regel nicht in einer Alstervilla, sondern durchaus auch mal hier, in unserer Nachbarschaft.
Neulich zum Beispiel fuhr ich mit dem Fahrrad durch die *****straße in Stadionnähe, als ein Mann gerade die Haustür eines unscheinbaren Mehrfamilienhauses aufschloss, im Arm eine Einkaufstüte und an der Seite einen kleinen Jungen, der ihm ungefähr bis an die Hüfte reichte.
Den Mann kennst du doch, dachte ich, das ist doch … der Torwart des FC St. Pauli. Mathias Hain heißt er, er hat also ein t weniger als ich und ist zurzeit verletzt. Sein Bewegungsablauf hier an der Haustür in der *****straße gab in seiner Eleganz und Geschmeidigkeit jedoch zu den schönsten Rekonvaleszenzhoffnungen Anlass.
Zwecks Verifikatiion meiner Beobachtung drehte ich um, stieg vom Rad und schaute nach einer gewissen Karenzzeit rückversichernd aufs Klingelschild. Und in der Tat: Da stand: „Hain“.
Keine große Sache, natürlich nicht. Sondern nur weiteres Detail eines schillerndbunten Mosaiks, das sich – trotz aller zwangsläufigen Kommerzialisierung, ohne die kein Verein in der Bundesliga bestehen könnte – verdichtet zur großen Sympathieträgerschaft eines kleinen Stadtteilclubs. Da kann man schon mal mit Mitglied werden, verdammt. Auch als Vereinsmuffel.
Vielleicht hätte ich die Gelegenheit nutzen, bei Hain klingeln und ihm klagen sollen von der Vergeblichkeit meines jahrelangen strebenden Bemühens um eine Dauerkarte. Doch zweifellos wäre es unfein gewesen, ihn beim Auspacken seiner Einkaufstüte zu stören.
Na ja, immerhin weiß ich jetzt, wo er wohnt, der Hain.
Die Gründe dafür, damals Mitglied zu werden, lagen nicht nur in der stillen Hoffnung, so mein Karma beim Ergattern einer Dauerkarte zu verbessern (wenn nicht in diesem, dann wenigstens im nächsten Leben – und darauf wird es wohl hinauslaufen), sondern auch in der festen Verwurzelung des Vereins in meinem Viertel.
Das Stadion des FC liegt unweit unserer Wohnung mitten auf St. Pauli, es ist umgeben von Miet- und Bürohäusern, von Schwimmbad, Schule, Kneipen und dem Heiligengeistfeld, wo dreimal im Jahr ein Rummel namens Dom stattfindet, was bei Heimspielen zu einem wunderbaren Durch- und Miteinander der verschiedensten Besucherströme führt.
Doch nicht nur das Stadion fühlt sich sauwohl im Viertel und denkt nicht mal im Traum daran, wegzuziehen, auch die Spieler des FC St. Pauli wohnen in der Regel nicht in einer Alstervilla, sondern durchaus auch mal hier, in unserer Nachbarschaft.
Neulich zum Beispiel fuhr ich mit dem Fahrrad durch die *****straße in Stadionnähe, als ein Mann gerade die Haustür eines unscheinbaren Mehrfamilienhauses aufschloss, im Arm eine Einkaufstüte und an der Seite einen kleinen Jungen, der ihm ungefähr bis an die Hüfte reichte.
Den Mann kennst du doch, dachte ich, das ist doch … der Torwart des FC St. Pauli. Mathias Hain heißt er, er hat also ein t weniger als ich und ist zurzeit verletzt. Sein Bewegungsablauf hier an der Haustür in der *****straße gab in seiner Eleganz und Geschmeidigkeit jedoch zu den schönsten Rekonvaleszenzhoffnungen Anlass.
Zwecks Verifikatiion meiner Beobachtung drehte ich um, stieg vom Rad und schaute nach einer gewissen Karenzzeit rückversichernd aufs Klingelschild. Und in der Tat: Da stand: „Hain“.
Keine große Sache, natürlich nicht. Sondern nur weiteres Detail eines schillerndbunten Mosaiks, das sich – trotz aller zwangsläufigen Kommerzialisierung, ohne die kein Verein in der Bundesliga bestehen könnte – verdichtet zur großen Sympathieträgerschaft eines kleinen Stadtteilclubs. Da kann man schon mal mit Mitglied werden, verdammt. Auch als Vereinsmuffel.
Vielleicht hätte ich die Gelegenheit nutzen, bei Hain klingeln und ihm klagen sollen von der Vergeblichkeit meines jahrelangen strebenden Bemühens um eine Dauerkarte. Doch zweifellos wäre es unfein gewesen, ihn beim Auspacken seiner Einkaufstüte zu stören.
Na ja, immerhin weiß ich jetzt, wo er wohnt, der Hain.
18 Oktober 2010
Fundstücke (107): Der Bettelblickbär
17 Oktober 2010
Seit pfirsich Jahren Mitglied
Gegen 14 Uhr streunte ich hoffnungsfroh über den Stadionvorplatz, um eventuell noch kurzfristig eine Schwarzmarktkarte für das St.-Pauli-Heimspiel gegen Nürnberg zu ergattern.
Doch ich bekam nicht mal die Chance, mich über Mondpreise aufzuregen, weil niemand, der ein Ticket besaß, auch nur im Traum daran dachte, es mir kurzfristig zu verhökern.
Also schlich ich mich frustriert nach Hause und schaute trübe und verdüstert der Alternative Fitnesstraining bei Chris, dem Schlächter, entgegen, als das Telefon klingelte und Andreas mich fragte, was ich heute Nachmittag vorhätte.
„Habe gerade vergeblich versucht, vorm Stadion eine Schwarzmarktkarte zu kaufen“, maulte ich. „Gut so“, sagte er, „ich schenk dir eine.“
Tja, und dann wachte ich auf und fand mich in der Wirklichkeit wieder, wo so etwas nun mal nicht geschieht, es sei denn, ein GZSZ-Autor schriebe das Drehbuch …
Der letzte Satz ist allerdings erstunken und erlogen, denn die Geschichte stimmt wirklich, sie trug sich genauso zu, und eine Stunde später stand ich mit Andreas und seiner Clique in der Gegengerade unten am Zaun, was ich allerdings nicht lange durchhielt, weil man dort nichts sieht außer Gitterstangen und die Rücken glücklicher Kinder, die in zwei Meter Höhe drankleben, weil ihre Papas sie dort hingehängt haben.
Also stieg ich rempelnd und quetschend ein paar Stufen höher. Hinter mir erzählte ein Fan seinem Kumpel, er sei seit 40 Jahren Vereinsmitglied. „Stell dir das ma vor, Mönsch“, sagte er, „seit vierzich Jahren! Verstehst du? Viiieeeeeerzich! Was ’n das für ’ne Zahl, sach ma?“
Das konnte sein Kumpel auch nicht so genau sagen. Der altgediente Fan wurde daher nicht müde, sich an dieser Wahnsinnszahl zu berauschen. Er knautschte und dehnte sie, kaute darauf herum, beschmeckte sie von allen Seiten, deklinierte all ihre phonetischen Varianten durch, und ganz zum Schluss sagt er die 40 so blitzgeschwind, dass sie klang wie „Ftzch“.
Dann endlich hatte der ganze Block es begriffen, was diese Zahl bedeutete. Und am Ende auch, was ein 3:2 gegen Nürnberg bedeutet: nämlich Jubel, Trubel, Heimsiegseligkeit – plus Bierdusche für alle.
Und ich meine alle.
16 Oktober 2010
15 Oktober 2010
„Du Penner!“
In den Zeisehallen (hier ein beschwichtigendes Foto vom Gehweg am Hintereingang) tobt wieder mal ein lautstarker Streit zwischen drei Pennern und einem Sicherheitsmann.
Plötzlich brüllt einer der Penner dem Sicherheitsmann ins Gesicht: „Du Penner!“
Ich bin mir nicht sicher, ob ihm die Ironie der Situation sofort bewusst war. Dem Sicherheitsmann aber schon: Er lächelte fein.
14 Oktober 2010
Fundstücke (106): Kampf der Krustentiere – eine Bildinterpretation
Die vom Künstler offensichtlich mit Sandstrahler aufgebrachte Grundierung in Handke’schem Andersgelb (eine Technik übrigens, die als „desertoider Texturalismus“ in die Kulturtechnik einging) gibt seinem metaironisch „Kampf der Krustentiere“ betitelten Meisterwerk eine subtile Räumlichkeit, von der sich die atemberaubende Martialität der Szenerie noch einmal schattig abhebt.
Die mittig angesetzte, distanzierende Lücke zwischen den Kontrahenten, die sich lediglich drohen, jedoch nie den final-destruktiven Kontakt wagen, ist eine gelungene Metapher für die soziopathologische Atmosphäre während des Kalten Krieges der 80er Jahre – eine Ära, die hier geschickt antinostalgisch zitiert und zugleich mit kalmierendem Impetus negiert wird.
Das monochrome Gelb des Bildes verweist zudem auf den im Kern gar nicht vorhandenen Dissens der Duellanten, ja gar auf ihre ihnen selbst unbewusste Identität. Ihr „Konflikt“ wird damit als bloße Schimäre entlarvt. So gelingt es dem Künstler, geschickt eine chromatisch-gedankliche Brücke zur Gegenwart der Guttenbergs und Westerwelles zu schlagen – was „Kampf der Krustentiere“ zweifellos zum Meilenstein moderner Politkunst macht.
(Den Schaden am Putz entdeckte ich im UCI-Kino Mundsburg.)
13 Oktober 2010
Aufgesext
Das Restaurant Freudenhaus in unserer Straße arbeitet weiter überaus emsig an einer komplett kiezkompatiblen Corporate Identity.
Nicht nur, dass der überraschte Gast automatisch auf höchst vertrauliche Weise bereits beim Eintritt geduzt wird wie sonst nur in der Herbertstraße, nein: Die ausnahmslos weiblichen Servicekräfte tragen nun auch alle schwarze Blusen mit der rückwärtigen Aufschrift „Freudenspender“.
Dabei sind die Damen wirklich nur fürs Duzen und Servieren zuständig. Denke ich mal. Ihre Blusen jedenfalls legen etwas anderes nahe und sind auch noch durchweg – wahrscheinlich aufgrund einer bedingungslos zu befolgenden Dienstanweisung – aufgeknöpft bis zur Diademrinne. Und das, obwohl nicht alle Bedienungsdamen gleichermaßen dekolleteegeeignet sind.
Kein Wunder also, dass der dermaßen aufgesexte Esslusttempel selbst an einem
Zurück zum Wesentlichen, dem Essen: Ms. Columbo orderte Spanferkelbraten „Corny“, geschmort im eigenen Saft, während ich mich für die Roulade „Lilo Wanders“ entschied, die sich selbstverständlich an einer beziehungsreichen Füllung mit Gurken erfreute.
Der ausgewiesene Foodpornspezi Don Alphonso hätte hier sicherlich seine helle Freude, vielleicht am meisten an den groben Schweinswürstchen oder den Röhrennudeln mit Scampischwänzen.
Zu all dem passt übrigens perfekt „Gabi die Gabi“, jene original Freudenhaus Cuvèe 2006 vom einschlägig berühmten Weingut Stiefel & Lecken.
Den finalen
12 Oktober 2010
Dein Stil, mein Stil
Rainald Goetz
Ich schreibe also wie Rainald Goetz. Das sagt zumindest die FAZ, nachdem ich ihr probeweise den damals beifällig aufgenommenen Text zur Tabascowette vorgesetzt habe.
Dabei kenne ich kein einziges Buch von Goetz. Es kann also auch genauso gut andersrum sein, dass nämlich Rainald Goetz so schreibt wie ich. Ein irgendwie amorphes Gefühl.
Beim nächsten Versuch bescheinigte mir die FAZ übrigens, zu schreiben wie Uwe Johnson, von dem ich dummerweise ebenfalls kein komplettes Werk kenne.
Im Grunde schriebe ich sowieso viel lieber wie Vladimir Nabokov. Aber das bescheinigt mir leider keiner, nicht mal die FAZ.
11 Oktober 2010
Wo die Welt zu Ende geht
Auf dem Docks-Flohmarkt stöbere ich versonnen in CDs, als sich der Verkäufer konspirativ zu mir rüberbeugt und raunt: „Ein Euro für die ganze Kiste!“
Drin sind rund 50 Scheiben in Jewelcases, nur ein paar stecken in einfachen Papier- oder Stofftaschen. Die faltbare Einkaufskiste selbst ist aus stabilem Plastik, wenngleich am Boden mit einem klebrigem Schmier verschmutzt, wie ich erst auf dem kurzen Heimweg merke, als ich voll reinfasse in den Schmodder.
Zu Hause separiere ich den Inhalt sorgfältig nach folgenden verallgemeinerbaren Kriterien: „sofort in den Müll damit“ (Verkratztes, Selbstgebranntes, Böhse Onkelz), „erst mal reinhören“ (Manu Chao, Roxy Music, Barry White) und „zu skurril, um es sofort wegzuwerfen“.
Zur letzten Kategorie gehört zum Beispiel „Sergej Barbarez liest Erich Kästner“. Was soll man davon bloß halten? Wird sich Kästner jetzt vielleicht anhören wie: „An allen Unfuck, derr passirt, sint nickt etwa nurr die schult, die in tunn, sonderrn auk die, die in nickt verrinderrn“?
Gut, das war jetzt eventuell keine treffsichere Phonetisierung des Idioms von Sergej Barbarez, und ich entschuldige mich in aller Form dafür. An die Platte habe ich mich jedenfalls noch nicht rangetraut.
Eine CD-R mit der Krakelaufschrift „super geile fahrmusik“ legte ich aber interessehalber mal ein. War aber nur Trancescheiß drauf. Dennoch: Die Kiste ist den Euro wert, wenn nicht noch mehr.
Vor diesem Flohmarktschnäppchen waren wir auf Fahrradtour im Alten Land. Ich holte mir neben einem Sonnenbrand die wichtige Erkenntnis, dass hinterm Königreich die Welt zu Ende ist. Dabei kamen wir doch verwirrenderweise gerade da her – und kehrten nachmittags sogar wieder dorthin zurück.
Traue also keinem Ortsschild, das du nicht selbst gefälscht hast.
10 Oktober 2010
An der pädagogischen Borderline
Nach langer, langer Zeit gibt es mal wieder Zuwachs in meiner Blogrolle, und zwar das Blog von Fräulein Krise.
Sie ist genau dort, wo Sarrazin nicht hingehen konnte (oder wollte), weil er zu sehr mit dem Wälzen von Statistiken beschäftigt war – in der Schule nämlich. Ein überaus lustiges, realistisches und empathisches Blog mit gewaltigem Migrationshintergrund, aber leider ohne RSS-Feed.
Mussdu also immer selber hinsurfen, Digga.
Sie ist genau dort, wo Sarrazin nicht hingehen konnte (oder wollte), weil er zu sehr mit dem Wälzen von Statistiken beschäftigt war – in der Schule nämlich. Ein überaus lustiges, realistisches und empathisches Blog mit gewaltigem Migrationshintergrund, aber leider ohne RSS-Feed.
Mussdu also immer selber hinsurfen, Digga.
09 Oktober 2010
Ein Tag im Amüseum
Am Freitagvormittag schlenderte ich durch milchigen Herbstsonnenschein rüber zur inoffiziellen Eröffnung des Sankt-Pauli-Museums in der Davidstraße, wohin mich der Initiator und Exponatebestücker Günter Zint eingeladen hatte.
Ich war ein paar Minuten zu früh dran und machte daher noch einen Abstecher in die Herbertstraße, einfach um zu sehen, wie es da wohl an einem milchigen Oktobertag gegen 11 Uhr morgens ausschaut. Nun: trist.
Ich war der einzige Flaneur, die meisten Schaufenster präsentierten einen verwaisten Stuhl, der mit dem üblichen riesigen Handtuch vor was weiß ich geschützt worden war. Nur drei bis vier Damen waren schon im Dienst und langweilten sich. Sie machten Koberversuche, deren erschütternde Halbherzigkeit angemessen war angesichts der langen Schicht, die sie noch vor sich hatten.
Inzwischen war es 11, das „Amüseum“ (Zint) ließ nun Presse und Kiezblogger ein. In der Einladung hatte mich vor allem der verheißene „familienfreundliche Ü-18-Bereich“ neugierig gemacht. Widerspicht sich das nicht – gerade und vor allem in einer Welt, deren Deutungshoheit just Stephanie Freifrau zu Guttenberg (32) übernommen hat?
Im Herzen des Museums jedenfalls fand sich dieser sog. familienfreundliche Ü-18-Bereich, abgetrennt von schweren weinroten Vorhängen. Dahinter: Bilder und sehr explizite Videos aus dem vor 12 Jahren eingegangen Sexvarieté Salambo in der Großen Freiheit. Man fühlt sich sofort heimisch, also wie bei YouPorn.
Das Salambo brummte dekadenlang nicht wegen seiner theatralischen Qualität, sondern weil es auf der Bühne kondom- und kompromisslos rundging. Und „familienfreundlich“ war der Laden natürlich deshalb, weil nachweislich mindestens drei Kinder während der öffentlichen Rammeleien gezeugt wurden.
Was machen diese Kinder wohl heute? Und ihre Eltern …? Aus einer Vitrine der Star-Club-Abteilung schaut übrigens ein erstaunter, vielleicht auch irgendwie sehnsüchtiger Paul McCartney genau auf den abgesperrten Salambo-Bereich.
Am Ende des Rundgangs wollte ich noch ein kleidsames Sankt-Pauli-Museum-T-Shirt erstehen, welches mithilfe eines aufgeflockten Spruchs die unmittelbar einleuchtende These vertritt, Hamburg sei ein Vorort von St. Pauli.
Als ich die erforderlichen 14 Euro rauskramte, stellte sich jedoch heraus, dass ich mich verhört hatte: Das Hemd kostet 40 Euro. Ich verhängte daraufhin erst mal ein zunächst unbefristetes Moratorium.
Ab sofort ist das noch in der Entwicklung begriffene Museum, das die Kiezgeschichte chronologisch und höchst komprimiert von der ersten Besiedlung bis heute erzählt, für die ganze Welt geöffnet. Wer die Kiezpostleitzahl 20359 hat (ich rede mir ein, das sei eine Lex Wagner), kommt für nur 3 statt 5 Euro rein.
Geil: Nach nur 20 Besuchen habe ich also so viel Geld gespart, dass ich mir davon ein Sankt-Pauli-Museum-T-Shirt kaufen kann. Manchmal bin ich richtig stolz auf meine kaufmännische Gewitzheit.
Ich war ein paar Minuten zu früh dran und machte daher noch einen Abstecher in die Herbertstraße, einfach um zu sehen, wie es da wohl an einem milchigen Oktobertag gegen 11 Uhr morgens ausschaut. Nun: trist.
Ich war der einzige Flaneur, die meisten Schaufenster präsentierten einen verwaisten Stuhl, der mit dem üblichen riesigen Handtuch vor was weiß ich geschützt worden war. Nur drei bis vier Damen waren schon im Dienst und langweilten sich. Sie machten Koberversuche, deren erschütternde Halbherzigkeit angemessen war angesichts der langen Schicht, die sie noch vor sich hatten.
Inzwischen war es 11, das „Amüseum“ (Zint) ließ nun Presse und Kiezblogger ein. In der Einladung hatte mich vor allem der verheißene „familienfreundliche Ü-18-Bereich“ neugierig gemacht. Widerspicht sich das nicht – gerade und vor allem in einer Welt, deren Deutungshoheit just Stephanie Freifrau zu Guttenberg (32) übernommen hat?
Im Herzen des Museums jedenfalls fand sich dieser sog. familienfreundliche Ü-18-Bereich, abgetrennt von schweren weinroten Vorhängen. Dahinter: Bilder und sehr explizite Videos aus dem vor 12 Jahren eingegangen Sexvarieté Salambo in der Großen Freiheit. Man fühlt sich sofort heimisch, also wie bei YouPorn.
Das Salambo brummte dekadenlang nicht wegen seiner theatralischen Qualität, sondern weil es auf der Bühne kondom- und kompromisslos rundging. Und „familienfreundlich“ war der Laden natürlich deshalb, weil nachweislich mindestens drei Kinder während der öffentlichen Rammeleien gezeugt wurden.
Was machen diese Kinder wohl heute? Und ihre Eltern …? Aus einer Vitrine der Star-Club-Abteilung schaut übrigens ein erstaunter, vielleicht auch irgendwie sehnsüchtiger Paul McCartney genau auf den abgesperrten Salambo-Bereich.
Am Ende des Rundgangs wollte ich noch ein kleidsames Sankt-Pauli-Museum-T-Shirt erstehen, welches mithilfe eines aufgeflockten Spruchs die unmittelbar einleuchtende These vertritt, Hamburg sei ein Vorort von St. Pauli.
Als ich die erforderlichen 14 Euro rauskramte, stellte sich jedoch heraus, dass ich mich verhört hatte: Das Hemd kostet 40 Euro. Ich verhängte daraufhin erst mal ein zunächst unbefristetes Moratorium.
Ab sofort ist das noch in der Entwicklung begriffene Museum, das die Kiezgeschichte chronologisch und höchst komprimiert von der ersten Besiedlung bis heute erzählt, für die ganze Welt geöffnet. Wer die Kiezpostleitzahl 20359 hat (ich rede mir ein, das sei eine Lex Wagner), kommt für nur 3 statt 5 Euro rein.
Geil: Nach nur 20 Besuchen habe ich also so viel Geld gespart, dass ich mir davon ein Sankt-Pauli-Museum-T-Shirt kaufen kann. Manchmal bin ich richtig stolz auf meine kaufmännische Gewitzheit.
08 Oktober 2010
Some guys have all the luck
Mit A. im Komet in der Erichstraße. Er erzählte mir, was ihm vor einigen Wochen beim Open-Air-Kino im Millerntorstadion widerfahren war.
Er wollte zwei Karten zu je sieben Euro kaufen. Neben der Kasse lagen 15 Euro. Noch ehe A. seine Börse zücken konnte, nahm der Kassierer das herumliegende Geld und gab A. einen Euro zurück.
A. blieb stumm ob des unverhofften Glücks, weil er eh hüfttief im Dispo stand. (An dieser Stelle erlaubte ich mir zu sagen: „Gerade in Phasen der Armut erweist sich die wahre moralische Größe eines Charakters“, doch A. wandte irgendetwas ein, das semantisch auf „Papperlapapp!“ oder so hinauslief.)
Am Eingang zum Kino erhielten er und seine Freundin Getränkebons, weil die im Eintrittspreis (den sie nicht entrichtet hatten) eingeschlossen waren. Bevor der Film begann, verkündete der Sponsor O2 die Gewinnzahlen einer Verlosungsaktion.
A. schaute auf seine erschummelte Eintrittskarte und sah, dass er was gewonnen hatte. Er ging zum O2-Stand und sagte, er glaube, er habe was gewonnen. Ja, bestätigte O2, das stimme, und zwar einen Prepaidvertrag mit Blau.de im Wert von hundert Euro.
An dieser Stelle der Geschichte nippte A. an seinem Astra, mit sich und der Welt im Reinen. Ich rechnete kurz nach: Für einen Euro, den er versehentlich zurückerhalten hatte, waren er und seine Freundin in den Genuss eines Kinofilms, mehrerer Getränkebons und eines Prepaidgutscheins im Wert eines Hunnis gekommen.
A. hat diesen Abend im Millerntorstadion als sehr beglückend empfunden.
PS: Warum gerate ich eigentlich nie in die Situation, den Beweis für die wahre moralische Größe meines Charakters genussvoll schuldig bleiben zu können?
07 Oktober 2010
Ers ma Hamburger Berg
An der Postfiliale unten an der Ecke. Ein paar Jungs reden über die anstehende Abendgestaltung.
„Lasst uns ers ma Hamburger Berg“, schlägt einer vor.
Kommt da noch was, zum Beispiel ein Verb oder so? Nope. „Lasst uns ers ma Hamburger Berg“, sagt er also, und als er sich der Wirkung seiner Worte sicher ist, ergänzt er: „’n bisschen was saufen und dann chillen, ey.“
Seine Jungs nicken. Und da keiner von ihnen alternativ vorschlägt, sich dem häuslichen Studium von – sagen wir – Shakespeares Werken zu widmen, um dem von Geschlechterrollen gespiegelten Klassenbegriff in Feudalgesellschaften nachzuspüren, gehen sie alle ers ma Hamburger Berg, ’ n bisschen was saufen und dann chillen, ey.
Und morgen früh hole ich mir einen Platten in den Scherben ihrer Astraflaschen. So hängt alles mit allem zusammen.
Das Foto zeigt das Innere von Rosie’s Bar, einer Kneipe am Hamburger Berg, wo sonst.
„Lasst uns ers ma Hamburger Berg“, schlägt einer vor.
Kommt da noch was, zum Beispiel ein Verb oder so? Nope. „Lasst uns ers ma Hamburger Berg“, sagt er also, und als er sich der Wirkung seiner Worte sicher ist, ergänzt er: „’n bisschen was saufen und dann chillen, ey.“
Seine Jungs nicken. Und da keiner von ihnen alternativ vorschlägt, sich dem häuslichen Studium von – sagen wir – Shakespeares Werken zu widmen, um dem von Geschlechterrollen gespiegelten Klassenbegriff in Feudalgesellschaften nachzuspüren, gehen sie alle ers ma Hamburger Berg, ’ n bisschen was saufen und dann chillen, ey.
Und morgen früh hole ich mir einen Platten in den Scherben ihrer Astraflaschen. So hängt alles mit allem zusammen.
Das Foto zeigt das Innere von Rosie’s Bar, einer Kneipe am Hamburger Berg, wo sonst.
06 Oktober 2010
Wie Stuttgart 21 auch in unser Leben hineinlappt
Wollte heute Ms. Columbo frappieren, indem ich ihr aus dem Hinterhalt urplötzlich eine CD der Kastelruther Spatzen vors Gesicht hielt.
Doch sie las zufällig gerade den Spiegel und vermochte final zu kontern – mit einem Foto von Stefan Mappus. Ich fühlte mich augenblicklich wie Superman nach einem Löffel Kryptonitgrütze – und wusste: Ich habe verloren.
Übrigens ist es ein weit verbreiteter Trugschluss, dass man nur deshalb, weil man – wie Mappus – aus Pforzheim kommt, ein Arsch sein muss. Das gilt gleichermaßen auch für Darmstadt.
Foto: hintergrundbildergratis.com
Doch sie las zufällig gerade den Spiegel und vermochte final zu kontern – mit einem Foto von Stefan Mappus. Ich fühlte mich augenblicklich wie Superman nach einem Löffel Kryptonitgrütze – und wusste: Ich habe verloren.
Übrigens ist es ein weit verbreiteter Trugschluss, dass man nur deshalb, weil man – wie Mappus – aus Pforzheim kommt, ein Arsch sein muss. Das gilt gleichermaßen auch für Darmstadt.
Foto: hintergrundbildergratis.com
05 Oktober 2010
Mein Leben als Computerspieler
Meine Karriere als Gamer verlief bisher erbärmlich.
Anfang der 90er spielte ich mal „King’s Quest“ (Foto), und zwar auf einer Windowsmühle mit 20-Megabyte-Festplatte. Gab es ein zweites Level? Wenn ja, dann habe ich es nie erreicht.
Das war’s dann erst mal für anderthalb Jahrzehnte, ehe ich mich bei „Second Life“ anmeldete. Zwar kein klassisches Game, aber immerhin.
Leider schaffte ich es nicht, von der Ankunftsinsel wegzukommen. Und das irgendwie erworbene Schwert, das unverrück- und -brauchbar im Sichtfenster hing wie eine zerquetschte Riesenlibelle auf der Windschutzscheibe, machte mir das zweite Leben auch nicht leichter.
Jedenfalls beendete ich meine „Second Life“-Aktivitäten sehr bald wieder; bald machten es mir Millionen nach, und ich fühlte mich ein bisschen avantgardistisch.
Danach zündete ich die dritte Stufe meiner erbärmlichen Gamerkarriere und legte mir testweise einen Account bei „Muxlim Pal“ zu, der moslemischen Variante von „Second Life“.
Ich hielt es für recht lustig, dort als burkalose Sexbombe in Jeans rumzumarodieren, doch alles, was passierte, war: Ich bekam immer wieder wie aus dem Nichts Kopftücher aufgesetzt und ständig Mails à la „ich suche eine muslimsche frau zweck islamische heiraten“.
Daraufhin habe ich es endgültig sein lassen mit dem ganzen Gamescheiß. Warum ich das überhaupt erzähle? Wollte ich einfach mal loswerden.
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