Eigentlich bin ich überhaupt kein Vereinstyp, bin nirgends drin, nur in der Gewerkschaft – und seit einigen Jahren in der Fußballabteilung des FC St. Pauli 1910.
Die Gründe dafür, damals Mitglied zu werden, lagen nicht nur in der stillen Hoffnung, so mein Karma beim Ergattern einer Dauerkarte zu verbessern (wenn nicht in diesem, dann wenigstens im nächsten Leben – und darauf wird es wohl hinauslaufen), sondern auch in der festen Verwurzelung des Vereins in meinem Viertel.
Das Stadion des FC liegt unweit unserer Wohnung mitten auf St. Pauli, es ist umgeben von Miet- und Bürohäusern, von Schwimmbad, Schule, Kneipen und dem Heiligengeistfeld, wo dreimal im Jahr ein Rummel namens Dom stattfindet, was bei Heimspielen zu einem wunderbaren Durch- und Miteinander der verschiedensten Besucherströme führt.
Doch nicht nur das Stadion fühlt sich sauwohl im Viertel und denkt nicht mal im Traum daran, wegzuziehen, auch die Spieler des FC St. Pauli wohnen in der Regel nicht in einer Alstervilla, sondern durchaus auch mal hier, in unserer Nachbarschaft.
Neulich zum Beispiel fuhr ich mit dem Fahrrad durch die *****straße in Stadionnähe, als ein Mann gerade die Haustür eines unscheinbaren Mehrfamilienhauses aufschloss, im Arm eine Einkaufstüte und an der Seite einen kleinen Jungen, der ihm ungefähr bis an die Hüfte reichte.
Den Mann kennst du doch, dachte ich, das ist doch … der Torwart des FC St. Pauli. Mathias Hain heißt er, er hat also ein t weniger als ich und ist zurzeit verletzt. Sein Bewegungsablauf hier an der Haustür in der *****straße gab in seiner Eleganz und Geschmeidigkeit jedoch zu den schönsten Rekonvaleszenzhoffnungen Anlass.
Zwecks Verifikatiion meiner Beobachtung drehte ich um, stieg vom Rad und schaute nach einer gewissen Karenzzeit rückversichernd aufs Klingelschild. Und in der Tat: Da stand: „Hain“.
Keine große Sache, natürlich nicht. Sondern nur weiteres Detail eines schillerndbunten Mosaiks, das sich – trotz aller zwangsläufigen Kommerzialisierung, ohne die kein Verein in der Bundesliga bestehen könnte – verdichtet zur großen Sympathieträgerschaft eines kleinen Stadtteilclubs. Da kann man schon mal mit Mitglied werden, verdammt. Auch als Vereinsmuffel.
Vielleicht hätte ich die Gelegenheit nutzen, bei Hain klingeln und ihm klagen sollen von der Vergeblichkeit meines jahrelangen strebenden Bemühens um eine Dauerkarte. Doch zweifellos wäre es unfein gewesen, ihn beim Auspacken seiner Einkaufstüte zu stören.
Na ja, immerhin weiß ich jetzt, wo er wohnt, der Hain.
... aber genau DAS macht den Unterschied zu dem anderen großen Hamburger Verein. Der FC ist zum Anfassen, da spürt man eine Nähe.
AntwortenLöschenSeit ich die Ehrentribüne des Stadions gesehen habe, bin ich auch Fan: ein paar zusammengeschweißte Baucontainer.
AntwortenLöschen(Vielleicht haben Sie ja ein Foto dazu)
Vielleicht hätten Sie, um Ihre Chancen zum Erwerb einer Dauerkarte zu erhöhen, ihm beim Hochtragen der Tüte helfen sollen? Wo er doch Rekonvaleszent ist...
AntwortenLöschenNatürlich! Aber auf so was komme ich einfach nicht von selbst.
AntwortenLöschencroco, der Charme des Schmuddeligen macht in der Tat einen Großteil der Attraktivität des FCStP aus, da gebe ich Ihnen Recht.
Lucky Jack, da sind wir ganz einer Meinung.
@Matt: Ich liebe ihren Blog, es gehört zu meiner täglichen Lektüre. Als sie vor ein paar Wochen den Post veröffentlichten, der zu den meist kommentierten werden sollte, hatte ich auch einen Kommentar auf den Fingern, habe mich dann aber von der "wir schlagen uns alle auf die Brust und brüllen laut" Männershow fern gehalten, denn am Ende des Tages ist es doch "nur" Fußball, wohnen wir alle in der schönsten Stadt der Welt und kommen in ein Leben zurück, das aus mehr besteht, als gegnerische Fans vermöbeln und hässliche Gesängen von sich geben.
AntwortenLöschen@Lucky Jack: DAS macht also den Unterschied aus? Ich gehe täglich mit dem Hundi im Volkspark spazieren, was meinen Sie wie viele HSV Spieler ich durch ein plötzliches Anfassen hätte irritieren können? Unlängst stand ich in der Schlange bei der Post, um ein Paket abzuholen. Vor mit der Spieler mit den dünnen Beinchen mit dem selben Wunsch. Ich hätte ihn nur Anfassen brauchen, er hätte ja nicht mal flüchten können, er wollte ja sein Paket. Ich hätte auch ein Blick auf seine Paketkarte werfen können, dann hätte ich auch sagen können: "Jonny ich weiß, wo du wohnst". Und dann? Hätte ich ihm wohl kaum sein Paket nach Hause getragen und einen Latte Macchiato mit ihm getrunken. Mensch, die Jungs müssen doch auch irgendwo wohnen und auch im Westen der Stadt ist es nicht wie im Süden des Landes oder in Madrid oder was weiß ich wo. Nur weil jemand in der gleichen Straße wohnt und man ihn anfassen könnte oder wenigstens ansprechen, macht man es ja doch nicht, weil man selber nicht von Wildfremden angesprochen werden möchte. (Übrigens etwas was mich in den Einkaufszonen dieser wunderschönen Stadt immer mehr annervt, aber das ist ein anderes Thema).
HamburgerSonne, ich glaube, das war eher im übertragenen Sinne gemeint … ;-)
AntwortenLöschenAch wirklich? *staun* ;-)
AntwortenLöschenJa, man lernt hier nie aus.
AntwortenLöschenGentrifizierung nennt man das, oder?
AntwortenLöschen@ Matt: Ich geh da ganz mit HamburgerSonne kondom,
AntwortenLöschenich habe zum Beispiel mal Miro Klose zu seiner Bremer Zeit im St. Jürgen- Kramkenhaus getroffen, dort war er mit einem seiner Söhne, da dieser an Bauchschmerzen litt. Die beiden setzten sich neben mich und wissen Sie was? Die hatten nicht mal eine Einkaustüte dabei.
Ja, klar, Astrason, Krankenhäuser sind natürlich ein super Beispiel …
AntwortenLöschenTregis, Sie haben Recht: Reiche Fußballer ziehen her, das Viertel wird dadurch aufgewertet und die alteingesessene Wohnbevölkerung qua Mieterhöhung vertrieben – das ist Gentrifizierung! Und Hain ist schuld.