Vielleicht ist die Zeitschriftenauswahl ja spezifisch für den Kiosk hier im U-Bahnhof St. Pauli, vielleicht gibt es sie aber auch in der Fußgängerzone von Castrop-Rauxel.
Jedenfalls führt unser Kiosk am Rande des Rotlichtviertels viele Magazine für unterschiedlichste sexuelle Spezialinteressen. Darunter an prominenter Stelle (aber hinter Glas!) auch das verdienstvolle Blatt „Leg Show“, das einer unverhohlenen Vorliebe für Frauenbeine frönt (sowie all das, was direkt darüber anschließt).
Es tut das freilich einen Tuck weniger wagemutig als sein direktes Konkurrenzmedium „Leg Sex“ und rangierte daher bislang etwas höher auf meiner inneren Seriositätsskala. Gestern aber geriet meine Meinung von „Leg Show“ ins Wanken, und zwar wegen eines hammerharten Tippfehlers mitten auf der Titelseite (mehr sehe ich ja nicht vom Heft).
„Ennirenung“ stand da in schonungsloser Obszönität. Da ist wohl dem Schlusskorrektor der Sabber aufgestiegen bis hoch in die Tränendrüsen, so dass er alles nur noch verschwommen sah. Ich habe „Leg Show“ zwar noch nie gekauft, doch jetzt kauf ich’s erst recht nicht mehr.
Obwohl heute Abend beim Spiel Deutschland-Österreich durchaus anregender Lesestoff eine Chance gehabt hätte, so mäßig war die Partie. Yes, we can!, hatte ich zwar vorher erwartungsfroh vermutet, und dann kam er ja auch noch, unser Garant für den „change“: Ballack Obama.
Doch das war’s auch schon, und so lautete meine Fazit am Ende: Not gegen Elend. Ms. Columbo pflichtete mir bei, formulierte es jedoch erheblich hintersinniger. „Ich würde Jogi Löw als Erstes die Frage stellen“, sagte sie, „ob es nicht zu riskant war, gegen Österreich mit einer B-Mannschaft anzutreten.“
Wirklich schade, dass Monica Lierhaus nicht auf diese Idee gekommen ist.
PS: Draußen versuchen übrigens gerade deutsche Fans die türkischen Fans zu imitieren. Es klappt nur im Ansatz.
„3000 Plattenkritiken“ | „Die Frankensaga – Vollfettstufe“ | RSS-Feed | In memoriam | mattwagner {at} web.de |
16 Juni 2008
Feucht, und am Ende auch fröhlich
Forsch bog ich am Hamburger Berg rechts ein in die Taxigasse der Reeperbahn und sah aus dem Nichts ein Taxi rückwärtsfahrend auf mich zukommen.
Reflexartig stieg ich in die Eisen auf regennasser Straße, legte mich ergo gepflegt hinter den Mercedes, und während ich zappelnd auf dem Rücken lag wie ein betrunkener Maikäfer, wartete ich ergeben darauf, überrollt zu werden.
Doch der nette Mann hatte seinen höflichen Tag und stoppte. Ich rappelte mich auf, alles war noch dran. Er kurbelte das Fenster runter und sagte: „Das war nicht meine Schuld.“
Er schien Türke zu sein. Als wir so dastanden, Schicksalsgenossen im Beinahunglück, wussten wir beide noch nicht, dass sein Team heute Abend ins EM-Viertelfinale einziehen und die Fans erneut hupend und hysterisch den Kiez lahmlegen würden – und zwar zu seinem Schaden, denn wie kann man als Taxifahrer Umsatz machen, wenn man definitiv die ganze Nacht nicht mehr rauskommt aus der Taxigasse, weil zehntausende Fans den Verkehr kollabieren lassen?
Ähm, wo war ich? Ach ja: bei der Schuldfrage. Nein, nein, natürlich treffe ihn keine Schuld, beschwichtigte ich ihn, setzte mich zitternd aufs Rad und fuhr vorsichtig zum Flohmarkt in der Museumsstraße, wo ich stapelweise Vinyl und CDs (Foto) für empörend wenig Geld erstehen konnte, darunter mehrere klasse erhaltene Zappascheiben aus den 60ern für keine drei Euro das Stück.
Nach dem Präludium – dem fast folgenlosen Kontakt mit der feuchten Straße – folgte als Finale also nun der feuchte Traum eines jeden Plattensammlers. So konnte ich ein insgesamt äußerst positives Fazit dieses Sonntags ziehen.
Nur die neue Hose musste gleich am ersten Tag in die Wäsche.
14 Juni 2008
W31/L32!
Immer wenn ich Hosen kaufen will, weiß ich im Laden zuverlässig die Größe nicht mehr. Auch heute wieder.
Daraufhin setzt ein ermüdender Try-and-error-Prozess ein. Haufenweise schleppe ich Hosen in die Kabine und taste mich nach und nach ans Hüft- und Längenoptimum heran.
Wer jetzt einwendet: „Guck doch einfach auf die Hose, die die du am Leib trägst, oder stehst du auf Kilt?“, der hat nur theoretisch recht. Dort steht nämlich was von 50, doch im Laden prasselt ein Wirrwarr aus 96, 30W oder 08 minus 15 auf mich ein. Die Zahlenkombination meines mitgebrachten Beinkleids ist indes nirgends aufzufinden.
Die Internationalisierung der Größencodierungen, das Neben-, Über- und Durcheinander all dieser Zahlen und Länderkürzel führt bei mir eh rasch zu einer Duldungsstarre mit einhergehender Hosengrößenamnesie. Nichts anderes bleibt mir also übrig, als eine um die andere Hose anzuprobieren, und das nervt bis zur Konsumverweigerung.
Dem deutschen Hosenhandel entgehen durch mich beträchtliche Summen jährlich, denn lieber trage ich auch das älteste Exemplar auf oder lasse es reparieren, als mich den Peitschenhieben unverständlicher Zahlenkolonnen auszusetzen und stundenlang in und aus Umkleidekabinen zu schlurfen.
Die einzige Chance, mich für künftige Einkäufe zu rüsten, bietet im Grunde dieses Blog. Hiermit verkünde ich daher ex cathedra meine gestern wieder einmal in mühevollen Anproben deduktiv rekonstruierte optimale Hosengröße und dokumentiere sie so ein für alle mal zitierfähig für mich und die Nachwelt: Es ist W31/L32.
Jetzt braucht der potenzielle Hosenladen meines Vertrauens (zu dem bisher dank meiner seltenen Käufe noch keiner avancieren konnte) nur noch einen öffentlichen Webzugang, ich surfe sodann zur Rückseite der Reeperbahn, suche oben links nach „Hosengröße“, und weiß sofort Bescheid: W31/L32.
Das alles hat natürlich nur wenig mit der abgebildeten Diabetikersocke zu tun. Aber ein bisschen was eben doch.
Daraufhin setzt ein ermüdender Try-and-error-Prozess ein. Haufenweise schleppe ich Hosen in die Kabine und taste mich nach und nach ans Hüft- und Längenoptimum heran.
Wer jetzt einwendet: „Guck doch einfach auf die Hose, die die du am Leib trägst, oder stehst du auf Kilt?“, der hat nur theoretisch recht. Dort steht nämlich was von 50, doch im Laden prasselt ein Wirrwarr aus 96, 30W oder 08 minus 15 auf mich ein. Die Zahlenkombination meines mitgebrachten Beinkleids ist indes nirgends aufzufinden.
Die Internationalisierung der Größencodierungen, das Neben-, Über- und Durcheinander all dieser Zahlen und Länderkürzel führt bei mir eh rasch zu einer Duldungsstarre mit einhergehender Hosengrößenamnesie. Nichts anderes bleibt mir also übrig, als eine um die andere Hose anzuprobieren, und das nervt bis zur Konsumverweigerung.
Dem deutschen Hosenhandel entgehen durch mich beträchtliche Summen jährlich, denn lieber trage ich auch das älteste Exemplar auf oder lasse es reparieren, als mich den Peitschenhieben unverständlicher Zahlenkolonnen auszusetzen und stundenlang in und aus Umkleidekabinen zu schlurfen.
Die einzige Chance, mich für künftige Einkäufe zu rüsten, bietet im Grunde dieses Blog. Hiermit verkünde ich daher ex cathedra meine gestern wieder einmal in mühevollen Anproben deduktiv rekonstruierte optimale Hosengröße und dokumentiere sie so ein für alle mal zitierfähig für mich und die Nachwelt: Es ist W31/L32.
Jetzt braucht der potenzielle Hosenladen meines Vertrauens (zu dem bisher dank meiner seltenen Käufe noch keiner avancieren konnte) nur noch einen öffentlichen Webzugang, ich surfe sodann zur Rückseite der Reeperbahn, suche oben links nach „Hosengröße“, und weiß sofort Bescheid: W31/L32.
Das alles hat natürlich nur wenig mit der abgebildeten Diabetikersocke zu tun. Aber ein bisschen was eben doch.
13 Juni 2008
Telefonprotokolle (3)
Heute rief mich ein Musikpromoter aus Berlin an. Es entspann sich folgender Dialog (Gedächtnisprotokoll):
„Hey, Matt, sag mal, mit was muss ich dich denn bestechen, damit du die Platte besprichst?“
„Der Veröffentlichungstermin ist wichtiger.“
„Die Platte kommt am 25. Juli.“
„Na, dann schick doch mal. Vielleicht kann sie sich ja im August gegen die Konkurrenz durchsetzen.“
„Okay. Aber noch mal: Goldene Rolex? Sportwagen?“
„Sexuelle Vergünstigungen sind mir lieber.“
„Au-ha! … Aber wir sind gut bestückt.“
„Dann leg der CD doch einfach Fotos bei.“
„Alles klar. Du hast bald Post.“
„Hey, Matt, sag mal, mit was muss ich dich denn bestechen, damit du die Platte besprichst?“
„Der Veröffentlichungstermin ist wichtiger.“
„Die Platte kommt am 25. Juli.“
„Na, dann schick doch mal. Vielleicht kann sie sich ja im August gegen die Konkurrenz durchsetzen.“
„Okay. Aber noch mal: Goldene Rolex? Sportwagen?“
„Sexuelle Vergünstigungen sind mir lieber.“
„Au-ha! … Aber wir sind gut bestückt.“
„Dann leg der CD doch einfach Fotos bei.“
„Alles klar. Du hast bald Post.“
Kein Curling auf Tuvalu
Nun gut, jetzt kommt es am kommenden Montag also wirklich zum entscheidenden Duell zwischen Deutschland und Österreich.
Wer nicht bis dahin auf den Spielausgang warten möchte: Erste Hinweise ergeben sich aus einem höchst aufschlussreichen Interview, das ich unlängst mit dem furiosen deutsch-österreichischen Komikerduo Stermann & Grissemann führte. Hier ein kleiner Ausschnitt:
U_mag: Wie können Jogis Löwen Österreichs Pandabären schlagen, mit welcher Killertaktik?
Grissemann: Das wird auch ohne Taktik klappen, garantiert.
Stermann: Österreich gibt sich sehr viel Mühe, ein netter Gastgeber zu sein. Wieso sollte die deutsche Mannschaft also gegen Österreich gewinnen - um erneut das Bild des „hässlichen Deutschen“ abzugeben? Nein. Nach der WM, wo Deutschland der Welt ein neues, positives Gesicht gezeigt hat, muss es jetzt auch auf dem Platz Taten folgen lassen. Ausscheiden nach der Vorrunde muss es heißen, sonst waren alle schönen Worte während der WM nur schöne Worte.
U_mag: Vielleicht kommen wir eh gegen die überlegene Physis der Österreicher nicht an; immerhin können sie die ganze Saison über ihre geografischen Vorteile ausspielen – Stichwort: Höhentraining. Warum geht ihnen trotzdem immer direkt nach der ersten Halbzeit die Luft aus?
Grissemann: Das liegt wohl an der grundsätzlich zerbrechlichen Physis. Der Österreicher ist Künstler, kein Sportler: blass, vornübergebeugt und asthmatisch. Siehe André Heller.
Stermann: Höhentraining? Wovon reden Sie? Wir sind der Keller Europas, hat sich das nicht bis zu Ihnen nach Hamburg rumgesprochen ...? Viele, gerade Jugendliche, wachsen in Kellern auf, in denen man kaum aufrecht stehen kann! Und in den Bergen leben kaum mehr Österreicher, sondern nur noch ostdeutsche Gastarbeiter, die als Kellner und Liftwarte zu teuer gewordene Rumänen abgelöst haben. Deshalb wird es in ein paar Jahren auch wieder gute deutsche Skifahrer geben. The circle of life.
U_mag: Sollte man das Fußballspielen in den Alpen nicht generell verbieten? Immerhin spielt man auf Tuvalu auch kein Curling.
Grissemann: Gute Idee! Ich bin immer für Verbote.
Stermann: In den Bergen gibt es ja sehr wenige Fußballplätze. Dafür aber hat die Seitenwahl zu Beginn eines Spiels eine viel größere Bedeutung: Soll man in der ersten Hälfte bergauf oder bergab spielen?
U_mag: Ein solches Verbot hätte einen weiteren Vorteil: Man könnte es aufs voralpine München ausweiten und wäre schlagartig auch den FC Bayern los.
Stermann: Verbote ändern nichts. Durch Verbote kommen die Menschen überhaupt erst auf den Geschmack. Bevor es die Zehn Gebote gab, hätte niemand im Traum daran gedacht, sich die Nachbarin unter sexuellen Gesichtspunkten anzuschauen oder Gott zu malen. Aber kaum waren die Zehn Gebote da: nix wie rüber und zur Nachbarin unter die Decke. Würde man den FC Bayern verbieten, zehn neue FC Bayerns kämen.
U_mag: Herr Stermann, angenommen, Sie (als Deutscher) dürften einen Tag die Österreicher trainieren: Mit welchen Ad-hoc-Maßnahmen wäre der größte Schaden anzurichten?
Stermann: Ich habe zu meinem 40. Geburtstag von der Republik Österreich das Geschenk bekommen, ein Jahr lang die Nationalmannschaft trainieren zu dürfen. Es war eine schöne Zeit. Ich habe das Spiel ohne Ball forciert. Wir sind viel gereist, haben diskutiert, sind ins Kino gegangen und haben mit Erwin Wurm zusammen Kunstaktionen gemacht. Alle Spieler von damals sind heute an der Universität für Angewandte Kunst als Dozenten tätig oder haben Professuren an der Kunstakademie. Bildung und ein Hang zur Schöngeisterei hat noch niemandem geschadet. Gut, wir haben in der Zeit alle Spiele hoch verloren. Aber wie! Wunderschön … Als ich Teamchef der ÖFB-Elf war, sprachen wir nie über Elfmeter, aber viel über Hexameter. Wir sprachen auch nicht über Ecken, sondern über Rhomben. Einen Elfmeter „verwandeln“ – über diese Formulierung haben wir viel diskutiert. Wir haben dann mit Illusionisten zusammen Elfmeter „verwandelt“: in Hühner, Wurst oder Riesenschnitzel. Das war durchaus politisch gemeint.
Und so ging das noch eine ganze Weile weiter. Wer die zur Hochform auflaufenden Komiker in voller Länge erleben möchte, ist hier an der richtigen Stelle.
Foto: Udo Leitner
12 Juni 2008
Im Türkentrubel
Mittags versagt an sehr delikater Stelle mein Reißverschluss. Die Sache ist komplett irreparabel, zumindest für einen Hosenlatzlaien wie mich.
Ich muss nach Hause, mich umziehen, denn abends steht ein repräsentativer Termin an; es wäre seltsam, stünde ich dort die ganze Zeit herum und zöge mir mit beiden Händen mein St.-Pauli-Weltpokalsiegerbesieger-T-Shirt runter bis zum Oberschenkel.
So handhabe ich es jedenfalls im Bus nach Hause. Auch auf der Reeperbahn, wo mein reißverschlussloses Outfit gewiss noch am ehesten durchginge, verfalle ich in diese verkrampft wirkende Gehhaltung. Zum Glück sind dort – wie immer – viel merkwürdigere Leute unterwegs als meine Durchschnittlichkeit, weshalb mich niemand komisch anschaut.
Zu Hause wechsle ich die Hose und schwinge mich aufs Rad. Auf halber Strecke donnert ein hämischer Regenguss herab, und als ich im Büro ankomme, steht fest: Ich muss mich umziehen. Eigentlich. Doch in Frage kommt jetzt nur noch sukzessives Trocknen im Sitzen.
Als ich kurz vor Mitternacht vom Repräsentieren komme, ist die Reeperbahn ein Tollhaus. Türkische Jugendliche hupen, toben und tanzen herum, als hätte ihr Team das EM-Endspiel just 8:0 für sich entschieden, dabei gewann es nur eine Vorrundenpartie in letzter Sekunde gegen die lahme Schweiz und hat sich bisher noch nicht mal für die K.O.-Spiele qualifiziert.
Wenn man sich aber so anschaut und -hört, was sich bereits jetzt hier abspielt zwischen Boutique Bizarre und Davidwache, dann kristallisiert sich wie von selbst der Wunsch heraus: Bitte, Türkei, lass gut sein, nicht noch mal gewinnen, okay?
Als ich mittendrin war im Türkentrubel, habe ich diesen Wunsch aber nur stumm geäußert. Hey, die hatten Fahnenstangen!
11 Juni 2008
Frauen: Bitte nicht lesen!
Wahrscheinlich stehe ich eh im Ruf, eine Spur zu oft über Obdachlose und Herrentoiletten zu schreiben. Also ist es auch egal, wenn das heute schon wieder passiert, sogar en bloc.
Der Franke und ich sitzen auf dem Alma-Wartenberg-Platz vorm Türkenbistro, das einen Flachbildfernseher zum Fußballgucken aufgestellt hat. Es gibt technische Probleme. Drei Bistromitarbeiter tüfteln am TV herum, um das Erste reinzukriegen, wo das EM-Spiel Spanien-Russland übertragen wird.
Es will nicht klappen. ZDF, NDR, RTL: alles prima, aber wo ist das Erste? Wir ordern schon mal je ein Bier, denn Optimismus ist unser zweiter Vorname.
Plötzlich tritt einer der Obdachlosen heran, die das ganze Jahr über auf dem Platz lagern. Manchmal spielen sie Fußball, dann kriegen sie Ärger mit der Gastronomie. Manchmal prügeln sie sich, dann kriegen sie Ärger mit der Polizei. Immer aber betteln sie und beschleunigen damit den Schritt der Passanten.
Heute jedoch beschwert sich einer. Und zwar über das fehlende Fernsehbild zur Fußballübertragung. Eine Dreistigkeit, die mir Respekt abnötigt. Nicht aber dem Bistrobesitzer, der dem erregten zahnarmen Späthippie schließlich mit einem probaten Stilmittel der körperlichen Gewalt (Schubsen) unmissverständlich bedeutet, sich gefälligst zu trollen.
Geduldet werden hier halt nur Konsumenten von Bier und/oder Döner, und da kann der Hippie nicht mithalten. Weil uns zu kalt ist, wechseln wir in der Halbzeit in die „Bar“ um die Ecke. Dort ist es mollig, das Bier sogar billiger, und Obdachlose trauen sich nicht hinein, selbst nicht zum Beschweren.
Auf dem Klo entdecke ich den abgebildeten fußballaffinen Einsatz im Pissoir und frage mich ernsthaft, was Frauen wohl von uns Männern dächten, wenn sie wüssten, wie großartig wir es finden, mit unserem naturgegebenen kraftvollen Strahl einen Ball in ein Tor zu dirigieren.
Gut, ich weiß schon, was Frauen darüber dächten. Doch zum Glück werden sie dank des Titels dieses Beitrags von unserer Marotte nie erfahren.
10 Juni 2008
Schock nach Mitternacht
Wenn du dich vorm Schlafengehen noch mal bei deiner Bank eingeloggt hat, um dir die mutmaßlichen Habenstände deiner insgesamt drei Konten anzuschauen, dann ist die abgebildete Statusmeldung nicht gerade ein Quell großer Freude.
Im Gegenteil: Mir wurde entschieden blümerant. Erst nach einer angemessenen Schockstarre fand ich im anschließenden Adrenalinrausch heraus: Es lag an der üblichen Ausfallzeit zwischen ein und zwei Uhr nachts.
Diese Einrichtung hat mich schon öfter genervt, denn wozu soll Onlinebanking gut sein, wenn nicht zu dem Zweck, es nach Belieben betreiben zu können?
Doch auch online gibt es Schalterstunden, und manchmal kommst du nur in einen Vorraum, wo ein Rechenknecht sitzt und nichts weiß von irgendwelchen Konten, die du angeblich mal hier gehabt haben sollst.
Vielleicht ist die klassische Lagermethode Untermkopfkissenverstecken doch die beste – für die Nerven auf alle Fälle.
08 Juni 2008
Nicht traurig sein
Auf Märkten
Kurzzeitig erwog ich heute den Besuch des Eppendorfer „Frauenflohmarkts“. Einfach nur um herauszufinden, was man heutzutage so zahlen muss für Frauen aus zweiter oder dritter Hand.
Wahrscheinlich ist das aber schlicht zustandsabhängig, wie bei jeder Gebrauchtware. Daher entschied ich mich für eine Veranstaltung um die Ecke, und zwar für das „Rewe Family Sommerfest“ auf dem Heiligengeistfeld.
Dort war es sehr voll und sehr merkwürdig. Adipöse Familien liehen sich am Eingang Bollerwagen, um sie dann an diversen Verkaufsständen mit riesigen 5-Euro-Tüten Crunchips, Milramjoghurt, Caprisonne oder Cappuccinopaketen zu füllen.
Um der Herausforderung auch kräftemäßig gewachsen zu bleiben, mümmelten sie zwischendurch an Fressständen Bratwürste für einen Euro das Stück. All das sicherte zweifellos generationsübergreifend die Dauerhaftigkeit ihrer Adipositas, und das trug zu großer Zufriedenheit bei.
Meine Welt war das dennoch nicht. So trollte ich mich bollerwagenlos zum Schlachthofflohmarkt, wo ich einen Stapel vermeintlich seltener und perfekt erhaltener Laserdiscs für 1,60 Euro das Stück erstand, obwohl ich nicht einmal ein Laserdiscabspielgerät besitze.
Ich hielt den Deal dennoch für ausgesprochen pfiffig, doch zu Hause musste ich feststellen: Bei Ebay sind diese Scheiben Ladenhüter. Selbst für einen Euro wird man sie nur noch im Glücksfall los.
Vielleicht wäre der Eppendorfer Frauenflohmarkt heute doch die bessere Alternative gewesen.
Wahrscheinlich ist das aber schlicht zustandsabhängig, wie bei jeder Gebrauchtware. Daher entschied ich mich für eine Veranstaltung um die Ecke, und zwar für das „Rewe Family Sommerfest“ auf dem Heiligengeistfeld.
Dort war es sehr voll und sehr merkwürdig. Adipöse Familien liehen sich am Eingang Bollerwagen, um sie dann an diversen Verkaufsständen mit riesigen 5-Euro-Tüten Crunchips, Milramjoghurt, Caprisonne oder Cappuccinopaketen zu füllen.
Um der Herausforderung auch kräftemäßig gewachsen zu bleiben, mümmelten sie zwischendurch an Fressständen Bratwürste für einen Euro das Stück. All das sicherte zweifellos generationsübergreifend die Dauerhaftigkeit ihrer Adipositas, und das trug zu großer Zufriedenheit bei.
Meine Welt war das dennoch nicht. So trollte ich mich bollerwagenlos zum Schlachthofflohmarkt, wo ich einen Stapel vermeintlich seltener und perfekt erhaltener Laserdiscs für 1,60 Euro das Stück erstand, obwohl ich nicht einmal ein Laserdiscabspielgerät besitze.
Ich hielt den Deal dennoch für ausgesprochen pfiffig, doch zu Hause musste ich feststellen: Bei Ebay sind diese Scheiben Ladenhüter. Selbst für einen Euro wird man sie nur noch im Glücksfall los.
Vielleicht wäre der Eppendorfer Frauenflohmarkt heute doch die bessere Alternative gewesen.
07 Juni 2008
Zwischen Pissoir und Power-Frau
Ausgerechnet die altehrwürdige Laeiszhalle (Foto), ein Konzerthaus in vollem Stuck- und Kronleuchterornat, inspirierte mich heute zu urinalen Gedanken.
Es passiert kurz vor Beginn des Cat-Power-Konzertes, als ich im Herrenklo auf eine freie Kabine warte und etwas Zeit habe, über die Bedingungen des Stehpinkelns nachzudenken.
Pissoirs sind in hygienischer Hinsicht nämlich suboptimal, Näheres später. Ich jedenfalls benutze sie deshalb nur im Notfall und gehöre damit zu einer belächelten Minderheit. Selbst wenn meine Geschlechtsgenossen alle Urinale belegt vorfinden, verschmähen sie oftmals die verlockende Infrastruktur einer Kabine und stehen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte lieber Schlange vorm Pinkelbecken.
Dabei sind die – wie erwähnt – hygienisch gesehen nicht der Weisheit letzter Schluss. Zwar ist es problemlos möglich, sich nach ihrer Nutzung am Waschbecken die Hände zu säubern, doch wie steht es um jenes Körperteil, dessen Berührung ja gerade das Säubern der Hände erforderlich machte?
Für eine entsprechende Behandlung des männlichen Körperzentrums stellen Urinal und sein Ambiente keinerlei Utensilien zur Verfügung. Frauen machen sich davon wahrscheinlich gar keine Vorstellung, doch der User des Urinals ist zurückgeworfen auf ein mittelfrequentes, aber aus Gründen des Selbst- und Nachbarschaftsschutzes nicht gar zu dolles Schütteln a posteriori.
Das hat allerdings kaum mehr als ein grobes Abtropfen zur Folge. Papier oder gar ein säubernder Wasserstrahl (dessen Zielgenauigkeit eh nicht zu garantieren wäre) stehen am Urinal nirgends zur Verfügung, und in dieser Hinsicht ist das Laeiszhallenklo keinen Deut besser als das stille Örtchen einer Kaschemme wie dem Windjammer in der Davidstraße.
Nein, an jedem verdammten Pissoir ist man alternativlos angewiesen aufs Wegstecken und -gehen, mit doofen Konsequenzen für die Innenseite der Unterhose. „Da hilft kein Schütteln und Klopfen“, weiß schon der Volksmund, „in die Hose geht der letzte Tropfen“ – und recht hat er.
Ja, und deshalb warte ich stets geduldig auf eine freie Kabine, auch in der Laeiszhalle, bevor Cat Power „The dark end of the street“ singen wird, einen meiner ewigen Lieblingssongs.
Jetzt geht eine Tür auf. Ein drahtiger Mann kommt heraus – und hetzt ohne Waschbeckenstopp zum Ausgang, zu Cat Power. Abgezogen hat er auch nicht.
Irgendwie habe ich das Gefühl, er wäre für meine Überlegungen zum Urinal nicht besonders offen gewesen.
05 Juni 2008
Das folgenreiche Kurzarmhemd
Heute Abend treffe ich mich mit dem Stilterroristen GP im Hamburg City Beach Club. Ich weiß, er hasst Kurzarmhemden, deshalb suche ich den Kleiderschrank danach ab und werde schließlich hinten links fündig.
In ganzer karierter Kurzarmhemdpracht tauche ich im Beach Club auf. Ein voller Erfolg. Mein Anblick führt bei GP zu einem ästhetisch induzierten Schock, den er mit gespielter Agilität und einem mühsam inszenierten Grinsen zu übertünchen versucht. Erst die eilends beschaffte Currywurst, in die er temporär starren kann, löst seine Verkrampfung halbwegs.
Dann tritt der Schlagerveräppeler Alexander Marcus auf. In einer rosa Hose singt er „Papaya“ – eine Performance, die GP mit nicht abreißendem Carlsbergnachschub vergleichsweise souverän zu überstehen weiß.
Um meinen Anblick halsabwärts zu meiden, stiert er mir blinzellos in die Augen wie ein Replikant und versucht das Gespräch auf seinen geplanten Fitnessclubeintritt zu lenken. Ich soll ihn werben dürfen.
Seine ersten laienhaften Fragen beschäftigen sich aber nicht mit den angebotenen Kursen, der Sauberkeit der Sauna oder den Knackärschen der geilen Trainerinnen, nein: Er will wissen, was man anziehen muss beim Trainieren.
Kurzarmhemden, sage ich. Man darf nur in Kurzarmhemden trainieren. Er erstarrt und springt in die Elbe.
Zumindest in einer idealen Welt wäre das so abgelaufen, doch ich erzähle ihm irgendetwas von Indoorsneakers, Shorts und T-Shirts, und dann holt er auch schon das nächste Carlsberg, während Alexander Marcus bei „Ciao ciao bella“ angekommen ist.
Ja, das Leben kann so schön sein an einem Sommerabend am Elbstrand in der besten aller Städte und im Kurzarmhemd.
In ganzer karierter Kurzarmhemdpracht tauche ich im Beach Club auf. Ein voller Erfolg. Mein Anblick führt bei GP zu einem ästhetisch induzierten Schock, den er mit gespielter Agilität und einem mühsam inszenierten Grinsen zu übertünchen versucht. Erst die eilends beschaffte Currywurst, in die er temporär starren kann, löst seine Verkrampfung halbwegs.
Dann tritt der Schlagerveräppeler Alexander Marcus auf. In einer rosa Hose singt er „Papaya“ – eine Performance, die GP mit nicht abreißendem Carlsbergnachschub vergleichsweise souverän zu überstehen weiß.
Um meinen Anblick halsabwärts zu meiden, stiert er mir blinzellos in die Augen wie ein Replikant und versucht das Gespräch auf seinen geplanten Fitnessclubeintritt zu lenken. Ich soll ihn werben dürfen.
Seine ersten laienhaften Fragen beschäftigen sich aber nicht mit den angebotenen Kursen, der Sauberkeit der Sauna oder den Knackärschen der geilen Trainerinnen, nein: Er will wissen, was man anziehen muss beim Trainieren.
Kurzarmhemden, sage ich. Man darf nur in Kurzarmhemden trainieren. Er erstarrt und springt in die Elbe.
Zumindest in einer idealen Welt wäre das so abgelaufen, doch ich erzähle ihm irgendetwas von Indoorsneakers, Shorts und T-Shirts, und dann holt er auch schon das nächste Carlsberg, während Alexander Marcus bei „Ciao ciao bella“ angekommen ist.
Ja, das Leben kann so schön sein an einem Sommerabend am Elbstrand in der besten aller Städte und im Kurzarmhemd.
04 Juni 2008
Keine Rosen
Tagsüber, zumal in greller Sonne, haben die Seitenstraßen des Rotlichtviertels etwas Narkoleptisches.
Nichts erinnert an die Ausgelassenheit der Nacht. Doch alles dämmert ihr entgegen, auch der schlecht frisierte Herr auf der Treppe des Albers-Ecks.
Blau umrahmt liegt er völlig blau da, mit vollgepisster Hose. Eine kleine aus ihm herausgelaufene Lache hat bereits vorwitzig die Erkundung der mittleren Stufe begonnen, doch sie wird längst eingetrocknet sein, wenn das Albers-Eck abends versucht, seine Pforte zu öffnen.
Momentan wäre das schlecht möglich, denn die Tür geht nach außen auf, und dort liegt barriereartig der undichte Herr.
Über ihm an der Scheibe hängt ein Zettel. Er sagt mit drei Ausrufezeichen: „Keine Rosenverkäufer!!!“
Doch der Schläfer kann beruhigt sein. Er hat nichts zu verkaufen, erst recht keine Rosen.
Nichts erinnert an die Ausgelassenheit der Nacht. Doch alles dämmert ihr entgegen, auch der schlecht frisierte Herr auf der Treppe des Albers-Ecks.
Blau umrahmt liegt er völlig blau da, mit vollgepisster Hose. Eine kleine aus ihm herausgelaufene Lache hat bereits vorwitzig die Erkundung der mittleren Stufe begonnen, doch sie wird längst eingetrocknet sein, wenn das Albers-Eck abends versucht, seine Pforte zu öffnen.
Momentan wäre das schlecht möglich, denn die Tür geht nach außen auf, und dort liegt barriereartig der undichte Herr.
Über ihm an der Scheibe hängt ein Zettel. Er sagt mit drei Ausrufezeichen: „Keine Rosenverkäufer!!!“
Doch der Schläfer kann beruhigt sein. Er hat nichts zu verkaufen, erst recht keine Rosen.
03 Juni 2008
Das Bier der Erkenntnis
Der Komiker Vince Ebert grenzt in einem sehr verdienstvollen Sketch ein für alle Mal Wissenschaft, Religion und Esoterik voneinander ab – und zwar mit verblüffend einleuchtender Hilfe von Gerstensaft.
Das geht sinngemäß so:
Der Wissenschaftler vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und schaut nach. Der Theologe dagegen vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und basta. Der Esoteriker schließlich vermutet, im Kühlschrank sei Bier, er schaut nach, findet nichts – und behauptet trotzdem weiterhin, im Kühlschrank sei Bier.
Dazu passt das heutige Foto fast wie der Deckel unters Glas, entdeckt an der Fassade von „Angie’s Bierkeller“ in der Kastanienallee.
Das geht sinngemäß so:
Der Wissenschaftler vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und schaut nach. Der Theologe dagegen vermutet, im Kühlschrank sei Bier, und basta. Der Esoteriker schließlich vermutet, im Kühlschrank sei Bier, er schaut nach, findet nichts – und behauptet trotzdem weiterhin, im Kühlschrank sei Bier.
Dazu passt das heutige Foto fast wie der Deckel unters Glas, entdeckt an der Fassade von „Angie’s Bierkeller“ in der Kastanienallee.
01 Juni 2008
Sehr „witzig“
Der Franke (Foto) macht die schlechtesten Witze der Welt, sie sind sogar schlechter als die von Karl Dall. Zum Glück vergisst man sie dank einer von der Evolution weise eingerichteten Kurzzeitgedächtnisblockade sofort wieder, anders wäre das auch gar nicht auszuhalten.
Allerdings kann ich genau deswegen kein einziges Beispiel beibringen. Egal. Jedenfalls reißt er manchmal etwas, was in seiner Welt als Witz durchgeht, und das wäre sogar noch halbwegs erträglich, wenn er es nicht auch noch abschlösse mit dem dröhnendsten Lachen weltweit. Es ist sogar noch dröhnender als das von … mir fällt echt niemand ein.
Auf diese miesen Witze mit ihrem dröhnenden Abschluss kann man keineswegs anders reagieren als mit vollverquälter Säuerlichkeit, die man an einem guten Tag in ein außerordentlich mühsam inszeniertes Höflichkeitsgrinsen zu pressen vermag. Diese mimische Kraftanstrengung soll ausschließlich und bedingungslos dazu führen, dass der Franke augenblicks das Thema wechselt und nicht länger auf der soeben produzierten Hochnotpeinlichkeit herumreitet.
Doch genug ist nie genug, das gilt dem Franken beim Essen genauso wie beim Witzereißen. Regelmäßig nämlich thematisiert er mein heroisch hervorgewürgtes Qualgrinsen – keineswegs aber in der Form, dass er mir auf Knien dankt für diesen Freundschaftsbeweis; nein, er missdeutet meine Reaktion in grotesker Wirklichkeitsverzerrung als „Humorlosigkeit“. Eine Interpretation, die er mit dröhnenden Hohnlachen abzurunden weiß.
Kurz: Es gibt keinen Ausweg. Man muss seine Witze einfach mit jener Duldungsstarre überstehen, die sonst nur noch bei einer Wurzelbehandlung erforderlich ist. Warum ich trotzdem heute einen ganzen Tag mit dem Franken am Strand von Travemünde verbrachte, frage ich mich schon.
Wahrscheinlich lag es an der mildernden Gesellschaft von JV, die das Frisbeespielen weitaus besser beherrscht als das Trinken. Was aber nichts heißen will.
Allerdings kann ich genau deswegen kein einziges Beispiel beibringen. Egal. Jedenfalls reißt er manchmal etwas, was in seiner Welt als Witz durchgeht, und das wäre sogar noch halbwegs erträglich, wenn er es nicht auch noch abschlösse mit dem dröhnendsten Lachen weltweit. Es ist sogar noch dröhnender als das von … mir fällt echt niemand ein.
Auf diese miesen Witze mit ihrem dröhnenden Abschluss kann man keineswegs anders reagieren als mit vollverquälter Säuerlichkeit, die man an einem guten Tag in ein außerordentlich mühsam inszeniertes Höflichkeitsgrinsen zu pressen vermag. Diese mimische Kraftanstrengung soll ausschließlich und bedingungslos dazu führen, dass der Franke augenblicks das Thema wechselt und nicht länger auf der soeben produzierten Hochnotpeinlichkeit herumreitet.
Doch genug ist nie genug, das gilt dem Franken beim Essen genauso wie beim Witzereißen. Regelmäßig nämlich thematisiert er mein heroisch hervorgewürgtes Qualgrinsen – keineswegs aber in der Form, dass er mir auf Knien dankt für diesen Freundschaftsbeweis; nein, er missdeutet meine Reaktion in grotesker Wirklichkeitsverzerrung als „Humorlosigkeit“. Eine Interpretation, die er mit dröhnenden Hohnlachen abzurunden weiß.
Kurz: Es gibt keinen Ausweg. Man muss seine Witze einfach mit jener Duldungsstarre überstehen, die sonst nur noch bei einer Wurzelbehandlung erforderlich ist. Warum ich trotzdem heute einen ganzen Tag mit dem Franken am Strand von Travemünde verbrachte, frage ich mich schon.
Wahrscheinlich lag es an der mildernden Gesellschaft von JV, die das Frisbeespielen weitaus besser beherrscht als das Trinken. Was aber nichts heißen will.
Sex and the city
Als Kollege Kramer mich telefonisch zur Pressevorstellung von „Sex and the city“ anmeldete, fragte ihn die Promoterin: „Ist er schwul?“
Dennoch gelang es mir, vollkommen unvoreingenommen über dieses Erlebnis zu schreiben.
Dennoch gelang es mir, vollkommen unvoreingenommen über dieses Erlebnis zu schreiben.
31 Mai 2008
Sexgöttinnen
Auf dem Weg ins Büro begegnet mir ein düster blickender Mann mit dünnem, gleichwohl strähnig langem Haar.
Sein Mund steht halb offen, und man sieht seine blutige Zunge. Auf ihrer Spitze balanciert etwas Weißes. Es sieht aus wie ein Backenzahn, und ich habe das ungute Gefühl: Es ist ein Backenzahn.
Eine erste ernste Irritation am frühen Morgen, der nachmittags, als ich durchs unbelebt in der Hitze dämmernde Rotlichtviertel schlendere, eine weitere folgen soll. Und zwar am Sperrtor zur Herbertstraße, deren Skyline ich gerade im Gegenlicht einzufangen versuche (Foto).
Wie man weiß, haben ausschließlich volljährige Männer Zutritt. Doch plötzlich betreten zwei junge Frauen furchtlos die Tabuzone, und ich möchte ihnen ein kiezerfahrenes „Halt! Stop! Ihr kriegt Ärger!“ nachrufen. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie hineingehen, lässt mich schweigen, und ich beschließe ihnen zu folgen.
Gleich im ersten Fenster sitzt bereits eine Prostituierte, und das nachmittags um 4. Ihre kniehohen Lackstiefel glänzen in der Sonne. Sie hat die Beine übereinandergeschlagen, während sie mit einem Interessenten verhandelt – und zeigt keinerlei Reaktion, obwohl die zwei Frauen schwatzend vorübergehen.
Dabei hatte ich mit Geschrei und Gezeter gerechnet und mit hervorstürzenden Luden, die den frechen Frauen augenblicks Backenzähne ausschlagen, die sie dann auf blutigen Zungenspitzen nach Hause balancieren dürfen. Doch nichts dergleichen geschieht.
Zehn Meter weiter betreten die Passantinnen rechter Hand ein Haus, und erst in dieser Sekunde wird mir pseudokiezerfahrenem Blitzmerker klar: Die beiden arbeiten hier.
Dabei sahen sie so … normal aus. Jung und hübsch und tätowiert auf den Schultern, klar, aber halt wie tausend andere Hamburgerinnen auch – und nicht wie verruchte Sexgöttinnen, die in der legendären Herbertstraße fensterfähig sind.
Als ich am anderen Ende das Sperrtor passiere, kommt mir eine schwarzhaarige junge Frau mit Sonnenbrille und weißem T-Shirt entgegen. Sie sieht ganz normal aus.
Noch.
Sein Mund steht halb offen, und man sieht seine blutige Zunge. Auf ihrer Spitze balanciert etwas Weißes. Es sieht aus wie ein Backenzahn, und ich habe das ungute Gefühl: Es ist ein Backenzahn.
Eine erste ernste Irritation am frühen Morgen, der nachmittags, als ich durchs unbelebt in der Hitze dämmernde Rotlichtviertel schlendere, eine weitere folgen soll. Und zwar am Sperrtor zur Herbertstraße, deren Skyline ich gerade im Gegenlicht einzufangen versuche (Foto).
Wie man weiß, haben ausschließlich volljährige Männer Zutritt. Doch plötzlich betreten zwei junge Frauen furchtlos die Tabuzone, und ich möchte ihnen ein kiezerfahrenes „Halt! Stop! Ihr kriegt Ärger!“ nachrufen. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der sie hineingehen, lässt mich schweigen, und ich beschließe ihnen zu folgen.
Gleich im ersten Fenster sitzt bereits eine Prostituierte, und das nachmittags um 4. Ihre kniehohen Lackstiefel glänzen in der Sonne. Sie hat die Beine übereinandergeschlagen, während sie mit einem Interessenten verhandelt – und zeigt keinerlei Reaktion, obwohl die zwei Frauen schwatzend vorübergehen.
Dabei hatte ich mit Geschrei und Gezeter gerechnet und mit hervorstürzenden Luden, die den frechen Frauen augenblicks Backenzähne ausschlagen, die sie dann auf blutigen Zungenspitzen nach Hause balancieren dürfen. Doch nichts dergleichen geschieht.
Zehn Meter weiter betreten die Passantinnen rechter Hand ein Haus, und erst in dieser Sekunde wird mir pseudokiezerfahrenem Blitzmerker klar: Die beiden arbeiten hier.
Dabei sahen sie so … normal aus. Jung und hübsch und tätowiert auf den Schultern, klar, aber halt wie tausend andere Hamburgerinnen auch – und nicht wie verruchte Sexgöttinnen, die in der legendären Herbertstraße fensterfähig sind.
Als ich am anderen Ende das Sperrtor passiere, kommt mir eine schwarzhaarige junge Frau mit Sonnenbrille und weißem T-Shirt entgegen. Sie sieht ganz normal aus.
Noch.
30 Mai 2008
Die falsch investierten 2 Euro
Am hie und da von Vandalen heimgesuchten Gleis 13 ist heute ein friedlicher Bettler unterwegs. Zwei südländisch aussehende Nonnen – vielleicht aus Griechenland oder Portugal – stehen am Bahnsteig; die visiert der Bettler jetzt an.
Nonnen sind eine todsichere Sache, wegen Franz von Assisi, Nächstenliebe, linker Wange, rechter Wange und all dem Kram. Er schlurft also hin und bettelt um ein paar Cent.
Doch zu unser aller Überraschung wenden die Nonnen sich ab, täuschen ein inniges Gespräch vor – sind somit auch nicht besser als ich. Ein befriedigendes Gefühl, das mich beinah zu einer nachträglichen Spende an den Bettler animiert hätte, und zwar aus einem Gefühl heraus, das entfernt mit Boshaftigkeit verwandt ist.
Doch am Hauptbahnhof Bettlern etwas zuzustecken ist risikobehaftet. Ich gab mal einem mutmaßlichen Junkie, der mir zunächst auf ein-, dann zudringliche Weise die alte Geschichte von 2 fehlenden Euro für Heimfahrt/Mittagessen/Übernachtung erzählte, 2 Euro, und zwar vor allem, um ihn loszuwerden.
Allerdings war genau das der Fehler. Meine Spende nämlich weckte in ihm eine ungeheure Gier nach Aufstockung derselben. Hier glaubte er seine Melkkuh schlechthin gefunden zu haben, und das konnte ich ihm nicht mal verdenken – wer gibt schon 2 Euro?!
Der mutmaßliche Junkie erwies sich in der Folge jedenfalls als unablässig plappernder Klammeraffe, der mir hunderte Meter weit nicht von der Seite wich und mich mit Wortkaskaden überschüttete, die alle darauf hinausliefen, dass gleichsam sein Leben von weiteren 2/5/10 Euro abhinge.
Es war nicht leicht, dem Mann verständlich zu erläutern, wie generös ich mich bereits jetzt fühlte und wie wenig eine weitere Steigerung dieses Gefühls meiner mentalen Verfassung zuträglich sei. Im Grunde waren nur mein guter Trainingszustand und der pure Stoizismus des Weitergehens für mein erfolgreiches Entkommen verantwortlich.
Ein lehrreicher Tag. Selbst Bettler, die vorher bei griechischen oder portugiesischen Nonnen abgeblitzt sind, haben es seither höllenschwer bei mir.
Nonnen sind eine todsichere Sache, wegen Franz von Assisi, Nächstenliebe, linker Wange, rechter Wange und all dem Kram. Er schlurft also hin und bettelt um ein paar Cent.
Doch zu unser aller Überraschung wenden die Nonnen sich ab, täuschen ein inniges Gespräch vor – sind somit auch nicht besser als ich. Ein befriedigendes Gefühl, das mich beinah zu einer nachträglichen Spende an den Bettler animiert hätte, und zwar aus einem Gefühl heraus, das entfernt mit Boshaftigkeit verwandt ist.
Doch am Hauptbahnhof Bettlern etwas zuzustecken ist risikobehaftet. Ich gab mal einem mutmaßlichen Junkie, der mir zunächst auf ein-, dann zudringliche Weise die alte Geschichte von 2 fehlenden Euro für Heimfahrt/Mittagessen/Übernachtung erzählte, 2 Euro, und zwar vor allem, um ihn loszuwerden.
Allerdings war genau das der Fehler. Meine Spende nämlich weckte in ihm eine ungeheure Gier nach Aufstockung derselben. Hier glaubte er seine Melkkuh schlechthin gefunden zu haben, und das konnte ich ihm nicht mal verdenken – wer gibt schon 2 Euro?!
Der mutmaßliche Junkie erwies sich in der Folge jedenfalls als unablässig plappernder Klammeraffe, der mir hunderte Meter weit nicht von der Seite wich und mich mit Wortkaskaden überschüttete, die alle darauf hinausliefen, dass gleichsam sein Leben von weiteren 2/5/10 Euro abhinge.
Es war nicht leicht, dem Mann verständlich zu erläutern, wie generös ich mich bereits jetzt fühlte und wie wenig eine weitere Steigerung dieses Gefühls meiner mentalen Verfassung zuträglich sei. Im Grunde waren nur mein guter Trainingszustand und der pure Stoizismus des Weitergehens für mein erfolgreiches Entkommen verantwortlich.
Ein lehrreicher Tag. Selbst Bettler, die vorher bei griechischen oder portugiesischen Nonnen abgeblitzt sind, haben es seither höllenschwer bei mir.
28 Mai 2008
27 Mai 2008
Für Freunde der Phonetik
Der obere Name auf dem Klingelschild passt schon sehr gut hier ins Viertel, vor allem an Wochenenden ab 2 Uhr nachts. Erst der Zusammenklang beider aber ergibt jenen ausgesprochen lyrischen Akkord aus Binnenreimvokalen, dem Freunde der Phonetik mit besonderer Verzückung nachlauschen.
Semantisch noch eine Spur stimmiger freilich wäre es gewesen, hätte ich dieses Klingelschild nicht in der Clemens-Schultz-Straße, sondern in der Knochenhauertwiete entdeckt. Doch man kann nicht alles haben.
26 Mai 2008
Gelegenheit macht Spitzel
Bespitzelung ist längst Volkssport geworden. Jeder belauscht jeden, Lidl die Kassiererinnen, Chefs ihre Angestellten, die Deutsche Stasikom ihre Manager. Ein Riesenerfolg für unseren Bundesinnenminister, der zufrieden seine Saat aufgehen sieht.
Auch bei mir geht sie auf, allerdings unfreiwillig. Neulich saß ich in einem Hotel an einem öffentlichen Computer und wollte mir eine Webseite ausdrucken. Allerdings war das Papier ausgegangen. Auf der Suche nach Nachschub zog ich die Schublade des Rechnertisches auf.
Dort lag zu meinem Ärger allerdings kein leeres, sondern nur bereits benutztes Papier. Hier, an diesem öffentlichen Computer, hatten schon viele ihre Fundstücke ausgedruckt, meist Reisepläne oder touristische Hinweise, und sie dann aus irgendeinem Grund doch nicht eingesteckt, sondern liegengelassen. Wahrscheinlich legten die Reinigungskräfte sie dann immer in die Schublade.
Unter den bedruckten Seiten war auch eine private E-Mail. Als ich sie sah, wurde sofort meine bereits weit fortgeschrittene Schäublisierung evident. Anders gesagt: Mein Blick fiel auf den ersten Satz, und danach musste ich die Mail lesen, komplett.
Verfasst hatte sie ein J. (in diesem Stadium meiner Schäublisierung muss ich so was noch anonymisieren), dessen Vor-, Nachname und Mailadresse ebenso klar aus dem Briefkopf hervorgingen wie jene der Adressatin, einer adligen Dame von klangvollem Geschlecht.
Der erste Satz hieß: „Liebe T., zunächst die Antwort auf Deinen traurigen Brief …“ Oha, dachte ich, so beginnen Romane, Melodramen, Schicksalsgeschichten. Warum nur war T. traurig? Ich entflammte augenblicks vor Neugierde – und erfuhr beim Lesen dieser vergessenen Seite Dinge, die keinesfalls das Licht der Öffentlichkeit hätten erblicken dürfen.
Es ging um eine verbotene Liebe, die heimlich hatte bleiben müssen, weil er, J., auch noch die Pflichten einer Ehe zu erfüllen hatte. Daran war die Affäre schließlich wohl auch zerbrochen, was sie, T., ihm, J., in ihrem Schreiben vorgeworfen zu haben schien.
Dass ich mich an dieser Stelle in eine Vermutung retten muss, liegt an J.s Nachlässigkeit. Er hatte nämlich eine goldene Regel des Mailzeitalters grob verletzt: Zitiere IMMER den Text, auf den du antwortest! Vielleicht aber hatte es sich bei der Nachricht von T. auch um einen echten, sicherlich handverfassten Brief gehandelt, niedergeschrieben auf Bütten aus dem Erbe derer von K. Doch ich schweife ab …
J. jedenfalls erwähnte den emotionalen Spagat, den er „offensichtlich vergeblich“ versucht habe und beklagte sich dann in bewegenden Worten über T.s mangelndes Einfühlungsvermögen. „Vielleicht kannst Du meine Seelenängste ueberhaupt nicht verstehen, nur Deine?“, barmte er, um sodann emphatisch ein „Ich kann das nicht glauben!“ hinterherzuschieben.
Alles in allem handelte es sich ohne jeden Zweifel um eine Mail, deren Missbrauch hochnotpeinliche Situationen heraufbeschwören könnte, für J. und für T.
Jener unschöne Rest in mir, der noch nicht schäublisiert ist, zwang mich deshalb, die Mail zu konfiszieren und somit den Augen der Öffentlichkeit zu entziehen. Wahrscheinlich liegt unserem Innenminster sowieso eine Kopie der kompletten Korrespondenz vor.
Über Google habe ich J. übrigens sehr leicht gefunden. Ich weiß, wo er wohnt, wo er arbeitet, mit was er sich beschäftigt.
Ich sollte ihm den konfiszierten Ausdruck zuschicken. Schließlich gehört er ja ihm und nicht mir.
PS: Das Hotel lag übrigens nicht weit entfernt von der abgebildeten Blume.
25 Mai 2008
Der rettende Pfosten
Eingangs der Annenstraße schickt sich ein gewichtiger Tourist in unkleidsamen Shorts an, mir hirnlos vors Rad zu stolpern.
Ohne Blickkontakt nimmt er Kurs auf die Straße. Das tut er auf eine verblüffend behende Weise, die keinesfalls korrespondieren will mit seiner ausgesprochenen Körperfülle – und vor allem nicht mit dem gewaltigen Rollkoffer, der kregel hinter dem Mann her hoppelt.
Nur noch ein wagemutiges Ausweichmanöver kann es jetzt verhindern, dass ich in unmittelbarer Zukunft (also in rund einer Sekunde) die gallertartige Masse dieses Touristenkörpers tief eindellen werde, mit ungewissen Folgen auch für mich und mein Rad.
Doch genau in dieser entscheidenden Sekunde bleibt er mit seinem Trolley an einem Pfosten hängen. Sein massiger Körper wird abrupt zurückgerissen, ich husche haarscharf vorbei.
Auch der Rest des Tages bleibt recht ereignislos.
Ohne Blickkontakt nimmt er Kurs auf die Straße. Das tut er auf eine verblüffend behende Weise, die keinesfalls korrespondieren will mit seiner ausgesprochenen Körperfülle – und vor allem nicht mit dem gewaltigen Rollkoffer, der kregel hinter dem Mann her hoppelt.
Nur noch ein wagemutiges Ausweichmanöver kann es jetzt verhindern, dass ich in unmittelbarer Zukunft (also in rund einer Sekunde) die gallertartige Masse dieses Touristenkörpers tief eindellen werde, mit ungewissen Folgen auch für mich und mein Rad.
Doch genau in dieser entscheidenden Sekunde bleibt er mit seinem Trolley an einem Pfosten hängen. Sein massiger Körper wird abrupt zurückgerissen, ich husche haarscharf vorbei.
Auch der Rest des Tages bleibt recht ereignislos.
24 Mai 2008
Die Evolution der braunen Bohne
23 Mai 2008
Fundstücke (38)
1. Ein befreundeter Rechtsanwalt erläutert uns, warum das Automodell Fiat Uno besonders oft gestohlen wird. Es läge an den Kühlschrankschlössern im Jugendknast Hahnöfersand, sagt er. Es seien die gleichen wie beim Fiat Uno, und wer aus Hahnöfersand entlassen werde, habe zumindest eins gelernt: wie man so ein Schloss knackt. Das Auto, das uns damals gestohlen wurde, war übrigens ein Fiat Uno.
2. Mit folgendem Satz versuchte mich heute eine Firma von ihren Übersetzerqualitäten zu überzeugen: „Warum wird jeden Tag Tausende von Europaern sind Kauf-Programme fur PC und MAC Sie es an uns? Denn: Wir haben mehr als 300 Computer-Programme ubersetzt und angepasst an die Nutzer sprechen Franzosisch, Deutsch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Schwedisch und Englisch. Alle Software ist voll funktionsfahig und haben keine Einschrankungen bei der Verwendung.“ Das bezweifle ich.
3. „Wettabgabe zurzeit nur in der ehemaligen DDR“ (ein merkwürdiger Hinweis des Anbieters bwin)
4. Neulich verwehrte mir ein Mensch den Handschlag, um auf die fünf Meter hinter mir die Treppe hochschwebende Ms. Columbo zu warten. Das ist sexistisch.
22 Mai 2008
Ihre Kooperationsanfrage
Von: mattwagner@****.de
Betreff: z. Hdn. Herrn D. | Ihre Kooperationsanfrage vom 15.5.2008
Datum: 22. Mai 2008 01:43:15 MESZ
An: ****@Profiwin-GmbH.de
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihr Interesse an einer Kooperation mit meinem Weblog „Die Rückseite der Reeperbahn“, wo Sie gerne Ihre Werbemittel platzieren möchten.
Ich habe mich daraufhin über Ihr Geschäftsmodell informiert und muss gestehen: Es sagt mir ganz und gar nicht zu. Ihre angebotene Dienstleistung, Kunden massenhaft bei Gewinnspielen anzumelden, dient erfahrungsgemäß nur dem Einsammeln von Adressen, die dann später für Kaltakquise und ähnliche Schweinereien missbraucht werden. Was das für Folgen haben kann, ist zum Beispiel hier nachzulesen.
Und Ihre Kunden müssen für so etwas auch noch einen Monatsbeitrag zahlen! Ts.
Nein, wirklich: Über Werbeschaltungen auf meiner bisher ganz und gar jungfräulichen Seite, die darauf abzielten, die Welt zu retten oder wenigstens ein klein wenig besser zu machen statt schlechter, hätte ich vielleicht sogar mit mir reden lassen – aber nicht darüber, mithilfe meines Blogs gutgläubige Mitbürger in die Gewinnspielfalle zu locken.
Ihnen viel Erfolg bei anderen Bloggern zu wünschen, wäre gelogen, deshalb belasse ich es einfach bei mühsam hervorgequetschten freundlichen Grüßen.
Matt
Betreff: z. Hdn. Herrn D. | Ihre Kooperationsanfrage vom 15.5.2008
Datum: 22. Mai 2008 01:43:15 MESZ
An: ****@Profiwin-GmbH.de
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihr Interesse an einer Kooperation mit meinem Weblog „Die Rückseite der Reeperbahn“, wo Sie gerne Ihre Werbemittel platzieren möchten.
Ich habe mich daraufhin über Ihr Geschäftsmodell informiert und muss gestehen: Es sagt mir ganz und gar nicht zu. Ihre angebotene Dienstleistung, Kunden massenhaft bei Gewinnspielen anzumelden, dient erfahrungsgemäß nur dem Einsammeln von Adressen, die dann später für Kaltakquise und ähnliche Schweinereien missbraucht werden. Was das für Folgen haben kann, ist zum Beispiel hier nachzulesen.
Und Ihre Kunden müssen für so etwas auch noch einen Monatsbeitrag zahlen! Ts.
Nein, wirklich: Über Werbeschaltungen auf meiner bisher ganz und gar jungfräulichen Seite, die darauf abzielten, die Welt zu retten oder wenigstens ein klein wenig besser zu machen statt schlechter, hätte ich vielleicht sogar mit mir reden lassen – aber nicht darüber, mithilfe meines Blogs gutgläubige Mitbürger in die Gewinnspielfalle zu locken.
Ihnen viel Erfolg bei anderen Bloggern zu wünschen, wäre gelogen, deshalb belasse ich es einfach bei mühsam hervorgequetschten freundlichen Grüßen.
Matt
20 Mai 2008
In die Falle getappt, schon wieder
Nach einer schmerzhaften Erfahrung hatte ich mir fest vorgenommen, nie mehr rechts einen Ring zu tragen, wenn auch nur der Hauch einer Gefahr bestünde, Kalle Schwensen die Hand schütteln zu müssen.
Doch erst als GP und ich uns dem Eingang des Hafenrestaurants Indochine näherten, wo wir zu einer Party Schwensens eingeladen waren, fiel mir dieser weise Vorsatz wieder ein. Also zu spät.
Wir sahen Schwensen schon von weitem, sein ikonografisches Gesicht (Schnauzer, Sonnenbrille) stach deutlich heraus aus der Menge der Promotionmodels in silbernen Jacken, es gab kein Entkommen.
Zwar hätte sich noch alles zum Guten wenden können, doch ich war wie paralysiert vom bevorstehenden Händeschütteln – und vergaß es einfach, meinen Ring noch schnell heimlich in der Hosentasche verschwinden zu lassen oder ihn wenigstens an einen Finger der linken Hand zu stecken.
Als es vorbei war, schaffte ich es erstaunlicherweise trotzdem noch, mein Weinglas wie gewohnt mit rechts zu halten. Sie zitterte nur leicht, und ich musste zwecks Gewichtsreduktion schneller trinken als gewöhnlich, doch das funktionierte recht gut. Hafenblick wirkt lindernd.
Zudem lenkte GP mich ab, indem er die Sprache nach- und durcheinander auf folgende Themen brachte: die schwankende Qualität der „Alien“-Quadrologie, Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg, Hegel (den er kurzzeitig mit Kant verwechselte), meine unmögliche Sockenfarbe, die Vorzüge dunkelhäutiger Promotionmodels, Italowestern, die Ähnlichkeiten von tibetischer und thailändischer Küche, Robert Mitchum, ein 100.000-Euro-BMW-Cabrio, Schwensens Rolex und das Siezen in Weblogs. Diese Auswahl ist wahllos und nicht repräsentativ.
Übrigens ging das Tippen dieses Eintrags bereits wieder erstaunlich schmerzfrei vonstatten.
PS: Ich glaubte meine Kamera vergessen zu haben und versäumte es daher, Fotos anzufertigen. Deshalb folgt hier bald ein Platzhalterbild, das in der Nähe des Indochine entstand – und zwar sobald das Hochladen wieder funktioniert, verdammt noch mal.
19 Mai 2008
Die Entdeckung des Kopfnacktmulls
Ich führe Ms. Columbo die bahnbrechende Erfindung am eigenen Leibe vor: eine tief über die Ohren lappende Mütze mit eingebauten Kopfhörern.
„Darauf habe ich mein Leben lang gewartet!“, rufe ich euphorisiert aus, während ich die Mütze aufsetze. „Wie findest du sie?“
Ms. Columbos spontanes Losprusten gehört keineswegs zum Repertoire der Reaktionen, die ich auf der Rechnung hatte. „Was ist denn?“, frage ich betont verärgert, was ihr Verhalten als mindestens ungebührlich, wenn nicht empörend denunzieren soll.
„Es sieht dämlich aus“, kichert sie. Ich renne zum Spiegel. Sie hat Recht: Darin sehe ich etwas ungeheuer Dämliches.
Nach einer Zeit der inneren Einkehr beschließe ich, trotzdem erst mal den Winter abzuwarten. Ms. Columbos unausgesprochenes „BITTE versteigere diesen Kopfnacktmull SOFORT auf Ebay!“ überhöre ich jedenfalls mit der Souveränität dessen, der sich einen wichtigen Lebenstraum nicht kaputtmachen lassen will.
Zumindest nicht sofort.
„Darauf habe ich mein Leben lang gewartet!“, rufe ich euphorisiert aus, während ich die Mütze aufsetze. „Wie findest du sie?“
Ms. Columbos spontanes Losprusten gehört keineswegs zum Repertoire der Reaktionen, die ich auf der Rechnung hatte. „Was ist denn?“, frage ich betont verärgert, was ihr Verhalten als mindestens ungebührlich, wenn nicht empörend denunzieren soll.
„Es sieht dämlich aus“, kichert sie. Ich renne zum Spiegel. Sie hat Recht: Darin sehe ich etwas ungeheuer Dämliches.
Nach einer Zeit der inneren Einkehr beschließe ich, trotzdem erst mal den Winter abzuwarten. Ms. Columbos unausgesprochenes „BITTE versteigere diesen Kopfnacktmull SOFORT auf Ebay!“ überhöre ich jedenfalls mit der Souveränität dessen, der sich einen wichtigen Lebenstraum nicht kaputtmachen lassen will.
Zumindest nicht sofort.
17 Mai 2008
Der wichtigste Job
Wer schon immer das Gefühl hatte, die Kompetenz über die Aufstellung der Fußballnationalmannschaft sei in Deutschland bedeutsamer als die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr, wurde gestern vom oben dokumentierten Freud’schen Verschreiber auf Spiegel online in seiner Auffassung bestätigt.
Ich gehöre übrigens auch zu denen, die schon immer dieses Gefühl hatten. Aber ich weiß, dass es falsch ist, ganz falsch.
Suzie und die Pimpinelle
Ein Abendessen im Edelrestaurant Nil am Neuen Pferdemarkt, und zwar mit einer meiner Lieblingsbands: Klee.
Ich als Anhänger des 1. FC Köln gerate binnen kürzester Zeit mit dem Keyboarder Sten aneinander, einem Gladbachfan. Er stopft mir das Maul, indem er sich schon jetzt präventiv für die sechs Punkte bedankt, die wir in der nächsten Saison an Gladbach abgeben müssen. Nein!, schreit es innerlich in mir und dann auch äußerlich, doch wahrscheinlich wird er recht behalten – so war es immer, so wird es immer sein.
Genug Grund jedenfalls, um mich im weiteren Verlauf des Abends ausschließlich der aparten Sängerin Suzie Kerstgens (1. FC Köln) zu widmen. Befeuert vom ausgezeichneten 2007er Château Lamothe Blanc de Blancs entwickle ich anscheinend derart viel Esprit, dass Suzie mich nach dem Dessert um ein Autogramm bittet. Überraschend zwar, doch – wie ich finde – ein erheblich adäquateres Verhalten mir gegenüber, als es dieser Sten an den Tag legte.
Davon und auch vom Lamothe halb trunken sowie beseelt vom zweiten Gang, einer Nudelmorchelroulade mit Mairübe und Pimpinelle, schweben wir später hinüber ins Uebel & Gefährlich, wo Suzie & Co. noch arbeiten müssen (siehe Clip), wohingegen ich mich dem Vergnügen des halblegalen Mitfilmens widmen kann.
Auf diese Weise darf der Job ruhig öfter ins Private lappen, ehrlich wahr.
16 Mai 2008
Smoke near the water(closet)
Im Schwenders am Großneumarkt zum Matjesessen.
Große Überraschung beim Abstieg zum Herrenklo: Neben einem schmucklosen Heizungsrohr hängen zwei originale Platinscheiben. Es sind jene, die Deep Purple 1972 für ihr legendäres Doppelalbum „Made in Japan“ verliehen bekamen.
Wie in Richie Blackmores Namen kommen diese einmaligen Kulturgüter an die Wand des Klogangs im Schwenders am Großneumarkt in Hamburg?
Von Gottes Wegen wusste ich wenigstens, dass sie unergründlich sind.
Große Überraschung beim Abstieg zum Herrenklo: Neben einem schmucklosen Heizungsrohr hängen zwei originale Platinscheiben. Es sind jene, die Deep Purple 1972 für ihr legendäres Doppelalbum „Made in Japan“ verliehen bekamen.
Wie in Richie Blackmores Namen kommen diese einmaligen Kulturgüter an die Wand des Klogangs im Schwenders am Großneumarkt in Hamburg?
Von Gottes Wegen wusste ich wenigstens, dass sie unergründlich sind.
14 Mai 2008
Lose Zusammengekehrtes (3)
1. Du merkst endgültig, dass du allmählich alt wirst, wenn Helmut Kohl, der älter ist als dein Vater, eine Frau heiratet, die jünger ist als du.
2. Andererseits: Sie haben schon vor Jahren das Sterbegeld gestrichen. Jetzt müssen wir eh alle ewig leben.
3. Einen kümmert das alles natürlich selbst in Pakistan nicht: Dracula (entdeckt im Schaukasten des 3001-Kino).
2. Andererseits: Sie haben schon vor Jahren das Sterbegeld gestrichen. Jetzt müssen wir eh alle ewig leben.
3. Einen kümmert das alles natürlich selbst in Pakistan nicht: Dracula (entdeckt im Schaukasten des 3001-Kino).
13 Mai 2008
Ins Netz gegangen – leider
Nein, es ist alles andere als ein Riesenspaß, morgens um vier schlafbesoffen das seit letztem Sommer verpackte Moskitonetz a) zu finden, b) auszurollen, c) herzurichten, d) aufzuhängen – und es dann e) doch nicht richtig dicht zu kriegen.
Ein solches Netz nämlich nützt nur dann etwas, meine Damen und Herren, wenn der Moskito aus- und nicht eingesperrt wird. Immerhin haben wir ihm so seine wagemutige und gefährliche Arbeit immens erleichtert.
Übrigens bringt ein Moskito nach meinen Berechnungen ein halbes Gramm (Schätzwert) auf die Waage, Ms. Columbo und ich zusammen hingegen 270.000-mal so viel (Messwert).
Warum man sich von einem solchen Winzling trotzdem stundenlang terrorisieren lassen muss, soll mir BITTE mal Darwin erklären.
Ein solches Netz nämlich nützt nur dann etwas, meine Damen und Herren, wenn der Moskito aus- und nicht eingesperrt wird. Immerhin haben wir ihm so seine wagemutige und gefährliche Arbeit immens erleichtert.
Übrigens bringt ein Moskito nach meinen Berechnungen ein halbes Gramm (Schätzwert) auf die Waage, Ms. Columbo und ich zusammen hingegen 270.000-mal so viel (Messwert).
Warum man sich von einem solchen Winzling trotzdem stundenlang terrorisieren lassen muss, soll mir BITTE mal Darwin erklären.
12 Mai 2008
Programmierersprech
Dicke Luft im Backhus
Die Bäckerei Dat Backhus im neuen Brauhausquartier auf der anderen Seite der Reeperbahn ist erfreulich leer, das sehe ich durch die großen Schaufenster.
Vor mir betritt noch eine Frau den Laden. Macht nichts, ist sogar besser: So bleibt mir etwas mehr Zeit, mich der optischen Brötchenprüfung zu widmen. Es gilt nämlich gerüstet zu sein für das Entscheidungsfreude verlangende Backhusangebot „Fünf Brötchen nach Wahl für 2 Euro“.
Mit einem Ohr höre ich, wie die Frau irgendetwas bestellt. „Welches?“, fragt der stoppelhaarige Backhusverkäufer hinter der Theke. „Na, das von der Tafel!“, schnappt die Frau überraschend ungehalten.
Das lenkt meine Aufmerksamkeit augenblicks weg von den Backwaren und hin zur sich schlagartig verdüsternden Stimmungslage im Backhus. „Ruhig …“, sagt der Verkäufer und bewegt beide Handflächen mehrmals parallel Richtung Boden – eine besänftigend scheinende, aber dank ihrer kühlen Ausführung durchaus ungehalten, ja vorwurfsvoll wirkende Geste.
Die Frau geht sofort in die Luft. „Sie haben mich warten lassen!“, zetert sie. „Erst lesen Sie Zeitung, und dann holen Sie auch noch Brötchen aus dem Ofen!“ Harter Tobak. Noch ehe der Angegriffene sich rechtfertigen kann, tritt aus dem Hintergrund ein kompakter kinnbärtiger Kollege hinzu und übernimmt die Verhandlungsführung.
„Das muss er tun“, bescheidet er der Frau kühl und ohne sie anzusehen, „sonst wären sie verbrannt.“ Die Kundin spürt endgültig: Hier ist sie keineswegs Königin. Und mit einem verächtlichen „Pah!“ dampft sie so umstands- wie umsatzlos ab. Sie wird nie mehr wiederkommen, das ist uns drei Verbliebenen insgeheim klar.
Etwas belämmert stehe ich da, nun der einzige Repräsentant der Kundschaft. Als solcher empfinde ich absurderweise so etwas wie Verantwortung für die atmosphärische Verfahrenheit der Situation.
Schließlich bin ich auch einer von denen, die abends, wenn die Backhusleute ein Fazit ihres Elends ziehen, in der Schublade „Diese Kunden!“ abgelegt werden, gemeinsam mit einer ordentlichen Portion Verachtung.
Trotzdem schaffe ich es unfallfrei, meine fünf Brötchen für zwei Euro zusammenzustellen. Als der Kinnbart mir die Tüte reicht, sagt er, ohne es zu meinen: „Ich wünsche Ihnen schöne Pfingsten.“
Er lächelt nicht einmal dabei.
PS: Statt eins der Brötchen abzulichten, fiel meine Wahl aus rein ästhetischen Gründen auf einen Hafengeburtstagsheißluftallon.
Vor mir betritt noch eine Frau den Laden. Macht nichts, ist sogar besser: So bleibt mir etwas mehr Zeit, mich der optischen Brötchenprüfung zu widmen. Es gilt nämlich gerüstet zu sein für das Entscheidungsfreude verlangende Backhusangebot „Fünf Brötchen nach Wahl für 2 Euro“.
Mit einem Ohr höre ich, wie die Frau irgendetwas bestellt. „Welches?“, fragt der stoppelhaarige Backhusverkäufer hinter der Theke. „Na, das von der Tafel!“, schnappt die Frau überraschend ungehalten.
Das lenkt meine Aufmerksamkeit augenblicks weg von den Backwaren und hin zur sich schlagartig verdüsternden Stimmungslage im Backhus. „Ruhig …“, sagt der Verkäufer und bewegt beide Handflächen mehrmals parallel Richtung Boden – eine besänftigend scheinende, aber dank ihrer kühlen Ausführung durchaus ungehalten, ja vorwurfsvoll wirkende Geste.
Die Frau geht sofort in die Luft. „Sie haben mich warten lassen!“, zetert sie. „Erst lesen Sie Zeitung, und dann holen Sie auch noch Brötchen aus dem Ofen!“ Harter Tobak. Noch ehe der Angegriffene sich rechtfertigen kann, tritt aus dem Hintergrund ein kompakter kinnbärtiger Kollege hinzu und übernimmt die Verhandlungsführung.
„Das muss er tun“, bescheidet er der Frau kühl und ohne sie anzusehen, „sonst wären sie verbrannt.“ Die Kundin spürt endgültig: Hier ist sie keineswegs Königin. Und mit einem verächtlichen „Pah!“ dampft sie so umstands- wie umsatzlos ab. Sie wird nie mehr wiederkommen, das ist uns drei Verbliebenen insgeheim klar.
Etwas belämmert stehe ich da, nun der einzige Repräsentant der Kundschaft. Als solcher empfinde ich absurderweise so etwas wie Verantwortung für die atmosphärische Verfahrenheit der Situation.
Schließlich bin ich auch einer von denen, die abends, wenn die Backhusleute ein Fazit ihres Elends ziehen, in der Schublade „Diese Kunden!“ abgelegt werden, gemeinsam mit einer ordentlichen Portion Verachtung.
Trotzdem schaffe ich es unfallfrei, meine fünf Brötchen für zwei Euro zusammenzustellen. Als der Kinnbart mir die Tüte reicht, sagt er, ohne es zu meinen: „Ich wünsche Ihnen schöne Pfingsten.“
Er lächelt nicht einmal dabei.
PS: Statt eins der Brötchen abzulichten, fiel meine Wahl aus rein ästhetischen Gründen auf einen Hafengeburtstagsheißluftallon.
11 Mai 2008
St. Pauli von hinten
Treffe bei prachtvollstem Sommerwetter vorm Fahrradladen zufällig Renate, die Käsehändlerin meines Vertrauens.
Es handelt sich um eine nicht unheikle Begegnung, denn ich war seit Wochen nicht mehr bei ihr, weil der gewaltige Fischmarktvorrat einfach nicht zur Neigung gehen will.
Dieses Kaufmoratorium ist ihr auch schon aufgefallen. Sie fragt:
Es handelt sich um eine nicht unheikle Begegnung, denn ich war seit Wochen nicht mehr bei ihr, weil der gewaltige Fischmarktvorrat einfach nicht zur Neigung gehen will.
Dieses Kaufmoratorium ist ihr auch schon aufgefallen. Sie fragt:
Das habe ich danach zu Hause auch getan. Und siehe da: Man findet die Rückseite der Reeperbahn auch mit Renates Suchabfrage – auf Platz 82 der Trefferliste.
„Kaufen Sie jetz Ihren Keese woannärs?“
„Ähm, nein, also ja, ich meine, äh … Auf dem Fischmarkt habe ich vor Wochen morgens im Ausverkauf billig einen Berg Käse erwischt (mache mit den Armen einen großen Kreis), und daran essen wir immer noch.“
„Aha. Schreiben Sie noch Ihr Tagebuch ins Innerned?“
(Heilfroh über den Themenwechsel) „Ja, ja, tue ich.“
„Sagen Sie mol, ich hab jetz Combjudeer und kenn mich gornich aus damit, aber Gugel kann ich. Ich hab Sie aber nich gefunden. Was muss ich denn eingeben bei Gugel?“
„Rückseite der Reeperbahn.“
„Ach sou! Und ich hab gesucht nach St. Pauli von hinten!“
09 Mai 2008
Die Tücken des Einzelhandels
Freitag ist Einkaufstag. Ich stehe bei Real an der Schnellkasse. Man qualifiziert sich dort fürs Anstehen, indem man höchstens zehn Artikel im Wagen hat. Ich habe zwar elf darin, doch jeweils mehrere von einer Sorte, so dass sich das Gesamtsortiment nach meiner Rechnung auf lediglich fünf beläuft.
Klingt logisch. Gleichwohl bin ich auf einen knappen Disput mit der Kassiererin eingestellt. Soweit sind wir aber noch lange nicht, denn die Schnellkassenschlange entwickelt die Dynamik eines Grönlandgletschers. Die Schlangen an den Kassen links und rechts (die man analog eigentlich „Langsamkassen“ nennen müsste) ziehen mühelos an uns vorbei.
Starke Indizien für die Öffnung einer weiteren Zahlstelle in unmittelbarer Nähe nehme ich zwar wahr, traue ihnen aber zunächst nicht über den Weg, und als die Indizien zu Beweisen werden, ist es zu spät: Geier sonder Zahl haben sich bereits vor mir aufs neue Opfer gestürzt.
Mein Platz soll also offenkundig hier sein, in der Schnellkassenschlange, bis zum bitteren Ende. Irgendwann komme ich doch noch bei der Kassiererin an. Sie zieht alles ab und beginnt dann mit der vorausgesehenen Standpauke.
Ich hätte, schimpft sie, gegen das eherne Schnellkassengesetz verstoßen und ihr, der Hüterin der richtigen Zahl, mehr als zehn Artikel aufgetischt. Mein Gegenargument, mehrere gleiche Artikel dürfe man ja wohl nur einmal zählen, zumal unmittelbar vor Pfingsten, lässt sie auf erstaunlich kategorische Weise nicht gelten.
Egal: Sie hat ja eh schon alles eingescannt. Ich zahle, nicke schuldig, damit sie sich besser fühlt, und packe meine Sachen ein. Daheim beim Auspacken bemerke ich allerdings das Fehlen zweier Päckchen marinierter Krabben; anscheinend ließ ich sie im Einkaufswagen liegen.
Damit hat sich de facto mein Einkauf auf neun Artikel reduziert, was mich zumindest a posteriori doch wieder für die Schnellkasse qualifiziert hätte. Verdammt.
Bei Aldi treffe ich Wolle (bzw. Mütze; s. Kommentare), jenen Wirt, der damals bei Günter Jauch eine halbe Million Euro (oder weniger; s. Kommentare) abräumte. Doch Wolle/Mütze ist auf dem Teppich geblieben, die treue Seele kauft immer noch bei Aldi und nicht bei Mövenpick.
Gedankenverloren nehme ich trotz fehlenden Bedarfs einen Tacker in Augenschein – und bin plötzlich beschmiert. Ein vorsichtiger Geruchstest ergibt: Die Tackerpackung war aus unbegreiflichen Gründen mit Mayonnaise kontaminiert.
War einfach nicht mein Tag heute, echt nicht.
Klingt logisch. Gleichwohl bin ich auf einen knappen Disput mit der Kassiererin eingestellt. Soweit sind wir aber noch lange nicht, denn die Schnellkassenschlange entwickelt die Dynamik eines Grönlandgletschers. Die Schlangen an den Kassen links und rechts (die man analog eigentlich „Langsamkassen“ nennen müsste) ziehen mühelos an uns vorbei.
Starke Indizien für die Öffnung einer weiteren Zahlstelle in unmittelbarer Nähe nehme ich zwar wahr, traue ihnen aber zunächst nicht über den Weg, und als die Indizien zu Beweisen werden, ist es zu spät: Geier sonder Zahl haben sich bereits vor mir aufs neue Opfer gestürzt.
Mein Platz soll also offenkundig hier sein, in der Schnellkassenschlange, bis zum bitteren Ende. Irgendwann komme ich doch noch bei der Kassiererin an. Sie zieht alles ab und beginnt dann mit der vorausgesehenen Standpauke.
Ich hätte, schimpft sie, gegen das eherne Schnellkassengesetz verstoßen und ihr, der Hüterin der richtigen Zahl, mehr als zehn Artikel aufgetischt. Mein Gegenargument, mehrere gleiche Artikel dürfe man ja wohl nur einmal zählen, zumal unmittelbar vor Pfingsten, lässt sie auf erstaunlich kategorische Weise nicht gelten.
Egal: Sie hat ja eh schon alles eingescannt. Ich zahle, nicke schuldig, damit sie sich besser fühlt, und packe meine Sachen ein. Daheim beim Auspacken bemerke ich allerdings das Fehlen zweier Päckchen marinierter Krabben; anscheinend ließ ich sie im Einkaufswagen liegen.
Damit hat sich de facto mein Einkauf auf neun Artikel reduziert, was mich zumindest a posteriori doch wieder für die Schnellkasse qualifiziert hätte. Verdammt.
Bei Aldi treffe ich Wolle (bzw. Mütze; s. Kommentare), jenen Wirt, der damals bei Günter Jauch eine halbe Million Euro (oder weniger; s. Kommentare) abräumte. Doch Wolle/Mütze ist auf dem Teppich geblieben, die treue Seele kauft immer noch bei Aldi und nicht bei Mövenpick.
Gedankenverloren nehme ich trotz fehlenden Bedarfs einen Tacker in Augenschein – und bin plötzlich beschmiert. Ein vorsichtiger Geruchstest ergibt: Die Tackerpackung war aus unbegreiflichen Gründen mit Mayonnaise kontaminiert.
War einfach nicht mein Tag heute, echt nicht.
08 Mai 2008
Ein bisschen zynisch
Wie ich heute erstaunt erfuhr, finanziert dir die Krankenkasse nur dann ein künstliches Knie, wenn sie sehr sicher sein kann, dass du gestorben bist, ehe es kaputt gehen kann.
So ein künstliches Gelenk hält nämlich rund 15 Jahre. Bist du unter 70, dann heißt es weiterhumpeln, bis 70. Nicht, dass ich ein neues Kniegelenk bräuchte. Aber ein bisschen zynisch, liebe Krankenkasse, darf man das selbst dann finden, wenn man (noch) nicht zur Zielgruppe gehört.
Als ich vorgestern ein Hermespaket in der kleinen Frühstückskneipe an der Talstraße abgab, saßen draußen am Tisch vier Transen. Es waren Latinos, wahrscheinlich Brasilianer.
Sie waren fix und fertig von irgendwas, wohl von den Herausforderungen der vergangenen Nacht. Müde wie Maurer nach der Schicht hockten sie wortlos rauchend am Tisch, vor sich einen Kaffee und den lieben langen tristen Tag.
Es wirkte so … stinknormal. Wahrscheinlich waren sie alle krankenversichert, in irgendeiner BKK. Ich lächelte ihnen unmerklich komplizenhaft zu, doch sie starrten nur dumpf in ihren Kaffee.
Es sah so aus, als hätten sie alle tadellose Kniegelenke.
PS: Das Foto zeigt natürlich nicht die erwähnte Frühstückskneipe, sondern andere interessante Gebäude ein paar Häuser weiter.
So ein künstliches Gelenk hält nämlich rund 15 Jahre. Bist du unter 70, dann heißt es weiterhumpeln, bis 70. Nicht, dass ich ein neues Kniegelenk bräuchte. Aber ein bisschen zynisch, liebe Krankenkasse, darf man das selbst dann finden, wenn man (noch) nicht zur Zielgruppe gehört.
Als ich vorgestern ein Hermespaket in der kleinen Frühstückskneipe an der Talstraße abgab, saßen draußen am Tisch vier Transen. Es waren Latinos, wahrscheinlich Brasilianer.
Sie waren fix und fertig von irgendwas, wohl von den Herausforderungen der vergangenen Nacht. Müde wie Maurer nach der Schicht hockten sie wortlos rauchend am Tisch, vor sich einen Kaffee und den lieben langen tristen Tag.
Es wirkte so … stinknormal. Wahrscheinlich waren sie alle krankenversichert, in irgendeiner BKK. Ich lächelte ihnen unmerklich komplizenhaft zu, doch sie starrten nur dumpf in ihren Kaffee.
Es sah so aus, als hätten sie alle tadellose Kniegelenke.
PS: Das Foto zeigt natürlich nicht die erwähnte Frühstückskneipe, sondern andere interessante Gebäude ein paar Häuser weiter.
07 Mai 2008
06 Mai 2008
Im Bann des Elektrophallus
Im Kukuun am Spielbudenplatz, direkt gegenüber vom Hotel Monopol, soll uns heute Abend das hochgeheime neue Album der Band Coldplay vorgespielt werden.
Mich werden Sicherheitsvorkehrungen erwarten, als wollte ich Guantanamo Bay verlassen. Deshalb kleide ich mich knapp über nackt, also ohne Jacke, Handy, Kamera und Panzerfaust.
Am Eingang erwartet mich ein pferdebeschwänzter Sicherheitsmann mit einem dieser elektronischen Gummiknüppel, die jedes Stück Metall aufspüren, das du am Körper trägst. Wahrscheinlich musst du auch deine künstliche Hüfte abgeben, um das neue Coldplay-Album hören zu dürfen.
Ich informiere den Sicherheitsmann über meine gleichsam jungfräuliche Ausstattung, die auch eine fehlende künstliche Hüfte einschließt, doch er will mich trotzdem mit diesem Ding da scannen.
„Hey, ich habe doch gesagt: Ich habe nichts dabei“, gebe ich mich bewusst störrisch. „Die Sicherheitsvorkehrungen erfordern das aber“, mault er und fingert mir mit seinem Leuchtstab vorm Gemächt herum, während ich mich schrittweise zurückziehe und er auf entwürdigende Weise hinter mir her wedelt mit seinem piepsenden Elektrophallus.
Es ist grotesk. Es ist lächerlich. Es ist die Musikbranche.
Später, während das Coldplay-Album gespielt wird, halte ich meinen USB-Stick am Schlüsselbund hoch wie ein Mikrofon, aber es fällt außer zwei kichernden Kolleginen von Konkurrenzzeitschriften niemandem auf. Trotzdem fühle ich mich auf schäbige Weise ein klein wenig besser.
Mal schauen, wie die Rezension ausfällt.
Mich werden Sicherheitsvorkehrungen erwarten, als wollte ich Guantanamo Bay verlassen. Deshalb kleide ich mich knapp über nackt, also ohne Jacke, Handy, Kamera und Panzerfaust.
Am Eingang erwartet mich ein pferdebeschwänzter Sicherheitsmann mit einem dieser elektronischen Gummiknüppel, die jedes Stück Metall aufspüren, das du am Körper trägst. Wahrscheinlich musst du auch deine künstliche Hüfte abgeben, um das neue Coldplay-Album hören zu dürfen.
Ich informiere den Sicherheitsmann über meine gleichsam jungfräuliche Ausstattung, die auch eine fehlende künstliche Hüfte einschließt, doch er will mich trotzdem mit diesem Ding da scannen.
„Hey, ich habe doch gesagt: Ich habe nichts dabei“, gebe ich mich bewusst störrisch. „Die Sicherheitsvorkehrungen erfordern das aber“, mault er und fingert mir mit seinem Leuchtstab vorm Gemächt herum, während ich mich schrittweise zurückziehe und er auf entwürdigende Weise hinter mir her wedelt mit seinem piepsenden Elektrophallus.
Es ist grotesk. Es ist lächerlich. Es ist die Musikbranche.
Später, während das Coldplay-Album gespielt wird, halte ich meinen USB-Stick am Schlüsselbund hoch wie ein Mikrofon, aber es fällt außer zwei kichernden Kolleginen von Konkurrenzzeitschriften niemandem auf. Trotzdem fühle ich mich auf schäbige Weise ein klein wenig besser.
Mal schauen, wie die Rezension ausfällt.
04 Mai 2008
Wie man zeitgemäß Schluss macht
Manchmal meint man es mit Irren zu tun zu haben, doch sie telefonieren nur öffentlich mit Headset.
Die scheinbar mit sich selbst plappernde Frau in der Friedensallee halte ich denn auch zunächst für komplett plemplem, als ich sie mit geradezu breitärschigem deutschen Akzent auf Englisch sagen höre: „Dound lai tu mii! Stopp itt!“
Ich schaue mich um, doch nur wir beide halten uns im kommunikationsrelevanten Radius auf; mich kann sie aber nicht meinen. Und das tut sie auch nicht: Sie telefoniert nur, halt mit weitgehend unsichtbaren Utensilien.
Die Frau ist eine rustikale Blondine im grünen Parka, und jetzt nimmt sie gut hörbar ihrem fernen Gegenüber jede Hoffnung auf Versöhnung: „Ei dount wonn’tu sey guttbai!“, ruft sie erregt ins Nirgendwo, „ju nou sätt!“
Das alles absolviert sie im gemütlichen Schlendermodus und mit lässig vorm Mund schwebendem Mikro. Keine Irre also. Einfach nur eine rustikale Blondine im Parka, die gerade öffentlich Schluss macht – endgültig, unwiderruflich und mithilfe zeitgemäßer Technik.
Schon komisch, dieses 21. Jahrhundert.
PS: Das heutige Foto hat natürlich nicht das Geringste mit der Geschichte zu tun. Es zeigt ein blauäugiges Finkenwerder Hausgesicht, das uns heute kackfrech angrinste. Erinnert mich an Bernd das Brot.
Die scheinbar mit sich selbst plappernde Frau in der Friedensallee halte ich denn auch zunächst für komplett plemplem, als ich sie mit geradezu breitärschigem deutschen Akzent auf Englisch sagen höre: „Dound lai tu mii! Stopp itt!“
Ich schaue mich um, doch nur wir beide halten uns im kommunikationsrelevanten Radius auf; mich kann sie aber nicht meinen. Und das tut sie auch nicht: Sie telefoniert nur, halt mit weitgehend unsichtbaren Utensilien.
Die Frau ist eine rustikale Blondine im grünen Parka, und jetzt nimmt sie gut hörbar ihrem fernen Gegenüber jede Hoffnung auf Versöhnung: „Ei dount wonn’tu sey guttbai!“, ruft sie erregt ins Nirgendwo, „ju nou sätt!“
Das alles absolviert sie im gemütlichen Schlendermodus und mit lässig vorm Mund schwebendem Mikro. Keine Irre also. Einfach nur eine rustikale Blondine im Parka, die gerade öffentlich Schluss macht – endgültig, unwiderruflich und mithilfe zeitgemäßer Technik.
Schon komisch, dieses 21. Jahrhundert.
PS: Das heutige Foto hat natürlich nicht das Geringste mit der Geschichte zu tun. Es zeigt ein blauäugiges Finkenwerder Hausgesicht, das uns heute kackfrech angrinste. Erinnert mich an Bernd das Brot.
Schnauze!
Ms. Columbo und ich überqueren dort, wo die Reeperbahn in die Königstraße übergeht, schwatzend den Fußgängerüberweg. Uns kommt ein heillos verdreckter Graubartzausel entgegen.
Als wir uns begegnen, sagt er zu mir: „Halt die Schnauze!“
Eine ungebührliche und zudem vollkommen grundlose Frechheit, die zwar möglicherweise einem prekären Schicksal geschuldet ist, der aber ein Mann von Welt gleichwohl mit schneidender Eloquenz entgegenzutreten verpflichtet ist.
Mehr noch: Gefragt ist nun die überlegene Kraft des rhetorischen Floretts, eine abgeklärte Kühle, die den ungehobelten Widerpart seinen Fauxpas nicht nur bitterlich bereuen, sondern eine Wiederholung desselben ein für alle Mal verunmöglichen wird.
Und noch während mir all diese Handlungsoptionen durch den Kopf gehen sollten, höre ich mich schreien: „HALT DU DOCH DIE SCHNAUZE!“
Soviel zum Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
02 Mai 2008
Mit einem Bein im Knast
Es ist kurz vor Mitternacht, als es endlich losgeht.
Die Discokugel des Nachtasyls verstreut huschende Lichtflecken im Raum, und weil die Wand hinter der Bühne gewellt ist, fangen die Flecken dort zu flattern und zu tanzen an wie Schmetterlinge auf einer Frühlingswiese – das perfekte visuelle Ambiente für die zwei wunderbaren kalifornischen Folksängerinnen Mariee Sioux und Alela Diane.
Ich hocke zu Füßen der Grazien auf dem Boden vor der Bühne, versuche mein Glas vor unbekümmerten Füßen zu schützen und zugleich im Rotschummerlicht ein passables Filmchen auf den Chip zu kriegen.
Was natürlich nicht gelingt; trotzdem gibt es hier einen kleinen miesen Clip. Schließlich hat mich Alelas Promoter inständig gebeten, das zu tun – eine erstaunliche Alternative zu den üblichen Knastandrohungen der Musikbranche für dieses Vergehen.
Sollte ich dennoch demnächst aus Fuhlsbüttel bloggen, war ich zu naiv.
01 Mai 2008
Unterm Tisch in Nordfriesland
Selbst der Nordfriese, gemeinhin nicht der schnellsten einer, hat inzwischen erfolgreich das von Süden her gen Küste kriechende Neuschreib verinnerlicht.
Und nicht nur das: Seine Leistung, in nur sechs Wörtern fünf Fehler unterzubringen, befördert ihn sogar schnurstracks an die Spitze der Dummdeutschbewegung.
Umgekehrt verhält es sich allerdings mit dem nordfriesischen Computer in der Hotellobby; der ist eher hintendran. Als ich mich unterm Tisch auf die Suche nach einem USB-Port begebe, stoße ich auf lauter wunderliche Zugänge und Schubladen, deren Funktion wohl nur noch Hardwarearchäologen dechiffrieren können. Oder weiß etwa jemand, was ein sogenanntes „Diskettenlaufwerk“ sein soll?
Schon schräg, diese Nordfriesen.
29 April 2008
Am Ende Wohlweh
Wir treiben ein wenig Sport an der Nordseeküste. Der Sport muss sein, denn die Krankenkasse sponsert die Reise beträchtlich, und wenn wir schwänzten, ginge der Zuschuss flöten.
Die Reise begann im Intercity. Wir fanden vor: einen leeren Wagen ohne reservierte Plätze – der feuchte Traum eines jeden Bahnkunden. Wir sicherten uns den Tisch mit Stromanschluss für den Laptop. Besser konnte es nicht laufen.
So blieb es auch selige zehn Minuten lang – bis die Schulklasse einfiel. Es handelte sich um ungefähr 30 Drittklässler, die von ihren Betreuerinnen längst aufgegeben worden waren. Zumindest fiel keine der drei hilflosen Lehrkräfte den hinfort über Sitze, Lehnen und meine Beine marodierenden Horden in die Arme.
An Lesen war nicht zu denken, und die Kopfhörerlautstärke, die nötig war, um die infernalischen Kreischkids zu übertönen, werden wir wahrscheinlich mit Tinnitus nicht unter drei Jahren bezahlen.
Leider wollte die minderjährige Terrortruppe dorthin, wo auch wir hin wollten. Das wurde drei schwere Stunden später klar. Selbst mein Besuch auf der Toilette, wohin es mich u. a. wegen der Hoffnung auf Kontemplation verschlagen hatte, wurde beeinträchtigt: Als ich die Tür öffnete, fielen mir mehrere Steppkes entgegen, und was taten sie dabei? KREISCHEN.
Wir erreichten die Nordsee urlaubsreif. Doch seit der ersten Nordic-Walking-Einheit durch die Dünen sind wir wieder fit. Dann deklarierte unsere Kursleiterin Linde (wie Eiche, Buche etc.) den leichten Schmerz beim Dehnen auch noch als „Wohlweh“, und seit diesem entzückenden Neologismus ist alles wieder bestens, auch mental.
Die Reise begann im Intercity. Wir fanden vor: einen leeren Wagen ohne reservierte Plätze – der feuchte Traum eines jeden Bahnkunden. Wir sicherten uns den Tisch mit Stromanschluss für den Laptop. Besser konnte es nicht laufen.
So blieb es auch selige zehn Minuten lang – bis die Schulklasse einfiel. Es handelte sich um ungefähr 30 Drittklässler, die von ihren Betreuerinnen längst aufgegeben worden waren. Zumindest fiel keine der drei hilflosen Lehrkräfte den hinfort über Sitze, Lehnen und meine Beine marodierenden Horden in die Arme.
An Lesen war nicht zu denken, und die Kopfhörerlautstärke, die nötig war, um die infernalischen Kreischkids zu übertönen, werden wir wahrscheinlich mit Tinnitus nicht unter drei Jahren bezahlen.
Leider wollte die minderjährige Terrortruppe dorthin, wo auch wir hin wollten. Das wurde drei schwere Stunden später klar. Selbst mein Besuch auf der Toilette, wohin es mich u. a. wegen der Hoffnung auf Kontemplation verschlagen hatte, wurde beeinträchtigt: Als ich die Tür öffnete, fielen mir mehrere Steppkes entgegen, und was taten sie dabei? KREISCHEN.
Wir erreichten die Nordsee urlaubsreif. Doch seit der ersten Nordic-Walking-Einheit durch die Dünen sind wir wieder fit. Dann deklarierte unsere Kursleiterin Linde (wie Eiche, Buche etc.) den leichten Schmerz beim Dehnen auch noch als „Wohlweh“, und seit diesem entzückenden Neologismus ist alles wieder bestens, auch mental.
27 April 2008
Sie hat ja kein Handy
Unter der Plakatwand an der Simon-von-Utrecht-Straße lagert regelmäßig eine Gruppe heimatloser Russen. Einer von ihnen liegt langgestreckt auf dem Gehweg in seinem Blut und rührt sich nicht. Eine Passantin mit Zahnlücke und unvorteilhafter gelber Jacke steht dabei. Ich halte an und frage: „Hat schon jemand Hilfe gerufen?“
Sofort umringen mich zwei Russen und bedeuten mir, dies sei noch nicht geschehen. Ich zücke mein Handy. Die Passantin sagt: „Ich finde es gut, dass Sie anrufen. Ich habe ja kein Handy.” Ich wähle 110. Was falsch ist. 112 wäre richtig: die Feuerwehr. Das für alle, die dies lesen und in eine ähnliche Situation geraten. Die Polizei stellt mich durch zur 112. Ich schildere die Lage.
„Atmet der Mann?”, fragt mich eine männliche Stimme.
„Kann ich nicht sagen.”
„Versuchen Sie es festzustellen.”
Ich beuge mich über den reglosen Mann, der mit dem Gesicht in seinem Blut liegt, und stupse ihn leicht an. An der Schulter. Ein flatterndes Blinzeln ist die Folge. Nicht tot: Das ist gut.
„Er blinzelt”, sage ich.
„Atmet er?”
„Hören Sie, wenn er blinzelt, atmet er ja wohl auch.”
„Atmet er normal?”
„Das weiß ich nicht! Warum kommen Sie nicht einfach?”
„Weil ich hier ein Abfrageprotokoll habe, das ich ausfüllen muss.”
Klar, muss er wohl, aber ich zittere vor Aufregung und allmählich auch vor Ärger.
Das Stupsen zeigt Wirkung. Ächzend setzt der Verletzte sich auf. Eine Schliere aus Blut und Schleim hängt ihm zentimeterlang aus der Nase, reißt ab und suppt lautlos auf den Gehweg, wo sie die Lache vergrößert. Sein Kopf sieht aus, als spielte er in „Hostel“ mit, als Opfer. Die Russen um uns herum schimpfen und zetern. Sie brüllen auf ihn ein. Auf Russisch.
„Er hat sich hingesetzt”, informiere ich die 112-Stimme, „das heißt ja wohl, er atmet normal.”
„Bleiben Sie dort und versorgen Sie ihn. Wir kommen.”
„Gut, ich bleibe hier.”
Die Versorgung garantiere ich lieber nicht, doch es ist vielleicht der falsche Zeitpunkt, das zu thematisieren. Ich klappe das Handy zu. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen habe“, sagt die Passantin ihren Text auf, „ich habe ja kein Handy. Kommen die?” Ich nicke.
Dann erzählt sie von ihrem epileptischen Nachbarn und davon, dass die Notrufhotline auch mit ihr jedesmal neu das Abfrageprotokoll durchgeht, ehe sie Ärzte losschickt, selbst beim zwölften Anfall. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen haben. Ich habe ja kein Handy.”
Zehn Meter weiter ist eine Drogerie, dort hätte sie ja mal Bescheid sagen können, denke ich. Aber ich will hier keine neue Front aufmachen. Dann kommen die Notärzte.
Sie ziehen sich Gummihandschuhe über und nehmen den Mann mit ins Krankenhaus, während sein Blut in der Sonne zu trocknen beginnt.
PS: Das Foto stammt vom Spielbudenplatz, erinnert aber sehr an die geschilderte Szenerie.
Sofort umringen mich zwei Russen und bedeuten mir, dies sei noch nicht geschehen. Ich zücke mein Handy. Die Passantin sagt: „Ich finde es gut, dass Sie anrufen. Ich habe ja kein Handy.” Ich wähle 110. Was falsch ist. 112 wäre richtig: die Feuerwehr. Das für alle, die dies lesen und in eine ähnliche Situation geraten. Die Polizei stellt mich durch zur 112. Ich schildere die Lage.
„Atmet der Mann?”, fragt mich eine männliche Stimme.
„Kann ich nicht sagen.”
„Versuchen Sie es festzustellen.”
Ich beuge mich über den reglosen Mann, der mit dem Gesicht in seinem Blut liegt, und stupse ihn leicht an. An der Schulter. Ein flatterndes Blinzeln ist die Folge. Nicht tot: Das ist gut.
„Er blinzelt”, sage ich.
„Atmet er?”
„Hören Sie, wenn er blinzelt, atmet er ja wohl auch.”
„Atmet er normal?”
„Das weiß ich nicht! Warum kommen Sie nicht einfach?”
„Weil ich hier ein Abfrageprotokoll habe, das ich ausfüllen muss.”
Klar, muss er wohl, aber ich zittere vor Aufregung und allmählich auch vor Ärger.
Das Stupsen zeigt Wirkung. Ächzend setzt der Verletzte sich auf. Eine Schliere aus Blut und Schleim hängt ihm zentimeterlang aus der Nase, reißt ab und suppt lautlos auf den Gehweg, wo sie die Lache vergrößert. Sein Kopf sieht aus, als spielte er in „Hostel“ mit, als Opfer. Die Russen um uns herum schimpfen und zetern. Sie brüllen auf ihn ein. Auf Russisch.
„Er hat sich hingesetzt”, informiere ich die 112-Stimme, „das heißt ja wohl, er atmet normal.”
„Bleiben Sie dort und versorgen Sie ihn. Wir kommen.”
„Gut, ich bleibe hier.”
Die Versorgung garantiere ich lieber nicht, doch es ist vielleicht der falsche Zeitpunkt, das zu thematisieren. Ich klappe das Handy zu. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen habe“, sagt die Passantin ihren Text auf, „ich habe ja kein Handy. Kommen die?” Ich nicke.
Dann erzählt sie von ihrem epileptischen Nachbarn und davon, dass die Notrufhotline auch mit ihr jedesmal neu das Abfrageprotokoll durchgeht, ehe sie Ärzte losschickt, selbst beim zwölften Anfall. „Ich finde es gut, dass Sie angerufen haben. Ich habe ja kein Handy.”
Zehn Meter weiter ist eine Drogerie, dort hätte sie ja mal Bescheid sagen können, denke ich. Aber ich will hier keine neue Front aufmachen. Dann kommen die Notärzte.
Sie ziehen sich Gummihandschuhe über und nehmen den Mann mit ins Krankenhaus, während sein Blut in der Sonne zu trocknen beginnt.
PS: Das Foto stammt vom Spielbudenplatz, erinnert aber sehr an die geschilderte Szenerie.
26 April 2008
Fundstücke (37)
25 April 2008
Womma versus Euter
Zwar nutze ich keine Statistiksoftware, die mir eine überzeitliche Hitliste der heißesten Beiträge dieses Blogs zusammenstellte. Doch der gefühlte Spitzenreiter auf der Beliebtheitsskala – also quasi der Smashhit – war bisher ein Text mit dem Titel „Geile Euter im Takt der Ekstase“.
Dafür habe ich keinerlei Erklärung. Tatsache ist aber: Praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, wippt mindestens einer mit im Takt.
Bis vor kurzem. Denn neuerdings werden die geilen Euter akut bedroht vom Newcomer „Womma ficken?“. Ständig liest irgendeine(r) diesen Text, das Teil ist ein verdammter Shootingstar – natürlich auf Kosten der Euter.
Das alles ist natürlich ebenfalls nur ein gefühlter Eindruck, denn wie gesagt: Eine Statistiksoftware, die so etwas wissenschaftlich solide abklopfte, läuft hier nicht mit.
Übrigens wird dieser Eintrag, obgleich er klar auf der Metaebene angesiedelt ist, die künftigen Ergebnisse grob verfälschen. Das leite ich aus Heisenbergs Unschärferelation ab, die zwar auf dem Gebiet der Physik entwickelt wurde, hier aber kurzerhand in die Sphäre des gemeinen Googlehupfs übertragen werden soll.
Denn dieser Text hier enthält alle entscheidenden Keywords, wenn ich diesen griffigen Begriff einmal ausnahmsweise verwenden darf, sogar in kumulierter Form. Und das ist ein klarer Vorteil beim survival of the hottest.
Künftig dürfte also praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, mindestens einer dem Studium dieser verschraubten Erörterung widmen.
Vielleicht macht es ihn klüger, wer weiß. Eins jedenfalls ist seit heute sicher: Es wird Frühling – der Regen wird wärmer.
Foto: Klowand im Millerntorstadion. Dieser Sexsucher war bestimmt auch schon mal hier. Wer Handy hat, hat auch Web.
Dafür habe ich keinerlei Erklärung. Tatsache ist aber: Praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, wippt mindestens einer mit im Takt.
Bis vor kurzem. Denn neuerdings werden die geilen Euter akut bedroht vom Newcomer „Womma ficken?“. Ständig liest irgendeine(r) diesen Text, das Teil ist ein verdammter Shootingstar – natürlich auf Kosten der Euter.
Das alles ist natürlich ebenfalls nur ein gefühlter Eindruck, denn wie gesagt: Eine Statistiksoftware, die so etwas wissenschaftlich solide abklopfte, läuft hier nicht mit.
Übrigens wird dieser Eintrag, obgleich er klar auf der Metaebene angesiedelt ist, die künftigen Ergebnisse grob verfälschen. Das leite ich aus Heisenbergs Unschärferelation ab, die zwar auf dem Gebiet der Physik entwickelt wurde, hier aber kurzerhand in die Sphäre des gemeinen Googlehupfs übertragen werden soll.
Denn dieser Text hier enthält alle entscheidenden Keywords, wenn ich diesen griffigen Begriff einmal ausnahmsweise verwenden darf, sogar in kumulierter Form. Und das ist ein klarer Vorteil beim survival of the hottest.
Künftig dürfte also praktisch immer wenn ich nachschaue, wie viele Menschen sich momentan hier tummeln und was sie gerade lesen, mindestens einer dem Studium dieser verschraubten Erörterung widmen.
Vielleicht macht es ihn klüger, wer weiß. Eins jedenfalls ist seit heute sicher: Es wird Frühling – der Regen wird wärmer.
Foto: Klowand im Millerntorstadion. Dieser Sexsucher war bestimmt auch schon mal hier. Wer Handy hat, hat auch Web.
23 April 2008
„Sie sind seltsam!“
Schon wieder einmal (neudeutsch: „einmal mehr“) habe ich mich aufgeregt. Das Ergebnis meiner Schnappatmung schlug sich umgehend hier nieder.
Auch Kramer regte sich gestern Abend auf, und zwar in einer Kneipe namens Goldfischglas. Das 2,60 Euro teure Bier wird dort in Gläsern serviert, auf denen lediglich der Kneipenname „Goldfischglas“ steht, aber nicht die Biermarke.
Kramer fragte deshalb nach der Sorte und erhielt als Antwort: „Oettinger.“ Das brachte den sowieso zum Extremismus neigenden Halsbartzausel völlig aus der Fassung. Noch heute im Büro war der arme Mann auf 180+.
„Oettinger? Diese Pisse aus dem Supermarkt? Für 2,60??? Ich will ein Becks!“, will er der Bedienung, einem Mann fernöstlicher Herkunft, hocherregt entgegengeschleudert haben.
Großartig war allerdings die Reaktion des stellvertretend beschimpften Asiaten. Zunächst entzog er Kramer das Bier. Dann sagte er: „Ich bediene Sie nicht mehl. Sie sind seltsam!“
Das freilich hätte ich dem Mann auch vorher sagen können.
Auch Kramer regte sich gestern Abend auf, und zwar in einer Kneipe namens Goldfischglas. Das 2,60 Euro teure Bier wird dort in Gläsern serviert, auf denen lediglich der Kneipenname „Goldfischglas“ steht, aber nicht die Biermarke.
Kramer fragte deshalb nach der Sorte und erhielt als Antwort: „Oettinger.“ Das brachte den sowieso zum Extremismus neigenden Halsbartzausel völlig aus der Fassung. Noch heute im Büro war der arme Mann auf 180+.
„Oettinger? Diese Pisse aus dem Supermarkt? Für 2,60??? Ich will ein Becks!“, will er der Bedienung, einem Mann fernöstlicher Herkunft, hocherregt entgegengeschleudert haben.
Großartig war allerdings die Reaktion des stellvertretend beschimpften Asiaten. Zunächst entzog er Kramer das Bier. Dann sagte er: „Ich bediene Sie nicht mehl. Sie sind seltsam!“
Das freilich hätte ich dem Mann auch vorher sagen können.
Ein Nachteil des Rauchverbots (der einzige)
Im Sam's am Großneumarkt, wo ich einsam und alleine zur Fußballübertragung von Premiere auflaufe, bin ich mal wieder der Einzige weit und breit, der zum Fußball Wein trinkt.
Der diesbezügliche Spott des bierdogmatischen Franken ist mir seit Jahren gewiss und wäre es auch heute Abend, doch er hat ebenso wie A. mein Begehr nach gemeinsamem Fußballgucken ignoriert, und die beiden fremden Herren am Nachbartisch scheinen meine Marotte tapfer zu tolerieren. Solange sie weiter Bier trinken und zum Rauchen rausgehen dürfen: bitte schön, kein Problem.
Irgendwann während der zweiten Halbzeit scheinen sie den Tisch endgültig zu verlassen, was mich zum entschlossenen Entern der deutlich näher am Plasmamonitor gelegenen Sitzgelegenheit animiert. Doch erneut waren sie nur zum Rauchen draußen.
Sie kommen zurück, und ich muss weitschweifig um Erlaubnis bitten, an ihrem angestammten Tisch sitzen bleiben zu dürfen. Es sind freundliche Herren, sie dulden die Bedrückung meiner Anwesenheit klaglos, ja sogar mit hanseatischer Würde, doch früher – vor dem Rauchverbot – war das alles anders und einfacher.
Wer damals seinen Tisch verließ, der war gegangen, definitiv, der kam nicht wieder, dort konnte man ungeschoren und undiskutierbar Platz nehmen. Jetzt aber ist alles ungewiss, im Schwange, jederzeit widerrufbar.
Das stört mich am Rauchverbot. Alles andere freilich freut mich. Darauf noch einen Wein, trotz des imaginären Spotts des Franken. Aber er ist ja nicht da, er hat meine Bitte ums gemeinsame Champions-League-Übertragungsgucken abschlägig beschieden.
Dafür verpasst er zu recht ein Ausgleichseigentor in der 95. Minute, und das gönne ich ihm, von Herzen.
Der diesbezügliche Spott des bierdogmatischen Franken ist mir seit Jahren gewiss und wäre es auch heute Abend, doch er hat ebenso wie A. mein Begehr nach gemeinsamem Fußballgucken ignoriert, und die beiden fremden Herren am Nachbartisch scheinen meine Marotte tapfer zu tolerieren. Solange sie weiter Bier trinken und zum Rauchen rausgehen dürfen: bitte schön, kein Problem.
Irgendwann während der zweiten Halbzeit scheinen sie den Tisch endgültig zu verlassen, was mich zum entschlossenen Entern der deutlich näher am Plasmamonitor gelegenen Sitzgelegenheit animiert. Doch erneut waren sie nur zum Rauchen draußen.
Sie kommen zurück, und ich muss weitschweifig um Erlaubnis bitten, an ihrem angestammten Tisch sitzen bleiben zu dürfen. Es sind freundliche Herren, sie dulden die Bedrückung meiner Anwesenheit klaglos, ja sogar mit hanseatischer Würde, doch früher – vor dem Rauchverbot – war das alles anders und einfacher.
Wer damals seinen Tisch verließ, der war gegangen, definitiv, der kam nicht wieder, dort konnte man ungeschoren und undiskutierbar Platz nehmen. Jetzt aber ist alles ungewiss, im Schwange, jederzeit widerrufbar.
Das stört mich am Rauchverbot. Alles andere freilich freut mich. Darauf noch einen Wein, trotz des imaginären Spotts des Franken. Aber er ist ja nicht da, er hat meine Bitte ums gemeinsame Champions-League-Übertragungsgucken abschlägig beschieden.
Dafür verpasst er zu recht ein Ausgleichseigentor in der 95. Minute, und das gönne ich ihm, von Herzen.
21 April 2008
Vier Lesben auf der Reeperbahn
Während des Auftritts von Turner Cody in der Großen Freiheit denke ich: Jeder Künstler ist auf jeden Fall einmalig, doch nur die wenigsten sind wirklich originell. Zweifellos ein Satz fürs Poesiealbum.
Dann kommt auch schon das Hauptprogramm: Adam Green. „How do you call four lesbians on the Reeperbahn?“, fragt er uns. Keiner weiß die Antwort. Die gibt dann Green: „The Beatles!“
Keiner lacht. Warum auch? Der Green’sche Humor ist relativ hermetisch, und ich fotografiere lieber meine Füße, die auf faszinierende Weise von den Deckenspots ausgeleuchtet werden. Das Faszinierende daran erschließt sich sicherlich nur mir, was eine Verwandschaft zu Adam Greens Humor herstellt, schon klar.
Um einen Song mitfilmen zu können, stelle ich meinen Bierbecher auf einer Holzbank ab, und exakt 1,3 Sekunden danach wischt ein euphorisierter Green-Jünger ihn mit einer versehentlichen spastischen Bewegung vom Brett. Merkwürdigerweise werde ich nicht nass, das hätte gepasst.
Schon okay, lächle ich dem entschuldigend blickenden Unglücksraben ohne große Wehmut zu (ich hatte bereits zwei Bier; das dritte auszutrinken wäre eh nur schädlich gewesen). Er akzeptiert den Ablass erleichtert, und ich schwinge mich aufs Rad und karriole nach Hause.
Ausnahmsweise funktioniert sogar die Vorderlampe.
Dann kommt auch schon das Hauptprogramm: Adam Green. „How do you call four lesbians on the Reeperbahn?“, fragt er uns. Keiner weiß die Antwort. Die gibt dann Green: „The Beatles!“
Keiner lacht. Warum auch? Der Green’sche Humor ist relativ hermetisch, und ich fotografiere lieber meine Füße, die auf faszinierende Weise von den Deckenspots ausgeleuchtet werden. Das Faszinierende daran erschließt sich sicherlich nur mir, was eine Verwandschaft zu Adam Greens Humor herstellt, schon klar.
Um einen Song mitfilmen zu können, stelle ich meinen Bierbecher auf einer Holzbank ab, und exakt 1,3 Sekunden danach wischt ein euphorisierter Green-Jünger ihn mit einer versehentlichen spastischen Bewegung vom Brett. Merkwürdigerweise werde ich nicht nass, das hätte gepasst.
Schon okay, lächle ich dem entschuldigend blickenden Unglücksraben ohne große Wehmut zu (ich hatte bereits zwei Bier; das dritte auszutrinken wäre eh nur schädlich gewesen). Er akzeptiert den Ablass erleichtert, und ich schwinge mich aufs Rad und karriole nach Hause.
Ausnahmsweise funktioniert sogar die Vorderlampe.
Gesichtsdrillinge (13)
Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ beeinflusste nicht nur ein Album von Tokio Hotel, sondern gilt auch als ästhetische Initialzündung fürs Design der Maske aus dem Film „Scream“. Bis jetzt.
Denn heute entdeckten wir im Park an der Hospitalstraße den Ursprung für beide Motive: den abgebildeten Baum. Er ist definitv älter als Munch.
War der Norweger vielleicht mal in Hamburg? Und wenn ja, wann? Ein klarer Fall für Kunsthistoriker.
Fotos: Amazon, Wiener Lloyd
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