24 April 2007

Ich hasse rote Krawatten

„Haben Sie eine Kamera dabei?“, fragt mich der Sicherheitsmann am Eingang der Color Line Arena, und ich, überrumpelt, begehe den fatalen Fehler, ihm die Wahrheit zu sagen. Wahrscheinlich sind das die vermaledeiten Reste meiner protestantischen Erziehung, ich weiß es nicht.

Jedenfalls schickt mich der Mann zu einem Kameraeinsammler ein paar Meter weiter, und ich erwäge, diesen Gang einfach nicht anzutreten, doch beim Abtasten der Leute, die hinter mir in der Schlange standen, dreht der Sicherheitsmann sich immer wieder um zu mir. Kein Entkommen; er kennt seine Pappenheimer.

Der Kameraeinsammler trägt einen lächerlich kurzen roten Schlips, der etwa in der Mitte zwischen Kehlkopf und (imaginierten) Nabel endet, aber das Ästhetische spielt gerade keine Rolle, denn er will meine Kamera. Gerade beginne ich mich an den unschönen Gedanken kameraloser Stunden zu gewöhnen, als es heißt: „Ein Euro bitte.“

„Warten Sie mal“, sage ich, „Sie zwingen mich, meine Kamera abzugeben, die ich lieber behalten würde, und verlangen auch noch Geld dafür?“ Der Mann schaut mich gelangweilt an. „Dafür“, sagt er, während ich auf seinen lachhaft kurzen roten Schlips starre, „passen wir auch darauf auf.“

„Darum habe ich Sie aber gar nicht gebeten!“, wende ich mit unamüsiertem Lächeln ein. „Normalerweise zahle ich nur für Dienstleistungen, die ich aktiv in Auftrag gebe.“

„Tja“, sagt der Mann und verstaut meine Kamera in einer hermetisch verschließbaren und – wie sich Stunden später herausstellen soll – ohne Hilfsmittel wie Scheren, Teppichmesser oder Kreissägen nicht mehr zu öffnenden hochreißfesten Plastiksicherheitstüte der Marke Debasafe. Sie hat die Codenummer 5854767.

Der Mann händigt mir einen Plastikstreifen aus, auf dem die gleiche Nummer steht. „Nicht verlieren“, sagt er, „sonst kriegen Sie die Kamera nicht wieder.“ „Das wäre ja noch schöner!“, errege ich mich, während ich ihm widerwillig einen Euro in die Hand drücke. „Tja“, sagt er und legt die Münze in die Tasche. Aus irgendeinem Grund muss ich an Schäuble denken.

Ich hasse rote Krawatten. Vor allem, wenn sie zu kurz sind.

14 Kommentare:

  1. Hand aufs Herz, hättest Du Deine Kamera dem Träger einer blauen Krawatte lieber ausgehändigt? Schon erstaunlich, womit sich die Leute einen EURO verdienen müssen - und dann noch mit Krawattenzwang!
    Wars das Konzert wenigstens wert??
    Alles Liebe, Gaba

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  2. Es ist wie mit einem Song, den man mal hörte, als man mit einem Magen-Darm-Katarrh darniederlag: Er kann nichts dafür, aber man assoziiert ihn hinfort mit der Krankheit. Ein wenig ging's mir so mit der Krawatte.

    Aber das Konzert war's wert. Wenigstens das.

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  3. Langsam kommen mir Zweifel an Ihnen. Peter Maffay kommt doch erst heute. Oder sind Sie ein Seher?

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  4. Verehrter Herr Matt
    Da sehen Sie, was für Vorteile es alles hat, wenn Sie einen Tag zu früh oder zu spät an ein Konzert gehen...

    :-)

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  5. Vielleicht noch ein Mobiltelefon in Reserve dabei haben, danach wurde ja nicht gefragt! Und fotografieren kann man damit ja auch.

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  6. Opa, Sie werden lachen, aber beinah wäre ich wirklich heute Abend beim Maffay-Konzert gewesen – weil ein Gastauftritt Senaits vorgesehen war. Sie muss aber schwangerschaftsbedingt absagen …

    Und was das Mobiltelefon angeht, so verfüge ich nur über das abgelegte von German Psycho, eins ohne Kamera.

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  7. Das wird immer absurder - bei meinem letzten Besuch in der Cola-Light-Arena wurde ich noch gefragt "hat die Kamera eine hohe Auflösung" - nach einem zaghaften "Nein" konnte ich sie mitnehmen. Im Docks waren sich die Türsteher uneins, ob meine Kamera professionellen Ansprüchen genügt ("die hat doch aber keinen Blitz" - "aber ziemlich gross ist sie") - mit einem "Ausweis" hätte ich sie aber mitnehmen dürfen. Ich muss mir mal so einen Flickr-Ausweis drucken...

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  8. Gabaretha, die roten Krawatten (bzw. die ganze Uniform dieser Sicherheitsfirmen) erfüllen ja an sich schon einen Zweck: Menschen, die in der Branche arbeiten, haben nunmal allesamt (ohne Ausnahme, Gegenbeispiele vergesse ich sofort) keinerlei Geschmack. Sonst würden sie ja wenigstens in Würde arbeitslos sein. Daher kann man erwarten, daß sie, so man sie denn ließe, zuhauf in Trümmer- oder Flecktarnjacken dort herumstünden.

    Um dem entgegen zu wirken und um wenigstens den Schein des Dienstleisters zu erhalten, wählte man wohl die nicht nur zufällig an eine Bahnuniform erinnernde Einheitskleidung.

    Leider hat man nicht darauf geachtet, Schulungen zum korrekten Binden eines Krawattenknotens zu geben.

    Matt: Ich hab's Ihnen doch schonmal gesagt: Ungefähr neuntausend andere Menschen hatten ihre Kamera dabei. Ein schlichtes „Nein, ich habe keine Kamera dabei, können diese Augen lügen?” hätte völlig ausgereicht... aber dann hätten Sie ja auch keinen sol tollen Kameraverwarhrungsbehälter bekommen.

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  9. … den ich zugunsten dieses Blogeintrags sogar aus dem Papierkorb klaubte.

    Alles hat also sein Gutes.

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  10. objektiv in die jacke/pullover einwickeln und das gehäuse unauffällig in einer seitentasche vom rucksack...funktioniert zu 95%...

    abgesehen davon macht das fotografieren in so riesen-hallen eh keinen spass aus dem publikum (und gute bilder kommen auch selten dabei raus)...

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  11. Grundsätzlich nein sagen! Was soll schon passieren, findet er die Cam trozdem, pech gehabt. Ansonsten immer Leugnen!!

    Ansonsten sehr unverschämt damit noch Geld zu machen.

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  12. Blixa, ich muss widersprechen und verweisen auf mein geniales Foto beim Dylan-Konzert.

    Sebastian, ich scheue die Gefahr der totalen Blamage, beim Lügen ertappt zu werden. Dazu fehlt mir (leider?) die Kaltschnäuzigkeit.

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  13. Matt: Lassen Sie uns mal gemeinsam üben. Ich bring Ihnen das schon bei. Muß doch irgendwas gebracht haben, meine Zeit als Unternehmensberater.

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  14. Ja, ja, und am Ende bringen Sie mir noch bei, wie man mit einer Chromaxt einen Torso zerteilt.

    Nein, ich WILL nicht!

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