Ich versuche in der Color Line Arena den offenen Kasten zu knipsen, in dem die Gitarren von Bob Dylans Begleitband aufbewahrt werden; er trägt die Aufschrift „Beware of DOG“. Und diese Warnung war berechtigt, denn sofort walzt eine Security-Bulldogge heran und verbietet mir das Knipsen.
Der Typ ist unfassbar dick und so wulstig rund wie das Michelin-Männchen, sein kahler Schädel mündet am Kinn unmittelbar in den Schlips. Ein Hals, an dem das Kleidungsstück festgebunden sein könnte, ist nicht zu sehen, nicht einmal im Ansatz.
„Beware of DOG!“, halte ich ihm die Trivialität meines Motivs kommentarlos vor und versuche ihm so die Lachhaftigkeit seines Ansinnens vor Augen zu führen. Was auch funktioniert. Allerdings lacht er nicht. „Danach ist sofort Schluss“, sagt er.
Im weiteren Verlauf des Abends versuche ich mehrfach heimlich Bob Dylan zu fotografieren, gerate jedoch immer wieder ins Visier der argwöhnischen Bulldogge. Dass letztlich kein einziges Bild entsteht, welches das Manko des Dilettantischen abzustreifen vermag, will ich gleichwohl nicht dem Dicken anlasten, sondern einer langen persönlichen Tradition vergeblicher Versuche, Bob Dylan zu fotografieren.
Sie reicht zurück bis in die frühen 80er Jahre, als ich erstmals der Gnade anteilig wurde, einen Ort auf dieser Erde mit dem auratischen Künstler teilen zu dürfen, was mir seither weitere fünf Male vergönnt war. Es war auf der Loreley am Rhein, das Gelände war so riesig wie meine Pocketkamera klein, und ich kam kaum näher als fünfzig Meter an die Bühne heran.
Dennoch wagte ich einen Schuss, der – zusätzlich beeinträchtigt durch ein ehrfurchtsvolles Zittern meiner Hände – einen verwischten rotweißen Fliegenschiss in der Mitte des Fotos ergab, und das war Bob Dylan. Dass ich der Einzige weltweit war, der diese Bilddeutung zu leisten imstande war, steigerte meine gedämpfte Freude über den Beweis meiner Begegnung allerdings kaum. (Übrigens habe ich heute Abend alle Schubladen nach diesem Foto durchwühlt, um diese Schilderung zu dokumentieren, konnte es aber nicht finden.).
Danach passierte dekadenlang nichts, doch vor zwei Jahren traf ich wieder einmal kamerabewehrt auf Dylan, und zwar im CCH. Der Versuch, in die Nähe der Bühne zu gelangen, schien zunächst von Erfolg gekrönt, doch kaum zückte ich die Kamera zum finalen Schuss, vertrieb mich ein menschlicher Panzerschrank, der mich jetzt, im Rückblick, frappant an jenes Monstrum erinnert, welches mich heute Abend vom „Beware of DOG“-Schild fernhalten wollte.
Aus der Deckung der letzten Reihe versuchte ich noch mal mein Glück und erzeugte jenes oben zu sehende wirre Gewische aus Rot- und Gelbklecksen, in dessen Mitte mit viel gutem Willen eine Art Hut zu erkennen ist, und der gehört Bob Dylan. Das tut er, ich schwör’s!
Heute Abend nun gelang mir unter den argwöhnischen Schweinsäuglein der Bulldogge jenes oben gleichfalls dokumentierte blaugrundierte Werk, in dessen Bildmitte ein verwackelter weißer Hut zu erkennen ist, worunter sich wer versteckt? Bob Dylan.
Diesmal – soviel kann ich stolz behaupten – habe aber nicht ich gewackelt, sondern Bob. Insofern bedeutet das einen kleinen Höhepunkt in der langen Geschichte meiner jämmerlichen Versuche, Bob Dylan zu fotografieren.
Na ja, wirklich wichtig sind ja eh nur die Bilder, die man im Kopf hat. Leider scheitere ich aber immer wieder daran, davon Abzüge fertigen zu lassen.
Ha, noch so ein Diletant. Ich habe letztes Jahr auf dem Oldenburger Schlossplatz versucht, Marcus Miller zu fotografieren. Erstmal ist mir die Digicam auf den Oldenburger Schlossplatz gefallen, was aber zum Glück nur leichte Kratzspuren am Gehäuse hinterließ, mehr nicht. Anschließend knipste ich ein paar Mal drauf los und auch bei mir ist es so, dass ich zweifelsfrei erkennen kann, dass es sich um Marcus Miller handelt. Übrigens auch mit Hut. Und jetzt komme ich zum eigentlichen Punkt. Auf dem Bild rechts unten, also der Mann mit dem weißen Hut, das könnte ich als Bob Dylan durchgehen lassen. Das Gegenteil beweisen kann ich eh nicht. Aber der Mann knapp dahinter, den könnte ich jetzt auch als Marcus Miller deuten, denn mein Foto von ihm sieht nicht viel anders aus. Und da Marcus Miller ein Universaltalent ist, schon bei vielen bekannten Künstlern unterstützend tätig war (u.a. auch Madonna, wo ich noch überlege, ob ich ihm das verzeihe), könnte es sein, dass wir ähnlich scharfe Fotos vom gleichen Mann haben. Wobei mir die Gitarre nicht unbedingt nach einem Bass aussieht. Marcus Miller ist nämlich Bassgitarist und Hutträger. Der Mann Hutträger und vielleicht Bassgitarist.
AntwortenLöschenP.S. Auf der Homepage von Marcus Miller kann man übrigens Fotos von ihm veröffentlichen lassen, die man von ihm gemacht hat. Er scheint ein wenig eitel zu sein, denn auf Myspace präsentiert er sich immer in fotogener Pose. Der Vorteil daran ist, man hat keine Dogge zu befürchten. Die Fotos sind gewollt, die man von ihm macht.
Beim nächsten Mal wird es klappen, Matt. Nicht aufgeben, ich drücke die Daumen.
AntwortenLöschenWird es eine kleine persönliche Zusammenfassung des Konzerts von Deiner Seite geben?
Nein, das wäre mir zu jobnah …
AntwortenLöschenVerstanden und Respekt dafür.
AntwortenLöschenSo wie Bild 3 sah mein Fotografierversuch beim Erasure Konzert letztes Jahr im Schauspielhaus aus. Es hätte einfach jeder sein können. :-)
AntwortenLöschenAllerdings ... dort durfte man fotografieren, allerdings ließ es die Kombination aus schummrigem Licht und meinem damaligen Handy nicht zu.