20 April 2007

Wer brüllt, hat Unrecht

Zunächst muss ich GP im Aurel auslösen. Er hat – da als Erster eingetroffen – bereits für uns beide Bier bestellt, welches direkt am Tresen zu bezahlen ist; allerdings verfügt er zurzeit über keinen Cent Bargeld. Jetzt sitzt er da, wohlbeschirmt vom Argwohn der Barfrau. Schöner Anblick.

Eine sardonische Sekunde lang überlege ich, jede Bekanntschaft mit ihm entrüstet abzustreiten, doch die Zeit drängt: Wir müssen hoch in die Color Line Arena, wo Roger Waters uns auf einen monströsen Trip in die Vergangenheit schicken will. Und siehe da: Der alte Haudegen ist fast genauso gut wie die Pink-Floyd-Coverband, die ich vor einigen Jahren in der Großen Freiheit sah.

GP sitzt die ganze Zeit ruhig im psychedelischen Pathosdonner, während ich ihm zwischen den Stücken unnützes Fachwissen zubrülle. „Der Song war auf der ersten Floyd-Platte!“, schreie ich, „noch von Syd Barrett geschrieben!“

Er stiert mich an, als spräche ich hyperboräisch, und ich verfluche innerlich diesen ewigen Drang, der mich immer dann überkommt, wenn ich mich auf einem bestimmten Gebiet sachkundiger wähne. Auch Ms. Columbo sieht sich oftmals solchen Attacken ausgesetzt, erträgt sie allerdings mit einer Engelsgeduld, die ich als Liebesbeweis werten muss.

„Achtung, gleich kommt ein toller Solopart der Sängerin!“, brülle ich GP während „The great gig in the sky“ ins oropaxlose Ohr, und schon kommt ein toller Solopart der Sängerin. Nach der letzten Zugabe spricht GP von „einem der großartigsten Konzerte überhaupt“, was mich erfreut, aber auch wundert, denn zuvor hatte er keinerlei Anhaltspunkte für diese Einschätzung geliefert.

Er klärt mich auf: Allein die Tatsache, dass er nicht vorzeitig gegangen sei, müsse ich bereits als überschäumende Begeisterung werten. Ich entschuldige mich dafür, ihn während „Comfortably numb“ mit der gebrüllten Info erschreckt zu haben, dies sei schon immer mein Lieblingssong vom Album „The wall“ gewesen.

Insgesamt also ein toller Abend – wozu auch ein grauhaariges Waters-Groupie vor der Bühne beiträgt, das vor unseren Augen eine Ton-Bild-Schere aufführt. Die sehr rüstige Dame hüpft auf und ab und singt dabei lauthals: „We don’t need no education – teachers: leave us kids alone!“ Und das Merkwürdigste: Ihr scheint das alles überhaupt nicht merkwürdig vorzukommen.

Übrigens war der oben erwähnte Song gar nicht auf der ersten, sondern der zweiten Floyd-Platte, wie ich zu Hause feststelle, und Syd Barrett war auch nicht der Autor.


GP darf das nie erfahren.

8 Kommentare:

  1. Neid und Missgunst sind mir zwar fremd, aber auf dem Konzert wäre ich auch gerne gewesen. Nicht so gerne, wie bei dem London-Gig mit Gilmour, aber immerhin.

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  2. GP war sogar der Überzeugung, Sie müssten anwesend sein. Auf die Schnelle entdeckten wir sie allerdings nicht unter den 10.000 Menschen. Jetzt wissen wir auch warum.

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  3. Tatsächlich empfinde ich es nie als unangenehm, wenn man mir fundiertes Hintergrundwissen zu einem momentan stattfindenden Ereignis zukommen läßt. Und da wir nunmal auf diesem Konzert waren und mein Bildungsstand in bezug auf PF nun wirklich erbärmlich ist, nehme ich solche Wissensschrapnelle gerne auf, um in belesener Runde ebenfalls gebildet zu wirken.

    Und keine Sorge - diese kleinen Patzer im Informationsfluß habe ich schon längst wieder vergessen. Leider.

    Die Extaste-Emma hätten Sie photographieren sollen. Wenn Sie denn eine Kamera durch die Kontrollen hätten schmuggeln können. So wie ungefähr 9000 andere Menschen.

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  4. Wenn die Streicher im Pizzicato bei "Comfortably Numb" erklingen, ist es tatsächlich stets eine Wohltat...

    Außerdem erinnert mich "Shine on you crazy Diamond" an das jugendliche "Blues tanzen" (so nannte man Fummeln im Partykeller Mitte/Ende der 70er Jahre).

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  5. Danke für den Gebrauch des Wortes „fummeln”, welches ich aufgrund häufiger Konsumption des „Mad”-Magazines doch häufig hörte - mittlerweile hat es sich aber nahezu vollständig aus meinem Gedächtnis gelöscht. Bis jetzt. Nochmal: Danke!

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  6. GP - ich hoffe, Sie haben oder hatten einen wunderschönen Abend.

    Alfred E. Neumann würde mir übrigens zustimmen. Leider habe vor allem die Hefte nicht mehr, in denen John Travolta und die Bee Gees verulkt wurden. Das war wahrhaftig große Kunst.

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  7. Ich glaube, mit dir dürfte ich nie ins Kino, wenn du einen Film schon einmal gesehen hättest, was ja insbesondere bei sog. Kultfilmen bei dem ein oder anderen vorkommt. Ich vermute, du würdest mir die besondren Szenen immer vorab erzählen. Vielleicht nicht brüllen, dafür aber flüstern.

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