14 September 2006

Warum der HSV wirklich gegen Arsenal verloren hat

Es gibt viele ekle Lebensmittel, die dennoch von vielen Menschen mit großem Behagen verzehrt werden. Andere Länder, sehr andere Sitten: Das lehrte uns vergangenen Sonntag in drastischen Worten die FAS. Eins der ekligsten Nahrungsmittel aber vergaßen die Frankfurter Kollegen zu erwähnen, dabei existiert es weitgehend unbehelligt in praktisch jedem deutschen Dorf: alkoholfreies Bier.

Der empörende Geschmack dieser Flüssigkeit, die Getränk zu nennen ich mir hiermit herrisch verbitte, erinnert an nasse Wellpappe, die in Styroporgranulat gewälzt wurde. Sie müsste ebenso verboten sein wie Genmais, doch sie ist erlaubt. Manchmal wird sie sogar behördlich verlangt, wie am letzten Wochenende beim Spiel St. Pauli gegen Union Berlin.

Niemals hätte ich im Stadion ein Bier geordert, wäre mir zuvor das Warnschild am Bierstand aufgefallen. So aber süffelte ich zufrieden am Becher, genoss das vollprozentige Astra und schaute zufrieden in die Welt. Denn der Standbesitzer war ein Fuchs: Er hatte das Schild nur ordnungshalber aufgehängt, es beim Ausschank aber ignoriert und die Fans klammheimlich trotzdem mit Vollbier versorgt. So waren alle zufrieden, die Behörde und die Fans.

Wie aber wird dieses diffizile Problem wohl beim HSV geregelt? Bekanntlich spielt der Verein aus irgendwelchen Gründen, die ob ihrer Surrealität schon wieder im Dunkeln liegen, in der höchsten europäischen Fußballklasse, der Champions League, und die zuständige Uefa hat ein generelles Alkoholverbot in allen Stadien verhängt.

Heute also fuhr ich zum Spiel gegen Arsenal London, vor allem, um der hohen Kunst des französischen Fußballgottes Thierry Henry zu huldigen. Als ich eintraf, erfuhr ich allerdings als Erstes von seiner Verletzung. Henry spielte nicht. Das war ein Schlag. Zum Trost wollte ich mir ein Bier gönnen. Am Stand hing natürlich ein Warnschild, welches auf den exklusiven Ausschank alkoholfreien Biers verwies. Aber den Trick kannte ich ja schon vom FC St. Pauli.

Trotzdem beschloss ich, auf Nummer Sicher zu gehen, und fragte einen frischversorgten Zecher, ob er wirklich nur impotente Plörre im Becher habe. „Fifty-fifty“, erklärte er und nippte mir aufmunternd zu, „es ist etwas verdünnt.“ Von einer solchen Variante war mir bislang nichts bekannt, doch warum sollte ich einem sympathisch wirkenden HSV-Fan in seinem eigenen Stadion misstrauen? Fifty-fifty – das könnte immerhin bedeuten, glimpflich davonzukommen, vor allem im Hinblick auf die brutale Drohung, die das Warnschild rücksichtslos in die Welt hinausposaunte. Insgeheim glaubte ich sogar immer noch an die pfiffige St.-Pauli-Variante.

Also orderte ich ein Bier. Und bekam nasse Wellpappe, die kaltlächelnd in Styroporgranulat gewälzt worden war. Natürlich war es mir nach dem ersten Schluck unmöglich, diese Flüssigkeit, die Getränk zu nennen sofort in den Kanon der unvergebbaren Todsünden aufgenommen werden müsste, weiterhin geregelt zu mir zu nehmen. Selbst der nach jeder Konsumhandlung aufkeimende Drang, die erstandene Ware auch zu verbrauchen, war chancenlos gegen die Kraft meines Widerwillens, und ich stellte den kontaminierten Becher auf einen Pfeiler und „vergaß“ ihn dort. Es standen übrigens schon fünf andere herum. Alle waren mindestens halbvoll.

Der HSV verlor folglich 1:2, St. Pauli war wenigstens auf ein Remis gekommen. Denk mal drüber nach, Beiersdorfer.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs über Fußball
1. „Three lions“ von The Lightning Seeds
2. „Rummenigge all night long“ von Alain & Denise“
3. „Red football“ von Sinéad O'Connor


Foto: Spiegel Online

7 Kommentare:

  1. Tja, der HSV, viel muss man da doch nicht zu sagen, das Bier passt irgendwie zu ihnen...
    Auf die Republik St. Pauli ;)

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  2. Muss leider ein wenig Anstoß an Deiner Ex-Cathedra Liste nehmen: Der großartigste Song über Fußball "Das hier ist Fußball" von Tomte muss einfach dabei sein.

    "Bayern besiegt, in Chemnitz verloren,
    man hört noch die Chöre in seinen Ohren.
    Meine Schulter ist nass durch des Nebenmanns Tränen,
    kann es etwas Schöneres geben?"

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  3. Das Schöne an Ex-Cathedra-Listen ist ja ihre Kritikimmunität … ;-}
    Aber danke für den wichtigen und willkommenen Hinweis.

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  4. "Wenn Dir St.Pauli auf den Geist fällt" von Die Sterne darf in diesem traurigen Zusammenhang leider auch oft genannt werden.

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  5. Ich stelle fest, St. Paulianer werden sogar nach einem Besuch des früheren Volksparkstadions bei Rückkehr immer wieder in die Gemeinde aufgenommen. Das zeugt von Toleranz und Weltoffenheit. Diese durfte ich mit Paulifans in HH auch einmal erleben, muss aber erst recherchieren, ob ich sie nicht schon einmal erzählt habe.

    btw: Besucher der neuen "Arenen" kommen sich tatsächlich oft vor wie ein "Red Football" im Sinne von O´Connor. Und: Die Empörung über alkoholfreies Bier kann nicht größer sein.

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  6. Als ein alter Bremen Fan geniesse ich prinzipiell jede Niederlage des HSV. Schlimm war nur dass auch wir verloren haben. Aber hey, die Frankfurter haben dafür Bröndby den Hintern aufgerissen. Hesse bleibt Hesse nehm ich mal an :)

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  7. Tja, ich muss dich enttäuschen: Obwohl ich Hesse bin, gehörte mein Herz stets dem 1. FC Köln. Und das wird auch so bleiben. Zur Eintracht habe ich ein ähnliches Verhältnis wie zum HSV: Ich drücke ihnen international die Daumen, begleite allerdings Niederlagen auf nationaler Ebene mit mühsam verhohlener Häme.

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