17 September 2006

Unheimliche Begegnung der fetten Art

Heute mittag warte ich, wie immer mal wieder sonntags, im Penny-Markt Reeperbahn in der Kassenschlange. Ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten stehe ich vor statt hinter meinem Einkaufswagen, ich weiß auch nicht warum.

Plötzlich sehe ich, wie ein Wagen herrenlos links an mir vorbeirollt; es ist offenbar meiner. Noch ehe ich ihn zu fassen bekomme, touchiert er sanft das Gesäß meines Vordermanns, der ordnungsgemäß hinter statt vor seinem Einkaufswagen steht. Der dreht sich rechtschaffen erstaunt um, doch ich schaue rechtschaffen erstaunt zurück, denn ich weiß ja selber nicht, was los ist.

Also drehe ich mich ebenfalls um – und erblicke das Gesicht eines bulligen Menschen mutmaßlich türkischer Provenienz, dessen Stirn von einem düsteren Ingrimm umwölkt ist. Offenbar hat es den Herrn über Gebühr gestört, mich vor statt hinter meinem eigenen Einkaufswagen vorzufinden. Doch statt dieses Ungemach mündlich zu thematisieren, entschied er sich ohne Umschweife für die nonverbale Variante: Wagen wegschieben, ins Gesäß meines Vordermanns.

Ein Affront für mich, ganz klar. Eine Reaktion ist vonnöten. Die äußerlichen Merkmale des Wagenwegschiebers – grauschwarzer Stoppelbart, verwachsene Augenbrauen von werwolfhafter Buschigkeit, 100 Kilo Lebendgewicht – lassen in mir jedoch schlagartig die Überzeugung reifen, es könne von erheblichem Vorteil sein, mich möglichst widerspruchslos in die neue Sachlage zu fügen.

Also drehe ich mich offensiv wortlos wieder um, umfasse den Bügel meines Einkaufswagens und genieße mit sorgsam kaschierter Schnippischkeit die Vorzüge einer kleinmütig, aber weise vermiedenen Eskalation. Sie hätte was weiß ich für Folgen haben können, und von denen liest man gemeinhin am nächsten Tag in Mopo und BILD, Rubrik: Polizeimeldungen. Das muss ja nicht sein.

Außerdem wartet zu Hause Ms. Columbo auf Klopapier und Brötchen. Und nicht auf einen Blogger mit Nasenbluten.

PS: Das heutige Foto zeigt keinen Ersatzplaneten für Pluto, sondern die neue Illumination des Reeperbahnmittelstreifens: eine ins Gras eingelassene Lampe, die von unten die Bäume anstrahlt.

Ex cathedra: Die Top 3 der Songs übers Einkaufen
1. „Down in the mall“ von Warren Zevon
2. „Shopping cart“ von Schneider TM
3. „Hush little baby“ von The Weavers

2 Kommentare:

  1. Wieder mal köstlich geschrieben. Das sind die kleinen Dinge des Alltags, die richtig was hergeben.

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  2. Ja, und man erlebt praktisch jeden Tag welche. Der Blogstoff liegt auf der Straße.

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