Damals, als wir noch ein Auto hatten, habe ich mal am Westende der Reeperbahn illegal gewendet, um wieder umweglos zurückfahren zu können. Warum ich nicht vorm Losfahren das doch offenbar so Wichtige erledigt hatte und um was es sich dabei gehandelt haben könnte, ist mir ersatzlos entfallen.
Jedenfalls tuckere ich nach der gesetzlosen Wende wieder zufrieden die Reeperbahn hoch, als ich im Rückspiegel jenes grellblaue Lichterspiel erblicke, welches man partout nicht im Rückspiegel erblicken möchte. Verursacher ist ein Streifenwagen.
Zunächst münze ich dieses unangenehm hektische Signal gar nicht auf mich. Allerdings hängt mir der Wagen peinlich nah am Heck und macht keine Anstalten, heroisch den Schauplätzen empörenderer Verbrechen entgegenzueilen. Nein, die Ordnungsmacht hat mich im Blick. Ein kurzes Aufjaulen der Sirene vermittelt letzte Gewissheit: Ich soll bremsen, sogar stoppen, und zwar genau jetzt.
Meine Drüsen verdoppeln die Adrenalinproduktion. Ich muss anhalten! Höchst ungern allerdings mitten auf der Reeperbahn, dann wäre man ja ohne Not ein Verkehrshindernis, und das kann selbst die Kiezpolizei nicht wollen, nicht wahr?
Also rolle ich schwitzend und blaulichtumflackert weiter bis zur Lincolnstraße, biege dort ein und halte auf einem kleinen ungeteerten Parkplatz gleich linker Hand. Der Streifenwagen tut es mir gleich, zwei grimmige Männer steigen aus, die Waffen im Halfter und Verärgerung im Blick. Auch ich steige aus.
Sie stehen vor mir. Einer sagt eine Spur zu schneidend: „Warum haben Sie nicht angehalten? Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte.“ Ich murmele etwas von Nichtbemerkthaben und der Vermeidung von Verkehrshindernissen mitten auf der Reeperbahn, doch der Zorn der Uniformierten schwindet im Zuge meiner Ausführungen nicht, im Gegenteil. Ich hätte, hebt der Wortführer nun sinngemäß an, am Abzweig zum Fischmarkt das Wendeverbot ignoriert, und das schreie nach Bestrafung.
Ein Dementi würde nichts fruchten, wie mir zügig dämmert, zumal die Einsicht in meine Schuld sich bestimmt in einem höchst halbherzigen Vortrag niederschlüge. Ich bin also widerstandslos bereit, mich in mein Schicksal zu fügen, welches sehr bald einen Bußgeldbescheid für mich bereithalten wird – als plötzlich eine schnarrende Stimme aus dem Funkgerät des Streifenwagens dringt. Einsatzbefehl!
Die beiden stürzen augenblicks zum Wagen, und bevor der Fahrer hineinspringt, dreht er sich kurz um und ruft: „Na, da haben Sie aber noch mal Glück gehabt!“ Und dann brettern diese Helden des Alltags davon, Kies klackert über die Lincolnstraße, und Sekunden später erinnert nur noch eine träg in der Luft träumende Staubwolke an die leidenschaftslose Lakonie, mit der die beiden einen Kleinen laufen lassen, um die ganz Großen zu fangen.
Dafür habe ich mich nie bedankt. Bei wem auch? Sie waren ja weg. Und wären sie dageblieben, hätte ich keinen Grund zum Dank gehabt, sondern einen Strafzettel.
Seither habe ich gewissermaßen dauerhaft 30 Euro mehr in der Tasche, zuungunsten der Stadtkasse.
Ex cathedra: Die Top 3 der Songs, in denen Polizisten vorkommen
1. „Hey cop" von A Subtle Plague
2. „Police & thieves" von The Clash
3. alles von The Police
(Foto: Reeperbahn, östliches Ende)
also "the police" gehen schonmal gar nicht...da hätte ich mehr erwartet...
AntwortenLöschenalternativvorschlag: springsteen - state trooper
der gute herr kommt übrigens eh bald nach hamburg (und ich hab keine karte, bzw. kein geld dafür...)..
cheers
stefan
Moin,
AntwortenLöschensehr geile Geschichte und ja ich hasse sie auch die kleinen grünen Männchen. Vorallem weil sie immer NUR mich erwischen.
Grüße
wasi
*ha*, da habe ich auch gleich 2 Geschichten (eigentlich mehr, aber diese beiden sind am präsentesten):
AntwortenLöschen1. Ich, noch nicht volljährig und somit auch nicht im Besitz eines Fühererscheins, und mein Freund und nun schon langjähriger Ehemann fahren nach Ahrensburg in die Disko. Er trinkt ein Bierchen (oder 2-3..) und wir wollen irgendwann nach Hause. Natürlich steht das Auto in einer Einbahnstraße, aber wir wollen SCHNELL nach Hause und die nächste Hauptstraße ist gut zu erkennen. Also flugs gewendet. OOOps: am Ende der Straße stehen sie, die Freunde und Helfer. "Guten Tag, die Papiere bitte!" Der Freund spricht mit möglichst geschlossenem Mund und bei weitest geöffnetem Fenster, man weiß ja nicht, ob dieser Polizist NICHT an einer Allergie leidet. Der Freund ist am Kontrollieren, sein Helfer steht dicht bei dem Polizeifahrzeug. Da nagelt doch einer in selbiges, ungebremst, *rummmms*! Der Freund und Helfer dreht sich einmal um die eigene Achse und bedeutet uns dringendst, entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung weiter zu fahren.... *phew*
2. Wir kommen vor 3 Tagen aus dem Kino, das sich nicht unweit der Hauptpolizeiwache befindet. Es ist stockfinster. EINSATZ! Blaulicht ist an, aber sonst nix... Der Kommentar des Exfreundes und Ehemannes: "Ohne Hupe, ohne Bremse, ohne Licht..."
Ich finde das nett; das ist fast so, als wenn man sich den Mathelehrer ohne Unterhosen vor der Klasse vorstellt. Alle Ängste sind irgendwie dahin.
Und sie wollen uns doch nur bewahren vor größerem Unheil!
Übrigens habe ich seit einiger Zeit, genauer gesagt seit die örtliche Polizeidienststelle im Randgebiet einer norddeutschen Kleinstadt nachts nicht mehr besetzt ist, einen Alptraum: ein Einbrecher befindet sich im Haus und ich wähle 110. Da sagt eine Automatenstimme: "Bitte wählen Sie die Nummer Ihrer örtlichen Polizeidienststelle." Ich schleiche mich zum Telefonbuch, finde auch die Nummer und dann sagt eine Automatenstimme: "Sie rufen außerhalb der Dienstzeit an. Bitte versuchen Sie es morgen noch einmal. Vielen Dank" Alternativanage ist: "Alle diensthabenden Beamten befinden sich im Einsatz, helfen Sie sich selbst."
Das war lang, ich weiß... SORRY!
Kein Grund für ein Sorry - im Gegenteil: Dieser Kommentar hätte bei dir glatt einen eigenen Blogeintrag abgegeben, stattdessen steht er hier. Freut mich sehr!
AntwortenLöschenVor allem die erste Geschichte toppt meine aber bei weitem. Da ist ja richtig Liveaction drin!
Gestern Abend erlebte ich doch schon wieder eine Polizei-Einbahnstraßen-Geschichte!
AntwortenLöschenDiesmal in meinem blog zu lesen :)
Matt und Caren - Ihr seid wahre Glückskinder. Seht es einmal so...
AntwortenLöschenOlaf M. aus H.